Einzelbild herunterladen
 

daß sie einige Sammellisten übernehmen, welche vom Unter- zeichnete» auf Verlangen zugeschickt werden. Bemerken wollen wir noch, daß die sämmtlichen Streikenden «rganisirt sind, sowie daß die Filiale Hamburg über- Haupt das Rückgrat unseres Verbandes ist. Geht die dortige Filiale in dem Kampfe zu gründe, so erleidet unsere ganze Organisation eine schwere Erschütterung. Weiter wollen wir noch bemerken, daß wir schon das ganze Jahr hindurch eine Reihe sehr hartnäckiger Lohnkämpse zu führe» hatten, welche die Opferwilligkeit unserer Mitglieder stark in Anspruch genommen haben. Der Zentralvorstand. I. A.: A. Knoll, Berlin NW. , Waldenserstr. 18. Anfrnf an die Schuhmacher der Provinz Brandenburg und VorponniiernS! Laut Beschluß der Schuhmacher-Konferenz zu Berlin und der Generalversammlung zu Kassel hat sich in Berlin eine A g i t a t i o n s k o m m i s s i o n für Brandenburg n»d Vorpommern gebildet. Aufgabe derselben ist. die Kollegen . durch Veranstaltung von Versammlungen und Verbreitung von Flugblättern über ihre Lage aufzuklären. Die Kollegen in den einzelnen Orten, welche in ihrer Thätigkeit durch Redner, Agitationsmatcrial u. f. w. unterstützt sein wollen, werden ersucht, sich mindestens vierzehn Tage vorher an den Unterzeichneten zu wende». Mit kollegialem Gruß Johannes Stauer, Berlin NO.. Höchstestr. 3, H. 3 Tr. Alle arbeitersreundlichen Blätter Brandenburgs und Vor- pommerns werden um Abdruck gebeten. Achtung, Arbeiter Berlins ! Die Vertreter des Magistrats haben vor dem Einigungsamt in Sachen der ausgesperrten st ä d t i s ch e n G a s a r h e i t e r das Versprechen gegeben, die Aus« gesperrten wieder cinznstellen; bis jetzt ist aber noch niemand ein- gestellt worden und nach den Aeußerungen von Beamten der Gaswerke solle» auch in der nächsten Woche Einstellungen noch nicht erfolgen. Daher bitten wir die Sammlungen für die Aus- gesperrten fortsetzen zu wollen und die gesammelten Gelder so- sort an das Gewerkschaftsburcau(Adressen R. Millarg, Annen- straße 16) abzuführen. Das Streikkomitee. Achtung, Gürtler, Driitker und BernfSgenofsen! Säminttiche Arbeiter der Firma Siegsried Warschauer Nachfolger in Berlin . Ritterstraße 41, Hos park., haben wegen Nichtbewilligung ihrer Forderung die Arbeit nieder- gelegt. Der Ausstand sämrntlicher Arbeiter der Firma Paul Staber nack, Liudenstraße 70, dauert unverändert fort. Die Firma Schramm er, Rixdorf, hat ihre Bewilligung zurück- gezogen. Zuzug ist fernzuhalten. Der Vorstand des Verbandes aller in der Metall-Jndustrie beschäftigten Arbeiter Berlins und Umgegend. Achtung, Glaser Berlins und Umgegend l In die Liste der Unternehmer, die die 0 stündige Arbeiiszeit und 24 M. Miuiiuallohn(für Bleiglaser 27 M.) bewilligt habe», sind noch folgende Firmen einzutragen: Bernhard u. Zielke, Schöne- bergerstraße; H. W. Röhlich, Ritterstraße! Fahnkow, Skalitzer- straße; Westphal, Schützenstraße; Fischer, Manßenstraße; Hennig, -Waldstraße; Schultz, Stromstraße; Hennig, Mohrenstraße; Höhne, Usedomstraße; Sievert, Forsterstraße; Heinersdorf u. Ko., Friedrichstraße; Giebel, Adlershof ; Czerwonka u. Baranek, Pallisadenstraße; Zerwick, Pankow ; Olto, Wasserthorstraße. Bei Wahl u. Sohn solle» nach einer Mitlheilnng an den Jrinungs- Arbeitsnachweis die Forderungen ebenfalls bewilligt sei». Theilweise haben bewilligt: G.Alt(Lohn), Ganter(Lohn), Spin» u. Co.(9 Stunden), Jglisch(9 Stunden), Bröge(9 Stunden). Von den Kollegen der Werkstätten Nauschütz, Diede, Jachmann, Maugk(Schöneberg ), Schelsky ist uns noch kein Bescheid zugegangen. Von der Firma Franz Becker, Stein- metzstraße 57, ist Zuzug streng fernzuhalten. Kollegen, kommt Euren Verpflichtungen gegenüber dem Streikfonds nach! Zum Schluß machen wir noch aus die Versammlung aufmerksam, die morgen, Montag, abends 8 Uhr, in den Arminhallen, Komman- dantenstraße 20, abgehalten wird und ersuchen um regen Besuch. Die Streikkommission der Glaser Berlins und Umgegend. Achtung, Putzer Berlins ! Nach dem Beschluß der letzten Generalversammlung werden seit 5. Oktober neue Arbeits- berechtigungskarten herausgegeben, die von sämmtlichen Putzern, welche nicht unter dem Tarif arbeiten, in Empfang ge- nommen werden könne». Ausgeschlossen sind die Kollegen, welche bei Putzmeistern in Arbeit bleiben. Der Beitrag zum Streik- Unterstützungsfonds beträgt wöchentlich 25 Pf. Die Kollegen werden ersucht, ihre alte» Arbe>tsberechtigungskarten mit dem Schlußstempel der Kommission versehe» zu lassen und die Kontrolle auf den Bauten in betreff der Arbeitskarten und der ge­leisteten Beiträge selbst in die Hand zu nehmen. Die Lohn- ko m Mission der Putzer Berlins und Umgegend. Lokalorgauisirte Arbeiter! Die Abhaltung eines Kon- gresses lokalorganisirter Arbeiter wird voraus- sichtlich am 25. Dezeinber 1896 in Barmen stattfinden mit folgender Tagesordnung: 1. Nutzen und Zweck der Arbeiter- Organisationen. 2. Lokalorganisation und Nutzen derselben. 3. Branchen-, Industrie- oder allgemeiner Arbeiterverein. 4. Unter welcher Form treten lokalorganisirte Arbeiter in Ver- bindung? 5. Das Recht auf Existenz. 6. Verkürzung der Arbeitszeit. 7. Wann sind Streiks zu führen und von Nutzen? 8. Zeitschrist für lokalorganisirte Arbeiter. 9. Allgemeine Anträge. 10. Verschiedenes. Ich ersuche nun, die Tagesordnung rege zu diskutiren, um so aus dem Kongreß eine schnellere Klärung der Sachlage herbeizuführen. Es steht jedem frei, geeignete und begründete Borschläge über Zeit und Ort zwecks Abhaltung des Kongresses zu machen. Sämmtliche Auslagen und Anträge sind zu richten an Hermann Poludnik, Drechsler, Barmen, Westkotterstraße 12. Die Buchbinder Hamburg- Altona'» haben ihre Forde- rungen bis jetzt in mehr als 50 Geschäften durchgesetzt. 470 Ar- beiter und Arbeiterinnen sind zu den neuen Bedingungen be- schäftigt. Die Innung hat der Lohnkommission der Gehilfenschast mitgetheilt, daß sie ihren Mitgliedern die Einführung der g'/estündigen Arbeitszeit und die Bezahlung der gesetzlichen Feier- tage sowie eine Aufbesserung des Lohnes empfehle, es ihnen jedoch überlasse, sich mit ihren Arbeitern über diese sowie über die übrigen Forderungen zu einigen. Die Lohnkommission veröffentlichte darauf eine Erklärung, worin es heißt: Die Zugeständnifle der Jnnungsmeister sind so winziger Art, daß es unS absolut unmöglich ist, darauf ein- zugehen. Die Verkürzung der Arbeitszeit(auf neun Stunden) ist unsere erste und wichtigste Forderung, an welcher wir un- bedingt festhalten müssen. Sie bildet die Grundlage aller übrigen Forderungen. Ebenso müssen wir an dem gewiß sehr niedrigen Minimallohn von 21 M. festhalten, denn unter diesem Lohnsatz kann kein Arbeiter in der Stadt Hamburg sein Dasein aus eine anständige Art und Weise sristen. Der Minimallohn für Arbeiterinnen von 9 M. muß schon im Interesse der Sittlichkeit hochgehalten werden, denn eine Arbeiterin, welche unier diesem gewiß geringen Lohnsatze zu arbeiten gezwungen ist, wird der Prostituiion in die Arme getrieben. Wenn die Herren Jnnungsmeister glauben, uns mit nichtssagenden Zugeständnissen abspeisen zu können, so irren sie sich. Wir werden den Kampf auf der ganzen Linie ansnehmen und werden nicht eher ruhen, bis unsere Forderungen bewilligt sind. Wenn wir die Presse, welche das Hamburger Publikum bei gewissen vorkommenden Bnchbinderarbeiten bezahlen muß, in betracht ziehen, so sind die Löhne unter 21 M. als außerordent- F ljch gering zu betrachten. Die Einwohnerschaft von Hamburg- Altona , die Export- und Handelshäuser Hamburgs haben gewiß ein Interesse daran, daß die in Buchbindereien und verwandten Berufen thätigen Arbeiter und Arbeiterinnen ihren Leistungen entsprechend entlohnt werden. Bei einer Anzahl Firmen ist das Personal bereits aus- ständig, bei den übrigen wird noch unterhandelt. Die Ham- burger Buchdrucker-Jnnung soll, im Gegensatz zur Buchbinder- Innung, die Forderungen akzeptirt haben, eine bestimmt zu- sagende Antwort ist bei der Lohnkommisfion aber noch nicht ein- gegangen; unter den Firmen, die beivilligt haben, befinden sich indessen bereits eine größere Anzahl Buchdruckereien. Zuzug nach Hamburg ist selbstverständlich aufs st r e n g st e zu meiden. B r i e f e, den Streik betreffend, sind zu richten an C. Grimm, Karlsburg . Curienstr. 11, Hamburg ; Gelder an H. Schmidt, ebendaselbst. Die Eisenbahnarbeiter Magdeburgs beschloffen in einer Versammlung die nochmalige Absendung einer Petition um Gehaltserhöhung und die Aufnahnie einer Statistik. Schließlich wurde ein Verein gegründet, dem sofort 173 Personen beitraten. Aus Altona berichtet daS.Hamburger Echo": Verrath und Niedertracht scheint die Eisenbahn-Verwaltung überall unter ihren Angestellten zu wittern. Am 14. August war in den hiesigen Blättern eine Notiz des Inhalts lesen: 400 C.,.nbahner beschlossen gestern Abend im W:ndt'schen Lokal die Gründung eines U n t e r st ü tz un gs v e r ei ns". Wie uns jetzt aus Altona mitgetheilt wird, hat sich die königl. Eisenbahndireklion gemüßigt gefühlt, diesen humanen Zwecken dienenden Unterstütznngsverein zu verbieten. Die Vor- standsmitglieder sind angewiesen worden, ihre Posten sofort niederzulegen und den Verein aufzulösen. Daß mit diesem Ukas den Eisenbahnern»in gesetzlich gewähr- leistetes Recht geraubt wird, das kümmert die Eisenbahn- Direktion nicht. Sie stößt die Eisenbahner mit der Nase daraus, daß sie von der Eisenbahnverwaltung nichts zu erwarten haben, und fördert so die sozialdemokratische Bewegung unter den Eisenbahnern. Unausgesetzt haben diese ihre Klagen an die Oeffentlichkeit gebracht, es ist der Eisenbahnverwaltung aber nicht eingefallen. Abhilfe zu schaffen, wohl aber hindert sie die Arbeiter noch, sich selbst zu Helsen , soweit das durch Bildung eines Unterstützungsvereins möglich ist, indem sie denselben verbietet. In Eiscnberg, Sachsen-Altenbnrg, hat der Streik in der Obst'scheu Eluisfabrik mit dem Siege der Arbeiter ge- endet. Sie bekamen ihre Forderungen bewilligt. Der Tischlcrstreik in Brüssel dauert nun schon zehn Wochen. Schon vor mehreren Monaten haben die Tischler den Meistern ihre Vorschläge unterbreitet. Die große Masse der Unternehmer zeigte sich den Forderungen nicht geneigt, sondern organisirte sich zum Widerstande gegen die Arbeiter. Das hatte Mitte Juli den Ausbruch des Streiks zur Folge. Noch niemals gab es in Belgien so schreibt man uns von dort eine so allgemeine und so schön verlaufene Bewegung. Auf der einen Seite die ausgezeichnete Haltung der Tischler, auf der anderen Seite die bewunderungswürdige Solidarität der übrigen Arbeiter. Jmmermehr sehen wir den einfachen Lohnstreit zu einem Klassenkampfe sich entwickeln. Die Unternehmer verschärften die Situation, indem sie auf den Streik einzelner Gruppen mit der Aussperrung fämmtlicher Tischlerei- Arbeiter antworteten. Aber die beabsichtigte Wirkung schlug fehl, weil die Tischler Mann für Mann zu einander standen. Die ganze kapitalistische Presse versuchte den Streik zum Scheitern zu bringen. Was sie am meisten erschreckte, war der von Tag zu Tag steigende Einfluß der Gewerkschast, deren Milgliederzahl von 2300 auf 1200 hinaufschnellte. Das war den Gegnern desto unangenehmer, weil die Mehrzahl der Unternehmer die Organisation nicht anerkennen wollte. Aber gerade dies hat die Arbeiter veranlaßt, die verfolgte Gewerkschaft zu stützen. Um ihre Friedensliebe zu zeigen, hoben die Arbeiter ihre Forderungen vermindert. Zuerst verlangten sie einen Stundenlohn von 50 Centimes(40 Pf), jetzt beanspruchen sie nur einen Mindestlohn von 45 Centimes(36 Pf.), Abschaffung der Bezahlung des Lichtes und Abschaffung der Bezahlung der Unfallversicherung durch die Arbeiter, zehnstündige Arbeitszeit, 10 Centimes Ausschlag für die Ueberstunde, nach 10 Uhr abends soll die Arbeitsstunde für anderthalb Stunden gerechnet werden. Der Verband der Unternehmer hat auch diese ermäßigten Forde- rungen zurückgewiesen, aber da er nicht alle Unternehmer um- faßt, hat der Gouverneur der Provinz alle Unter- »ehmer zu einer Versammlung zusammenberufen. Wie aber auch der Ausgang des Streits sein mag, zwei wichtige Punkte sind für die Zukunft festgelegt: die Bedeutung der Gewerkschaft und die vollständige Mißachtung der christlichen Demokratie seitens der Arbeiterschaft, welche Sorte von Demokratie wieder einmal bewiesen hat, daß sie das Vertrauen der Arbeiterklasse nicht verdient. Zum Streik der Werftarbeiter Flensburgs wird mit- getheilt, daß durch Agenten in den größeren Städten Deutschlands Ersatz für die Streikenden angeworben werden soll, und zwar handelt es sich um Arbeiter aller beim Werft- betriebe in betracht kommenden Branchen. Die Arbeiter Deutsch- lands werden deshalb ersucht, bei Arbeitsangeboten nach Flens- bürg die allergrößte Vorsicht zu beobachten. Da es in Flensburg genug Arbeitslose giebt, ist es überhaupt angezeigt, wenn alle Arbeiter, die auf Werften beschäftigt werden können, den Zuzug nach Flensburg auss strengste meiden. Soziales. Kraukenkassenwesen. Der freien Kranken- und Begräbnißkasse der Schuhmacher und Berufsgenossen Berlins (E. H. 27) wurde vom preußischen Handelsministerium von neuem die Be- scheinigung ausgestellt, daß sie vorbehaltlich der Höhe des Krankengeldes den Anforderungen des tz 75 des Krankenversiche- rungs-Gesetzes genügt. Gerichts-Jeikung. Dieschwarze Liste" de? Arbeitgeber-Verbandes ist von dem Schleifer Gustav Beuthmann zum Gegenstande einer Privatklage gegen den Kaufmann O. Engel gemacht worden. Letzterer ist Mitinhaber der Firma R. Frister, Fabrik für Be- leuchtungsgegenstände, bei welcher der Privatkläger biS zum 2. Mai arbeitete. Wegen der Feier des 1. Mai kam es zu Zwistigkeiten in der Fabrik, die schließlich zu einem Boykott der- elben führten. Der Angeklagte hatte schon am 2. Mai um eine Entlastung ersucht und diese auch erhalten. Er arbeitete dann längere Zeit bei der Firma George und feit dem 5. Juli bei Mix u. Genest. Nun haben bekanntlich die größeren Fabrikanten hier einen Aushungernngsverband geschlossen und sich verpflichtet, keinen Arbeiter bei sich zu beschästigen, der von irgend einer dem Verbände angehörigen Firma wegen Betheilignng an einem Streik angezeigt wird. Die Namen der betr. Arbeiter werden den Mitgliedern des Verbandes zugestellt. Da auf einer dieser Liften unter den Namen der bei R. Frister Streikenden auch der Name Beuthmann verzeichnet war. so entließ ihn die Firma Mix u. Genest. Auf grund dieser Thatsache hat er gegen Engel wegen Beleidigung geklagt und dargethan, daß er nicht ge- streikt, sondern seine Arbeil nur ausgegeben habe, weil er die Empfindung gehabt habe, daß ihn der Meister bei der nächsten Gelegenheit doch entlassen werde. Er behauptet ferner, daß Herr Engel ihn wider besseres Wissen auf die Liste der Streikenden gesetzt und hierdurch beleidigt und ihn materiell geschädigt habe. Da der Kläger zu einer Zurücknahme der Klage selbstverständlich nicht zu bewegen war, so mußte das Gericht Beweisaufnahme beschließen. Die Arbeiterschaft darf gespannt sein, wie diese Angelegenheit auslaufen wird, nachdem Arbeiter, welche nichts gethan haben, als um Fernhaltung des ZuzugS von gesperrten Fabriken zu ersuchen, von der Staatsanwallschaft gar oft mit staunenswerthem Gifer und Erfolg verfolgt worden sind. Durch Urtheil des Kriegsgerichts ist der Feldwebel Finkelmayer vom Eisenbahn- Regiment Nr. 1 wegen Unter- schlagung von Löhnungs- und Spargeldern der Kompagnie de- gradirt und mit vier Monaten Festung bestraft worden. Kurz vor seiner Verurtheilung ist er jedoch erkrankt, sodaß er die Strafe zur Zeit nicht antreten kann. F. hat bereits gegen 13 Jahre gedient. Priigelpädagogik. Vom Landgerichte Breslau ist am 9. Juni, nachdem ein früheres Urtheil vom Reichsgerichte auf- geHoden worden war, der Lehrer Konrad Märtins wegen Körperverletzung im Amte zu 20 M. Geldstrafe verurtheilt worden. Er hatte eines Tages im Jahre 1394 in der 6. Klasse der evangelischen Volksschule den Knaben Alfred B., ein äußerst zartes und sehr schwächliches Kind, mehrmals mit einem Rohr- stocke geschlagen und bald darauf, als der Knabe aufgestanden war. um sich nach einer Katze umzusehen, ihm noch- mals 5 bis 6 Schläge verabfolgt,um seinen Trotz zu beugen". Einer von diesen Schlägen traf den Kops des"Knaben. Nach dem ärztlichen Gutachten hat der Knabe mindestens 16 Schläge erhalten, durch welche seine körperliche Integrität beeinträgt worden ist. In seiner Revision be- hauplete der Angeklagte, es liege nur fahrlässige Körperverletzung vor, da er nicht die Absicht gehabt habe, die wirklich ein- getretenen Verletzungen herbeizuführen. Das Landgericht sei sich des Unterschiedes zwischen Vorsätzlichkeit und Fahrlässigkeit nicht bewußt geworden. Das Reichsgericht konnte dieser Ansicht nicht beipflichten und erkannte auf Verwerfung der Revision. da das Landgericht sich durchweg im Rahmen der vom Reichs- gerichte ausgestellten Grundsätze bewegt habe. EinHexeubanner" vor Gericht. Ein kulturhistorisch interessanter Prozeß wurde dieser Tage vor dem Tübinger Schwurgericht verhandelt, bei dem als Angeklagter einHexen- banner" und als Zeugen eine große Anzahl von hexen- gläubigen Landleuten vernommen wurden. DieAllg. Ztg." berichiet über die Verhandlung: Die Anklage selbst drehte sich um einen Meineid, den der Hexenbanner vor dem Schöffengericht i>. Urach geschworen hat; er hatte in dem Dorf Würtingen auf der Uracher Alb einen Konvemikel, den er öfter besuchte und von dem Unfrieden in der Gemeinde gestiftet wurde, weil man da ausmachte, wer im Dorfe eine Hexe oder ein Hexenmeister sei. Als es wegen solcher Bezichte zu Beleidigungsklage» kam. leugnete der als Zeuge vernommene Hexenbanner seine häufigen Besuche und den von ihm getriebenen Hokuspokus, und deshalb des Meineides überführt, wurde er dieser Tage vom Tübinger Schwur- geeicht zu 2 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Damit ist ihm für einige Zeit sein Handwerk gelegt, das er. unterstützt von dem»och immer beim Landvolk weilverbreiteten Hexenglauben, jahrzehnte- lang schwunghaft betrieben hat. Georg Speidel, so heißt der texenhanner, ist 61 Jahre alt, gelernter Schuhmacher, hernach orbmacher und Kräutersammler und gebürtig aus Belsen. Oberamt Rottenburg , jenem interessanten Steinlachdörschen, in dessen uralte Kirche römische Opsersteine mit Stier- und Widderköpfen eingemauert sind. Die ganze Gegend ist voll von alten Sagen und mythologischen Ueberlieferungen, ein fruchtbarer Boden für abergläubisches Treiben. Doch Georg Speidel hat seineWissenschaft" nicht von alten Bauernweibern, sondern er rühmt sich,bei einem Professor in Tübingen studirt zu haben." Und daS scheint keine leere Flunkerei zu sein; denn der Lehrer, aus den Speidel sich beruft, der alte Bibliothekar Tafel, eines der einstigen Tübinger Originale, unter dem Namen Tafel-Tafel der älteren Generation noch wohl bekannt, hat in der That seltsame Dinge auf dem Tübinger alten Schlosse getrieben, und es ist wohl möglich, daß er sich auch mit dem Kräutersammler von Belsen abgegeben hat. Tafel war Sweden - borgiauer und Okkultist, und es wurde u. a. aus den Akten be- kannt.�der jüngst verstorbene Prälat Georgii habe bezeugt, daß Tafel ein geheimesBuch Mosis" unter Ketten und Siegel gelegt habe. Tafel's mystische Ideen, so meinte der Verlheidiger vor dem Gchwurgericht, werde Speidelins Gröbere übersetzt haben". Auch Speidel beruft sich auf eine Literatur; er will seine geheime Wissenschaft aus demBuch der Geister" haben, er selbst hat einKräuterbuch" versaßt; bei der Haussuchung fand man Schrift«» über Sympathie. Alchymie, Wahrsagekunst, die geheime Philosophie" deS Agrippa von Nettesheim u. s. w. Schon im Jahre 1364 wurde Speidel wegenMißbrauchs des Wortes Gottes " bestraft; unter dem Reichs-Strasgesetz war ihm, wie es scheint, schwieriger beizukommen. Er heilte behextes Vieh und behexte Menschen mit Zaubersprüchen, oder eS wurden Papier­schnitzel mit Sprüchen umgebunden, mitunter auch verspeist. Einen Schulmeister, derErscheinungen" haben wollte und einen Schatz in seiner Wohnung verborge» glaubte, gaukelte er etwas mit einer Wünschelruthe vor. Auch ein Fall von sogenanntemBild- zanber" ist bezeugt: Ein Bauer mußte Sargbretter auf einem Kirchhof entwenden, auf die wurden Lehmfiguren angenagelt, was den Tod einer Hexe zur Folge haben sollte. Ein Waldschütz in Eningen bei Reuttingen dezeugte, daß Speidel den Geist seiner(des Waldschützen) verstorbenen Schwester erlöst habe. Dieser Geist sei mit Poltern in seinem Haus umgegangen, so daß sogar die Polizei und die Gendarmen davor geflohen seien. Ter Waldschütz gab an, er habe daS Poltern oft gehört, seine Kinder haben den Geist sogar gesehen. Der Angeklagte bestätigte mit Selbstgefühl, daß er diesen Geist erlöst habe; er habe über der Stubenthür ein Zeichen gemacht, dasselbe Zeichen, das die Kinder Israels vor dem Auszug aus Egypten an ihre Thüre» machten, daß der Würgeengel an ihnen vorübergehe. Aus die Frage des Präsidenten, woher er denn wisse, daß es dieses Zeichen gewesen sei, gab Speidel die Antwort:Ich habe es studirt und weiß es daher so gut wie jeder andere Student." Speidel rühmte sich also seiner Geisterbeschwörungen; nur daran wollte er sich nicht mehr erinnern, daß er den Leuten sagte, er habe Erlaubniß zum Geisteraustreiben, weil er am königlichen Hos in Stuttgart eine Gräfin erlöst habe". BemerkenSwerth ist noch. daß in dem obenerwähnten Dorf Würtingen der Ortsgeiftliche gegen die von Speidel ausgehende geistig» Seuche energisch predigte, während der Schullheiß der Sache eher Vorschub leistete. Es scheint hohe Zeit zu sein, daß die Eozialdemo- kratie etwas Licht in die Bauernschädel bringt. DeNefftgen und letzte Nuchvichten. Frankfurt a. M., 10. Oktober. (B. H) DieFranks. Ztg." meldet aus Straßburg (Elf.), daß heute früh 3�/« Uhr daselbst ein heftiger Erdstoß verspürt wurde. Paris , 10. Oktober. (W. T. B.) Der Minister des Aeußern Hanolaux hatte heute Nachmittag mit dem Leiier des russischen Ministeriums des Aeußern Schischkin eine längere Unterredung. Rom , 10. Oktober. (W. T. B.) DieOpinione " schreib:: Wenn die umlaufenden Gerüchte wahr sind, s» haben die ersten Untersuchungen, welche von der seitens des königlichen Kom- missars für Sizilien entsandten Kommission angestellt wurden, in der Kasse der Gemeindeverwaltung von Palermo einen Fehlbetrag von 4 Millionen Franks ergeben. Die Schuld treffe den Schatz- meister. Das Blatt hebt hervor, die Art und Weise der Aufsicht und die Untersuchungen, die nuter dem gegenwärtigen Kadinet angestellt wurden, hätten fast alle Unordnungen und die Schuldigen entdeckt. Die öffentliche Verwaltung sei langsam in allen ihren Zweigen durch die beständige Einmischung der Politik in die Verwaltung korrumpirt worden. Das Blatt schreibt, es sei eine beständige und sorgsame Thätigkeit nöthig, die Frevelthaten derjenigen, die die öffentliche Verivallung schänden, zu entdecken und man müsse die Regierung ermuthigen, auf dem von ihr betretenen Wege sortzuschreiten. Verantwortlicher Redakteur: August Jacvbey in Berlin . Für den Jnseratentheil verantwortlich: Dh. Glocke in Berlin . Druck und«erlag von Max Babing in Berlin . Hierzu 4 Beilage«.