tralisirte Kontrolle der Presse durch den Parteivorstand empfehle sich als Abwehr gegen unlautere Privatspeku- lationen und Blätter, welche dem Partei-Jntcresse ent- gegenarbeitein Daß die Fraktion die Kontrollbefngniß über den Parteivvrstand erhalte, sei aus reinen Zweck- mäßigkeitsrncksichten vorgeschlagen, könne ja aber auch geändert werdein Zum Schlüsse ging der Redner aus- führlich auf die Gründe ein, welche dasBerliner Volks- blatt" als besonders geeignet erscheinen lassen, die Rolle eines offiziellen Parteiorganes zu übernehmen. Am nächsten Tage, am Mittwoch, begann die Dis- kusssion über den Entwurf. Wollmar wünscht, die Kon- trole Über den Parteivorstand nicht der Fraktion, sondern einem zu diesen Zweck gewählten Ausschuß des Partei- tages zu übergeben. Werner schließt sich diesen Aus- führungen an. Er schlägt vor, der Kongreß inöge einen Vorstand von 16 20 Personen wählen; ein Theil der- selben habe dann die Geschäftsleitung zu übernehmen. Die übrigen kontroliren aber diese Geschäftsleitung. Er wünscht serner statt des Centralorgans eine lithographirte Parteikorrespondcnz, die an die Lokalblätter zu versenden sei. Das Berliner Volksblatt müsse den Berlinern ver- bleiben. Keßler erörtert vom Standpunkte des Preuß. Vereinsgesetzes den Entwurf und empfiehlt den Berliner Antrag als den juristisch am wenigsten anfechtbaren. Eine Menge von Abänderungsanträgen zum Organi- sationsentwurf wird im Laufe der Debatte eingereicht. Am Nachmittag hielt Liebknecht seine mit stürmischem Beifall aufgenommene Rede über das Programm der Partei. Aus der großen Zahl seiner Ausstellungen sei hier nur ein Punkt hervorgehoben: Die Forderung der Produktivgenossenschaften mit Staatskredit müsse als veraltet gestrichen werden. Der Klassenstaat werde sich nie dazu bequemen und zudem könne das Privatknpital bei seiner jetzigen Zentralisation aller solcher Genossen- schaften spotten. Der Passus dagegen, welcher die Re- ligion zur Privatsache erklärt, müsse unverändert stehen bleiben. Die Sozialdemokratie thue am besten daran, die Kirche links liegen zu lassen und alle Kraft im politisch-ökonvinischen Kampfe zu kvnzentriren. Unsere Partei müsse zudem auch jeden Schein von Intoleranz vermeiden. Dies ini kurzen Umriß der Gang der bisherigen Verhandlungen. Am Dienstag Abend hatten die Hallenser Genossen den Kongreß zu einem Feste eingeladen. Eine vieltausendköpfige Menge, Männer und Frauen, füllten den Saal. Und als die letzten Worte des Prologs ver- klnngen waren, da erhoben sich mitten aus der Ver- sammlung mit elementarer Gewalt die brausenden, alt- bekannten Weisen der Arbeitermarseillaise: Nicht fürchten wir den Feind, Nicht die Gefahren all' Wenn der deutsche Proletarier, dessen unbeugsame Kraft den Martern des Sozialistengesetzes getrotzt hat, diese Worte singt dann ist das keine Phrase. Er hat es bewiesen, daß er den Feind nicht fürchtet. Spiehbürgerttche Reformideen zur Koj'nng der sozialen Frage. ii. §. Das heuchlerische Spießbürgerthum begrüßt den Vegetarismus als eine willkommene Handhabe, dem un- zufriedenen Proletariat in geeigneter Form das Evangelium der Entsagung und Enthaltsamkeit zu predigen, ihm alle die Tugenden anzuempfehlen, die es selbst nicht besitzt und auch gar nicht besitzen möchte. Das kapitalistische Pharisäerthum vermag so wenig seine wahren Hinter- gedanken bei diesem Borschlage zu verbergen, daß es neben der Bedürfnißlosigkeit auch Arbeitsamkeit und Sparsamkeit in einem Athemzuge als Erfordernisse der naturgemäßen Lebensweise" aufzählt. Diese Sophisterei ist indessen glücklicherweise so plump und durchsichtig, daß ihr Resultat kein anderes sein kann, als in jedem Proletarierhcrzen den bittersten Ingrimm über die nichts- würdige Heuchelei solcher angeblichen Svzialreform zu entflammen. Die fortgesetzt sich bemerkbar machenden Versuche unseres Ausbeuterthums, chinesische Kulis zu importiren, zeigen zur Genüge, wie gering bis jetzt die Aussicht ist, die Lebenshaltung der einheimischen Arbeiter vollends zu der Niedrigkeit und Stumpfheit jener von Heller so gepriesenenKulturträger" herabzudrücken. Obwohl daher Heller nicht müde wird, der er- wachsenen Generation den Vegetarismus der schlesischen Leineweber als die Krone aller Tugenden anzupreisen, hält er es für sicherer, bei der heranwachsenden Generation anzufangen und derselben schon in der Schule die Prin- zipien dernaturgemäßen Lebensweise" einzupflanzen: Ein Meer von Licht kann von der Schule ausströmen, damit jeder die Kunst verstehen lerne, sich in be- scheidensten Verhältnissen rationell zu ernähren." Eine praktische Gesundheitslehre, das Verständniß, mit geringen Mitteln ein menschenwürdiges Dasein zu führen und nicht minder wirthschaftliche Kenntnisse sollten ein Gemeingut aller werden. Die wirthschaftliche, auf Entwicklung der guten Triebe des Herzens und des Sinnes für Thätigleit und Ordnung gerichtete Schulbildung ist eine nothwendige Ergänzung der Religionslehren. Sie muß lehren, Einnahmen und Ausgaben in allen Fällen des Lebens mit einander in Einklang zu bringen, und sie sollte auch den Sinn für die Einfachheit und Anspruchslosigkeit schon der Jugend anerziehen, damit nicht stets die Wünsche den Verhältnissen weit vorauseilen."

Wie man sieht, geht der Herzenswunsch unseres Autors dahin, die Tugend der Enthaltsamkeit der Jugend durch besondere Lektionen so fest einzuprägen, daß sie später das denkbar beste Ausbeurungsmaterial bietet. Und das nennt Heller schönfärberisch Lösung der Magenfrage. Daß es sich in der That um nichts anderes handelt, als der Kapitalistenklasse das brauchbarste Äusbeutungsmaterial heranzuerziehen, indem man in der Arbeiterklasse den kulinarischen Genüssen der Kulis zur weitesten Verbreitung und Anerkennung verhilft, zeigt sein günstiges Urtheil über die böhmischen Arbeiter, das er am Schluß des Buches nicht unterdrücken kann:In Oesterreich nimmt, was Arbeitskraft anbetrifft, der tschechische Volksstamm den ersten Rang ein. Die österreichische, auch die Wiener Industrie verdanken ihre Blüthe der Arbeitsamkeit und Anspruchslosigkeit der böhmischen Arbeiter. Böhmen ist aber das klassische Land der verschiedenen Mehlspeisen, Knödel und Kartoffeln." Ein freies Leben führen wir, Ein Leben voller Wonne", so sang ja auch schon Karl Moor's Bande in den böhmischen Wäldern. Wie ob der Mehlspeisen, Knödel und Kartoffeln dem deutschen Arbeiter das Wasser im Munde zusammenlaufen muß, und erst recht den Profit- hungrigen Kapitalistenseelen. Diese idyllischen Zustände, die in den Gefilden der Seligen, wollte sagen der Böhmen herrschen, setzten natürlich auch niedrige Löhne voraus. Dennes ist zu befürchten, daß die Erhöhung der Löhne die breiten Volksschichten zur Völlerei verführt, wodurch der letzte Rest jener kernigen Kraft verloren geht, welche jetzt vorhanden ist." Jedes Wort eine infame Lüge. Durch die Einführung des Vegetarismus ist für untern trefflichen Spießbürger die Magenfrage als erster Hauptpunkt der vielgestaltigen sozialen Frage erledigt. Sein nächster Vorschlag besteht inlandwirth- schaftlichen Investitionen" und Dezentralisation des Grund und Bodens", womit einerseits die land- wirthschaftliche Misere, andrerseits die industrielle Ueberproduktion kurirt werden soll. Gar schnurrige Be- griffe find es. die der Verfasser über die Ursache und die Abhilfe der sozialen Frage auf dem Lande hegt. Beini Anblick einer vergleichenden Statistik über die Be- wegnng der landwirthschaftlichen Arbeiter findet er, daß ihre Anzahl einen erheblichen Rückgang aufzuweisen hat. Die Antwort ist schnell zur Hand:Die einseitige unpraktische Bildung", welchedie Armuth und die Un- zufriedenheit begünstigt, treibt die Menschen in die großen Städte,... sie entvölkert die Dörfer, Marktflecken und kleinen Städte und ist Schuld am Rückgange der ackerban- treibenden bäuerlichen Bevölkerung." Solche alberne, rein aus der Luft gegriffene Behauptung soll eine Er- klärung einer so gewaltigen, umfassenden und tief greifenden Erscheinung vorstellen, wie der Zug der agrikolen Bevölkerung nach den größeren Städten in der That ist. Es fällt Heller nicht im Traume bei, daß es ganz gewaltige, furchtbare Ursachen sein müssen, welche den ländlichen Bewohner von seiner Scholle losreißen. Zu wissen, welche Rolle das gewaltsame Bauern- legen und die Aufhebung der Leibeigenschaft?c. gespielt hat, wie also früher der Zug nach den Städten be- fördert worden ist, das wollen wir dem Verfasser gar nicht zumuthen. Indessen sqine Ignoranz über die sich gegenwärtig vor unseren Augen abspielenden Vorgänge ist etwas stark. Welche vorsintfluthlichen Vorstellungen entwickelt er über die heutigen ländlichen Zustände: Tie Landwirthschast entbehrt noch das Nothwendigste. Tie Bauten sind in schlechtem Zustande. Es fehlen Aufbewahrungsmagazine für das Obst, für das Getreide, für Gemüse und für das Viehfutter; es fehlen reinliche Viehställe, gut gehaltene Wirthschaftsgebäude und Höfe, Scheunen, gute Maschinen und Werkzeuge, Möbel und warme Winterkleider." Der Verfasser spricbt hier vonder" Landwirth - schaff. Man sieht jedoch, was er unterder" Land- wirthschast versteht. Es ist der Kleinbauer, welcher im Schweiße seines Angesichts sein Stückchen Land bebaut und gleichwohl auf keinen grünen Zweig kommt. Daß das Gegenstück dieses allmählig zu Grunde gehenden Kleinbauernthums, der riesenhafte Großgrundbesitz, welcher mit allen Hilfsmitteln der modernen Technik die Land- wirthschast betreibt, auch zuder" Landwirthschast ge- hört, seine Existenzbedingung und Ergänzung bildet, ist ihm nicht bekannt, lind von dem Vorhandensein eines schlimmer als das Vieh vegetirenden ländlichen Taglöhner- thnms, welches noch zahlreicher ist, weiß er nun schon gar nichts. Und was die schlimmen Zustände bei dem Klein- banernthnm anbetrifft, so ist dasselbe nach Heller selbst daran schuld; jene brauchten keineswegs zu existiren, wenn nicht seine Dummheit und sein Geiz wäre:Der Bauer verkauft seine Produkte, aber er tauscht den Erlös nicht gerne in gewerbliche Erzeugnisse um, er macht keine produktiven Investitionen, er liebt das Geld des Geldes halber. Das erlöste Geld wandert in die Geld- t ruhen, besten Falls in die Sparbanken." Wie unsere kleinen Bauern stch /reuen werden, wenn sie von den wohlgefüllten Geldtruhen und Sparbanken erfahren werden, welche der Verfasser ihnen freigebig schenkt. Sie selbst werden sich bisher darnach vergeblich umgesehen haben. Nun aber fällt Heller ein, daß, falls die Dinge wirklich so liegen, eine ländliche soziale Frage gar nicht vörhanden ist, und er benutzt diese günstige Gelegenheit, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die glänzenden Mittel, über die der Bauer nach ihm ver- fügt, machen diesen ja in hohem Grade kaufkräftig und

lassen die Abhilfe der industriellen Ueberproduktion kinder- leicht erscheinen. Dem entzückten Auge eröffnet sich die großartigste Perspektive eines neuen industriellen Auf­schwunges. die Ueberproduktion wird im Handumdrehen zu einer Unterproduktion werden. Welch' ein Hohn aus die thatsächlicsten bäuerlichen Verhältnisse. Wahrscheinlich finden in jedem Jahre nur deswegen Tausende von Subhastativnen ländlicher Grund- stücke statt, weil der Bauer in seiner Habsucht seine Geldtruhen" zum Sprengen bringen will. Wenn Heller- einige dieser bäuerlichen Geldtrnhen in einer Schaubude für allerhand Raritäten ausstellen wollte, so könnte er damit ein gut Stück Geld verdienen, lieber diese ver- trockneten Bauernschädel, die sich durchaus ihrem eigenen Glücke und dem der Industrie entgegenstemmen -vollen! In der That ist der Prozentsatz der Bauern, welche sich einer leidlichen Existenz erfreuen, relativ gering. Die Existenz der meisten kleinen Bauern schwebt beständig um den Hnngerpnnkt. Dabei sind sie bis über die Ohren verschuldet, und die Gefahr, von Haus und Hof gejagt zu werden, grinst sie so lange aus unheimlicher Nähe an, bis sie zur Wirklichkeit wird. Und ein Wunder, wenn es anders wäre. Der kleine Bauer produzirt das nämliche wie der Großgrundbesitzer. Wie er aber die Konkurrenz des letzteren aushalten soll, ist unerfindlich. Dampspflüge, Mäh- und Dreschmaschinen:e. kann er sich einerseits wegen seines Unvermögens nicht anschaffen, andererseits würden sie sich bei seinem kleinen Grund- besitz überhaupt nicht rentiren. Ter landwirthschaftliche Maschinenbetrieb ist eben das eigenste Kind der modernen Großproduktion. Trotz der bedeutend höheren Produk- tionskvsten seiner Erzengnisse muß aber der kleine Bauer in Folge der Konkurrenz dieselben zum gleichen Preise losschlagen wie der Laudmagnat. Die Kornbörse be- rechnet den Preis des Korns nicht nach dem Schweiß, der in jedem besonderen Falle daran klebt. Und so kommt es. daß die kleinen Bauern allmählig von den Großgrundbesitzern aufgefressen werden. Vom ländlichen Proletariate gar zu schweigen. Die riesigen Auswanderungsziffern, die immer weiter um sich greisende Sachsengängerei und endlich die überall sich sich hervorwagenden Bestrebungen der Großgrundbesitzer, die Freizügigkeit der ländlichen Lohnarbeiter womöglich gesetzlich zu erdrosseln, sind wahrlich nicht inißzirdeutende Zeichen der Zustände, welche bei den Letztgenannten herrschen. Alle die Thatsachen existiren für unseren hoffnungs- vollen Sozialreformer nicht. Und dieser Typus eines räsonnirenden Weißbierphilisters will anderen gute Rath- schlüge geben! Schließlich kommt ihm die Kühnheit seiner eigenen Darlegung, wonach bie soziale Frage aus dem Land nur ein Phantom ist, zum Bewußtsein, und darüber erschrocken, schlägt er unter dem Bormande, der Ueberproduktion zu steuern,Dezentralisirung des Grund und Bvdens"v»r. Er versteht darunterParzellirung der übergroßen Grundstücke in solche Wirthschasten, deren Ertrag zur Existenz einer fleißigen Familie aus- reicht. Ein liberales Pachtsystem, also eine- Pacht, die den Bearbeiter deS Bodens leben läßt, scheint leicht aus- führbar." Leider hüllt Heller seine Gedanken über den Weg zur Ausführung dieser Reform in tiefes Ge- heimniß. Es gäbe in der That nichts Unsinnigeres, als den jetzigen Großgrundbesitz in Parzellen zu zerschlagen und die alte miserable Zwergwirthschaft, die heute fortwährend Fiasko macht, von vorn anzufangen, um schließlich am selben Resultat anzukommeu. Ein reaktionärerer Vorschlag ist kanm denkbar. Denn für diese Parzellen gilt einfach dasselbe, was oben über die Kleinbauernwirthschaften gesagt ist. Verwendung der landwirthschaftlichen Ma- schinerie ist bei den, Kleinbetrieb unbedingt ausgeschlossen. Die Produktionskosten würden gewaltsam in die Höhe geschraubt werden, d. h. derselbe oder ein geringerer Bodenertrag mit bedeutend größcrem Arbeitsaufwand gewonnen und kein Schutzzoll würde groß genug sein, um amerikanisches und indisches Getreide abzuwehren. Es ist auch nicht abzusehen, wie die verpachtenden Groß- grnndbesitzer sich zu einer Maßregel verstehen sollten die sie ihre altgewohnten hohen Einnahmen kosten wurde. Man müßte sie denn dazu zwingen, sie expropiiren. Aber daran kann doch im Ernst nicht zu einer Zeit ge- dacht werden, wo das Privateigen lhum, die geheiligste Institution, dasPalladium des sittlichen Staates" ist, wie Heine sagt. Will man aber, um den jetzigen land- wirthschaftlichen Großbetrieb nicht umzustürzen, die Par- zellcn so groß bemessen etwa wie die jetzigen Gutsbezirke, so bliebe ja alles beim Alten, an die Stelle des Guts- inspektors träte der Pächter, nur die Namen würden ge- wechselt und kein Mensch befände sich besser daran.' Ein iveitererReformvorschlag" nennt stich Dezen­tralisation der Bevölkerung. Die gegenwärtigen dichtbevölkerten Industriezentren und vor allem die mo- dernen Großstädte stellen sich nach Heller als ein großes Uebel dar. Die Großstädte sind die Zentralpunkte des Massenelends, und da dieselben rapide wachsen, so wächst auch das in ihnen hausende Elend. DaS aber bezeichnet Heller als eine furchtbare Gefahr. Daher wirddie Dezentralisation der Bevölkerung im zwanzigsten Jahr- hundert durch alle Maßregeln, auch durch künstliche, gefördert werden müssen, nni die Gefahren abzuwenden, welche aus der Anhäufung von Elend entspringen. Ge- fahren, für wen, wird uns nicht gesagt. Nun, offenbar für das ruhige und friedliebende Spießbürgerthum. Und wie beseitigt man diese Gefahr? Etwa durch die Be-