Wie in anderen Ländern, so fehlt es gegenwärtig auch noch in der Schweiz   so ziemlicy an jedem amtlichen Material zur Beleuchtung der Lage der Arbeiter. Einige den halbamtlichen Charakter tragende Beiträge zur Kenntniß der schweizerischen Arbeiterverhältnisse hat vor einiger Zeit der Fabrikinspektor Dr. Schülerin der SchriftUntersuchungen über die Gesundheitsverhält- nisse in der Fabrikbevölkerung in der. Schweiz  " ge­liefert. und zwar betreffen dieselben mit Ausnahme der Uhrenfabrikation die wichtigsten Industriezweige des Landes. Dieselben stehen durchwegs unter dem Fabrikgesetz, so daß für sie der elfstündige Normal- arbeitstag, die Sonntagsruhe, das Verbot der Nacht- arbeit für Frauen und Kinder und die übrigen schützen- den Bestimmungen gelten. Beginnen wir in Anlehnung an die Reihenfolge in genannter Schrift mit der Baumwollspinnerei. Der mittlere Arbeitstag beträgt da in Folge der reichlich er- theilten Ueberzeitbewilligungen, 11,15 11,35 Stunden. Die Zahl der Arbeiter sinkt im Verhältniß zur Spindel- zahl, da einerseits die Verbesserungen im Betrieb dies ermöglichen, andererseits die ungünstigen Verhältnisse der letzten Jahre auf die möglichste Ausnutzung der vorhandenen Arbeitskräfte hinweisen. Sie setzte sich im Frühjahr 1882 zusammen aus 48,8 pCt. männlichen und 51.2 pCt. weiblichen Personen; 12,5 pEt. standen im 17. bis 18. Jahr, 11,5 pCt. waren unter 16 Jahren. Ihre Löhne variiren je nach den verschiedenen Gegenden und Etablissements recht bedeutend. Die nachstehenden An- gaben sind einer Menge von Einzelmittheilungen ent- nommen und dürften, für die Oüschweiz wenigstens, ziemlich zuverlässig fem. Nach denselben verdienten täg-
lich in Franken: Spinner.... Arbeiter an den Banes a br..... Arbeiter an den Car  - den..... Arbeiter an den Lam- moirs.... Arbeiter an den Bat- teur..... Knüpfer und Ansetzer Handlanger
2,303.80 im Mittel 3,00
1,452,30 1,502,70 1,802,30
1,90 2,10 2,00
1,602,90 2,10 0,901,70 1,30 2,50-3,15 2,70 Für 1584 Spinnereiarbeiter jeden Geschlechts und Altere ergab sich im Jahre 1881 ein durchschnittlicher Jahreslohn von 560 Franken. Für die Bewohner der Arbeiterhäuser einiger Spinnereien berechnet, schwankle der Betrag zwischen 650 und 800 Frauken, so daß die erst- genannte Mittelzahl jedenfalls als eine bescheidene an- genommen werden darf. Die Löhne, welche in der Baumwollweberei verdient(richtiger wohl: gezahlt) werden, sind außer- ordentlich verschieden. Zum Spulen werden vielfach Kinder oder Halbinvalide verwendet, welche sich mit klcineii Beträgen begnügen müssen, während die Schlichter ganz ausnahmsweise gut bezahlt werden. Im Jahre 1882 erhielten nach den Angaben aus ver- schiedcnen Kantonen iin Durchschnitt Weißweberinnen 1 50 2,20 Franken. Zettlerinnen 2,302,70 Franken, Spulerinnen 1,201,70 Franken, Schlichter 3,50 bis 5 Franken; in Buntwebereien stellte sich der Durch- schnittslohn noch eine Kleinigkeit höher. Der durch schnittliche Jahresverdienst eines Arveiters nach den Zahl- tagslisten großer Webereien berechnet, bezifferte sich ans ca. 600 Franken. e In den 170 Etablissements der Sei Den in du sin waren 1882 18 241 Personen, wovon 3381 männlichen und 14 860 weiblichen Geschlechts beschäftigt.Der Erwerb ist mäßig", sagt Dr. Schuler, scheint jedoch in den letzten Jahren Tendenz zum Steigen gezeigt zu haben, denn die Vereinsstatistik der Seidenindustriellen berechnete den Durchschnittslohn 1881 1883 für Weber(inkl. Handweber. 1,28 täglich 1,38 Zwirner...... 1,06 1,31 Durchschnittslohn d. verschiedenen Branchen....... 1,32 1,44 Nach den Erhebungen in den Fabriken verdienten 1882 im Durchschnitt Seidenweber per Jahr und Kopf (inkl. Kinder) 354 Franken. Seidenzwirner 460 Franken. Weber resp. Weberinnen 704 Franken. Diese wahrhaft elenden Löhne zeigen, daß die Bourgeosie für die Produktion ihres eigenen Luxus so wenig freigiebig gegenüber dem Arbeiter handelt, als für die Produktion von Guano.Schlechter Lohn" bleibt ihre Parole in jedem Falle. Das zeigt sich auch wiederum iu der Stickerei- industrie, deren Erzeugnisse ebenfalls Luxusartikel der besitzenden Klassen sind. Dieser Industriezweig umfaßte 1880 12 681 Maschinen und 27 801 Arbeiter.Der Erwerb der Sticker ist nicht nur nach dem günstigen oder ungünstig n Geschäftsgang sehr verschieden, sondern auch nach deu günstigen oder ungünstigen Mustern und natür- lich vor Allem auch nach der Leistungsfähigkeit des einzelnen Stickers. Denn der Stickerlohn ist durchweg Akkordlohn. Er betrug in den günstigsten Zeiten im Durchschnitt bielleicht 5 Franken per Tag. im Jahre 1879 wurde er noch ans 3,50 Franken berechnet, beute darf er kaum höher als 2,50 Franken geschätzt werden, m einzelnen Gegenden sinkt er auf 2 Franken und noch weniger. Die Fädler erhalten durchschnittlich 2 Franken, in ein- zelnen Gegenden 1,50 Franken per Tag." In den letzte» Jahren ist die schweizerische Stickereiindustrie in beständigem Niedergange begriffen, so daß vielfach Ar-
beitslosigkeit oder nur theilweise Beschäftigung der Ar- beitenden vorhanden ist. Ist die Krise wohl auch den großen kaufmännischen Unternehmern nichts weniger als angenehm, so sind sie ihrerseits doch die Glücklichen, die in der guten Zeit sich so vielEntbehrungslöhne" vom Munde absparten, daß sie ohne materielle Sorgen der Zukunft ruhig entgegensehen können ganz abgesehen davon, daß sie sich auf jeden Fall entschließen werden, !tatl der nicht absatzfähigen Stickereien einen anderen gangbaren Artikel produziren zu lassen. Aber was soll mit den Tausenden überflüssiger tickereiarbeiter geschehen? Das kümmert das Kapital freilich nichts und kann es wie die Dinge heute nun einmal liegen nichts kümmern.j (Schluß folgt.)
Verschiedenes. lieber Arbeiterwohnungsverhättniüe in Mannheim  enthält das soeben herausgegebene Werk Wörishoffersüber die soziale Lage der Fabrikarbeiter zu Mannheim  " folgende Mit- theilungen:' Wenn man die relativ kleine Zahl von Arbeiterfamilien ausnimmt, welche noch eine kleine Landwirthschaft treiben, so ist das gemeinsame Merkmal der Arbeiterwohnungen im Allgemeinen eine bis auf's Aeußerste getriebene Einengnng des den einzelnen Familien zur Verfügung stehenden Raumes. Die Arbeiter wohnen dazu meist in Hinterhäusern, und es kann ichon aus diesem Grunde angenommen werden, daß die Arbeitcrbevölkerung an den zur Hebung der öffent- lichen Gesundheit getroffenen Einrichtungen weniger Antheil nimmt, als die übrige Bevölkerung. Küchen werden immer seltener, auch in den Wohnungen von Arbeitern, welche 4 M. bis 6 M. durchschnittlich im Tage verdienen, und welche daher zu der Elite der Arbeiterschaft gehören. Ebenso gehören Wohntinaen von mehr als zwei Zimmern auch für diese Arbeiterklasse zu den fast verschwindenden Ausnahmen. Speicher oder sonstige Nebenräume irgend welcher Art stehen fast niemals zur Verfügung. D-e besser bezahlten Arbeiter bewohnen aber meist wenigstens Zimmer mittlerer Größe. Solche Wohnungen von zwei Zimmern ohne weitere kleine Nebenränme kosten, je nachdem eine Küche dazu gehört oder nicht, 210 M. bis 270 M int Jahre. Wo größere und theurerc Wohnungen gemiethet werden, wird fast stets ein Theil in Aftermiethe abgegeben. Arbeiter von mittlerer oder geringer Bezahlung müssen sich natürlich weiter einschränken. Denn selbst ein Mann mit 3 M. Tages-, daher etwa 900 M. Jahresverdienst, kann einen ähnlichen Betrag für Miethe nicht aufbringen, wenn nicht erwachsene Kinder Erhöhung des Einkommens der Familie beitragen. Diese Einschränkung vollzieht sich enNveder dadurch, daß nur ein Zimmer und Küche oder zwei kleine einfenstrige Zimmer gemiethet werden, oder daß man sich mit einer ungünstigen oder düsteren Lage der Wohnung begnügt. Derartige Wohnungen kosten in der Regel 160 M. vis 200 M. im Jahre. Die Wohnungen gewöhnlicher Taglohnarbeiter mit 2 M. bis 3 M. Tagesverdienst sind noch geringer. Wenn es nickst möglich ist, im Raum noch mehr her- unterzugehen, dann muß man sich mit feuchten Parterrewohnllngen in Hinterhäusern, welche mit dem dumpfen Hofe auf gleicher Höhe liegen, oder mit Dachkammern begnügen Selten kosten derartige, jedes geordnete häusliche Leben unmöglich machende Wohniingen weniger als 140 M. bis 160 M. im Jahre. Noch schlimmer ist es aber mit den Wohnungen von Taglöhnern be- stellt, welche keinen regelmäßigen Arbeitsverdienst haben, und in der Regel bei Bauten, im Hafen und auf dem Neckarvorland beschäftigt sind Hier ist die Wohnung meist nur eine kleine Dach- kammer, welche dazu noch häufig alle überhaupt denkbaren Mängel hat. Derartige Wohnungen sind die vcrhältnißmäßig theuersten und kosten etwas unter oder über 100 M. Nirgends tritt der Wohnungswucher nackter in seiner ganzen Häßlichkeit zu Tage als gerade hier. Solche Wohnungs- Verhältnisse müssen noth
wendigerweise Einfluß haben aus die Sittlichkeit der von derselben betrofsenen Bevötkerungskretse. Sie werden vielfach noch verschärft durch den Umstand, daß in diesen Wohnungen niemals eine der Zahl der Bewohner ent- prechende Anzahl von Betten vorhanden ist. Wo sich dieser Mangel in bestimmten, von der Zusammensetzung der Familie abhängigen Grenzen hält, läßt sich kaum etwas dagegen einwenden, und er findet wohl bei kleinen Handwerkern und kleinen Angestellten in ähnlicher Weise starr.' In sehr vielen Fällen geht aber dieses Mißverhältniß zwischen der Zahl der Betten und der Bewohner über das an sich und wegen der Zu- ammensetzung der Familie zulässige Maß hinaus. Als untere Grenze kann im Allgemeinen angenommen werden, daß die Zahl der Betten ein Drittel der Zahl der Be- wohner ist? diese Berhältnißzahl geht auch in der Regel bei besonders zahlreichen Familien so weit herab, während sie mir der Abnahme der Zahl der Familienangehörigen günstiger wird. Man trifft z. B. Familien mit neun Personen und nur drei Betten an. Die Unzukömmlichkeiten vermehren sich aber noch, wenn die Arbeiterfamilien männliche Kostgänger oder Schlaf- mädchen aufnehmen. Bei der Beschaffenheit der Arbeiter- Wohnungen kommt es zwar kaum jemals vor, daß beides gleich- zeitig in einer und derselben Familie stattfindet. Allein schon in der Aufnahme nur einer fremden Person liegt in so engen Wohnungen eine große Verschlimmerung der Zustände. Am meisten ist dies bei Schlafmädchen der Fall, welche bei der schlechten Bezahlung der weiblichen Arbeit im Gegensatze zu der- jenigen der Männer meist nicht in der Lage sind, soviel zu be- zahlen, daß ihnen ein besonders Zimmer eingeräumt wird. Sie schlafen dann in der Regel mit einem der Kinder in einem Bette,- was fast mit Nothwendigkeit zu einer frühzeitigen Berderbniß der Kinder solcher Arbeiterfamilten führen muß. Fragt man nun nach den Ursachen dieser ungünstigen Wohnungsverhältnisse, welche mit der Entwicklung der übrigen für die Arbeiterexistenz maßgebenden Faktoren nicht nur nicht gleichen Schritt gehalten haben, sondern eher Rückschritte zeigen, lo ist ohne Zweifel eine der wichtigsten Ursachen dieser Er- scheinungen in der raschen Entivickelung und Ausdehnung der Mannheimer   Industrie während des letzten Jahrzehntes und damit im Zusammenhang in der, ungeachtet der meist gut be- nutzten Arbeiterzüge eingetretenen, starken Zunahme der Arbeiter- bevölkerung in der Stadt zu suchen. Auch wenn diesem Umstand durch die Art der EntWickelung des Bauwesens mehr Rücksicht- getragen worden wärt, als geschehen ist, würde wohl ein gewisses Maß von Mißständen nicht haben vermieden werden können. Bei der ganze» baulichen EntWickelung der Stadt ist aber auf die Bedürfnisse der Arbeiterbevölkerung in einem wichtigen Punkt keine Rücksicht genommen worden, als unterlassen wurde, Stadt- theile zu bilden, welche der unausgesetzten Steigerung der Boden- preise weniger ausgesetzt sind. Bei diesem Mangel war die Bau- thätigkeit auf bestimmte und im Verhältniß zu ihrem großen Umfange kleine Gebiete b. schränkt, wodurch fortdauernd ein An- reiz zu immer weiterer Steigerung der Preise der Bauplätze ge- schaffen wurde. Die nothwendige Folge davon war das Erbauen' hoher Hänser, weitgehende Ausnutzung der Grundfläche und hohe Miethprcise, welche ihrerseits wieder zu Raumbeschränkungen für die Einzelnen führen mußten. Die angegebenen Ursachen verschärfen aber die einmal her- vorgerufenen Mißstände immer weiter. Die Unmöglichkeit, wirklich geeignete Arbeiterwohnungen zu schaffen und die fort­währende Steigerung der Bauplätze begünstigen außerordentlich einen raschen Besttzwechscl in den von den Arbeitern bewohnten Gebäuden, weil ein Wechsel häufig mir einem gewissen Gewinne vorgenommen werden kann. Ein solcher Gewinn reizt die Be- sitzer uni so mehr, zu je geringerem Theile sie wirkliche Eigen- thümer der Häuser sind, je größerer also im Verhältniß zu ihrem rhatsächlichcn Vermögen ist, wobei die Abstoßung der in schlechten Zeiten kritischen Hvpothekenbelastung einen weiteren Antrieb bildet. Ein solcher Besitzwechsel ist aber nicht nur mit einer Ver- lhenerung des Hauses für den künftigen Besitzer wegen des Ge- Winnes des vorhergehenden verbiinden, sondern es findet bei diesem Anlasse noch eine weitere Bertheuerung wegen der zu entrichtenden Kaufakzise statt, welche 2'|, 0|o der Kaufstimme beträgt. Zur Entwicklung der Stadt KerH« bringt der Deutsche Oekonomist" folgende Tabelle:
Leider ist aus der Statistik gerade das. was man aus ihr ersehen möchte, wie gewöhnlich, nicht zu ersehen. Indessen einige interessante Punkte lassen sich trotzdem herausfinden. Die Einwohnerzahl Berlins   ist in dem betr. Zeitraum um 20% gestiegen: die der Grundstücke nur um 10%, die der Wohnungen um 22%. Das heißt: die Wohnungen sind ent- weder kleiner gcbau:, oder die Häuser sind wieder mehr in die Luft gestiegen. Die Wohnungsdichtigkeit pro Quadratmeter
Boden ist um 10% gesteigert Dazu kommt, was in der Tabelle fehlt, daß mehr Läden eingerichtet sind, wodurch die Menschen gleichfalls»ichr zusammengedrängt werden. Der durchschnittliche Miethsbetrag pro Wohnung hat sich um 9% gesteigert. Run mögen allerdings gerade die neuesten Häuser mit mehr Aufwand gebaut sein und durch die höhere Miethe, die sie infolge dessen bringen müssen, die Durchschnitts- zahl anschwellen machen. Aber das kann doch nur minimal sein.