Berliner MhA Sozial-Politisches Wochenblatt. politische Noti?e«. Soziales au» den vereinigten Staaten- Die Sozialdemokratie«nd die Annerion von Msaß-Lothringen. Kein Uothstand! Ltterari I che». Gedicht. UoveUe. Zola«nd der Krieg. - Die mirthschaftliche Lage der Arbeiter in der Schweiz. Der- schieden»». PoMische Notizen. § 180 des Strafgesetzbuches lautet;Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise ver- schiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu 600 M. oder mit Gefängniß bis zu 2 Jahren bestraft." Wer die Sozialdemokratie auch nur ganz ober­flächlich kennt, muß einsehen, daß man logischer Weiß diesen Paragraphen gegen die sozialdemokratische Agitation niemals anwenden kann. Gewaltthätigkeiten halten wir für ein ungeeignetes Propagandamittel, da wir durch die selben bloß erreichen würden, daß man uns nieder knüppelte. Sozialdemokraten haben deshalb auch noch nie zu Gewaltthätigkeiten angereizt; nur Anarchisten, die eben keine Sozialdemokraten sind, und in diesen Fragen der Taktik mit uns bekanntlich nichts gemein haben; und Lockspitzel, welche von den Leuten bezahlt wurden, die ein Interesse daran haben, daß die Arbeiter Gewalt- thätigkeiten begehen, nämlich von denjenigen Persönlich leiten, welche uns gern durch Niederknüppeln aus der Welt schaffen möchten. Nichtsdestoweniger sind auf diesen Paragraphen hier schon verschiedene unserer Genossen verurtheilt. Man kann daraus schließen, daß dieser Paragraph also wohl einer Deutung fähig sein muß, welche von der Deutung des schlichten Menschenverstandes, der die Jurisprudenz tin de siöcle nicht studirt hat. ab­weicht. Leider ist es dem Menschen aber nicht gegeben, sich bei ihm unerklärlichen Dingen so leicht mit dem Bewußt sein des beschränkten Unterthanenverstandes zu beruhigen; und so quält auch mich folgendes Problem, das ich hier­mit den Lesern zum Lösen übergebe; Wie kann man auf Grund des§ 130 einen Menschen anklagen, der die Leute vor Gewalt- thätigkeiten mit den nach seiner Auffassung triftigsten Gründen warnt? Das ist mir aber buchstäblich passirt. Diejenigen Leser, welche sich das Blatt aufheben, bitte ich den Artikel Hungerzölle" in der Nummer vom 6. Juni nach zulesen. In diesem Artikel war ausgeführt, daß die Hungers- noch eventuell das Volk zu Unruhen treiben könne, und daß manchen Leuten diese Unruhen sehr erwünscht sein würden. Daß aber das Volk ruhig ausharren müsse und seinem Groll nicht nachgeben dürfe, denn sonst werde durch die nothwendig erfolgenden Repressalien die Sache noch schlimmer. Es war dann die allgemeine Politik diesermanchen Leute" gekennzeichnet und behauptet, daß dieselbe eine furchtbare ökonomische Katastrophe über Deutschland heraufbeschwören werde. Auf Grund dieses Artikels erfolgte eine An- klage wec/.nAufreizung verschiedener Klassen her Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander!" Von ExbiSUtarck liegen wieder zwei interessante Aeußerungen vor. Ueber Bonaparte hat er sich s. Z. nach seiner Rück­kehr von einer Zwiesprache mit ihm in Biarritz folgender­maßen geäußert; Der Kaiser will mich nicht begreifen- Und doch hätte man sich so gut verstehen können! Wir beide zusammen hätten Wide«, oder, wenn er mir antwortete, redete er nur vage Worte von Ruhm, Menschlichkeit, Völkerverbrüderung und was weis; ich noch für Albernheiten," Natürlich hat dieser Hallunke von BonaparteRuhm, Menschlichkeit und Volkerverbrüderung" auch nur als Albernheiten" betrachtet und hat. diese sentimentalen Phrasen gemacht, um damit die Dummen einzusangen- Aber die cynische Frechheit hat doch wohl vor Bismarck Niemand gehabt, die Menschlichkeit öffentlich alsAlbern- heit" zu bezeichnen. Wenn ein Verbrecher auf der Anklagebank erklärte; ich halte die Menschlichkeit für eine Albernheit, so würde sich ein Schrei des Entsetzens er- heben über eine solche Verthierung, Und dann das:Wir beide hätten Europa auf- gezehrt!" Dafür giebt es einfach keine Kritik. Was würde man sagen, wenn ein Mörder sich kaltblütig mit einem andern Mörder darüber unterhielte, wie man eine Reihe anderer Personen ermorden und ausrauben könnte, und dann, wenn der zweite Bedenken hatte wegen der Menschlichkeit" des Verfahrens, kaltblütig sagte;Schade, daß du nicht willst, wir beide hätten die Leute alle zu- sammen todtschlagen können." Und das handelt sich bloß um ein paar Menschen, die dabei eventuell von diesem Gesindel ermordet werden sollten. Aber bei Bismarc handelte es sich um ganze Völker, um ganz Europa das er seinem Kumpan Bonaparte vorschlugauszu zehren". Kürzlich hat:r einem Engländer, gegenüber der ihn besucht hat, folgende Aeußerung gethan; Bismarck zeigte aus zwei stattliche Fichten vor uns und sagte;da oben, frei in der Luft, zwischen diesen Bäumen möchte ich ruhen, wo frische Luft und Sonnenschein noch zu Einem können; der Gedanke, in einer Schachtel eingegraben zu werden. hat seine Schrecken." Die Maoris, die Wilden auf Neu-Seeland , hissen, wie er gehört hat, ihre tobten Häuptlinge zwischen den Kronen von zwei zusammengebundenen hohen Tannen im ein- samen Walde und überlassen sie dort dem Spiel von Wind und Sjöetter." ' Wirklich, wenn wir nichts an Bismarck bewundern dieses Taktgefühl dafür, wo er hingehört, be vuidern wir. Dümmer, wie jich's gehört, sind unsere Agrarier Was die Herren für Vortheile von den Rentengütern laben, haben wir bereits auseinandergesetzt, und wenn es �ich um das eigene Interesse handelt, so pflegt man ja olche Dinge leicht einzusehen, selbst wenn man sonst nicht mit großen geistigen Kräften begabt ist. Aber auch das können unsere Agrarier noch nicht einmal, die Profite, welche ihnen von ihren inlelligenteren Kollegen in die Tasche geschoben werden, weisen sie aus Unverstand von Ich. Wir finden folgende Notiz in einem Blatt: Das Gesetz vom 7. Juli er. betr. Erleichterung der Er- richtung von Rentengütern hat in dem landwirthschaftliche Ver- eine R. seitens des Reichsgrafen A. und des Geh. Regierungs- raths B. scharfen Tadel erfahren. Regierungsrath E, welcher einen Vorttag über daS Gesetz hielt, hatte|cinc Zweifel aus­gesprochen, ob die Absicht des Gesetzgebers, die ländlichen Ar- better seßhaft zu machen, durch das'Gesetz erreicht werde. Der Mann werde, wenn für seine Familie durch Grund und Boden gesorgt sei, erst recht zur Arbeit fortwandern. Jndeß werde das Gesetz zweifellos die Wirkung haben, die bäuerlichen Ansiediungen U vermehren. Geh. Rath B. erklärte, das Gesetz sei für die Verhältnisse der Gegend durchaus ungeeignet, denn die Pacht- preise seien dort so hoch, daß niemand an die Bildung von Rentengütern denken werde. Uebrigens sei der Hauptfehler des Gesetzes, daß es nicht ein Abhängigkeitsgesetz herstelle, denn alles Glück hänge von der Abhängigkeit ab. Der Mensch müsse ab- händig sein, um glücklich zu sein. Der Retchsgraf A., der Bor - 7' Europa aufgezehrt, während jetzt einer von uns aufgezehrt wird. Wer dies sein wird? Ich denke, nicht ich oder vielmehr nicht das Land, das ich repräsenttre. Ich habe dem Kaiser Alles gesagt, um ihn dazu zu bringen, daß er unser Verbündett werde, aber er hat nichts hören wollen.... Er hat mir nichts er- itzende des Vereins, führte aus, daß der Erfolg des Gesetzes den Ruin des Großgrundbesitzes bedeute. Der Arbeiter, der eßhaft wird, werde selbstständig und beanspruche für sich wieder Arbeitskräfte, so daß die Arbeiternoth noch gesteigert werde. Die Finauzpolitik des Herrn Miquel hat bei uns niemals solche warme Bewunderung gefunden, wie anderweitig. Als vorigen Herbst die dreiprozentige An- eihe 43 oder 34 mal wir wissen nicht recht genau, es kommt da aber wirklich auf eine Hand voll Noten nicht an überzeichnet war, wiesen wir nach, während )ie gesinnungstüchtigen Blätter im höchsten Entzücken chwärmten, daß die ganze Ueberzeichnung einfach Humbug war, weil sie nicht von wirklichen Käufern, sondern nur von Spekulanten herrührte, und daß die Manöver, durch welche sie herbeigeführt wurde, weit entfernt, eine be- sonders originelle That zu sein, schon sehr altväterischer Natur sind und gewöhnlich von Staaten mit etwas zweifelhaftem Kredit angewendet werden. Der Erfolg hat uns Recht gegeben, indem die drei- prozentigen Konsols furchtbar gefallen sind. Jetzt wird ein neues Mittel gesucht bei uns gleichfalls nochoriginell", aber bei Staaten, deren Kreditverhältnissen wir uns jetzt mit Riesenschritten nähern, bereits seit lange gebräuchlich: eine freundliche Aufforderung an die Sparkassen, doch dreiprozentige preußische Konsols zu erwerben. Natürlich ist es zunächst wieder Herr Schweinburg in seinenBerl. Pol. Nachr.", dem die Aufgabe zu- gewiesen wird, die Sache so darzustellen, als sei die Ministerialverfügung nicht im Interesse des Staatskredits erlassen, sondern vorwiegend im Interesse des Spar­kassenwesens selber. nämlich behufs Verhütung von Kalamitäten, die etwa in kritischen Zeitläuften durch plötzliche umfangreiche Zurückziehung von Sparkassen- geldern entstehen könnten. Angeblich soll, wie die offiziöse Versicherung lautet, durch ausgedehntere Anlage von Sparkassengeldern in den dreiprozentigen Konsols dem vorgebeugt werden, daß in Folge von Massenkündigungen einerseits die Sparkassen selber in Verlegenheit gerathen, andererseits über die Sparkassen-Schuldner, insbesondere über die Hypothekenschuldner, eine Katastrophe herein­breche. Damit aber Niemand in Zweifel darüber bleibt, daß diese Erklärung des Herrn Schweinburg eben eine Erklärung des Herrn Schweinburg ist, heißt es in der Verfügung selber; Der sich in dieser auffallenden Erscheinung aussprechenden Zurückhaltung der Kapital suchenden Sireise gegen die preußischen Staatspapiere entgegenzutreten und letztere aufnahmefähiger zu machen, erscheint im Interesse des Staatskredits dringend ge- boten." Mit anderen Worten;Sparkassen, kauft unsere Dreiprozentigen, denn es ist ein Skandal, daß sie so tief stehen und die traurigen Kreditverhältnisse unseres mäch- tigen Landes enthüllen; kauft und treibt dadurch die Kurse wieder in die Höhe!" Wir wissen nicht, was die Sparkassen thun werden. Eins aber wissen wir: Wieder ein neues Zeichen des Zersetzungsprozesses des deutschen Reiches. Da mit dem einfachen Deklariren, daß kein Nothstand sei, der Nothstand merkwürdiger Weise immer noch nicht schwinden will, so sinnt man jetzt verschiedent- lich auf Surrogate für Rogge«. Wir finde.'! folgende Notiz: Herr Charles I. Murphy ist vom landwirthschaftlichen Departement in Washington im Auftrage seiner Regierung nach Berlin gekommen, um dem Mais als einem Ersatz für andere Brotstoffe hier Eingang zu verschaffen. Eine besondere Mission hielt das landwirthschaftliche Ministerium zu Washington für nöthig, weil die Einführung eines neuen, wenn auch bereits für Jeden zugänglichen Nahrungsmittels in ein fremdes Land nur erfolgreich zu sein versprickit, wenn weite und einflußreiche Streife dafür interefsitt werden und wenn in diesem Sinne gewirkt wird. Murphy läßt es an den dazu erforderlichen Bemühungen nicht 'ehlen. Er hat hier in der Schützenstraße eine Bäckerei mit der Herstellung feiner Brode nach genauer Vorschrift beaufttagt. Gestern empfing ihn der Minister Herr v. Heyden, der sich in Gegenwart des Geh. Rath Dr. Thiel Borttag halten ließ und eine eingehende Prüfung versprach. Der vortragende Rath in der Proviantabtheilung des Kriegsministertums, Herr Geh. Rath Engelhard, hat nach den ihm vorgelegten Brotproben gebeten, ihm einige Säcke Maismehl zu eigener Prüfung zur Verfügung zu stellen, die von Liverpool aus bereits unterwegs sind. In >iesen Tagen wird Herr Murphy auch eine Unterredung mit dem Minister des Innern haben. Das Brot wird aus einer Mischung, die zur Hälfte je aus Roggen und Mais und Weizen und Mais besteht, hergestellt. In dieser Mischung soll sowohl das Roggenbrot, als das Weisbrot den uns gewohnten Ge- chmack behalten. Herr Murphy theilt mit, daß ein Brot aus 1 Pfund Roggen- mehl und einem Pfund Maismehl durch Absorbirung von Wasser ein Gewicht von 4'/, Pfund habe und daß der Preis eines olchen BroteS sich unter Zugrundelegung der jetzigen Roggen- und Maispreise auf 20 Pfennig stellen würde. Ob sich diese Berechnung bewahrheiten wird, muß erst durch längere Beob- achtung festgestellt werden. Jedenfalls erklärt Herr Murphy,