Berliner  Sozial-Politisches Wochenblatt. Ans der Woche.   Der Grundbesttz und die Zage der ländliche« Arbeiter-Kevölkernng in der prenßischen Provinz Posen. II. Was wolle» die Nihilisten? II. Konservative Weisheit. Pon den Nationalisten in Amerika  . Z« den Getreidezöllen. Ein neues Mord- mittcl. Gin bürgerlicher Eharakterk»pf. Gedicht. Novelle. Die Parteiverhält niste der französischen   Arbeiter. Noch ein mal die Doppelwährung. Ueber Arbeiter bildungsschulen. Eine Fabel. Ans der Mache. -Bc- Der Pauker der Gardes du Corps, der zur Zeit des früheren Kaisers abgeschafft worden war, ist wieder eingesetzt worden, erhält eine Paukerzulage von monatlich 45 Mark, die Wachtmeisterzulage und ist ver- pflichtet, allein im Gardes du Corps einen Vollbart'zu tragen. Alle andern, vom Kommandanten bis zum jüngsteu Rekruten dürfen sich nur den Schnurrbart stehen lassen. D'rum sein wir froh, daß wir wieder 'neu Pauker haben! So wollt' ich doch, daß ich'ne Köchin war, da ging ich zu diesem Pauker her und nahm' ihn mir zum Schatz. Die Blätter bringen unter dem Titel: Eine mollige Schlafstelle, die Nachricht, daß in einer der letzten sehr kalten Nächte in Spandau   zwischen Holzstößen drei Männer und eine Frau geschlafen haben. Der Aufseher des Holzplatzes meinte: Nur ungern wollten die Obdach- losen ihren Schlupfwinkel verlassen. Aber sie mußte» ihn verlassen, sie hatten ja kein Recht, da unterzukriechen, vielleicht hätten sie auch einen der Holzklötze beschädigt, oder verunreinigt, man weiß, wie derartiges Volk ist. Eine schöne Illustration zu dem Feste der Liebe, das unsere Gesellschaft zu Weiuachten, zu feiern vorgiebt, ein prächtiger Beweis für den humanen Sinn und das edle Wesen unserer bürgerlichen Zeitungsmacher, die sich iber diemolligen Schlafstellen" der Obdachlosen lustig machen. Nach Weihnachten   ist auf der ganzen Linie der Kampf der Unternehmer gegen die Arbeiter losgebrochen. In Hamburg   setzten die vereinigten Rheder den Lohn der Heizer und Trimmer um 20 pCt. herab und zwangen dadurch die Arbeiter zum Ausstand. Wer weiß, welch' Mark und Gesundheit fressende Arbeit diese Leute auf den eisernen Ungethümen des Ozeans zu verrichten haben und den bisherigen geringen Lohn kennt, wird die Fri- volität der reichen Hamburger zu schätzen wissen. Die Gefährlichkeit der Arbeit vermehrt sich mit der zunehmen- den Fahrgeschwindigkeit der Dampfer, kaum Einer hält «och die Höllenarbeit während einer Schicht aus, mancher bricht ohnmächtig zusammen und muß auf Deck getragen werden, Fälle von plötzlich eintretendem Irrsinn sind unter den Heizern nichts seltenes, und die reichen Schiffs- eigner setzten die Löhne herab. O, es ist eine edle Gesellschaft, diese Woermann und Genossen, welche die Kultur in Rumfässern nach Afrika   bringen, sich öffent- lich als Vertreter des unverfälschten deutschen   Geistes aufspielen und dabei einsacken, was das Zeug hält. Der eiserne Mann im Sachfenwalde kann an ihnen seine Freude haben. Vielleicht läßt er jetzt sein Mundstück, dieHamburger Nachrichten" sich dafür in's Geschirr legen, daß man den armen Hamburger Millionären die Einstellung von Negern auf ihren Schiffen gestattet. Der noch schwebende Streik der Matrosen unb Heizer in Limmerick(Irland  ) hat zu einer eigenthümlichen Er- scheinung geführt. Die Gesellschaften wollten unter keiner Bedingung nachgeben. Da charterte die Union  der Matrosen und Heizer zwei Schiffe, belud sie mit Vieh und führte dasselbe auf eigenes Risiko nach Eng- land. Rentirt sich die Sache, so will die Union   noch mehr Schiffe miethen und auf diese Weise den gvldstolzen Unternehmern Konkurrenz machen. Sie kann es, da ihre Mittel sehr bedeutend sind. In London   wurden zweihundert Beamte der dem Ministerium der Posten unterstellten Sparkassen entlassen, weil sie sich weigerten, am 2. Januar zwei Stunden über ihre vorgeschriebene Arbeitszeit im Dienst zu bleiben. Wer hat sich nun in diesem Falle eines Vertragsbruches schuldig gemacht? Natürlich die Beamtem meint dasBerliner Tageblatt", denn zum Jahresschlüsse könne man die Angestellten länger beschäftigen als zu sonst einer Zeit. Es scheint die Gewohnheit einzureißen, daß die Herren Postminister sich besonderer Schneidigkeit befleißigen. In Polnisch-Oslrau wurden im Dreifaltigkeits- schacht des Grafen Wilczek 60 Arbeiter getödtet und eine große Anzahl verwundet. Durch Nachlässigkeit der Schachtverwaltung explodirte ein Gasreservvir, die im Schachte übermäßig angesammelte Staubkohle vergrößerte das Unglück. Was wird geschehen? Die Opfer eines dreimal unglückseligen Systems werden verscharrt werden, und die Hätz kann von Neuem beginnen. Was liegt an ein paar Arbeiterknochen, wenn nur das Geld im Kasten klingt. In Halle   sangen die Kinder einer Volksschul- klaffe in Abwesenheit des Lehrers die Arbeiter-Marseil- laise. Plötzlich trat der Lehrer herein und rief: Das ist wohl hier die reine Sozialdemokratie! Der freudige Gesang verstummte und der Rvhrstock des Lehrers begann seine Thätigkeit. Wären das aber naive Kinder! Hätten sieHeil dir im Siegcrkranz" gesungen, gewiß. ein jedes Kind hätte ein Chokoladeplätzchen bekommen. Dem braven Lehrer aber gebührt das allgemeine Ehren- zeichen, er hat sich um Staat, Vaterland und Gesell- schaff wahrhaftig verdient gemacht. Wie Mehrwerthe zu Stande kommen. Gegen die Verwaltung des Hörder Bergwerks-Hüttenvereins ist eine Strafanzeige erstattet worden, wegen zu hoher Ein- stellung der Roheisenbestände in der Bilanz. Die Ge- sellschaft hat also eigene Maaren über den Herstellungs- preis berechnet. Eine schön hergerichtete Bilanz macht natürlich die Aktien steigen und gicbt zu einer ganzen Reihe von Geschäften Anstoß. Wir sind neugierig, was der Staatsanwalt zu dem GLbahren der Hörder Schlot­barone sagen wird. Man ist weiter moralisch. Im Sommer kon- fiszirte der Staatsanwalt Nagel in Leipzig   die Romain dreier deutscher   Autoren und setzte deren Verurtheilung durch, dann kam unser Blatt daran, und jetzt ist auch Hermann Vahrs Novellensammlungtin de si'äcle" ver­boten worden, 149 Exemplare wurden konsiszirt. Wenn das nicht der deutschen Moral auf die Strümpfe hilft, was dann? Es scheint wirklich etwas faul, stark faul zu sein im Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte. In der letzten Woche wurde eine Frau zu zwei Jahren Zuchthaus   verurtheilt, weil sie zwei Mädchen, das eine von noch nicht 14, das andere von nenn Jahren an Herren  " verkuppelt hatte. Die Namen derHerren" werden natürlich, wahrscheinlich aus christlicher Nächsten- liebe, nicht genannt. Also, bei denHerren" stinkts, und die Bücher, welche diese Thatsache bekannt machen, werden konsiszirt. Sollte man da nicht wieder einmal das Roß beim Schwänze aufzuzäumen versuchen? In Köln   starb der frühere Reichstagsabgeordnete Moriz Rittinghausen im Alter von 76 Jahren. Er war einer der frühesten Anhänger des sozialistischen   Gedankens in Deutschland  . In den letzten Jahren trat er aktiv nicht mehr hervor. Er war ein ehrlicher, tüchtiger Charakter, darum wird auch sein Audenken unter den Genossen fortleben. Rußland macht gegenwärtig wieder einmal stark in Nihilistenhatz. Die Zahl der im Auslandewir- kenden" russischen Agenten und Lockspitzel wurde bedeu- tend vermehrt. Unter denselben sollen sich auch viele Deutsche   befinden. Diefreie Schweiz  " besitzt in Zürich  , Bern   und Genf   ganze Lockspitzelnester. Wie frech das Moskowiterthum wieder hervortritt und wie sicher ti seiner Sache zu sein scheint, beweist folgender Vorfall. Russische   Agenten lockten den bulgarischen Ingenieur Lutzky nach Konstantinopel   und ließen ihn dort verhaften. Eine Rotte von ihnen gedungener Gesellen bemächtigte sich des Mannes und schleppte ihn auf ein russische» Schiff, dos sofort nach Rußland   abdampfte. Lutzky'S Schicksal ist natürlich besiegelt. In ganz Europa   aber ist kein Mensch, der dem russischen Zar in den Arm fiele und sagte:Langsam, auch für Dich gelten Recht und Gesetz." Wie denn auch, der Mann ist ja von Gottesgnaden. X Damit die polnischen Gebietegermanisirt" werden, haben wir Geld aufbringen müssen, daß deutsche Gutsbesitzer in polnischen Gebieten angesiedelt werden. Da den Gutsbesitzern aber die deutschen Arbeiter zu hohe Ansprüche stellen, so ist jetzt eine Verordnung er- lassen, den Zuzug und den Aufenthalt russischer und galizischer Arbeiter zum Zweck der Beschäftigung in den landwirthschaftlichen und industriellen Betrieben zu gestatten. Auf einen polnischen Gutsbesitzer, der mit schweren Kosten vertrieben ist, werden jetzt fünfzig polnische Arbeiter eingeführt, welche ebenso viel deutsche Arbeiter verjagen, weil sie billiger sind. Und da soll man noch glauben, daß dasGer- manisiren" keine Jobberei ist? Von dem Hingerichteten russischen Generallock- spitze! Seliwerstow werden jetzt noch allerhand erbauliche Sachen bekannt. Der leider zu spät von seinem Richter ereilte Schurke ließ sich durch Kuppler unschuldige junge Mädchen verschaffen, jede Woche eine oder mehrere, um sie zu mißbrauchen. Aber der Mann war eine Stütze des Thrones, eine Hauptstütze, und die bekannte Zeitung hier in Berlin  , welche das Kreuz entehrt, indem sie es an ihrer Spitze trägt, bezeichnet den muthigen Padlewski, welcher diesen Schurken hingerichtet hat, noch alsgemeinen Mörder". Die hochselige niederländische Majestät hat nicht nur für echten Nordhäuser, sondern auch für Musik ein sehr lebhaftes Interesse bewiesen. Allerhöchst dieselben waren sogar ein vorzüglicher Komponist. Sie pflegten Ihrem Adjutanten zu befehlen, sich ans Klavier zu setzen und befahlen ihm zu spielen: Tam tam, tam tam, dum, bum bum. Wenn der Adjutant die Allerhöchsten Inten- tionen nicht richtig erfaßte, so geruhte seine Majestät ihn zu verbessern: Nein, nicht: tam, tam, bum. bum, bum. sondern: tamtam, tamtam, bum, bum, bum. Nachdem der Adjutant die herrliche Melodie seinem subalternen Geist eingeprägt hatte, mußte er ins nächste Zimmer gehen und sie zu Papier bringen. Leider war er jedoch nicht im Stande, die Schönheiten der Komposition festzuhalten, und da der König, wie alle musikalischen Genies, keine Noten kannte, so schrieb er ganz andere Melodien auf, etwa:Ach du lieber Augustin" u. s. w. Auf diese Weise sind denn leider die königlichen Kompositionen der staunenden Nachwelt verloren gegangen. Aber ein Genie geruhten Se. Majestät zu sein! Der Grundbesitz und die Lage der ländliche» Arbeiter- Bevölkerung in der preußischen Provinz Pole». n. JE P. Die ländlichen Arbeiter derProvinzkann man in drei Klassen ein theilen: Erstens die sogenannten freien Arbeiter oder Losleute, welche durch nichts zu Dienstleistungen oder sonstigen Arbeiten auf dem Guts- Hofe verpflichtet sind; sie wohnen im Dorfe und kommen zur Arbeit, wenn sie Zeit und Lust haben und werden daher, wenn es an Arbeitern mangelt, von den Besitzern durch einen höheren Lohnsatz angelockt, während sie in weniger drängender Zeit von ihnen nach Hause geschickt werden. Der Tagelohn dieser Arbeiter beträgt für das