die Thäiigleit während des verflossenen JnhreS hin, daZ haupdsächlich die Vertiefung(!) des sozialpolitischen Programms(?) derParte: brachte. Dieses Programm habe sich durchaus bewährt.(!!)Er bespricht ferner die vorgenommenen Wahlen, bei denen diePartei betheiligt war, und empfiehlt Stärkung und Ausbreitung alsunerläßliche Bedingung künftiger Erfolge. Zum Schlüsse erwähnter die in letzter Zeit hervorgetretenen unerfreulichen Erscheinnngenim politischen Leben, insbesondere das Auftreten des Militarismusund mahnt zum Widerstand gegen diesen. Reichstags-AbgeordneterGaller spricht über die Marinepläne. Er tadelt, daß die Marinevorzugsweise zu Paraden und Manövern verwendet werde. Erverlangt, daß dem Plane, nach dem Deutschland neben seinemLandheer auch noch eine Schlachtflotte ersten Ranges haltensolle, entgegengetreten werde und daß nur das für die Vevthcidigung des Vaterlandes Nothwcndige zu bewilligen sei. Eindahingehender Beschluß wird einstimmig angenommen. RechtsanwaltMnser-Offenburg spricht über die Frauenfrage. Er legt kurz dendemokratischen Standpunkt dar und begründet eine» Beschluß,der sich für Verbesserung der Lage der Frauen hinsichtlich ihrerBildung und Existenzmittel ausspricht. I» der Erörterung wirdnoch mehrfach hervorgehoben, daß eine spätere, eingehendere BeHandlung der Frauensrage anzustreben sei. Dr. Grätzer- Berlinspricht über Zwangsorganisatio» des Handwerks und schlägt einenBesdiluß vor, der in der Form angenommen wird, daß diePartei entschieden die Ablehnung des Zwangsgesetzes, dagegendie Vorlegung eines Entwurfs über Handwerksorganisatio» aufreiheitlicher Grundlage verlangt. Tie weitere Erörterung wurdeauf niorgen vertagt.Am zweiten Tage berichtete nach der„Frankfurter Zeitung"zunächst der Reichstags-Abgeordnete Haußniann über die Thälig-keit des Reichstages und der Volksparlei in demselben, charakterbsirte die gesanimte politische Lage und die Aufgaben derDemokratie. Auf Antrag von Dr. Quidde-München sprachdie Versammlung den Reichstags-Abgeordnete» einstimmig Dankund Zustimmung aus. Hierauf reserirte Sonuemann-Frankfurtüber die Frage der Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Er legteder Versammlung unter Hinweis auf die bisherigen praktische»Versuche und die theoretische Literatur einen formulirten Vorschlagin Gestalt eines Gesetzentwurfes vor und begründete denselbenkurz. Der Vorschlag wurde auf Antrag des Referenten einerKommission von sieben Mitgliedern zur Bearbeitung überwiesenDr. Quidde-München verbreitete sich sodann über die Literaturder Volkspartei uud empfahl die Herstellung billiger populärerParteischriften. Danach fanden die Aufgaben des Parteitagesihre Erledigung. Als Vorort wurde Stuttgart wiedergewählt,zum nächsten Versamnilungsorte auf Einladung Mannheim bestimmt. Der engere Ausschuß wurde in seiner bisherigen Zufamniensetzung wiedergewählt und vie Wahl des weiteren Aufrschusses vorgenommen. Damit schloß die Versammlung.— Der württembergische Jllstizminister Dr.v. Faber will auL Altersrücksichten zurücktreten.—Karlsruhe, 12. Oktober. Die hiesigen Blätter melden:Heute Nacht gegen 1 Uhr verletzte in einem Restaurant einhier garnisonirender Premierlieutenant einenZivilisten mit dem Säbel so schwer, daß derselbe a l Sbald verstarb. Der That ist ein Wortwechsel voran-gegangen, welcher ausgeringfügigerUrsache entstandensein soll.—Strastburg, 10. Oktober.(Franks. Ztg.) In der hier ab-Sehalteue» Generalversammlung der A n w a l l s k a m m e r vonilsaß-Lothringe» wurde Klage darüber geführt, daß freigesprochene Angeklagte, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen, nidjt sofort nach derFreisprechung den Sitzungssaal verlassendürfen, sondern vielfach gezwungen werden, bis zur Beeudignng der Sitzung auf der Anklagebank zu verweilenund nach der Sitzung zum Gefängniß zurück-zukehren. Man beschloß daraus hinzutvirle», daß eine Wandlungeintritt.—Oesterreich.— Das Herrenhaus hat die Steuervorlagen,worunter die bemerkeuswertheste die R e» t e n st e u e r ist, in derFassung des Abgeordnetenhauses angenommen.—England.London, 11. Oktober. Im Hyde-Park fand heute Nach-mittag die Kundgebung der Arbeiter gegen dieMetzeleien in Armenien statt. Es gelangte eine Resolution zur Annahme, welche die Regierung auffordert, einenDruck auf die Mächte zu gunsten eines gemeinsamen energifchenVorgehens auszuüben, durch welches dem Sultan die Machtgenommen werden solle, seinen Blutkarnevalfortzusetzen, und welche die Regierung der begeistertenUnterstützung der Londoner Bevölkerung versichert. Unier derversammelten Menge befanden sich viele Armenier. Die Theil.nehmer an der Kundgebung waren weniger an Zahl, als ge-wohnlich der Fall ist.—Türkei.Konstantinopel, 11. Oktober. Gestern vollführten einigehundert seit Wochen unbezahlte Arbeiter des Marine-Arsenal? vor der Admiralität stürmische D e m o n-strationen. Dieselben wollten nach dem Iildiz-Kiosk, demPalast des Sultans, ziehen und wurden an ihrem Vorhaben nurmit Mühe durch die theilweise Befriedigung ihrer Ansprüche ver-hindert.—Infolge der nicht vorauszusehenden grasten Be-richte über den Parteitag, die erst in später Nacht-stnnde eintreffen, sind wir gezwungen, in den übrigenRubriken des Blattes nur das dringendste zu ver-öffentlichen.Vavkei-Llerrlzvilszten.In einem schwungvollen Begrllstungsartikel zumGothaer Parteitage sagt das„Gothaische Volks dlait":„Nie hat unsere Partei blühender und glänzender dagestanden,als heute, wo sie sich anschickt, zum vierten Male einen Kongreßin Gotha abzuhalten... Möge der diesjährige Gothaer Partei-tag sich seiuen Vorgängern würdig anschließen, mögen seineArbeiten die Partei heben und stärken, seine Beschlüsse dazubeitrage», die Befreiung der Arbeiterklasse und durch sie die derganzen Menschheit wiederum einen Sckiritt näher zu bringen."Während des Parteitags wird das„Gothaische Voltsblatt"täglich herausgegeben.Auö Baden. Bei der Bürgerausschußwahl in Bulach inBaden erhielten in der dritten Klasse von 118 Stimmen diesozialdemokratischen Kandidaten 65 bis 67.In Villingen i. B. beschlossen die Genossen, bei derdemnächst vor sich gehenden Bürgeransschußwahl nur Mitgliederunserer Partei als Kandidaten auszustellen.Als Vertrauensmann für den 8. b a d i s ch e nReichstags-Wahlkreis wurde auf der Parteikonferenz zu Achernder Mechaniker A. B r a u n a g e l gewählt. Derselbe wohnt inBaden-Baden, Merkurstr. IS.Polizeiliches, Gerichtliches rc.— Genosse G r i m p e in E l b e r f« l d wurde am Freitagals verantwortlicher Redakteur der„Freien Presse" wegenBeleidigung des Remscheider Oberbürgermeisters v. Bohlen vomElberfeider Landgericht zu 100 M. Geldstrafe verurtheilt. Betreffsder Anklage auf Verächtlichmachung von Staalseinrichtuugen,welches Vergehen in einem Artikel über die Hinrichtung Henzer-ling's gesunden worden war, wurde dem Genossen Grimpe vomGericht eröffnet, daß die Anklage eventuell auch aus Majestät.s«beleidigung ausgedehnt werden könne. Grimpe widersprachnun der sofortigen Verhandlung, woraus die Sitzung auf Freitagden 6. November, vertagt wurde.— Durch eine Notiz über den Streik bei Heinson u. Co. sollGenosse Thiel als verantwortlicher Redakteur des„VolksblatteS für Harburg" gegen den tz 153 ver GewerbeOrdnung verstoße» haben. Das dortige Schöffengericht verurtheilteihn deshalb zu 1 Woche Hast, gegen welches Urtheil Thiel Berusung einlegen wird.— Das badische Ministerium des Innern hat die polizeilicheAuflösung der am 30. Pugust in Freiburg abgehaltene» Ver.sanunlung aufgehoben, womit die Auslösung also als unbefugterwiesen ist.Parteitagdev soziÄlvemokrskischen NsvkeiDeukr�lands.(Schluß aus der 1. Beilage.)Gerade WahrheitSmnth ist es, der die neue Kunstauszeichnet. Sie schildert den Tod, da? Verderbensie hängt dem Laster kein moralisches Mäntelchen um. Sieverfährt nicht wie jene seichte Lügenkunst, die das Laster liebenswürdig entschuldigt, sie wischt der Well die Schminke aus demGesicht, nimmt ihr die Larve ab und zeigt überall die Todessymptome der bürgerlichen Gesellschaft. Nun sagen die GenossenDie neue Kunst erhebt nicht, sie sucht mit Vorliebe häßlicheStoffe ans. Es ist aber eine Erscheinung, die sich in der Kunstvom grausamsten Alterthum bis in die neueste Zeit findet,daß die Kunst gerade die furchtbarsten Ereignisse als Gegenstand ihrer Darstellung wählt. Was kann furchtbarersein, als ein Menschenmord, wo der Mensch das unnatürlichstethut, md>t neues Leben verbreitet, sondern Leben vernichtet.Warum stellt ihn die Kunst aber dar? Weil bei solchenThaten die geheimsteil Triebfedern in der Meuschenbrust sich amdeutlichsten zeigen; die Dichter wollen, wenn Sie einen Mordschildern, nicht sagen: Gehet hin und bringt einen Menschen umRedner geht nun dazu über, einzelne Vorwürfe Bärard'szurückzuweisen. Er nimmt den Roman„Der neue Gott" von HansLand in Schutz und sieht in ihm nicht eine Verhöhnung der Sozialdemokratie, sondern eine Schilderung der verruchten gesellschaftliche»Verhältnisse, die Tausende ins Verderben führen, um in unsdie Entrüstung über solche sVerhältniffe zu wecken. Wenn dieantike Kunst nicht so delaillirt in der Schilderung desGrausigen ist, wie die moderne, so geschah es, weil dieKunstmittel noch nicht da waren, so zarte undnuanzirte Stimmungen hervorzurufen, wie es die neue Kunstvermag. Hier könnten unsere Genossen, die sich auf ihredarwinistische und materialistische Wellanschauung berufen.einmal zeigen, ob sie sie wirklich besitzen. Die Wiederspiegelungder kleinsten Regung der Menschenseele basirte auf dergroßen Stolle der Naturwissenschaft. Das Mikroskop hatuns eine neue Welt eröffnet, hat unS die moderneKunst gegeben. Während wir in den früheren Jahrhundertenimmer in die Unendlichkeit, in das Himmelszell mit demWeltenhauss hinausschauteu, senkt man sich jetzt in das kleinstedes Kleinen und entdeckt da ebenso große Wunder, wie in demunendlich Großen. Die Kunst hat diesem Triebe Folge geleistetsie versenkt sich aus einmal in die geringste Menschenseele. Ja.die Kunst ist demokratisch geworden, man brauchtkeine Könige mehr auf der Bühne, man braucht keineFürsten, keine Barone und Grasen in den Romanensetzt ist der Arbeiter oder wer es sei, der Mensch ganz losgelöstvon seiner sozialen Stellung ein ebenso interessantes ObjektWir entdecken in ihm ganz dieselben Leidenschaften und ver-folgen sie. Allerdings müssen wir da, wenn wir beiden Lichtseiten des Lebens diese feine Analyse machenauch das Laster ebenso genau schildern; denn sonstwürden wir Wunder thun, würden wir die Meusd,e»bereits zu Engeln machen. Ich habe in der Diskussiou ganz genau herausgefühlt, daß leider immerder Staudpunkt vertreten wird, die Kunst sei dazu da,entweder zu belehren oder in dem gewöhnlichen Sinne zu erheben.Das hat ja Genosse Berard gethan, als er die viel geschmähte MutlerBertha" gegen mich beschwor. In„Mutter Bertha" fei kein ver-söhnendes Moment, man kann die gewaltige, niederschmetterndeTragik nicht ertragen, sondern steht immer noch auf dem Standpunkt— ich kann nicht anders sagen— des Traktätchenlesers, der immeram Schluß einen gebesserten Menschen verlaugt.(Lebhafte Rufe:Sehr richtig! Sehr unrichtig!) Sie müssen sich am Ende kriegen!(Lebhafter Beifall und Heiterkeit.) Wie tragisch und erhebendist der Schluß der Mutter Bertha! Sie thut das höchste,was eine Mutter für ihr Kind thun kann, sie ist ebennur eine Kellnerin, sie hat ein uneheliches Kind— ja, ich kannnichts dafür.(Stürmische Heiterkeit.) In diesem Weibe istdie größte Weiblichkeit und der größte Heroismus ver-körpert. Als ihr Kind ans dem Todtenbette liegt, als esaufgegeben ist und da die Nachbarin kommt und ihr von demQuacksalber erzählt, der es retten würde— ist es da wunderbar, daß»ach dem Strohhalm greift? Und nun tritt ihr diesermiserable Wüstling entgegen und fordert als Preis für ihrgerettetes Kind ihren Leib, ihre Ehre und sie opfert es mit demesten Entsckiluß, für immer allem Lebensglücke für sich zu entsagenund nur ihrem Kinde zu leben, und als das Kind stirbt, da geht« mit ihm in den Tod. Das ist eine so gewaltige Seelenlhat. soerschütternd, daß ich nicht begreifen kann, wie man darüber zulachen wagt.(Lebhafte Zustimmung.) Da kommen wir auf denStandpunkt, daß wir wieder die vornehmen Herren, die Großen undMächtigen der Erde brauchen. Ich finde, wenn eine Kellnerin,wenn ein Mädchen aus dem Volke am Schluß für ihr Kind inden Tod geht, so ist das ein Heroismus sondergleichen, der nurAchtung verlangt. Als ich in die moderne Richtung einlenkte,da wußte ich ganz genau, daß es sich um»ine Erziehung desarbeitenden Volkes zur Kunst überhaupt handelt. Die Frage:„moderne Kunst" spielt darum gar keine Rolle, weil trotz allemund allem ich immer wieder sagen muß: Heute haben wir thatächlich keine andere Kunst, als diese moderne. Die anderen, siemögen ganz wohlwollende Schriststeller sein, aber Künstler, diedas Leben den Lesern oder Zuhörern im Theater vor Augen stellen,lud sie nicht, sie sind Nachahmer einer vergangenen Kunstperiode.Wie müssen wir nun, sagte ich mir, die Erziehung des Volks zur Kunstgestalten? Genosse Frohme meint, ich hätte damit die HamburgerUrbeiter beleidigt. Ich frage ihn, wo er das gefunden hat, ichhabe nie einen Arbeiter beleidigt. Ich habe in meinen Artikelnausdrücklich mein tiefes Bedauern ausgesprochen, daß diechlechten ökonomischen Verhältnisse den Arbeiter hindern, an denGenüssen der Knltur und deshalb auch an der Kunst theilzn-nehmen.Erst in zweiter Linie habe ich auch die Frage gestreift, ob esbisher nicht schon möglich gewesen wäre, durch Hinderung derVerbildung in tünstlerischer Beziehung das Volk zu bewahren voreinem Rückfall in veraltete Anschauungen, die nirgends mehr inder Welt getheilt werden, vor der Anschauung, die Kunst solle be-lehren, anstatt daß sie das Lebensbild lebendig vor Augen stellt, damit»der voraus ablese, was er für sich brauchen kann. Es gab nun.wei Wege: entweder man stellte die ganze moderne Kunst(undch meine nicht etwa diese geschlechtlichen Probleme, aus denenimmer herumgeritten wird, als ob die moderne Kunst das ist) diegesummte moderne Kunst dem Volke vor Augen. Diese Ohrfeigeverträgt es heute noch nicht. Hier gilt es pädagogisch vorzugehenund nach und nach de» Arbeiter daran zu gewöhnen, und zwar nichtnur die Frauen, denn die Kunst ist durchaus nicht bl os für die Frauen.Wen» ich diesen Einwand höre, kommt es mir fast so vor, alshöre ich richtige Bourgeois: Ja, sür die Frauen ist es ininiernoch gut genug! Das heißt das weibliche Geschlecht, das sie inder Theorie immer gleichstellen, beleidigen.(Lebhafter Beifall.)Nein, die moderne Kunst wendet sich an den ganzen Menschen.gleichviel ob Weib oder Mann, und wenn man von Kunsterziehungspricht, so fragt es sich blos, an welches Niveau der Arbeiter-schaft man anknüpfen soll, ich meine nicht etwa den besseren oderden weniger besseren Sozialdemokraten, von dem heute schon dieRede war, denn den kenne ich nicht. Ich meine, daß es bei u»Sebenso gut wie in allen Gesellschaften eine Reihe von Leutengiebt, die sich sür die Kunst interessiren, und eine andere Reihe.die theils durch ihre ökonomische Lage, durch ihre Ueberbürdungmit den alltäglichen Arbeiten oder durch ihre politische Thäligkeitnicht dazu kommen können, sich in der Welt der Kunst umzusehen.Es fragt sich, wie wir dies» alle unter einen Hut bringenkönnen. Sollen wir z. B. auf das Bildungsniveau dergroßen Arbeitermassen in den katholische» Bezirken Bayernsoder des Rheinlands Rücksicht nehmen? Würden wirein Blatt gründen, das dort Anklang findet, sokämen die Arbeiter der Städte und würden sagen:was für einen Schmarrn bietet Ihr uns da. Wenn wir um-gekehrt, so wie ich es versuchte, anknüpfen an die in künst-lerischer Hinsicht fortgeschritteneren Elemente, die in den StädtenGelegenheit haben, etwas Schönes zu sehen, so werden natürlichimmer wieder Klagen einlaufen. Ja, das Blatt paßt füruns nicht. In unseren Kreisen verstehen die Leute dasnicht. Nicht etwa, daß Sie es nicht lesen können im eigentlichenSinne des Wortes, aber im tieferen Sinne können Sie esnicht lesen. Denn die Kunst, künstlerisch zu lesen, das heißtnackizuempfinden und nachzufühlen. ist eine schwere.Da habe ich mir denn doch gesagt, du machst es. wie esdie politischen Agitatoren unserer Partei gemacht haben. Waswäre aus unserer Partei geworden, wenn Lassalle sich bei seinenpolitischen Reden und in seinen Broschüren an das Aufsassungs-vermögen der allergrößten Masse gewendet hätte?(Sehr gut!)Er hätte gar nichts erreicht, denn wenn er hätte hinabsteigenmüssen auf das danialige liefe Bildungsniveau, dann hätte er,anstatt die Leute zu bilden, sie festgenagelt auf ihrem damaligengeistigen Tiefstand, statt dessen trat er ihnen entgegen, aus-gerüstet mit der ganzen Wissenschaft seines Jahrhunderls, undsuchte in niöglichst gemeinverständlicher Form, aber ohne ineinen Kalenderstil zu versallen, ihnen die Wahrheilen desSozialismus auseinanderzusetzen. Und wir sehen den Erfolg:Es hat Arbeit gekostet, jahrzehntelange Arbeit, aber heule habenwir eine Arbeiterschaft, die ihren Lassalle lesen kann, und an dieseLeute habe ich gedacht, als ich mir mein Kunstprogramm aus-klügelte. Ich mag hier und da in der Zluswahl des Stoffesnicht daS richtige getroffen haben, aber wenn man immernach allen Seiten schauen muß und trotzdem sein Kunst-ideal festhalten will, so ist es sehr schwer, hier oder da nichtAnstoß zu erregen. Man> redet sehr viel von der Mittelstraße,aber man vergißt, daß diejenigen, die sie in diesen Fragenbeschritten haben, heruntergerutscht sind. Merkwürdiger-weise merkt das„Hamburger Echo" gar nicht, daßdas von Berard verlesene Eingesandt ihnen zuerst Bravozuruft uud ihn hinterdrein sagt: Im Grunde genommen seid ihrja auch so häßliche Menschen wie der Steiger.(Heiterkeit.) Ihrhabt ja auch so verfluchten Plunder, denn meine Frau hat mirgesagt, das sind ja alles Tüfteleien. Hinter der Frau stehtvielleicht eine Schwägerin, noch etwas tiefer und hinter diesernoch eine, die es ganz unbegreiflich findet, daß die„Neue Welt"nicht Schundromane nach Art der blauen Hefte vom blutigen Knochenbringt. Auf diese Weise gerathen wir aus eine schiefe Ebene, auf deres kein Halt mehr giebt. Ich habe es bedauert, daß man mirbei dem Streben, das Volk, das Jahrhunderte lang von der Kunstausgeschlossen war, zur Kunst zu erziehen. Verachtung gegen dieArbeiter untergeschoben und Ueberhebung vorgeworfen hat.Noch einige Worte über die Moralität. Es wurde immer davongesprochen, daß die alten Klassiker, die ebensolche Scheusale undVerbrecher darstellen, wie die modernen, nur daß es dortKönige und hier ganz gewöhnliche Mensche» find, eine sittlicheTendenz gehabt haben. Ich traute meinen Ohren nicht, als ichdies Urtheil über die modernen hörte. Ich will nur auf GerhardHauptmann hinweisen, den ich für den größten lebenden deutschenDichter halte. Wer seinen„Sonnenaufgang" gelesen hat, in demder Fluch des Alkoholismus geschildert ist, wer seine„Weber"gelesen hat, in denen er das Elend des arbeitenden Volkes sodrastisch zum Ausdruck bringt, daß der Zuschauer vor Empörungund Entrüstung aufschreit und, wenn anders er ein Menschen-herz in der Brust trägt, mit dem Bewußtsein nach Haus«geht, daß dieser Zustand, den wir ja heute»och in andererWeise wahrnehmen, nicht fortdauern kann, werseinen„Biberpelz"gelesen hat, in welchem er die Justiz, wie sie heute noch viel-fach gehandhabt wird, mit platter Ironie geißelt(sehr gut),so frage ich, ob das keine höhere Sittlichkeit ist.Freilich giebt es Leute, die immer wollen, daß der Hauptheldder sogenannte Tugendsatzke sei, der aufschreit: Ja liebes Publikum,bring keinen Menschen um! Das ist der alte Standpunkt. Wer denverläßt, dem geht es wie dem denkenden Sozialdemokraten mitder heutigen Welt. Er sieht sie vor sich in ihrer Scheußlichkeit,er sieht vor sich die Roth, das Elend, den Kampf ums Brot, dasUnterliegen lausender von Existenzen, das Zugrundegehen. Undvom Künstler verlangt er hernach, daß er jedem solchem Bildeaus dem Wege laufen und ja nicht etwa einen Arbeiter schildernsoll, dessen Thaten im Widerspruch mit seiner Theorie stehen.Unsere Arbeiterschaft ist doch ivohl geschult und gebildet genug,um zu begreife», daß die heilige Sache, für die wir alle kämpfen, nichtdavon abhängt, ob der eine oder andere ein schwacher Mensch istmit Gebrechen und Lastern, ob da oder dort ein räudiges Schafherumläuft. Nein, die große Sache wird durch solche Existenzenimnier und wieder bestätigt, und man darf von der Kunst nichtverlangen, daß sie nur Arbeiter in Frack schildert, wie sie zu-fällig auf euter Rednertribüne auftreten, sondern die Kunst hatauch hier die furchtbare Wahrheit zu vertreten und jede» bisinS Haus zu verfolgen und zu schildern, wie es dort ist.Die Kunst ist mir das Zweite, sür das ich leben und sterbenmöchte. In erster Linie liegt mir an der großen Befreiung desarbeitenden Volkes aus ökonomischer Roth. In zweiter Linieaber schon jetzt an der Emporhebung des Volkes, damit es theil-nehmen kann an de» Kullurgenüssen. Denn Sie dürfen nichtvergessen, welchen! Zielen wir alle zustreben, wir wollen.daß das arbeilende Volk die Führung übernimmt aus allenGebieten des Lebens(sehr richtig!) und das wollenwir nicht durch Vernichtung früherer Kulturen, damitwir nachher aus dem Nichts etwas schaffen, sondern wirwollen alles Gute und Schöne und die ganze Fähigkeil, diesesGute und Schöne zu genießen, herübernehmen aus be» früherenGesellschaften und hinlegen aus den Tisch des arbeitenden Volles.damit dies als der große Kulturkämpfer der Gegenwart das Kulturerbeder Gegenwart übernehmen kann und den großen Ausgaben, die ihmbevorstehen, gewachsen sei, damit es nicht im Frohndienst ver-kümmert, sondern damit wir alle ganze Menschen werden. Dafürkämpfe ich, und in diesem Kampfe bitte ich sie, mich zu unter»tütze».(Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)Folgender Antrag SS ist noch eingelausen: Der Parteitagpricht dem„Vorwärts" und dem Abgeordneten Schmidt-Magde«bürg seine Mißbilligung darüber aus, daß sie in der Gewerk-chafisdebatte sachlich ungerechtfertigte, persönliche Angriffe gegenden Genossen Quarck gerichtet haben.Schilling und 20 Genossen.Timm- Berlin begründet den Antrag 93. der aus dem Ge-sichtspuukt gestellt ist. daß der„Vorwärts" der Ausdehnungunserer Partei und der Konkurrenz der bürgerlichen Blätterwegen seines Inhalts in der angedeuteten Form erweitern muß.Die wirthschastliche Beilage der„Leipziger Volkszeitung" hatvielen Beifall gefunden. Der Plan ist nicht undurchführbar undder Partei-Ausschuß soll ihn ernstlich in Erwägung ziehen.Nun zu Genossen Quarck. Genosse Quarck kennt doch dieParteigeschlchte, wer ist nicht schon in der Parteipresse so wie erbehandelt worden?(Heiterkeil.) Es ist also überflüssig, daß ermit seinen Beschwerde» vor den Parteitag tritt. Ich lönnte