auf diesem Gebiete stattgefunden haben. Das einzige Land, in dem bisher leidlich genügende Untersuchungen darüber vorliegen, ist England, wo vornehmlich dnrch die Enquete, die von derShop hours labour league" zu Anfang der 80er Jahre veranstaltet wurde, etwas mehr Licht über unfern Gegenstand verbreitet worden ist. Die genannte Liga besteht aus Gehilfen, Prinzipalen und vielen uninteressirten Elementen, angesehenen Mitgliedern des Ober- und Unterhauses ohne Unterschied der Partei, Bischösen u. s. w.; ihre Unparteilichkeit steht außer allem Zweifel. Ueberdies sind die Resultate dieser Enquete, auf die man sich im Parlament wiederholt berufen hat, meines Wissens von keiner Seite bestritten worden. Sie sind in einem vom Vorsitzenden der Liga, Herrn Sutherst, verfaßten umfangreichen Werke mitgetheilt worden. Daneben müssen die Berichte derEarly Closing Association", einer ebenfalls aus unparteiischen Elementen bestehenden Gesellschaft, berücksichtigt werden und schließlich noch die parlamentarischen Untersuchungen über die Arbeitszeit der Haudlungsgehilfein Schon der Bericht der königlichen Kommission vom Jahre 1876 hatte konstatirt, daß die Arbeitszeit der Ladengehilfen in sehr vielen Fällen 84 bis 85 Stunden wöchentlich betrage, so daß also aus den Tag 14 Stun- den und auf den Sonnabend eveut. 15 Stunden kämen. Und eine parlamentarische Kommission, welche 1886 über einen von Sir John Lubbock   eingebrachten Antrag zu Gunsten eines Maximalarbeitstages der jugendlichen kaufmännischen Hilfsarbeiter zu berichten hatte, kam nach Anhörung einer langen Reihe von Prinzipalen, Gehilfen, Aerzten und Fabrikinspektoren zum Resultat: daß die Praxis, die Lüden regelmäßig und ganz be- sonders am Sonnabend bis zu später Abendstunde offen zu halten, bedeutend überwiege; nur die von den wohlhabenderen Klassen benutzten Läden würden zu verhältnißmäßig früher Stunde geschlossen; dagegen müßten in den vom Ar- beiterstand frequentirten Geschäften alle An gestellten(einschließlich der jungen Personen beiderlei Geschlechts) eine lange' Reihe von Stunden hindurch, gewöhnlich 84 bis 85 an den sechs Wochen- tagen, sich auf den Beinen halten, was in stark besuchten und schlecht gelüfteten Läden die An­gestellten und vornehmlich die Mädchen unter ihnen gänzlich erschöpfen und ihre Gesundheit oft angreifen, ja ruiniren müßte. In den Engros- Geschäften würden die mit dem Verpacken und Auf- notiren beschäftigten Kommis oft bis tief in die Nacht hinein aufgehalten, zumal während der geschäftlichen Saison. Und die Arbeit zu der vornehmlich Lehr- linge und andere junge Personen verwendet würden fände noch dazu ost in Kellern statt, die selbst am Tage der Gasbeleuchtung bedürsten. Daher sei auch diese Arbeit von der Kommission als ganz besonders angreifend und gesundheitsschädlich befunden worden. Ferner bemerkte jene Kommission, daß in Läden mit daranstoßenden Werkstätten junge Personen, die in den letzteren über die gesetzlich vorgeschriebene Stundenzahl hinaus nicht beschäftigt werden durften, in das Verkaufs- lokal hineingerusen wurden, um dort nach Beendigung ihrer Werkstätten-Arbeit noch verwendet zu werden. Endlich gelangte noch zur Feststellung, daß der äußere Schluß des Geschäfts nicht ein definitiver sei, sondern daß die Angestellten und besonders die Lehrlinge und junge Personen nach Schließung der Läden zurück- gehalten wurden, um wegzuräumen, Rechnungen zu schreiben u. dergl. in.; und in vielen Füllen mußten grade diese jungen Personen am Morgen früher als die andern auf dem Platze sein, um in den Läden Alles für das Tagesgeschäft herzurichten. DieEarly Closing Association" weist ihrerseits in ihrem Berichte vom Jahre 1881 nach, daß es trotz ihrer Bemühungen, die Ladeninhaber zur Herab- setzung der Arbeitszeit zu bewegen noch in London  allein nicht weniger als 30 000 Läden mit ungefähr 100 000 Gehilfen, welche Tag für Tag 12 bis 14 Stun­den ohne irgend eine Erholung arbeiten müßten, gäbe. Und der gleiche Zustand sei in anderen Städten vor- herrschend. So hätten große Massen von Menschen gar keine Gelegenheit zu gesunder Bewegung, geistigem Fortschritt und religiöser Erbauung. Hinter zahllosen Ladentischen, ausgeschlossen von der Ocffentlichkeit, arbeiteten sie sich bis zu den mitternächt- lichen Stunden ab. und oft sogar würden sie, die in der ganzen Woche sich plagten, durch ihren Beruf gezwungen, bis in den Sonntag Morgen hinein thätig zu sein, um ihr Wochenpensum zu Ende zu bringen. DieShop hours labour league" schließlich kommt nach einer ganz überaus gründlichen Enquete der weitaus umfäffendsten, die jemals irgendwo in Sachen des kaufmännischen Hilfspersonals veranstaltet worden ist zu dem Ergebniß, daß von den Detaillisten die.Ge- Hilfen der Tuchhändler und Pfandleiher die kürzeste Ar­beitszeit haben, nämlich, gewöhnlich von 8 Uhr Morgens bis 8 oder 8V% oder 9 Uhr Abends, während die über- lauge, regelmäßige Arbeitszeit von 7 Uhr Morgens bis 9, 10, 11, HVa oder 12 Uhr Nachts sich findet bei: Materialisten, Käsekrämern, Kleiderhändlern, Schneidern. Schankwirthen. Hutmachern. Schuhmachern. Papierhänd- lern, Fleischern, Droguisten, Tabak-   und Obsthändlern. Ausdrücklich behauptet die Liga, daß diese Arbeits- zeit, die ja auch für alle weiblichen Angestellten Geltung hat. außerordentlich zur Beförderung der Prostitution beiträgt. Die meisten Gefallenen hätten irgend einmal alo Ladengehilfinnen ge- dient und wären dann durch die Einsperrung ins Geschäft, die lange Stundenzahl und die Mo- notie ihrer Arbeit der Prostitution in die Arme getrieben worden.(Hier fehlt unserer Ansicht nach der Hinweis auf den zu geringen Lohn so vieler Gehilfinnen.) Aus dieser wichtigen Enquete seien die folgenden ein- gehenderen Angaben gemacht. Die in den meisten Detailgeschäften übliche lange Arbeitszeit, während derer der Kommis in der Regel stehen oder gehen muß, wirkt um so unheilvoller, als Va 2/3 aller Gehilfen weniger als 21 Jahre alt ist. Ganz besonders groß ist die Üebcrarbeit am Sonnabend, wo die Gehilfen oft bis tief in die Nacht hinein, ja bis 1 Uhr Morgens thätig sein müssen, so daß sie dann also 17 bis, 18 Stunden hinter einander ab- strapazirt werden. Da zudem noch die Arbeit meist in schlecht gelüfteten Räumen vollbracht wird, io werden alle Bedingungen der Hygiene verletzt, und Krankheit jeder Art muß die Folge sein. Ebenso ist klar, daß Leute, welche auf die angegebene Art physisch bis zur gänzlichen Erschöpfung in Anspruch genommen sind, sich auch geistig nicht weiterbilden können, ja bald dem Stumpfsinn verfallen müssen. Man höre z. B. die folgende Schilderung eines Geschäftsführers eines großen Etablissements, der 26 Jahre in Liverpol, Manchester  , Birmingham   und London   kauf- männisch thätig gewesen war: Ich arbeitete nie weniger als 80 Stunden wöchentlich, aber recht oft deren 90. Am Sonntag bin ich vor Müdigkeit den größten Theil des Tages im Bett geblieben. Die lange Arbeitszeit und die für Mahlzeiten ganz ungehörig kurze Zeit haben mich physisch gebrochen; 40 Jahre alt halte ich meine Gesundheit für ruinirt und mich in der That für einen allen jungen Mann. Mit Arbeit und Tyätigkeit isl's vorbei ich bin jetzt zu gar nichts mehr nütze. Ich bin aber durchaus nicht etwa eine Ausnahme. Alte Leute giebt es nirgends in einem solchen Geschäft. Die Majorität der Angestellten beiderlei Geschlechts ist stets jünger als 21 Jahre, eine ziemliche Anzahl sogar jünger als 16. Alle haben viel zu arbeiten und fühlen auch die Wirkungen der Arbeit, und natürlich die weiblichen Personen mehr als die männ- lichen. In einigen Geschäften, in denen ich gedient habe, ist man am Sonntag Morgens nie vor 2 Uhr ins Bett gekommen, auch jetzt noch giebt es eine ganze Reihe von Läden, die am Sonnabend bis 12 Uhr Nachts geöffnet sind. An den Wochentagen dauerte die Arbeitszeit ge- wöhnlich bis 91 2 oder 10 Uhr Abends. 20 Minuten ist das Maximum der für die Mahlzeit bewilligten Zeit; und dann heißt's: zurück in den Laden. Und wie sieht es hier oft genug aus! In demjenigen, wo ich äugen- blicklich thätig bin, wird auch am Tage Gas gebrannt; die Decke ist so niedrig, daß ein Mann von gewöhnlicher Größe sie berühren kann; und in dieser heißen und un- reinen Luft arbeiten 15 junge Leute zusammen! Hun­derte habe ich zusammenbrechen sehen. Und wie sollte es anders sein? Keine frische Luft, keine körperliche Be- wegung, kein Sonnenschein, schnell heruntergeschlungene Mahlzeiten, keine Zeit für Lektüre oder religiöse Er- bauung! Was kann man denn noch nach 10 Uhr Abends anfangen? Die jungen Leute, erhitzt durch die heiße Luft und den Staub und ermüdet vom Stehen, vertreiben ihre Schläsrigkeit gar zu gerne durch Trinken, und leider denken die armen Mädchen ebenfalls nur zu ost, daß es etwas Angenehmeres als Ladenarbeit giebt. Niemand wagt sich zu beklagen, ans Furcht, ohne Zeugniß entlassen zu werden. Die Wirkungen der Ladenarbeit, wie sie jetzt in den englischen Detailgeschäftcn üblich ist, speziell auf die Ge- hilfinnen, wird von Herrn Rechtsanwalt Sutherst. dem Herausgeber der von derShop hours labour league" veranstalteten Enquete, auf Grund der Resultate der letzteren, wie folgt, geschildert. Die jungen Mädchen, die vom Lande her frisch und gesund ankommen, werden durch das Stehen und die schlechte Luft malt und krank; ihre Farbe wird gelb und ungesund; die Augen verlieren ihren Glanz und werden müde und schläfrig; die Füße schwellen an, der Rücken krümmt sich, die Luftröhre wird verstopft und das Nervensystem angegriffen. Das arme Opfer dieses unseligen Systems sinkt entweder früh- zeitig ins Grab oder aber es bringt den übrigen Theil seines Lebens unter schweren körperlichen Leiden zu. Daß diese Darstellungen keineswegs übertrieben sind, wurde durch die Prinzipale selbst, die von derShop hours labour league" als Zeugen vernommen worden sind, konstatirt. Diese sagen in der Sache selbst ähnlich aus wie die Gehilfen und Ladenmädchen, nur bezeichnen sie als Ursache der langen Arbeitszeit die habsüchtige Konkurrenz einzelner Geschäftsleute sowie die Gewohnheit des Publikums, viele Artikel erst spät am Abend ein- zukaufen. Ferner stimmen die von 14 Aerzten durch die Liga eingeforderte Gutachten darin überein. daß die überlange Arbeitszeit moralische und intellektuelle, vor allem aber schwere physische Schäden hervorbringe, z. B. werden durch die allzukurze Mittagszeit die Verdauuugsfunktionen empfindlich gestört, durch die mangelhafte Luft und die schlechte Ventilation die Respirationsorgane. Bei Frauen ist das lange Stehen für die Sexualorgane verderblich und Ursache vieler Frauenkrankheiten. Späterhin hat zudem noch eine von über 300 Lon- doner Aerzten an das Unterhaus gerichtete Petition die übliche Arbeitszeit in den Läden für überaus gesundheits- schädlich, zumal für Frauen erklärt. In nicht minder scharfer Weise treten gegen das bestehende System die Geistlichen auf, welche derShop hours laboür league" Berichte über diese Frage ein- gesendet haben. Auch hier ist durchgängig von den schlimmen Wirkungen der allzu langen Arbeitszeit, wie sie jetzt Usus ist, die Rede. Daneben werden selbst- verständlich die schlimmen moralischen Konsequenzen, welche über die Gehilfen hereinbrechen, betont: daß diese so selten in der Lage wären, die Kirche zu besuchen, und, falls sie dennoch erschienen,selbst bei guten Predigten" schläfrig würden; daß sie durch Ueberarbeit stumpfsinnig würden und daher gegen harmlose und edle Vergnügungen eine entschiedene Aversion bekämen, umsomehr aber zu Aus- schweifuugen neigten; daß gar viele Gehilsen keine hohe moralische Festigkeit zeigten, und viele Ladenmädchen einen unsittlichen Lebenswandel führten, Die Sonaidemokratie unddie Gebitdete« unserer Tage". i. Unter dem Titel:Sind wir Sozialdemokraten? An die Gebildeten unserer Tage" erscheint eben eine kleine Broschüre, die in mancher Beziehung ein inter  - essantesmenschliches Dokument" ist. Der Verfasser meint, daß ein großer Theil der jüngeren Generation unter denGebildeten" der Sozial- demokratie angehört. Wir theilen zwar die Illusion nicht, allein wir können doch seine Ausführungen deS Interesses wegen anhören: Selbstverständlich gehören wir und gehört Ihr mit zur Sozialdemokratie, denn wir gehören durchaus mit zum Proletariat,%ßer das nicht einsieht, der ver- kennt seine wahren Interessen mehr als der simpelste Arbeiter. Ihr werdet genau so geknechtet, genau so aus- gesogen wie jene. Es ist zwischen euch und jenen nicht ein Unterschied der Art, sondern nur des Grades. Zu- mal geistige und materielle Arbeit beständig in einander übergehen und noch mehr in einander übergehen würden, hinderte nicht die erstarrte Sitte und Satzung ein Hin- über- und Herüberfluthen. Wie immer eure Thätigkeit beschaffen ist, ihr seid Knechte, und betrachtet man e» genaner, so ist ein Herr über euch und über dem Pro- letariat, das Kapital. Den günstigsten Fall angenommen, daß ihr in einer sogenannten nnabhängigen Stellung, als Advokaten; Aerzte, Schriftsteller und dergl. euer Leben fristet, wie ist es denn da in Wirklichkeit mit der Unabhängigkeit bestellt? Man hetzt euch auf einander und zwingt euch zu einer schnöden Konkurrenz, in der ihr euch gegenseitig schädigt, ja vernichtet. Da das An- gebot stets die Nachfrage übersteigt, so hat es das Kapital in seiner Hand, euch sich dienstbar zu machen. Ihr müßt ihm zu Willen sein, oder ihr bleibt seitwärts am Wege liegen und habt die Selbständigkeit des Geiste» mit Sorgen und Entbehrungen zu erkämpfen. Jeden- falls, wer nicht dem Kapital in geschickter Weise zu frohnden versteht, der wird nie diejenige Stellung er- reichen, die ihm nach Maßgabe seiner Bildung und seiner Arbeitskraft vielleicht gebührt. Denn wer kommt heute obenauf? Sind es etwa die Tüchtigsten? Oder sind e» nicht vielmehr diejenigen, die am meisten Reklame machen, am meisten schreie»? Und was ist denn Reklame anders als ein Lobhudeln und Wettkriechen vor dem Kapitalis- mus? Die sogenannte freie Konkurrenz züchtet die Ge- sinnnngslosigkeit und Gesinuungsgemeinheit. Selbst der Kamps gegen dieselbe ist gefährlich für die Reinheit und den Adel des Känipfenden. Denn wie anders soll er sich der erdrückenden Macht des Kapitalismus entgegen- stellen, als indem er sich selbst zu der Kampfesweise herabläßt, den Ringen des Kapitals die Kliquenwirth- schaft entgegensetzt, der brutalen Ausbeutung eine schwindelhaste Preistreiberei und einen ekelhaften Schacher mit seinem geistigen Können und seiner erworbenen Kraft? Denn es entwürdigt im Grunde, wenn ein Arzt seine Kunst verkaufen muß, wenn ein Advokat einen Un- schuldigen vertheidigt, weil er dafür bezahlt wird, wenn ein Schriftsteller schreibt, um hohe Tantiemen heraus- zuschlagen. Ihr Männer der geistigen Arbeit, ihr seid nichts anderes als Knechte des Kapitalismus! Ihr Künstler seid es, die ihr bei dem Schaffen eurer Werke beständig darauf Rücksicht nehmen müßt, nicht ob sie denen gefallen, deren Urtheil ihr achtet, nicht ob sie euren eigenen Idealen entsprechen, sondern ob sie einen kapitalkräftigen Käufer finden. Ihr Dichter seid es, die ihr dem verdorbenen Geschmack des vornehmen PöbelS schmeicheln müßt wenn ihr nicht hungern wollt. Ihr Rechtsanwälte seid es, die ihr die Gewaltthaten und Niederträchtigkeiten reicher Schurken vertheidigen müßt. Ihr Aerzte seid es, die ihr dem Jammer und der Roth des Armen hilflos zusehen und euch den alberuen Launen eingebildeter Kranker unterwerfen müßt, die diese Launen bezahlen könnan. Ihr alle seid es, die ihr mit eurem geistigen Pfunde wuchert; nicht der Menschheit dient ihr, wie ihr euch einreden möchtet, sondern der kleinen Min» derheit, den unwürdigen Vertretern des Kapitals. Noch schlimmer ist es, wenn ihr direkt von diesen Vertretern abhängig seid. Hier ist erst recht die Aus­beutung in ein System gebracht. Ihr müßt schmeicheln und kriechen, wollt ihr eine Stellung finden, und ihr müßt kriechen und schmeicheln, wollt ihr sie euch erhalten. Der kapitalistische Unternehmer hat infolge der unge- heuerlichen Konkurrenz beständig eine so große Auswahl