sondern die Annahme derselben, die freiwillig ist, die Mitgliedschaft bedingt. Ueber den Begriff derMehrheit" der Personen ist in Preußen keine Meinungsverschiedenheit entstanden. Es kommt aus die größere oder geringere Zahl der Mitglieder nicht an; drei Personen bilden ohne Zweifel schon eine Mehrheit. In bestimmten Fällen sind Kommis- sionen von fünf bis sieben Mitgliedern ohne jeden Wider- spruch, wenn sonst die Bedingungen vorhanden waren, alsVereine" behandelt worden. Die Gemeinsamkeit des Zweckes' verlangt nach der bestehenden Praxis der Rechtsprechung aber nicht, daß die Mitglieder, die der Aufforderung zum Beitritt in einen Verein Folge leisten, eingehende Äenntniß be- sitzen von den speziellen Zielen und der Art und Weise, wie. und den Mitteln, mit welchen diese Ziele verfolgt werden sollen. Es kommt nur darauf an, daß eine Organisation zur Verwirklichung eines Vereinszweckes besteht. Der BegriffLeitung einer Vereinigung" ist nicht ganz bestimmt umschrieben, doch ist es so viel steht fest nicht nöthig, daß dieLeitung" durch besondere Förmlichkeit eingesetzt sei. Es genügt die Thatsache, daß eine oder mehrere Personen den Auge- legenheiten der Vereinigung vorstehen. Ja, man ist in vorliegenden Fällen sogar so weit gegangen, eine sozusagen moralische" Leitung anzunehmen und der Staatsanwalt hat damit bei den Gerichtshöfen Zustimmung gefunden. Anderseits haben freilich die Gerichtshöfe immer den bestimmten Beweis verlangt, daß die von der Anklage- behörde bezeichnete Person wirklich die Leitung der Vereinigung ausgeübt haben. Gelingt der Anklagebehörde dieser Beweis nicht, so hat sie nach dem preußischen Vereinsgesetze keine Person, die strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, da nicht die Mitglieder eines Vereins für Uebertretuug des Vereinsgesetzes bestraft werden können, sondern nur die Vorsteher, Ordner und Leiter. Von der Staatsanwaltschaft ist zwar wiederholt der Versuch gemacht, den Begriff derLeitung" umzukehren und ihn so aufzufassen, daß der Verein durch seine Be- schlüsse die Handlungen seiner Mitgliederleite"; die Gerichte haben sich aber dieser Auffassung nicht ange- schloffen. Wohl schon aus dem Grunde nicht, weil sie sich strafrechtlich nicht verwerthen läßt. Man müßte dann bei jedem Vereinsbeschluß die Mehrheit, die ihm zustimmte, alsLeiter" der Vereinigung ansehe» und verantwortlich machen! Doch soweit sind wir noch nicht. Die Dauer, die Freiwilligkeit, der Zweck der Vereinigung oder der Mehrheit der daran betheiligten Personen und die gemeinsame Leitung genügen, um das Bestehen eines Vereins als nachgewiesen zu betrachten. Alles Andere konunt nicht in Betracht. Es ist z. B. ganz gleichgültig, ob ein Statut vorhanden ist oder nicht, ob der Verein ein Theil eines größeren Vereines ist oder ob er selbständig besteht. So bilden namentlich die Mitglieder eines großen, über mehrere Orte sich erstreckenden Vereines, wenn sie an einem oder mehreren Orten eine besondere Vereins- thätigkeit entwickeln, eben so viele besondere Vereine. Als solche besondere Vereinsthätigkeit wird aber schon die Einsetzung einer örtlichen Gcschäftsleitung, das Ab- halten einer Mitglieder-Versammlung am Vereinsorte, die Vornahme einer Wahl angesehen, selbst dann, wenn der Zentralvorstand die örtlichen Mitglieder zusammen­beruft und die Versammlung leitet. Wenn in diesem Falle auch vielleicht eine Auflösung ans Grund der§§ 8 und 16 nicht erfolgen könnte, so müßten doch Statuten und Mitgliederverzeichniß unbedingt der betreffenden Ortspolizeibehörde eingereicht werden. Das Einsetzen einer Stelle zur Entgegennahme von Beiträgen durch den Zentralvorstand gilt indessen nicht als Gründung eines besonderen Vereins, wenn die betreffende Person weiter keine andere Thätigkeit im Vereinsinteresse ausübt. Die Herausgabe einer Zeitschrift, das Vertheilen von Druckschriften gelten jedoch schon alsVereinsthätigkeit", wenn es geschieht, um den Zweck des Vereins zu fördern. Man sieht hieraus, daß bei einem großen, sich über mehrere Orte erstreckenden Verein die Mitglieder an den «nzelnen Orten außer dem Bezahlen von Beitrügen weder'» ihrer Gesammtheit noch durch Beauftragte irgend welche thätigkeit zur Förderung der Vereinszwecke unter- nehmen dürfen, wenn sie nicht als besonderer Verein im Sinne des preußischen Vereinsgesetzes angesehen werden Welche Folgen der letztere Umstand hat, werden wir im nächsten Artikel darlegen. Gustav Keßler.

Amerikanische Schutzzollpläne. C. Ö. New-Aork, Anfangs August. Mit Recht hat die neue amerikanische Zollgesetz- gebung überall im westlichen Europa , und in dem industriell so weit entwickelten Sachsen besonders, so großes Aufsehen erregt. Handelt es sich doch für europäische Fabrikanten und in zweiter Linie auch für europäische Industriearbeiter um den Verlust der Kundschaft eines kaufkräftigen Volkes von rund 65 Millionen Seelen, welches sich seit Beginn seiner nationalen Entwickelung in je 2530 Jahren an Seelenzahl verdoppelt, seinen sogenannten Nationalreichthum jedoch in derselben Periode immens vervielfältigt, und ihn besonders während der Lebensdauer der jetzigen Generation in kurzer Zeit auf sabel-

haste Höhe gebracht hat. Liegt doch ferner kein Grund gegen die Annahme vor, daß die Bewohnerzahl dieses Landes sich in den nächsten dreißig Jahren nochmals verdoppeln wird und daß die Entwickelung des Nationalreichthums, also des Großkapitals, fernerhin in noch riesigerem Maßstabe fortschreiten wird, als dies bisher der Fall war. Im Gegentheil, die Konjunktur ist äugen- blicklich den riesenhaftesten Spekulations-Unternehmungen günstig, neue großartige Projekte schließen sich den bereits in Ausführung begriffenen, wie z. B. dem Nicaragua- Kanal, an und die Börse hat goldene Zeiten. Die Re- gierungsmaschine befindet sich unbestritten in den Händen des Jndustrie-Kapitals und des mit ihm verbündeten Transport-Monopols, und diese Zentral-Machffaktvren im Haushalt der Nation wissen die Klinke der Gesetz- gebung ebenso gut zu ihren Gunsten auszunützen, wie die herrschenden Klassen anderer Länder, etwa die Krautjunker Deutschlands . Amerika war bisher ein Kolonial- Land. Seine Ausfuhr bildeten zum größten Theil Farm- und Plantagen-Produkte, Lebensmittel und Baumwolle. Die Industrie war noch nicht exportfähig, noch im Unab- hängigkeits-Kampfe gegen England, Deutschland , Frank- reich begriffen. Sie brauchte Zölle, sich vor der Kon- kurrenz zu schützen. Die republikanische Partei, die Partei des Industrie- und Eisenbahn-Kapitals, war auch diejenige des Schutzzolls. Die oppositionelledemokrati- sehe" Partei, die Partei des Großgrundbesitzes und des Großhandels, also der Plantagen-Barone und Importeure, neigte sich stets den Freihändlern zu, und als sie im Jahre 1884 ihren Prüsidentschafts-Kandidaten Cleveland mit geringer Mehrheit erwählte und auch sonst einem großen Einfluß auf die Gesetzgebung erlangte, wurde ein Ansturm auf die Zölle inscenirt und eine ziemlich allge- meine Reduktion derselben fand statt, zumeist allerdings eine Reduktion der Zölle aus Rohprodukte und Halb- fabrikate. Seit 1888 aber befinden sich die Republikaner fester als je im Sattel. Die Zahl der Staaten, welche im Kongreß vertreten find, ist von 38 auf 44 gestiegen und die Zunahme ist den Republikanern ganz allein zu Gute gekommen. Außerdem wird, wie man allgemein erwartet, die soeben vollendete Volkszählung eine unver- hältnißmäßig große Zunahme der Bevölkerung der Nord- staaten, in denen die republikanische Partei herrscht, er- geben, während in den südlichen Staaten, wo seit etwa zehn Jahren die Industrie sich mit von Jahr zu Jahr steigender Schnelligkeit entwickelt, die Zunahme der Be- völ'kerung zum Theil ebenfalls den Republikanern, also den Schutzzöllnern, zu Gute kommt. Die Mc. Kinley-Bill ist der Willensausdrnck des siegreichen und sich fest im Sattel fühlenden Fabrikanten- thums, welches sich anschickt, in seinem Vaterlande nicht nur politisch, sondern auch wirthschaftlich die Allein- Herrschaft anzutreten, um und dieser Umstand ist in Europa noch nicht genügend in Exwägung gezogen dann seinen Welterobernngszug anzutreten. Die Mc. Kinley-Bill ist, so parvdox dies im ersten Augenblick klingen mag, der erste zimperliche Schritt in der Richtung zum Freihandel, der aber nicht etwa der euro - päischen Bourgeoisie und den europäischen Industrie- Arbeitern zu Gute kommen wird; zu einem Freihandel. der beiden Klaffen das Leben noch weit saurer machen wird, als der Schutzzoll bis aufs Aeußerste, wie ihn die Mc. Kinleh-Bill vorläufig darstellt. Die Mc. Kinley- Bill, das Ideal der Schutzzöllner aus Prinzip, ist näm- lich nicht mehr das Ideal der Großfabrikanten und Eisenbahn -Monopolisten im Allgemeinen. Nicht die ge- sammte republikanische Politiker-Gemeinde ist mit einer so einfachen, sozusagen groben Maßregel im Interesse der Landes-Jndustrie zufrieden. Der kühnere und weiter- sehende Theil, und zwar auch derjenige Theil, der die größte materielle Macht, d. i. die Macht des in großen Massen konzentrirten Kapitals repräsentirt, geführt von seinem geistigen Leiter, dem Staatssekretär Blaine, hat weitergehende Pläne, welche zugleich schutzzöllnerisch und freihändlerisch, jedenfalls aber höchst agressiv gegen die europäische Konkurrenz sind. Blaine und seine Gefvlg- schüft will nichts geringeres, als den ganzen westlichen Kontinent wirthschaftlich für die Vereinigten Staaten er- obern; das bedeutet Aufhebung aller Zölle auf Waaren, die aus den Ländern des amerikanischen Kontinents kommen, vorausgesetzt, daß auch diese Länder ihre Zölle auf Waaren. die in den Vereinigten Staaten hergestellt wurden, aufheben, und dagegen noch mehr erhöhter Schutzzoll gegen alle Waaren europäischer Nationen vorerst in den Vereinigten Staaten , dann womöglich auch in den andern Ländern des Kontinents; kurz man will eine chinesische Mauer von Prohibitiv-Zöllen um den ganzen Kontinent und die dazu gehörigen Inseln ziehen, um ein Ländergebiet, welches sich, sowohl was Bevölke- rungszahl als auch materiellen Reichthum anbelangt, mit beispielloser Schnelligkeit entwickelt. Dieser kolossale Plan ist bte_ Ursache, daß die Mc. Kinley-Bill heute noch nicht Gesetz ist. Blaine will die Zölle auf Waaren, welche von den Zentral- und Südamerikanischen Republiken produzirt und exportirt werden, noch höher als Mc. Kinley festsetzen, um dadurch diesen Ländern ein größeres Angebot für ihren Beitritt zu dem gesummt- amerikanischen Zollverein machen zu können. Besonders Rohzucker und Kaffee sind Haupt- Produkte, deren Import aus den Ländern der alten Welt durch Zölle so gut wie unmöglich gemacht werden soll. Vorläufig ist noch zweifelhaft, ob die Mc. Kinley'sche oder die Blaine'sche Politik in dieser Kongreßsitzung siegen werden, oder ob nicht die Frage ganz und gar

auf die nächste Session verschoben werden wird; eS scheint jedoch, als ob die Blaine'sche Politik nicht weit von ihrem endlichen Siege entfernt sei. Bereits sind Gelder für Vermessungs- und sonstige Vorarbeiten einer pan-amerikanischen Bahn, d. h. einer Eisenbahn, welche sämmtliche Bahn-Systeme des ganzen amerikanischen Kontinents mit einander in Verbindung bringen soll, bewilligt worden. Außerdem ist die Sub- sidirung von Dampferlinien, welche die Häfen des west- lichen Kontinents mit einander verbinden sollen, in Aus- ficht genommen. Allerdings kämpft England mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln gegen die Verwirk- lichung dieses Planes, und in manchen südamerikanischen Ländern, besonders in dem unternehmenden und auf seine letzten kommerziellen und kriegerischen Erfolge stolzen Chile ist die Opposition dagegen eine heftige, im großen Ganzen aber scheint die Stimmung dem Unternehmen sehr günstig. Sollte dieser Plan Erfolg haben, so ist kein Zweifel, daß die Spekulation großartige Orgien feiern wird, daß die Industrie plötzlich eine riesige Ausdehnung erfährt und das Maschinenwesen sprunghaft in immer größerem Maße zunimmt. Doch wenn die Periode der sich über- stürzenden Spekulation dann zu Ende geht, wird ein ungeheurer Krach erfolgen. Amerika geht dann vielleicht zum Freihandel über und wirst sich mit verdoppelter Gewalt auf Europa . Armes Europa , welches statt der Maschinen Kanonen gießt, welches den Feind im Osten, im zarischen Rnß- land, statt im Westen sieht, welches sich gegen das Kosackenthum waffnet, statt sich zu rüsten gegen ein Staatswesen, welches seine Invasionen nicht mit Kanonen und Kartaunen, sondern einfach mittelst der Billigkeit seiner Waaren ausführt. Was sind die Kanonen, welche ihre Geschosse meilenweit werfen, im Vergleich zu den Maschinen, welche ihre Geschosse, d. h. ihre billigen Waaren, über tausend Meilen breite Meere schleudern? was das Kosackenthum, welches den Leib der west- europäischen Gesellschaft, den Staat, tödten kann, die Seele jedoch, den Jndustrialismus, nicht tödten mag, gegen das Iankeethum, welches zwar den Leib bestehen läßt, aber die Seele zu vernichten droht? Europa mag bald seine Kanonengießereien und Gewehrfabriken in Maschinenwerkstätten umwandeln, sonst kommt ihm der gierige amerikanische Adler über Nacht und raubt ihm nicht allein die Handels-Suprematie über den westlichen Kontinent, sondern geht ihm auch in seinem eigensten Kolonial-Gebiet, in Asien und Afrika , ja sogar in seinen eigenen Hauptstädten ernstlich zu Leibe! Der Arbeiterschutz vor dem Kongreß der franzöftschenGesellschuft fllr den Fort- schritt der Wissenschaften�. i. Was die Frage der Berufsgefahren und der Arbeits- räume anbetrifft, so erklärt Herr Dr. Napias, daß die bestehenden Haftpflichtgesetze gegen Arbeitsunfälle, sogar wenn sie bindende Kraft besitzen, durchaus unzureichend für den Schutz der Arbeiter sind. Die betreffenden Gesetze sind voller Widersprüche und müßten zunächst noch- wendiger Weise durch Bestimmungen über Vorsichts- und Präventivmaßregel resp. Einrichtungen ergänzt werden, die sich auf das Gutachten eines hygienischen Komitee's stützen. Gewiß sind viele Industriezweige dadurch weit ge- sunder geworden, daß die Maschine an Stelle der Hand- arbeit getreten ist. Aber die diesbezügliche Besserung gilt nicht für alle Industriezweige in gleicher Weise, auch ist sie durchweg und stets noch weit davon entfernt, zu- friedenstellend zu sein. Sogar die Branchen, welche am meisten in dieser Beziehung gewonnen haben, lassen noch unendlich viel zu wünschen übrig. Andererseits hat die Maschinenarbeit neue Gefahren für die Arbeiter geschaffen. Was an Gesundheitsschutz durch Verwendung der Ma- schine gewonnen worden, ging zum Theil an Sicherheit verloren; der mechanische Betrieb ist mit einer, den Ar- beiter bedrohenden Unsicherheit verbunden, die um so mehr und öfter Opfer fordert, als die mechanische In- dustrie nicht mehr die Muskelkraft als unerläßliche Vor- aussetzung hat, Kinder und junge Leute verwendet, die in Folge der ihrem Alter eigenthümlichen Unvorsichtigkeit und Zerstreutheit den schlimmsten Gefahren ausgesetzt sind. Es ist deshalb unbedingt nöthig, daß für die industrielle Arbeit sowohl Gesundheit und Sicherheit gesetzlich ge- schützt werde. Es ist schon ein Gemeinplatz geworden, gegen die Trunksucht zu predigen und die Gefahren des Alkoholis- mus zu zeigen. Nach Dr. Napias würden gesunde Arbeitsräume und Arbeitsbedingungen diese Gefahren weit besser bekämpfen als alle langathmigen Predigten und philosophischen Systeme. Zur Illustration seiner Ansicht führte er folgende von ihm selbst erlebte Anekdote an. Er wollte eines Tags einem seiner Freunde, einem philisvphirenden Arzt, der sich viel mit sozialen Studien beschäftigte, begreiflich machen, daß der von der Hitze und anstrengenden Beschäftigung durstig gewordeneArbeiter es beim Verlassen der Werkstatt um so weniger eilig hat nach Haus zu kommen, als seine Wohnung oft ungesund und unreinlich ist. Der Freund wollte diese Gründe nicht gelten lassen. Anhänger der Theorie vom freien menschlichen Willen und Gegner der Lombroso 'schcn Schule, blieb er bei der Behauptung:Wenn man nicht trinken will, so trinkt man nicht, ich anerkenne nur eine