Iweder der Abgang des Fürsten Bismarck Einfluß, nochdie Arbeiterschutzkonferenz, noch das schmeichlerische Lüftchen,das mitunter wehen mag.Das sind Episoden; und wir haben Geschichte zumachen.Eben so entrüstet, wie wir die zugemuthete Unruheund den zugcmutheten Verrath zurückweisen, müssen wiruns gegen den zweiten Theil des sauberen Programmserklären, über dem der Genius Puttkamers schwebt, wieüber dem ersten derjenige Hintzpeters. Wir werden ausder Hut sein vor der Lockspitzelei. Sozialdemokratenwerden den Herrn den Gefallen nicht thun, Revolten zumachen. Wir sind keine Kinder, welche vor Ungeduldzappeln, und die jungenhafte Anarchistenpolitik findet beiuns keine Anhänger. Durch die Köpnicker Vorgänge sindwir gewarnt; die Lockspitzel mögen auf der Hut sein; wirwerden sie behandeln, wie sie es verdienen.Die Erfinder der schlauen Politik der neuen Aeraaber mögen sich eins bedenken: ihre Politik ist dieselbe,wie die, an der Bismarck soeben bankerott geworden ist.Bei ihnen wird der Bankbruch nicht so lange auf sichwarten lassen; die Entwickelung gleicht in ihrem Gangedem fallenden Stein, sie geht von Stunde zu Stundeschneller.Und so wird auch diese dumme und verlogene Kreuz-zeitungspolitik schneller von ihrem Ende ereilt werden, wiedie frühere.Frankreich auf der Arbeiterschutzkonferenz.i.Die bürgerliche Afterrepublik der französischen Groß-bourgeoifie hätte ihrem festen Willen, dem Kapital durchSchutzmaßrcgeln zu gunsten der Arbeit kein Härchenkrümmen zu lassen, keinem besseren und charakteristischerenAusdruck verleihen können, als sie es durch die Zusammen-setzung der zur Berliner Konferenz gesendeten Delegationgethan.In der That, dieser Delegation gegenüber, derengeistiges Haupt und Mittelpunkt der sozialpolitische TartuffeJules Simon ist, hätte es keiner besonderen Reserven,keiner besonderen Instruktionen über die Fernhaltung derReduktion des Arbeitstages bedurft, um die Interessen desKapitals in wirksamer Weise vertreten zu lassen, gegen-über den schwindsüchtigen Anwandlungen, die Interessender Arbeit zu schützen. Wenn irgend etwas, so schreibtdie Wahl dieser Männer und das ihnen mitgegebene Pro-gramm für die dritte bürgerliche Republik das„Menemene tekel upharsin." Ja, sie ist gewogen und zu leichtbefunden, den dringendsten Interessen der Arbeitermassegegenüber, gewogen und zu leicht befunden, im Berständnißder geschichtlichen Entwickelungen und Nothwendigkeiten,gewogen und zu leicht befunden, um wie früher auf demVorposten der historischen Entwickelung zu stehen, die Zivilisation zu weiteren Siegen zu führen, gewogen und zuleicht befunden, weil der Geldsack, das Kapital so schwerin die eine Wagschale fällt, daß die andere federleicht indie Höhe schnellt.Freilich, nicht das ganze ftanzösische Volk ist mit demantidemokratischen Gebahren der Regierung gerichtet, sondernnur die Kaste, die politisch und ökonomisch das Szepter inHänden hält, die Bourgeoisie. Die Berliner Konferenz istwie ein Meilenstein in der Geschichte der französischenBourgeoisie und zeigt, wie unter dem Drucke des Klassen-kampfes ihr Weg reißend schnell abwärts und rück-wärts geht.Und doch, welche günstige Gelegenheit hatte Frank-reich, auf der Berliner Konferenz eine moralische Revanchefür Sedan zu nehmen, indem es sich zum entschiedenenVorkämpfer der Forderungen machte, welche zu absolutenNothwendigkeiten geworden sind, indem es durch sein Ber-ständniß für die Situation wie früher den Staaten desKontinents die Fahne des Fortschritts voran trug. Diegegenwärtige französische Regierung hat nichts von alledembegriffen, sie hatte nur Sinn und Berständniß für denSchrei des Kapitals:„Die Kasse muß gerettet werden."So sind die Emissäre der Republik nicht wie früher umdas Banner geschaart, das in seinen Falten die Freiheitüber Europa tragen sollte, sie drängen sich um eineStandarte, welche die Ausschrift tragen sollte:„Hier solldem Kapital der Pelz gewaschen, aber nicht naß gemachtwerden." Das Wort saßt den kurzen Sinn der langenVertröstungen, Bedenken, Reserven und Instruktionen derBerliner Konferenz gegenüber zusammen. Und die Dele-gation verkörpert dieses Wort in charakteristischer Weise.Das ftanzösische Großkapital hätte keinen typischerenVertreter finden können, als den Senator und Akade-miker Jules Simon.Aus bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen hervor-gegangen, katzbuckelte er sich durch seine salbungsvolle Ge-schmeidigkeit nach oben, durch sein demagogisches Kokettirenmit liberalen Ideen nach unten, schnell zu einer poliritischbedeutenden Rolle empor. Unter dem Kaiserreich gehörteer der republikanischen Opposition an und spielte seine Rolleals„Jesuit der Demokratie" so trefflich, daß er nach dem4. September Mitglied der provisorischen Regierung ward.Von nun an ließ er die Maske fallen und unter derKommune, wie in den ihr folgenden Jahren bis zurGegenwart kam unter dem Schafspelz der BolkSfreundlich-keit und einer„weisen ethischen Philosophie" über Lebenund Politik der Wolf des eingefleischtesten Konservatismus,der blindesten und egoistischen Klasseninteressen zum Bor-schein. Er solidarisirte sich mit Leib und Seele mit derdem französischen Volk so verhängnißvollen Thters'schenPolitik, wie sie noch jetzt den Leitstern des Opportunis-mus bildet. Die Bourgeoisie belohnte ihn für seine poli-tisch-literarischen Lakaiendienste durch mehrmalige Verleihungeines Ministerportefeuillcs.Die aus der demagogischen Periode seines Lebensstammenden Werke wie die„Gewissensfreiheit",„die Ar-beiterin", der„Arbeiter vor acht Jahren", die von rühr-seliger Empfindelei und der plattesten liberalisirenden Spieß-bürgermoral strotzen, suchte er späterhin durch Schriften,Artikel und Reden abzubüßen, in denen er in glatter,formvollendeter Sprache und echt psäffischem Ton dieTheorien des politiscken Stillstandes und des ökonomischenlaisser-faire predigt. Die Bourgeoisie preist ihn dafürals einen„Weisen" und einen„Philosophen." Allenwahrhaft demokratischen Reformen abhold, wittert er hinterden blassesten Versuchen, der Ausbeutung des Proletariatsdurch das Kapital Zügel anzulegen, den„Staalssozialismus",dessen„geschworener Feind" er ist. Ten Emanzipations-bestrebungen der Arbeiter steht er mit dem ganzen unver-söhnlichen Haß und blinden Unverstand des satten undübersatten Bourgeois gegenüber, der nicht in der Verdauung gestört sein will und der nach der luxuriösen Mahbzeit über die Tugenden der Emhaltsamkeit und GenügsamkeitPhilosophastert.Beiläufig sei bemerkt, daß sich Jules Simon zur Zeitseines Liebäugclns mit den Arbeitern vorübergehend in dieInternationale verirrt hatte!Sein Kollege bei der Delegation und im Senat, derehemalige Ziseleur Tolain gehört gleichfalls zu denen,welche der Weg über die Fleischtöpfe Egyptens zu einemsozialpolitischen Damaskus geführt hat.Auch Tolain zählte zur Zeit der Empire zu„denRothen". Seine geweckte Intelligenz und sein bedeutenderednerisches Talent verschafften ihm unter seinen Kameradenschnell Einfluß, und er ward von ihnen 1861 als Reben-sekretär der Arbeiterkommission auf die Weltausstellung zuLondon gcsckickt. Er gehörte zu den Gründern der PariserSektion der Internationale und war in deren erste Pro-zesse verwickelt. Als die Kommune einen so grellen Blitzauf den Gegensatz der Klassen warf und das Proletariatvor der Hand als besiegt zeigte, erkannte Tolain, daß esvor der Hand vortheilhafter sei, sich aus die Seite derHerrschenden zu schlagen. Seine dcmentsprcchende Haltungin der Schmachvcrsammlung Bersailler Angedenkens ließihn das Vertrauen der Arbeiterklasse für immer verscherzen,dafür machte er nun aber unter der Acgide der Bourgeosieschnelle Karriere, die ihn in den Senat führte.Bei dem französischen Proletariat ist sein Name viel-fach ein Synonym für„Verrath an der Arbeitersache" ge-worden, ebenso wie er häufig als deren„Judos Jschariol"bezeichnet wird. Jedenfalls thut man dem Mann damitmehr Ehre an, als er verdient. Er halte auch vor derKommune keine geklärten Ueberzeugungen, seine ganzeprinzipielle Bagage bestand aus sentimental-kleinbürgerlichenPhrasen, mit proudhonistischen Utopismus gewürzt undgespickt. Er konnte.im'Namen der„Tradition der großenRevolution" der dritten bürgerlichen Republik in die Armesinken, ohne viel von den Ueberzeugungen, die er nichthatte, zu vcrrathen. In dem Senat gilt er trotzdem alsder Bertheidiger der Arbeiterinteressen. Wie der Fuhr-mann stutzt, wenn er die Peitsche knallen hört, so erinnertsich nämlich Tolain seiner Herkunft und der jugendeseligenBestrebungen von anno dazumal, wenn im Senat Arbeits-schutzgesetze erörtert werden. Er erinnert sich der altenZeiten und tritt schüchtern und verschämt für eine Arbeits-schutzgesetzgebung ein, soweit sich dieselbe mit den„Prin-zipien der individuellen und industriellen Freiheit"(liesder schrankenlosen Ausbeutungsfreiheit) verträgt und durchrein philantropische und humanitäre Gründe vor derBourgeoisie, entschuldigen läßt. Bei seinem„Eintreten fürdie Interessen der Arbeiter" vermeidet er sorgfältig alles,was den Verdacht erregen könnte, als stehe er auf demStandpunkte des Klassenkampfes und fordere als Recht,was er als Almosen zu erbetteln sucht. In den AugenJules Simon's gilt Tolain trotzdem als„wahrer Sozialist"-Der Abgeordnete und Professor Burdeau hatsich vielfach mit dem Studium naiionalökonomischer Fragen,besonders auch aus dem Ressort der Finanzen und Steuernbeschäftigt. In welchem Geist und Sinne erhellt daraus,daß er Verehrer Jules Simon's, Freund Tolain's, Mit-arbeiter an der politischen Hauspostille der Bourgeoisie,dem„Tcmps", ist und mit dem Percy des Manchester-quarks, Dves Guyot zusammen den„Globe" redigirt.Trotz dieser anrüchigen Antecedenzien soll Burdeau nacheinem Interview erklärt haben, daß er im Prinzip füreinen gewissen gesetzlichen Arbeiterschutz ist. Augen-scheinlich sucht er die„Prinzipien, welche sich aus denTraditionen der Revolution ergeben", in morganatischerEhe mit einer beschränkten und halben Arbeitsschutzgesetz-gebung zu vermählen. Der Mann muß offenbar unterdie Halben, unter die Herren Einerseits und Andererseitsklassifizirt worden, die in den Nebeln der Harmonieduseleiherumwankcn.Der Generalinspektor der Minen Lindu sollgroße technische Kenntnisse besitzen, und den Forveningeneiner Schutzgesetzgebung gegenüber sehr„versöhnliche An-chaungen" haben.(Schluß in nächster Nummer).Gnslische Arkeiterverhaltnifle in deutsch-kapitalistischer Keleuchtung.m.Der Bericht der von deutschen Kapitalisten nachEngland gesandten Untersuchungskommission giebt sich wiewir gesehen haben, redliche Mühe, die englischen TradeUnions in einem möglichst ungünstigen Lichte erscheinen zulassen, ihr Wirken als höchst bedrohlich und unheilvollfür die Herrschaft der Kapitalistenklasse hinzustellen.Nichtsdestoweniger sieht sich die Kommission—«anwird erkennen, weßhalb— gezwungen, den Trade Unionseine gewisse Anerkennung zu zollen. Der Bericht sagtnämlich, daß sich in England die Verhandlungen zwischenden Wertbesitzern und Arbeitcrveriretern bei Streiks undsonstigen Streitigkeiten im großen und ganzen in denFormen völliger Gleichberechtigung vollziehen. Der Berichtsucht nun nach einer Erklärung für diese merkwürdige, inDeutschland noch nie gesehene Erscheinung. Er findet siedarin, daß die Haltung der Trade Unions im Allgemeinenmaßvoll und ihre Forderungen vernünftig,„reasonable",seien. Ueberhaupl spiele in England weil mehr als bei|uns das Wort„reasonable" eine große Rolle,„mit andemWorten, es werde bei dem dortigen Arbeiter, bezw. seinenFührern die Nolhwendigkcit des Zusammengehens vonKapital und Arbeit klar erkannt und anerkannt."Besonders Herr Dr. Beumer lobt die„ruhigen, jsachlich-klaren und durch das Ziliren hervorragendernationalökonomischcr Schriftsteller(vermuthlich Leute, wie jGiffen und Leone Levi, d. V.) begründeten Ausführungen",welche der Kommission seitens der Arbeitersekretäre derUnions durchweg zu Theil geworden seien; und als national-'ökonomische Egeria der vereinigten rheinischen und west-fälischen Eisenindustriellen sowie des Kapitalistenblattes-„Stahl und Eisen" hat Herr Dr. Beumer hierin ein unbestreitbar authentisches Urtheil.Herr Dr. Beumer kramt daher mit Wohlbehagen dieökonomische Weisheit aus, welche er durch die fteundlicheBelehrung der Trade-Unions-Sekretäre in sich ausgenommenhat. Alles was nack ihnen der Arbeiter verlangen könne,-sei a tair day's pay for a fair day's work, ein ehrlicher Tagelohn für ehrliche Tageardeit, mehr dürfe undkönne nicht verlangt werden. Durch ein„destruktives"Borgehen gegen das Kapital würde ja der Arbeiter selbstden Ast absägen, aus dem er sitze; durch„übertriebeneLohnforderungen" könne sich das Kapital veranlaßt sehen,sich von der Industrie zurückzuziehen, und dann bleibe de«Arbeiter gar nichts übrig. Nur eine„auskömmliche, de»Verhältnissen entsprechende, gute, sichere" Existenz sei fürden Arbeiter zu verlangen. Sei dieses Ziel erreicht, sosei gar nichts dagegen einzuwenden, wenn der Arbeitgebergroßen Gewinn erziele, in Luxus lebe und Kapital anhäufe, denn dadurch werde die Arbeit wieder befruchter. jDa haben wir die wohlbekannte Harmoniesimpeleiin einem Auszüge, wie er wässeriger nicht gedacht werde»kann. Kein Wunder, daß er Herrn Dr. Beumer, dcrnicht gerade ein ökonomischer Feinschmecker ist, köstlicbmundet. Die in Rede stehenden Arbeitersekretäre sind alsoglücklich auf dem erhabenen Standpunkt des Harmonie-apostels Bastiat angelangt, den die deutschen Arbeiterbereits vor mehr als einem Bierteljahrhundert zu verlasse»anfingen, und der hier heute eine fromme Legende ist-ES sei hier übrigens bemerkt, daß die Hormoniefaselei>»England noch verhältnißmäßig am wenigsten sinnlos ge-wesen ist, weil, so lange England das Jndustriemonopo»der ganzen Welt besaß, der englische Arbeiter, namentlichder gelernte, aus diesem Privilegium einen gewissen Vortheilzog. Mit dem englischen Jndustriemonopol ist es aberjetzt vorbei.Herr Dr. Beumer behauptet, daß ihnen die obige»Ansichten von den Trade-Unions-Sekrelären„durchweg*ausgesprochen worden seien. Da scheint ein merkwürdigerZufall der Kommission die Leute ausgesucht zu haben, diesie interviewte. Ein Blick in das Protokoll der letzte»Trade-Union-Kongresse würde sie eines Besseren belehrthaben. Indessen soll nicht geleugnet werden, daß dieLeute der Klique Broadhurst-Shipton noch immer zahlreiiöund mächtig in den Trade-Unions sind. Die jüngste»Ereignisse zeigen aber, wie sehr ihr Einfluß im Schwinde»begriffen ist. Shipton hat vor einiger Zeit daS Präsidi»'»des Londoner Tradcs Council niedergelegt, und Broadhurß� RS— er sich im Herbstparlamentarische»aus Gesundheit»'die Ansichten ve'„Führer" decke»-hat kürzlich öffentlich angekündigt, daßvon seiner Stellung als Sekretär desKomitees zurückzuziehen beabstchliae—rücksichlen.Daß sich, ganz abgesehen hiervon,Arbeiter keineswegs mit denen ihrerdafür kann man ein gewichtiges Zeugn'iß herbeibringt»:Aus dem letzten Gewerkschaftskongreß(Herbst 1889) blie»nämlich die Behauptung des Präsidenten Rilchie nichtunwiderlegt, sondern unwidersprochen, daß die rank and 6�, große Masse der Tradeunionisten in ihren wirlb'schaftlichen Ansichten weit fortgeschrittener sei als ih�„Fuhrer."Nun handelt es nch aber für die Kommission bar»*aufzudecken, woher„solche gesunde Ansichten" der Arbeite�sekretare kommen. Hier bewährt sich das geniale J»#'pretatwnsvermögen des Herrn Dr. Beumer auf's Glänzendste-„Dieser gesunde Sinn eines großen Theils der englis-be»gelernten Arbeiter ist, wie es uns scheint, in erster Li»''k- r ii?lCn«Udungsdrang zurückzuführen, �n diesen Schichten aus Schritt und Tritt gesunden Wirdum diese schone Schlußsolgerung zu bekräftigen bringt<einige Beispiele für das Bildungsbestreben der engl'I-�Arbeiter herbei.ai r�pencc Watson, einem Advokaten in N-»caflle hatten sich eines Tages acht Arbeiter eingesunde»o f xl" feien auch ein Paar Professoren �& bagewefen, welche bei einem Gespräche mii�