des jungen Werther nicht schreiben dürfen, weil einige jungeNarren durch die Lektüre znm Selbstmord veranlaßt wurden.WaZ die von Frohme verlesene Stelle aus der„Mutter Bertha*betrifft, so meine ich auch, der gute Steiger hätte hier ein bischenretouchiren sollen.(Sehr richtig.) Aber wir sollten doch nichtso überaus empfindlich sein:(naturslia non sunt turpia(natürliche Dinge sind nicht schändlich, nicht zu verwerfen). In Brüsselsteht das herrliche Kunstwerk, das„Manneken süß".(Große Heiler»keit.) Bor 80 Jahren wollte eine verspießerte Stadtverwaltung esin den Archiven verschließen. Genosse Frohme scheint ahnliches zu wollen. Er schlägt dieselbe Saite an, wiedie Klerikalen Münchens gegen den sogenannten Buberlbrunnenangeschlagen haben. Die Feigenblatt-Politik taugt uns weder inder Politik noch in der Literatur.(Beifall.) Die„LeipzigerVolkszeitung*' hat seinerzeit das Meisterwerk Claude Tillier's,den„Onkel Benjamin* abgedruckt. In dem humoristischen Romanführt der Dichter mit Schneidigkeit und Glanz. Humor und Witz,den Kampf der aufstrebenden Bourgeoisie gegen den verrottetenFeudalismus. Der Held des Romans ist ein herrlicher Mensch,aber, was Genosse Bsrard gewiß sehr bedauern wird, auch einbischen Weinschlauch.(Heiterkeit.) Der Höhepunkt des Romansist nun, wie Onkel Benjamin von dem Marquis gezwungen wird,ihn auf die Stelle seines Körpers zu küssen, wo man nur zufitzen pflegt(Heiterkeit) und wie er dann in gleicher WeiseRevanche nimmt. Kein Leipziger Arbeiter, keine LeipzigerArbeiterfrau hat daran Anstoß genommen. Ich würde michkeinen Augenblick bedenken, diesen Roman meinem Kinde in dieHand zu geben.(Beifall.)Das Hohelied von der Kunst, das Frohme anstimmt, ist ebennichts anderes als das Hohelied von der ewigen Wahrheit derbürgerlichen Gesellschaft. Nein, Genosse Frohme, es giebt keineandere Kunst mehr als die moderne Kunst. Genosse Frohme ha»den Steiger hingestellt als einen Verbrecher, der die Seele desVolks vergiftet. Er stand hier oben auf der Tribüne, wie vorvielen hundert Jahren ein Mann im römischen Senat, dereine Anklage donnerte gegen Catilina und ausrief: Wie langewirst Du noch unsere Geduld mißbrauchen! Aber mein liebertrohme: der Parteitag ist kein römischer Senat. Steiger ist keinatilina, und Du bist kein Cicero!(Stürmische Heiterkeit undHändeklatschen.)Frohme und Berard haben gestern einen Artikel eines mirnicht bekannten Kunstkenners verlesen, der sich in ihrem Sinneaussprach. Gut, ich gebe zu, es giebt verschiedene GeschmäckerIch theile Ihnen ebenfalls eine Stelle aus einemBriefe an mich mit, von einem Parteigenossen, denwir alle aufs höchste schätzen und dem niemand bestreiten kann,daß er ein vorzüglicher Sachkenner ist, vor dem sich auch dieAutorität des Genossen Börard beugen wird(Heiterkeit), ausdem Juli, als noch nicht der Sturm wegen der„Neuen Welt"durch den Parteiblätterwald brauste, als durch das„HamburgerEcho* und die„Leipziger Volkszeitung* noch nicht das geringsteSäuseln ging.(Heiterkeit.) Da heißt es:„Wer gezwungen ist,sich dem Auffassungsvermögen des großen Puplikums anzupassen,dem geht i» kurzer Zeit der Witz aus. Darüber wird Steiger sehrbald ein bitteres Lied singen. Aber Steiger macht seine Sachegut; er soll sich nur nicht verblüffen lassen. Genossen, Steigerwird sich nicht verblüffen lassen; lassen Sie sich auch nicht ver»blüffen, lmd entscheiden Sie so, wie es der Sache der Sozial-demokratie und den Fortschritten auf dem Gebiete der Kunst ent-spricht.(Lebhafter Beifall.)Stadthagen: Frohme's Ausführungen habe ich nichtshinzuzufügen. Wenn Schoenlank von dem Kuß auf eine bestimmteStelle gesprochen hat, so nehme ich nicht an, daß das so an-schaulich geschildert ist, wie es unsere Naturalisten thun würden,die die herausgesteckte Zunge und alles andere deutlich schildernwürden.(Heiterkeit.)Ich empfehle Ihnen die Anträge zur Annahme, die eineVerbesserung des Inhalts unserer Presse verlangen. Die Leiterdes„Vorwärts" sollten bedenken, daß es sich um eine Waarehandelt, die sie auszugeben haben. Es ist eine Schande, daßdas Brunnenvergiftungs-Blatt, der„Berliner Lokal- Anzeiger"in Berlin 130 000 Abonnenten hat. der„Vorwärts" nur 46 000.Gs muß der„Vorwärts" seinen Lesern dasselbe bieten, wie diebürgerlichen Blätter. Wir leben in der bürgerlichen Welt undhaben uns um alle ihr« Erscheinungen zu kümmer». Der„Vor-wärts" bietet nicht ein Spiegelbild aller literarischen und nicht-politischen Erscheinungen; er ist in dieser Beziehung weit hinterder bürgerlichen Presse zurückgeblieben. Die Redaktion muß ver-mehrt werden; es ist eine bessere Vorbildung der Mitarbeiter undfrößer« Selbstdisziplin der Genossen erforderlich. Es dürfen nicht dieLidersprüche vorkommen, die sich jetzt fast in jeder Nummer des„Vorwärts" finden, wo auf der ersten Seite das Gegentheil vondem steht, wie auf der dritten. Unser verehrter alter Liebknechtist unmöglich im stände, wo er fortwährend herausgerissen wird,wo er allerorten von den Genossen gerufen wird und deshalbhäufig von Berlin fort muß, jederzeit die mechanische geschäft-lliche Thätigkeit in der Hand zu haben, so daß alles aus einemGuß kommt. Er muß sich eine journalistische Hilfskraftnehmen, die ihn in dieser geschäftlichen Redaklionsthätigkeit,stlbstverständlich unter seiner Oberleitung, uuterstützt. Dem„Bor-wärts" liegt ja ein weit größeres Arbeitsgebiet vor, wie derbürgerlichen, wie der Provinzpresse. Als politisches Blatt ent-spricht er durchaus allen Anforderungen. Es ist nicht wahr,Genossen, daß andere Partei- Zeitungen ihn überflügelt haben.So vorzüglich auch die„Leipziger Volkszeitung", tie„SächsischeArbeiterzeitung" und die anderen Blätter auch sind, sosl-hr der„Vorwärts" doch meterhoch über ihnen alspolitisches Blatt. Aber im übrigen muß sein Inhaltbesser werden. Ich möchte unseren verehrten Liebknecht bitten,davon auszugehen, daß man von dem Arbeiter nicht verlangenkann, neben dem„Vorwärts" noch ein anderes Blatt zu lesen.Der„Vorwärts" muß alles bieten und alle Blätter ersetzenkönnen. Ich hoffe, daß eS dieser Anregung nur bedürfen wird«lnd daß es möglich sein wird, Inhalt und Auslage des„Vor-wärts" zu vermehren.Was die Quarck- Seite anlangt(Heiterkeit), so bitte ichdringend um Ablehnung des Antrags, der ein Mißbilligungsvotumfür die Redaktionen des„Vorwärts" und der„MagdeburgerVolksstimme* verlangt.(Beifall.) Ich bedauere sehr, daßGenosse Schmidt gestern weit über das Ziel hinausgegangen ist.(Sehr richtigst Wodurch aber fühlt sich Quarck beleidigt? Daßvon dem Frankfurter Pfadfinder ganz allgemein die Rede ist?Ja, ist denn Quarck eine hysterische Jungfrau? Und die Aus-Führungen über den„sozialpolitischen Reformer" behandeln dochnur die Frage, inwieweit die Eierschalen seiner VergangenheitQuarck noch anhaften. Es ist ja nur verlangt worden, daß diesesSewerkschastspolitische Streben nicht die Hauptsache sein darf.>aS soll die Redaktion nicht sagen dürfen? Deswegen«inMißbilligungsvotum? Das wäre die ärgste Reaktion, die größteUngerechtigkeit, eine Knebelung der Preßfreiheit!(Widerspruchund lebhafte Zustimmung.)Ich hätte es nicht für nothwendig gehalten, den Quark sobreitzutreten.(Heiterkeit.) Was mich empört hat an derSache, daS war nur das Verhalten einiger Redakteure desBlattes, die es für nothwendig hielten, in eigener Sachedie Erklärungen zu erlassen. Diese Sache ist ja erledigt. DerParteitag hat sich nicht mehr damit zu befassen. Aber daß Quarckverlangt, daß nicht ihm, sondern den Redaktionen des„Vorwärts"und der„Volksstimme" ein Mißtrauensvotum ertheilt werde, dasverstehe ich nicht.(Beifall.)A g st e r- Stuttgart spricht zu dem badischen Antrag 50 undbittet darum, diese Frage nicht vom allgemeinen Gesichtspunkteaus zu betrachten, sondern die speziellen Verhältnisse ins Augezu fassen. Im badffchen Oberland erscheint nur dreimal wöchent-lich ein Organ. Das kann absolut für die Genoffen, dienamenttich die parlamentarischen Verhandlungen verfolgenwollen, nicht genügen. Dazu kommt, daß diese? Blatt nicht inder badischen Kqpitale erscheint, sondern draußen in einemkleinen Orte. Da ist es nicht wunderbar, daß eS nicht dieVerbreitung hat, die es haben sollte und haben würde,wenn es täglich erscheinen würde. Allerdings hat es jetzt nur4500 Abonnenten; bei täglichem Erscheinen würde es aber ebeneinen größeren Abonnentenstand haben und sich rentiren. Jetztwird es vielfach durch auswärtige Blätter ersetzt, die doch hin-sichtlich der lokalen Fragen in keiner Weise genügen können. Ichbitte Sie also, nehmen Sie Rücksicht auf die badische Bewegungund denken Sie nicht lediglich daran, daß jede Neugründungeines Blattes ein gewagtes Experiment ist. Wir verlangenja nicht, daß die Mittel gänzlich aus der Parteikasse entnommenwerden sollen, fondern wir sammeln in Baden einen Preßfoudsund wünschen nur einen Darlehnszuschuß.A n t r i ck- Berlin: Die äußere Ausstattung der„NeuenWelt" ist bedeutend besser geworden. Wenn Genosse Steigererklärt, in Zukunft etwas vorsichtiger in der Auswahl desStoffes zu sein, so können wir uns wohl damit zufrieden gebenWeit wichtiger als diese Angelegenheit ist unsere Stellung zum„Vorwärts". Mit dem Redakteur muß ein ernstes Wort gesprochen werden. Wieviel hat der„Vorwärts" nicht in denletzten Jahren gesündigt. Zu den brennenden Parteifragen nimmter entweder gar keine Stellung, oder er schwankt in seiner Haltunghin und her, wie bei dem Streit der sächsischen Genossen überdie Taktik gegen die Wahlrechtsverschlechlerung.— In deräußeren Politik des„Vorwärts" sieht es noch viel schlimmeraus. Hier werden uns geradezu ungeheuerliche Dinge geboten.Vor allem fehlt jede klare Darstellung der Thatsachen. Dazukommen beständige Widersprüche. Die Darstellung der englischenVerhältnisse, wie sie der englische Korrespondent des„Vorwärts"giebt, ist ganz verschieden von der Darstellung, die die Redaktiondes„Vorwärts" denselben Vorgängen giebt. Ebenso ist es mitder Darstellung der Vorgänge in Italien. Am schlimmsten aberist das, was der„Vorwärts" über Frankreich schreibt. Da ver-öffenllicht er Sieges- Bulletins über die Wahlerfolge derfranzösischen Genossen bei den Genieinderaths- und Parlamentswählen. Wenn man sich nun jetzt das Verhaltendieser angeblichen Genossen bei den jüngsten Vorgängen in Parisansieht, bekommt man eine ganz andere Ansicht. Am 25. Augustbrachte der„Vorwärts" es fertig, zu behaupten, die französischeZiegierung empfände ein Grauen vor dem Besuch des Zaren.Vom Chauvinismus sei keine Rede, von ein paar Irrsinnigenabgesehen, die Franzosen seien überhaupt die besten Leute.Wenn diese Behauptung wahr wäre, dann müßten die IrrenHäuser in Frankreich bedeutend erweitert werden und es würdenwenige Franzosen draußen bleiben.(Heiterkeit.) Vier Wochenspäter hat der„Vorwärts" wieder das gerade Gegentheilgeschrieben. Da bringt er einen Artikel, vermuthlich von demselben Verfasser:„Die neue Kosackcnrepublik", die das Gegen-theil von dem sagt, was am 25. August behauptetwurde. Das schädigt das Ansehen des„Vorwärts" undder Partei. Das sind nur zwei Nummern. Ichkönnte Ihnen noch mannigfache Belege für meine Be-hauptung bringen. Wenn solche Dinge sich im„Vorwärts" ab-'pielen, dann ist es endlich an der Zeit, daß die Partei sich wieein Mann gegen diese Zustände erhebt, die der Würde derPartei nicht entsprechen. Acht, auch zehn Tage später, als siedatirt sind, erscheinen die auswärtigen Korrespondenzen imVorwärts". Häufig genug haben sie dann an Aktualität ver-loren. Für jede Zeitung ist eine möglichst schnelle, ausgiebigeBerichterstattung von größter Wichtigkeil. Auch hier muß Wandel'Haffen werden. Von einem Zentralorgan verlange ich, daßan der Spitze der Partei steht und ihr Direktiven giebt. Genosse Stadthagen hat die Kalamität schon angedeutetund auf unseren allverehrten Genossen Liebknecht bezug genommen. Auch ich bin der Ueberzeugung, daß Liebknecht, derals Journalist, Abgeordneter und Agitator menschenmöglichesleistet, trotz seiner großen Arbeitskraft die Aufgaben, die dieChefredaktion des„Vorwärts" stellt, nicht vollkommen erfüllenkann. Ein Mann muß mit der Direktion des Blattes betrautwerden, der seine ganze Zeit dem Blatte widmen kann. Der„Vorwärts" muß anders werden. Unsere Genossen können nicht3, 4 Blätter daneben halten, um sich über die thatsächlichen Vorzänge in der Politik zu unterrichten. Wenn wir die Massen irreühren, so kann das gefährliche Konsequenzen haben. Wir habenalle Ursache, das Volt über die thatsächlichen wirthschaftlichenund sozialen Verhältnisse aufzuklären.(Beifall.)K o l b- Karlsruhe betont die Nothwendigkeit, die PreßVerhältnisse Badens besser zu gestalten. Die Abonnentenzahl gehtin vielen Städten zurück, namentlich in der Umgegend von KarlKruhe. Um den Angriffen der nationalliberalen Presse entgegen�Zutreten, müsse ein Parteiblatt geschaffen werden, das aus der)öhe der Zeit steht; schaffe man ein täglich erscheinendes Blatt,würden bei der nächsten badischen Landtagswahl neue Siegeerfochten, sonst sei an Erfolge nicht mehr zu denken. In demAntrage se» ja nur davon die Rede, daß der Parteivorstand diebadischen Genossen eventuell unterstützt, wenn die eigenen Mittelnicht ausreichen. Das Geld werbe, wenn möglich, auf Hellerund Pfennig zurückerstattet werden.Liebknecht: Vor 20 Jahren wurden bereits dieselbenVorwürfe erhoben wie heute, und gerade weil sie so häufig vor-zebracht werden, macht ein großer Theil der Ausstellungen einenehr geringen Eindruck aus mich. Wir müssen uns doch darüberklar sein, daß, wo derartige Beschwerden regelmäßig wieder-kehren, tiefere Gründe vorliegen müssen, die es verhindert haben.daß das Ideal von einer Presse, wie es den Parteigenossen vor-chwebt, sich bisher nicht verwirklicht hat. Wollte ich irgend einanderes Parteiblatt mit demselben Maßstabe messen, der an denVorwärts" gelegt ist. so würde kein Blatt besserahren. Das weiß jeder vernünftige Genosse. Aber das. Zentralorgan wird einfach als eine Domäne betrachtet,die man ohne weiteres schlecht machen kann, ohne das Gutehervorzuheben. Ich bedauere es, daß der Punkt„Presse" nichtals besonderer Punkt auf die Tagcsorduung des Parteitagesmit einem Referenten und Korreferenten gesetzt ist, und es solltemir leid thun, wenn der Parteitag nicht einen Beschluß faßte,ur das nächste Jahr ein Referat und Korreferat darüber entgegen-zunehmen.Ich habe die Stellung eines Chefredakteurs niemals so auf-gefaßt, wie«S gewöhnlich in Deutschland der Fall ist. Manversteht darunter einen Mann, der die ganze Zusammenstellungbesorgt und für alles verantwortlich ist. Ich habe nichtdie Zeit dazu, von Morgens bis Abends in der Re-daktion zu fein, und ich würde mein Amt niemalsübernommen, und meine Freunde würden eS mir garnicht angeboten haben, wenn das von mir verlangt wäre. In Frank-reich versteht man unter Chefredakteur«inen Mann, der inpolitischen und sonstigen Dingen die Maschinerie der Redaktionleitet. Clemenceau, der jetzige Chefredakteur der„Justice*chreibt dafür Leitartikel, und im übrigen wird das Blatt vonLeuten in seinem Geiste redigirt. Wenn uni das noch nicht ge-lungen ist, so liegt das daran, daß wir eine hierfür geeignetePersönlichkeit noch nicht gefunden haben. Unsere Pressedezentralisirt sich immer mehr, und wenn von einem der Vor-redner aus die Nothwendigkeit der Zentralisation hingewiesen ist,so halte ich dem gegenüber eine Zentralisation für das größteUnglück für die Partei. Die Partei hat eine große Presse, die« immer mehr zu entwickeln sucht, und was an Talenten in derZartei da ist, übernimmt eine selbständige Stellung. Der„Vor-värts" befindet sich in einer ganz eigenthümlichen Lage, er istZ ugleich Zentralorgan und Lokalblatt, und das hat große Schwierig-eiten im Gefolge. Es ist davon gesprochen, daß manche Artikelo lange liegen bleiben, aber der Raum des„Vorwärts* ist zubeschränkt. Uns steht nicht so viel Platz zu Gebote, wie etwader„Sächsischen Arbeiter- Zeitung", eS macht uns schon einegroße Mühe, das hineinzubringen, was hineinkommen soll.Es ist ferner gesagt worden, der„Vorwärts* soll aus einemGuß hergestellt sein: Ja. daS sollte er sein, aber er istes nicht, weil verschiedene Strömungen darin zur Geltungkommen. Man wirft dem„Vorwärts* vor, daß er oft keineMeinung hat und nicht zu allen Fragen Stellung nimmt, aberdarin zeigt sich ja gerade der Unterschied zwischen einem Zentral-und einem Lokalblatt. Wäre ich Redakteur eines Lokalblattes,so wäre ich sicher der erste, der zu jeder Frage entschiedenStellung nimmt. Das Zentralblatt hingegen gehört der ganzenPartei, und wenn in der Partei verschiedene Strömungenherrschen, so halte ich als Chefredakteur des Zentralorgans michnicht für berechtigt, meine Meinung als die leitende Meinungder Redaktion hinzustellen. Ich habe es stets für meinePflicht gehalten, den verschiedenen Strömungen Rechnungzu tragen, so in der Agrarfrage und in der bayerischenLandtagsfrage. Hätte ich damals Stellung genommen, so hätteich damit einen Theil der Genossen beleidigt. Ich habe nichtdas Gefühl der Unfehlbarkeit, ich glaube ja in manchen Dingenebenso gut wie ein anderer in der Partei richtig urlheilen zukönnen, aber ich bin nicht im stände, immer das Richtige zufinden. Ich war z.B. bei der Agrarfrage, wo die Geisteraufeinander platzten, nicht in der Lage, zu sagen, was dasRichtige war, und ich würde eine Partei verachten. wenn sie sichdas gefallen ließe. Die Redaktion des Zentralblattes kann alsRedaktion zu derartigen Fragen nicht Stellung nehmen.Wir haben nun das Abkommen getroffen, daß die Redaktionnach der Majorität Stellung nimmt. Dann kann aber dieMinderheit kommen und das Gegentheil sagen, und das wäreeinfach Unsinn.(Sehr richtig!) Es könnte dann in einemArtikel das Gegentheil von dem zu stehen, was im Leitartikel inderselbe» Nummer enthalten ist. Da sieht man. mit welchenSchwierigkeiten wir zu kämpfen habe». Bei den Provinz-Partei-blättern weiß jeder sofort: das hat der Schoenlank geschrieben.Aber im Zentral-Organ halte ich mich nicht für verpflrchlet, sozu verfahren. Ich bin zu jedem Abkommen bereit, nur darf dieMinderheit nicht vergewaltigt werden. Das Zentralorga» darfnicht der große Nürnberger Trichter sein, der die Weis-heit den Genossen eintrichtert. Gerade dadurch, daßwir nach allen Richtungen hin selbständige Organegeschaffen und die Arbeiter geistig gebildet haben, sind wir denGegnern im Kampfe überlegen. Aus welche Weise soll dennauch der„Vorwärts" zu allen Fragen Stellung nehmen? Dereine Redakteur denkt so, der andere so; es �bleibt also schließlichnur der mechanische Weg der Abstimmung übrig, und das wäredas allerverkehrteste.(Sehr richttg.)Es ist mir vorgeworfen, daß ich bei der Frage der sächsischenLandtags-Wahlen nicht mehr eingegriffen habe. Ich bin ja oftdiktatorischer Gelüste bezichtigt worden, aber ich habe doch so vieldemokratisches Gefühl, daß ich den Genossen in einem Lande, wo dieSozialdemokratie so entwickelt ist, wie in Sachsen, nicht vonBerlin aus Direktiven geben will, wofür sie sich auch bestensbedankt hätten. Das Verlangen, von oben herab alles zudiktiren, kann nur jemand ausstellen, der wirklich nicht fähig ist,die Dinge vollständrg zu überschauen. Muß ich denn, wenn icheine andere Meinung habe, gleich den Gegner für einen Eselhalten und auf ihn losgehen?(Heiterkeit und Beifall) Nein.das darf nicht sein. Ich habe da. wo es galt, die Partei zu-sammenzuhalten, stets zu vermitteln gesucht, und ich habe dieParteikämpse in Frankreich und England gesehen und die Er-sahrung gemacht, daß dort die Partei in ihrer Entwickelunggestört worden ist, weil der Versuch zu vermitteln unterblieb.Wenn ich nicht alles so durchführen tonnte, wie ich's wollte, soliegt das daran, daß es an ausreichenden Kräften fehlt. Beieinem so großen Blatt, wie der„Vorwärts", bei dem das, wasman nicht sieht, die größte Arbeit verursacht, ist unsere Stellungeine sehr schwierige. Wenn man nur die ungeheure Kor-respondenz, die der„Vorwärts* führt, betrachtet, und wen» mandie Schwierigkctt der Aufgabe mit den zur Verfügung stehendenKräften vergleicht, so wird man uns nicht Mangel an Arbeitslustoder Arbeitskraft vorwerfen können Ich werde ja demnächst inder Redaklionskonferenz gründliche Vorschläge machen, um denKonflikt zwischen Zentral- und Lokalorgan zu beseitigen.Genosse Antrick wirft dem„Vorwärts* vor, daß sich impolitischen Theil häusig Widersprüche finden. Wenn man aberdie beiden Notizen, die er anführt, richtig auffaßt und nichtChauvinismus mit dem Ruf nach Krieg identifizirt, so findet mankeinen Widerspruch in den beiden Artikeln, die von mir selbst ge-schrieben sind. Allerdings hatte die französische Regierung großeAngst vor dem Besuch« des Zaren. Sie wußte nicht, was seitenseiniger Anarchisten geschehen könnte, und es bestand einegroße Besorgniß. bei Deutschland Anstoß zu erregen. Mit größterAengstlichkeit wurde jede Demonstration vermieden, die kriegerischaussehen konnte. Der französischen Regierung fiel eine Zentner-last vom Herzen, als der Zar wieder fort war.Das widerspricht nicht der Thatsache, daß die Re-publik sich Rußland in die Arme geworfen hat. Wirsollen falsch über die Bewegung im Auslande berichten!Hierbei ist dem Genossen Antrick der Schnitzer unterlaufen, daßer annimmt, der Pariser Gemeinderath besteht aus Sozialisten.(Zuruf von Antrick: Ist mir nicht eingefallen.) Aber das istdoch Ihre Voraussetzung. Niemand hat vom Pariser Gemeinde-rath ein anderes Vorgehen erwartet. Und glauben Sie. daß iches lobe, wenn unsere Genossen, die darin sehr schwach vertretensind, nicht mit der Energie protestirt haben, wie die sozialistischenGemeinderäthe von Lille und Bordeaux.Der Widerspruch zwischen den Korrespondenten deS Auslandes und den redaktionellen Notizen rührt daher, daß ich auchandere Meinung aufkommen lasse. Ich halte die Leser des„Vorwärts" nicht für so dumm, daß sie nicht aus verschiedenenAnschauungen das richtige herausfinden können. Ich glaube.daß meine Toleranz eher Lob als Tadel verdient.Die wissenschaftliche Beilage, die gewünscht wird, ist bisheraus Mangel an Raum und aus dem Grunds nicht zu stände ge-kommen, weil Konrad Schmidt, den wir dafür in Aussicht ge-nommen hatten, zu dieser Arbeit keine Zeit hatte. Er hat sichaber jetzt bereit erklärt, je, nachdem es beschlossen wird, ein- oderzweimal wöchentlich eine derartige Uebersicht zu geben, uydich kenne keinen Mann in der Partei, der dazu befähigter wäre.Was die Polemik mit Quarck betrifft, so müssen wir einenUnterschied machen zwischen einer Polemik mit Gegnern und mitGenossen. Ich bin dagegen, daß die Polemik mit Genossen per-sönlich betrieben wird.(Lebhafte Zustimmung.) Ist das aberder Fall, dann muß die Person, die den Angriff unternimmt, sichauch nennen.(Sehr richtig!) Und wenn sie sich genannt hat,dann ist eS mir vollständig gleichgiltig, wer die Polemik führt.Boransgefetzt, daß in dem Streit nicht etiväs absolut Uuanstän-diges vorkommt, oder etwas, was gegen die Parteidisziplin ver-stößt, kann man der Polemik keine Grenze setzen.(Sehr richtig!)Man darf aber niemals versuchen, einem Genossendie Partei-Ehre abzuschneiden.(Beifall.) DaS sind meineGrundsätze, die wohl von jedem gebilligt werden.(Lebhafte Zu-stimmung.) Ich habe es bedauert, daß gestern mein KollegeSchmidt Dinge gegen Quarck geäußert hat, die besser nicht gesagtwären.(Lebhafte Zustimmung.) Wenn man eine» Mann wieQuarck hinstellt als einen Menschen, der noch kein richtigerGenosse ist, sondern erst fertig werden muß. so bedauere ich das.Ich muß entschieden dagegen protestiren, daß in dieser Weisevon verkrachten bürgerlichen Existenzen gesprochen worden ist.(Bravo.) Diese verkrachten bürgerliche» Existenzen haben wirbei uns; das kann man aber nicht aus Quarck anwenden.Der Mann hat sich normal entwickelt, und wenn erin Zwiespalt gerathen ist zu seinen früheren Anschauungen, soist das begreiflich, aber kein Tadel. Quarck ist aus einer Parteiherausgegangen, die ihm eine bessere Stellung hätte geben können,als wir.(Sehr richtig.) Wir klagen über Mangel an Talentenund dabei wird jeder niedergeknüttelt, der aus bürgerlichen Kreise»u uns kommt.(Lebhaste Zustimmung.) Könne» wir denn warten.>is aus der Arbeiterklasse Redakteure herauswachsen? Die ehr-liche Gesinnung ist eine selbstverständliche Voraussetzung, aberdamit allein redigirt man doch keine Zeitung. Ich gebe zu.haß wir die schlechtesttn V«rsammluug»b«richt«ftaU« haben»