Beiblatt zur Berliner Volks- Tribüne.

Nr. 2.

Friedhof.

Kein Salvenschuß, fein Trommelflang, Als sie den Freund begruben, Kein Sonnenschein, kein Lerchensang War doch ein Held sein Leben lang Im Kampf mit großen Buben.

--

Der Herbstwind pfiff, sein Heulen schwoll, Die Weiden   seufzten schaurig; Die Schaufel voll, die Erde scholl, Verschränkten Armes stand der Groll Am Grabe stumm und traurig.

Kein Pfaff verhieß Unsterblichkeit, Kein Pfarrer las die Messen;

Ein heilig Lied, ein schweigend Leid. In ihrem dunklen Feierkleid Wehrlagten die Cypressen.

So blieb die Menge drängend stehn,

Als sich das Grab geschlossen; Da dröhnt es: Auseinandergehn!

Und schon war Helm an Helm zu sehn- Des Himmels Zähren flossen.

Nun flog ein Kranz mit rothem Band

Wohl auf des Grabes Mitte; Und als er auf den Hügel sant, Da zogen schnell die Wächter blank Der Zucht und frommen Sitte.

Von Leichenstein zu Leichenstein  Die Klingen aus den Scheiden! Auf Schädelstatt und Todtenbein Sie hieben in die Massen ein Da weinten alle Weiden.

Das freche Lärmen klingt an's Ohr Der schlummernden Gerippe; Entseßen schlug den bleichen Chor, Und schwerbeleidigt fuhr empor Der Todten stille Sippe.

Der Regen goß, der Sturm schrie auf. Blut floß um Kreuz und Hügel, Und ruhig von des Kranzes Schlauf Ein Vogel stieg gen Himmel auf Mit purpurrothem Flügel.

Karl Hendell.

Eine Großthat.

treibender Nebel.

Sonnabend, den 10. Januar 1891.

V. Jahrgang.

die Zähne einer Harke und wenn die Dirne das sah, treues, das kennst Du doch?" Ja, das glaubte Hanse­wurde sie milder.

" Frierst, Hans?" zirpte sie.

Na,' s geht", antwortete Hans.

Schlag' die Arme umeinander", sagte das Mädchen und stellte sich mit dem Leierkasten gegen eine Hansthür. Der Junge setzte den Stuhl weg und versuchte es, aber war so steif und ungelentig, daß er es nicht fertig brachte. Es that weh in den Fingerspigen und. nüßte doch nichts. Dreck!" sagte er, es ist alles eins; ich friere auch nicht mehr so sehr Laß uns nur weiter gehn". Und so ging. sie.

*

*

mann zu kennen. Und so hoben sie an, winselnd und schwach, quietsend, wie die Kaze, wenn man sie in den Schwanz kneipt:

mit

Ich war junger Seemann, ich zählt' achtzehn Jahr Als ich mich verlobte, es war im Frühjahr; Es war eines Abends, die Uhr war just neun,

Da hab' ich begehret die Jungfrau so rein.

Du

-

du, dudelidu...

Hans zitterte, daß er fast nicht singen konnte, aber dem Johannechen ging's besser:

Sie war mir gewogen, sie gab mir ihre Hand

Und sagte: so knüpfen wir unser Liebesband. Wir waren Verlobte der Monate drei,

Darauf kam ein and'rer, da war es vorbei.

Du du, dudelidu...

-

Sie waren in diesen Tagen mutterlos, die Beiden. Die Alte lag dahei.n in ihrem Logis in der Rödfyld­Straße und war krank, sonst hätte sie sich gewiß nicht Der Wind schrie in Treppengängen und Schorn­geschont. Denn gewöhnlich war sie jeden Tag auf der steinen, Staub und Reiffrost trieben um sie in die Runde, Straße, die verkümmerte Halbtolle mit dem Schweine- daß die Augen ihnen voll Wasser liefen und dem gesicht und dem flachen schwarzen Strohhut über Augen Johannechen fam der Wind einmal um's andere in die und Ohren, wie das Strohdach über einem Heuschober. verfehrte Kehle, daß sie husten mußte; aber sie ließ nicht Tag für Tag. im Winter und Sommer, stand sie in den nach; sie sang sich warm und es ging besser und besser, Höfen und drehte und drehte sich was auf dem Leier- breiter und breiter, mehr und mehr durch die Nase: fasten vor, um das Essen für sich und ihre beiden Lämmer zu verdienen, die keinen Vater hatten, der sie versorgte, Gott   helf uns! sie hatten überhaupt anständigerweise feinen Vater; und das Johannechen und der Junge waren mit und sangen, denn das Johannechen war ein Wunder im Singen. Sie hatte eine Brust, so leicht, so leicht und eine Stimme war in ihr, als wäre sie ein Junge. Keine konnte so hoch in die Höhe gehen, wie sie und dabei hatte sie eine Art durch die Nase zu singen, wenn sie recht einsetzte, daß es dem Verhärtesten durch Mark und Bein ging.

Das Schiff sollte segeln, wir sollten an Bord Und lichten die Anker in Arendals Fjord; Wir standen und zogen und sangen mit Macht, Da hat mir ihr Bruder ein Briefchen gebracht. Du du, dudelidu...

Rasch las ich das Briefchen, was sollte das sein? Ich dachte des Abends im blühenden Hain  . Ich dachte des Abends, da sie ihre Hand

Mir reichte und sprach: wir knüpfen unser Band. Du dn...

-

Sie schielten umher nach einem Anzeichen, ob es

Die Närrsche- Kathrine" sagte oft, sie könne Gott   was gäbe; aber sie sahen nichts, als zwei Dienstmädchen, nicht genug für das Johannechen danken; es gab immer die auf einer Treppe standen und lachten. Schillinge, wenn sie mit war, nicht zum wenigsten von den feinen Leuten; und wenn der Leierkasten quiefte und Johanne sang, war es so schön anzuhören, daß die Närrsche- Kathrine wenigstens nichts Schöneres wußte in dieser Welt.

*

*

Grüß' deine liebe Schwester recht freundlich von mir Ich traure um feine in Norweger   hier; Wir hissen die Segel und alles ist klar, Treulose Sophie, leb' wohl in Arendal. Du du, dudelidu...

-

Der Wind war uns günstig und stand auf Nordost ' ne halbe Meil' von Torung verließ uns der Loots', Am anderen Morgen, die Uhr war just sechs, Lavirten auf Kurs wir von Nord gen Nordwest. Du du, dudelidu...

Dann seßten wir Segel vor günstigem Wind, Bramsegel und Raaseg'l, nun ging es geschwind. Adieu liebe Heimath und Ungetreue mein, Du wirst mit der Zeit noch vielleicht es bereu'n. du, dudelidu Dudeli, dudeli, du, du, du.

Du

-

gingen ihres Wegs. Niemand sonst war zu sehen. Die beiden Mädchen auf der Treppe lachten lustig.

-

hu! sagten die Schornsteine.

' s Johannechen und Hansemann schielten einander

Im ganzen ging es der Närrschen- Kathrine ziemlich gut und feiner konnte es anders sagen, als daß sie für sich und die Kinder zu sorgen verstand. Zu trinken pflegte sie nicht, außer wenn es sich so machte; ohne Von Arne Garborg  . Essen war sie selten, so lange sie gesund war und Kleider Mutorifirte Uebersetzung aus dem Norwegischen von L. Marholm. hatte sie für sich und für Johanne so weit, daß sie damit Es war an einem Novembertag in Christiania   und auf die Straße konnten. Mit Hans ging es auch, er der Tag war, wie solch ein Novembertag sein soll in konnte zu Hause bleiben, wenn das Wetter zu kalt war. diesem hyperboreischen Loch: graufalt und unbehaglich, Kathrine so elend gewesen, daß sie nicht ausgehen konnte Aber in den letzten zwei Tagen war die Närrsche­mit gelben Windwirbeln, die um alle Straßenecken fegten, und so gab es denn feinen anderen Rath, als daß das und and Reiffrost in der Luft, so scharf und dicht wie Johannechen heute allein in die Stadt mußte. Da ver- Uh hu Aber die Leute wollten doch draußen sein. Einer fielen sie darauf, Hans solle mitgehen. Viel nußen konnte hier, einer da, fuhren sie die Fußsteige entlang, schwankend, er wohl nicht, der arme Hansemann, aber es war doch an, etwas... aber das durfte man sich nicht merken lassen. stolpernd, im Winde flatternd wie alte Lumpen, mit den immer soviel, daß Johanne Gesellschaft hatte, Und Hüten über den Nasen und den Händen über den Hüten, außerdem war der Hans so schlecht gekleidet und say" Ich denke wir versuchen's mit Gustav und Karoline", und die Frauen lavirten so gut sie fonnten mit ihrem würden, wenn sie ihn ansahen und das könnte eine Nach- Student und jah hinunter; den hatten sie nicht bemerkt. überhaupt so erbärmlich aus, daß viele Mitleid haben was?" meinte Johanne. Man zu", zitterte Hans. vielen Segelgeräth, das die Windstöße hin- und herwarfen. hilfe für die Einnahme sein, meinte die Närrsche- Kathrine. Er war blaß und sein, ein bischen vornübergebeugt und An einem Fenster ganz oben stand ein junger Dann fam so ein gelber Wirbel gefahren, packte sie, zog sie mit sich, führte sie fort in seinem hohlen Griff, tanzte Dasselbe meinte auch Johanne. Hans winselte da­in die Runde mit ihnen, daß es den Armen schwindelte, gegen; aber er begriff, daß die Frauenzimmer Recht hatten flachbrüstig; das Haar schwer, schwarz, romantisch; ein schleuderte sie von sich gegen eine Wand oder einen Pfahl und so machten sie sich denn auf den Weg. etwas naseweises Binzenez ritt auf einer etwas naseweis und empfahl sich. Und die Ziegel auf den Dächern aufgeworfenen Nase, die Stirn war finster und mit drei hüpften und tollten, als wären sie lebendig, und die feinen Runzeln, aber um den Mund lag ein Lächeln, An der Pforte eines großen Miethshauses blieb halb spöttisch, halb mitleidig. Es war greulich, diese Schornsteine machten Musik und drunten an der Pipervits- Johanne stehen. Hier wollen wir's versuchen", sagte sie. Saßenmusik anzuhören, dachte der Student. Das schnitt Brücke lagen die Jachten und Schoner und tauchten und" Vielleicht hilft's", heulte Hans; er konnte es nicht in jeden Nerv, das ging durch Mark und Bein; an ar duckten sich und ächzten im Tafelwerk und rissen an den verbergen, daß er zitterte. Die Zähne flapperten ihm beiten fein Gedanke er wär' längst mit ein paar Ketten, als wollten sie sich loßreißen und wegzukommen im Munde. suchen. Es war ein Hundewetter, aber die Leute konnten Schillingen   drunten gewesen und hätte sie hinausgewiesen Hinein ging es mit viel Beschwerde; der höllische Bitte! macht, daß Ihr geht!" mit einer flotten, vor­es nicht lassen draußen zu sein, am wenigsten die schlecht Wind stand gegen die Pforte." Seß'n Stuhl dahin", nehmen Handbewegung; aber es traf sich so unglücklich, eingekleideten. sagte Johanne. Hans that es. Darauf wurde der Leier- daß er heute nicht mehr und nicht weniger als ein Zwölf­Durch die Flingenbergstraße schoben sich mit viel fasten von Johannens Rücken auf den Stuhl befördert schillingstück besaß und das mußte er für's Mittagessen Mühsal und großem Eifer zwei Bettelfinder mit einem und sie fing an zu drehen. Leiertasten; eine Dirne im Konfirmationsalter, groß­aufbewahren. Das ging. Johanne sah ihren Bruder mit selbst­gliederig, aber blaß, und ein Junge von zehn oder elf zufriedenem Ruhe an; was sagst Du dazu? fragten ihre lumpten Geschöpfe, wie sie da im Wind und Frost Außerdem that es ihm im Grunde leid um die zer­Jahren. An Kleidung hatten sie nur das Allernöthigste, Augen. Hansemann nickte, er sagte nichts dazu. standen und für ihr Leben sangen; na, er wollte es mit der Junge am wenigsten, und das Wenige, was sie hatten,' s Johannchen konnte seine Sache. Und lustig ging es Ruhe nehmen und sie ihr Lied zu Ende singen lassen. bestand aus Lumpen und Löchern, zumeist am Jungen. mit Liedern und Walzern und der Wind tanzte und die vielleicht hatte jemand sonst Sinn für solche Musik und Ihre Füße waren beinahe nackt, das, was ihnen als Dachziegeln hüpften und ein langes frankes Stöhnen ging mehr in der Tasche als er. Schuhwerk diente, war nicht des Ansehens werth. Aber durch die Schornsteine und Gänge und alle Gucklöcher; auf dem Rücken trug die Dirne den Leierkasten und der aber der Leierkasten pfiff ärger als der Wind in Schorn hatte ein unruhiges Gefühl, wenn er länger stände und Der Student seßte und versuchte zu arbeiten. Er Bursch ging mit dem kleinen Leierkastenstuhl unter dem steinen und Gucklöchern und es ging so frisch, daß Hans hinuntersähe, könnte das Gewissen erwachen. Arm und fror, daß er blau um die Nase war. Er war glaubte, es sei ein wahres Vergnügen. ... Wenn Wenn mager, wie eine Meerkaze und hungrig wie ein Wehrwolf das Subjekt im infinitivischen Satz dasselbe ist wie für Aber' s Johannechen dachte darüber nach, daß es das Hauptverbum" er verstand das nicht... Subjekt und die Dirne war wohl nicht satter. sich bei diesem Wind nicht gut singen lassen würde, be- im infinitivischen Saz Es fiel ihr schwer sich mit dem Leierkasten auf dem sonders wenn man so hungrig war, wie sie heute. Es in der Regel bloß der einfache Infinitiv in Beziehung dudu... dudulidu!... folgt Rüden vorwärts zu arbeiten und sie meinte, wenn der sang sich nie gut, wenn man allzu hungrig war; man auf das Hauptsubjekt Wind kam und mit ihr tanzen wollte, solle der Bursch hatte nicht die rechte Kraft in der Stimme. Und dazu subjekt( Nominativ mit Infinitiv§ 147). Hauptsubjekt ste stüßen und ihr helfen. Aber der Wind war start fuhr der Wind umher und fegte einem Staub und Reif und starrte darauf hin und verstand kein Wort. und der Junge schwach und mehr als einmal wurde sie entgegen, daß einem Sehen und Atmen verging;- aber Na o, Gott sei Dank, da hören sie auf. Nun an die Mauer gesetzt, daß es in ihr und im Leierkasten man mußte thun, was man konnte. sang. Dann schrie sie durch den Sturm den Jungen an, sind sie fertig. Sie haben erst ein paar Schillinge be­" Sing' mit, Hans! Das wärmt ein bißchen", sagte kommen und gehen. er sei ein Stockfisch und ein Schafskopf und allerlei Johanne. Kennst Du, Gjest Baardsens Liebeslied" wieder an mit voller Kraft. Er seufzte erleichtert und fing anderes, was wahrscheinlich ebenso häßlich war, aber der Nein, Hans fannte es nicht. Kennst Du: Wir sagten's infinitivischen Saß dasselbe ist mit dem leitenden Verbum..." Wenn das Subjekt im Junge nahm es mit Ruhe und zitterte und fror und so oft und Du weißt es so gut?" Nein. Du Dorsch! hauchte in seine steifen Finger, die so dünn waren, wie Aber, Des Seemanns   Verlobung und der Liebsten Un- hier, Du meine theure Puppe," hob Johanne im greu­ Da   brach die Kaßenmusik aufs Neue los. Empfange

-

"

-

-

-

"

Haupt­

er starrte