UciMatt zur berliner Vok���Triöüne.

iRr. 47.

Sonnabend, den 22. Noveinber 1890.

IT. Jahrgang.

Unsere Frauen I Und schnell und immer schneller modert Am allen Bauwerk Wand um Wand,.. So ist denn auch in Euch erlodert Zum Sonnenlicht der Eehnsuchtsbrand! So kommt auch Ihr zum offnen Streite, Ter Langmuth Thränenkrug zerschellt,.. Und dann, glückauf an unstet Seite, Du pslichtbcwustte Frauenwelt! Wir haben dreißig Jahr gerungen, t'lroß war die Qual und schwarz die Nacht, Blntgeißeln hat der Feind geschwungen, Wir blieben doch auf unstet Wacht. Und sank auch mancher aus den Rasen, Sein Tod verdarb uns nicht den Muthi Wir haben unentwegt geblasen Das Wetterhorn gerechter Wuth. Tos dröhnte hin... da scholl, erst leise, Ein zaghaft Echo durch die Nacht,... Und lauter mahnte unsre Weise: Da ist es zwiesach laut erwacht... Und wieder rief es:Krieg den Drohnen!" Und immer wilder Antwort klang, Und heute dröhnt durch alle Zonen Der Proletarier Schlachtgesang, Nun reckt auch Ihr die bleichen Stirnen, Aus Euren Augen leuchtet Gluth, Verkündend einer Löwin Züriien, Die schützend springt vor ihre Brut. Ja, zeigt Euch löwenkühn, Ihr Frauen, Und zeigt dem prassenden Geschlecht: Ihr wollt nicht länger müssig schauen Den schnöden Griff in Euer Recht, Ihr darbt wie wir in harten Banden, Euch peitscht wie uns des Hungers Schlag, Die Freiheit, die sie uns entwanden, Auch Euch erhellt sie nicht den Tag, Ihr fühlt wie wir des Frohndiensts Zangen, Habt auch für andre Gold geschürft: Ihr habt ein Recht zu dem Verlangen, Daß Ihr im Rath mithandeln dürft. Ihr habt ein Recht, der Faust zu wehren, Die in den Schmutz Euch fühllos stößt, Die achtlos ruht, wo das Entbehren In Eure Brust Verzweiflung flößt. Ihr habt ein Recht, die Faust zu schlagen, Das heilgc Recht der Mutterpflicht, Daß nicht die Frucht, die Ihr getragen, Kraftlos vor Euch zusammenbricht, Ja, bäumt Euch aus, wie wir uns bäumten! Gewappnet kommt in unsre Reihn! Das Glück, von dem wir hoffend träumten, Ein cw'ger Traum soll es nicht sein. Kämpft mit uns für des Lebens Schöne, Und reift nicht uns der Mühen Frucht, Dann sollen Töchter doch und Söhne Einrudern in der Freude Bucht, Franz Diederich.

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3ccncn aus Arohg'sAlbertine «Aus dem Norwegischen übersetzt von E. Wetter.)*) VI. Sie hatte lange dort gesessen und an alles wieder gedacht, was er gesagt hatte und nun konnte sie es auswendig, und die Worte kamen ihr von selbst auf die Lippen wieder und wieder. Sie hörte Schritte vielleicht kam er wieder zu rück und sagte, daß es nicht wahr wäre, daß das Alles nur dummes Zeug wäre aber es war ja doch auch kein dummes Zeug, Er hatte ja Recht. Und es war ja überaus gut von ihm, wie er gegen sie gxwesen war, und das war ja auch durchaus richtig denn es konnte ja gut damit enden, daß sie sich ordentlich in ihn verliebte, und dann hätte es wohl geschehen können, daß es ihr schlecht ging, sie hätte Oline Nr. 2 werden können, kenn das begriff sie, und das hatte sie heute schon allzu gut begriffen, daß es ihr schwer fallen würde, zu etwas nein zu sagen, was er wollte, sie könnte nicht nein ja wäre es noch dabei geblieben, so wäre es wohl dahin gekommen, daß sie selbst gewollt hätte dachte sie. Darum war es gut, wie es war. Ah! Die Schritte hatten sich wieder entfernt, aber dort kam wieder jemand, o wäre er es doch, er! Sie konnte nicht fortsehen sie wußte ganz genau wie es durch die Bäume aussehen würde, wenn er es war natürlich war er es, das mußte er ja sein, er, der so gut war, er konnte ihr nichts Böses thun wollen das war er. Nein, das würde allzu herrlich sein. Sie sah fort. Du großer Gott das war der Polizeiinspektor. Ob er gesehen hatte, daß Helgesen sie küßte viel- leicht durfte sie hier nicht sitzen! Ach Gott , ob er sie wohl gleich auf das Bureau mitnahm. Ach, ja, das konnte ihr nun übrigens auch schon alles gleich sein er hatte keine Uniform an. Sollte sie davonlaufen noch war es Zeit es war doch * Als Buch erschienen bei Grimm in Budapest .

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fabelhaft, was er für krumme, Beine hatte noch war es Zeit du großer Gott. Ja, er sah sie. Ach ja das war nun schon alles akkurat akkurat das­selbe und sie hörte gleichsam im Ohr Helgesens Stimme, die sagte:Das würde ja auch sehr schlecht von mir sein, der aus dich auspaffen sollte." Er stand vor ihr, der Polizeiinspektor Winter. Ihr war so bange und zugleich so ruhig. Guten Abend, Albertine! So spät bist Du noch draußen. Warum sitzest Du hier und wartest? Ich begegnete Helgesen droben in der Straße." So hatte der Polizeiinspektor gesehen, daß sie ihn hier draußen geküßt hatte und nun sollte sie wohl mit aus das Bureau. Ach ja, das war nun auch schon ganz gleich. Er dachte wohl, daß sie von Helgesenausgehalten" wurde? Welcher Helgesen?" fragte sie und sah auf, aber dann sofort wieder nieder. Thu doch nicht so," sagte Winther und lachte. Weißt Du nicht, daß es nicht recht ist, so spät draußen zu sein? Die Uhr ist gleich zwölf. Es ist woh am besten, wenn ich ein Bischen mit Dir reden kann Mit ihr reden? Geh nun nach Hause und lege Dich hin, und dann komme morgen Abend um acht Uhr zu mir hinau Toldbodgaffe 5, dritte Etage. Wie geht es der Oline? Sie erhob sich schnell und ging die Allee entlang. Ach ja, nun konnte ja alles gleich sein. Toldbodgaffe 5, dritte Etage. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und den ganzen nächsten Tag saß sie bei ihrer Nähmaschine ohne zu nähen mit etwas Großem, Bösem, Dunkeln vor sich vor dem sie sich graute bis zum Abend. Ja, sie hatte ja gewußt, daß es einmal kommen mußte, daß einmal kommen würde, und nun war es gekommen o ja, das konnte ja gleich sein und die ganze Zeit hörte sie die laufende Dachrinne draußen und der Regen schlug in dicken Tropfen an die Scheiben und der Wind heulte im Schornstein. Die Alte war wach geblieben, weil sie so spät nach Hause kam. Nun sähe sie, daß sie verloren wäre, hatte sie gesagt O ja, das konnte sich nun auch schon alles gleich bleiben. Ach, wenn sie nur wüßte, wie sie fortkommen sollte Tvldbogaffe 5, dritte Etage. Sie mußte noch froh sein, daß sie nicht auf das Bureau sollte. Vielleicht ging es noch so durch. Als der Konstabler vorbeiging bekam sie Angst, denn sie erkannte ihn nicht sogleich tro:( all' der grauen Regentropfen, die auf der Scheibe waren und aufhörlich wiederkamen. Die Alte sah sie den ganzen Tag ab und zu an und fing au ihr etwas Amüsantes von Olsa erzählen zu wollen und that, als wenn sie vergnügt wäre, aber sie begriff ganz gut, daß es nur geschah, weil sie bange war sollte sie ihr Alles sagen und sie bitten mitzukommen? Es war ihr, als wenn sie den französischen Shaw aus der Schublade herausnehmen sah nein das wollte äe nicht sehen es war ja vielleicht nur eine Ver- Warnung. Sie wünschte fast, daß es schon Zeit wäre aber dennoch war ihr bange, als es Mittag wurde denn da war es mit eins viel näher. Sollte sie zu Oline gehen und sie um Rath fragen, was sie thun sollte? Die Alte sah, daß sie nichts, obwohl es Erbsen gab, was doch sonst ihr Leibgericht war.Heute Morgen gast du ja auch nicht gegessen. Was fehlt dir denn Mädchen?" Eine Stunde später sagte die Alte wieder: Am nächste» Donnerstag kommt der Vater." Sie antwortete nicht. Ich hoffe, daß Eduard lebt, bis er kommt." Sie antwortete nicht. Um fünf Uhr zog sie sich an und ging. Sie konnte nicht länger ruhig sitzen. Ich gehe, um nach Eduard zu sehen", sagte sie. Vor Olinens Thür ging sie lange auf und ab einmal war sie schon bis zur Entreethüre droben und las die Visitenkarte. Nein nein. Sollte sie nnt Helgesen reden er kannte ja Winther? Nein, dazu war es zu spät.

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Endlich hatte sie geklingelt, um der Sache ein Ende machen sie war zu müde und elend und verweint und wund unter den Fußsohlen, um noch länger auf Karl-Johann auf- und abzugehen. Winther öffnete selbst auf einer Kleiderknagge hing seine Uniformmütze und sie ging daran vorbei in Stube. Ein starker Duft von Eau de Lubin erfüllte das ganze Zimmer. Mitten auf dem Boden stand ein Tisch mit feiner dicker Tischdecke darauf und Wein, Kuchen, Mandeln und Rosinen. Er hatte wohl Gesellschaft. Lege ab, Albertine." Links war eine Thür mit grünen Portieren davor, und durch dieselben kam ein rother Schein. Mir scheint, du siehst elend aus."

Sie setzte sich auf die Ecke eines Lehnstuhls er schenkte aus der Karaffe ein es hing eine kleine Silber- platte an einer Kette um den Hals der Karaffe, worauf Sherry " stand sie sah wieder auf die Tischdecke, ja die war dick und weich und fein mit rothen Blumen und gelbbrauner Borte. Dürfte sie sie wohl anfassen? Sie war niemals in einem so seinen Zimmer gewesen. Daneben hatte sie aber das Gefühl von etwas Bösem, das langsam und sicher emporwuchs wie eine mur­rende Furcht. Er legte Mandeln und Rosinen auf eine» Teller und begann selbst Mandeln zu knacken und zu plaudern, während er die Mandeln verzehrte, aber sie hörte nicht viel davon, denn sie wartete aus das, was da kommen sollte. Es ist garstiges Wetter heute", sagte er.Es ist fast, als wenn es Herbst werden sollte." Ja." Du Albertine", sagte erdas war es, was ich dir eigentlich sagen wollte, du solltest nicht so viel mit Jossa zusammengehen. Jossa ist vorgeladen worden sie muß auf Ansage zur Untersuchung erscheinen." Weiter wollte er nichts sagen? Ja" sagte sienicht wahr das muß ich nicht Jossa ist nicht anständig, sie ist von der Polizei vermahnt worden, aber ich bin seit mindestens zwei Mo- naten nicht mit Jossa zusammengewesen. Es könnte mir auch nicht einfallen mit Jossa zusammen zu sein, ich habe ihr das geradezu in's Gesicht gesagt. Du bist nicht anständig Jossa, sagte ich, du bist es nicht und du mußt schon entschuldigen, aber es ist das Allerbeste, ich sage es dir aus einmal, sagte ich, und nein das könnte mir nicht im Traum einfallen mit Jossa zusammen zu sein, weder mit ihr auf der Straße zu gehen noch sonst wo und auch nicht mit Valeria Eriksen, denn die ist sicher noch schlimmer, als die Jossa, sie ist rein öffentlich." Ja Valeria die muß alle acht Tage kommen. Sie ist auch im Krankenhause gewesen in Fila." Ist sie dort gewesen ja das konnte ich mir denken, daß es so mit ihr gehen würde nein dafür halte ich mich für viel zu gut, um mit solchen zusammen- zugehen sie hatte einmal von mir erzählt, daß ich ein- gesperrt wäre! Ja ja das war der Valeria ganz recht, da sie sowas von mir gesagt hat. Finden Sie, daß Valeria wenigstens hübsch aussieht?" Oh nein" Auch hat sie so'n gräßlichen Geschmack und kleidet sich so häßlich so" Sie redete eifrig. Winther schenkte ein Glas aus der Karaffe ein und legte ihr Mandeln und Rosinen vor. Es war schön Wein zu bekommen und sie wurde ein wenig muthiger, aber entsetzlich schläfrig und sie nahm ein Glas, um wieder munter zu werden. Setze dich besser auf den Stuhl, Albertine," sagte er. Er hatte eine Weile gesessen und Mandeln geknackt. Nun sah er von seinem Teller auf. -- Sie war eingeschlafen der Kopf lag zur Seite, die bleiche Wange gegen den dunkelgrünen Plüsch unter dem warmen Oberlicht von der Hängelampe. Eine große Muskel, die sich anspannte, hob sich kräftig auf der Rundung des Halses ab, und breit und jugendlich hob sich die Brust unter der dichtanschließenden mit Schnur ausgenähten Jerseytaille. Sie war hintenüber­gesunken tief hinein in den weichen dunkelgrünen Plüsch. Er blieb sitzen und sah sie an. Gerade und schmal, wie mit einem Lineal gezogen, ging der leuchtende Scheitel mitten über die feine Kops- orm durch das dunkle Haar! Sie hat wirklich schönes Haar!" Die Stirnlocke hatte sich ein wenig getheilt ein Dreieck von der Stirn schimmerte hervor er erhob ich vorsichtig und theilte es ein wenig mehr. Unter den Augenbrauen waren tiefe Schatten und aus ihnen rundeten sich die geschlossenen Augenlider )ervor, fest geschloffen über das Auge mit einem müden, eidenden Emailleschimmer darüber. Lange Wimpern!" Er setzte sich wieder. Wo die bleiche, ovale Linie der Wange verschwindend gegen den Hals herabglitt, verlor sich das warme gelbe Licht ohne jede Grenze in den Schatten unterhalb des Ohres und kam dann zum letzten Male wieder auf der vorgestreckten Muskel des Halses vor. Dann siegte der Schatten und verlor sich in unmerkbarem Uebergang mit dem grundlosen, dunklen Abgrund im Plüsch. Er wünschte, daß er ein Maler wäre oder einen Maler hier hätte! Wie hübsch sie war eine förm- ' iche Schönheit ja er konnte ruhig das Wort Schönheit gebrauchen! Die Schultern ein wenig zu breit." Aber das machte nichts, nach seiner Meinung und die Hand ein wenig zu groß, aber die Partie über dem Gelenk dennoch sehr fein. Helgesen war ein großer. großer Dummkopf, wenn es wahr war, was er ihm er- zählt hatte, daß er sie nicht berührt hatte ein großer, großer Dummkopf.