Berliner
Volks- Tribüne
"
=
Sozial- Politisches Wochenblatt.
Die Berliner Dolks Tribüne" erscheint jeden Sonnabend früh. ubonnementspreis für Berlin monatlich 50 Pf. pränumerando( frei in's Haus). Einzelne Nummer 15 Pf.
Redaktion und Expedition: SO.( 26), Elisabeth- Ufer 55. Ausgabe für Spediteure:
Durch jede Post- Anstalt Deutschlands zu beziehen.( Preis viertelj. 1 mr. 50 Pf.) Volksblatt", Beuthstr. 3.
№ 49.
-
Politische Notizen. Die Ethik des Sozialismus. Bur Landagitation. Die christliche Kirche und die
-
Gedicht.- Feuilleton.- Die soziale Lage der Fabrikarbeiter. Eine sozialpolitische Entdeckungsreise. Deutscher Reichstag .
Politische Notizen.
-
-
Inserate werden die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit 20 Pf. berechnet. Dereins- Anzeigen: 15 Pf. Arbeitsmarkt: 10 Pf. Inseraten- Annahme in der Expedition: Elisabeth- Ufer 55. Die ,, Berl. Volks- Tribüne" ist unter Nr. 893 der Zeitungs- Preisliste eingetragen
Sonnabend, den 5. Dezember 1891.
V. Jahrgang.
bares" liefern können, dann zieht er sein Geld von Heiden, Christen und Juden.
Geschäft ist eben Geschäft, und die Preßindustrie hat auch den Journalisten zum Geschäftsmann gemacht. Er selbst ist die Waare, mit der er handelt, er muß sich nur jedem Bedarf anpassen können.
unserer Skollegen haben schon Wandlungen durchgemacht und Das verschleiern zu wollen, wäre nuglos. Die Genanntesten durchmachen müssen, die wir die letzten sind, ihnen vorzuwerfen. Wir wollen Alle leben und Jeder muß sich einzurichten suchen, so gut er tann.
die Bresse zu dem machen können, was sie ist. Der einzelne Aber eins ist sicher! Unsere Widerstandsunfähigkeit nur hat Ehrliche, der widerstrebt, ist schnell ersetzt und mit der Preisgabe
Naturgemäß leiden unter unsern Zuständen in Bezug auf die Majestätsbeleidigung hauptsächlich die Sozial demokraten, welche doch prinzipielle Gegner der Monarchie sind; und da es den Arbeitern nicht möglich ist, bei jeder Aeußerung immer genau zu unterscheiden, inwieweit sie statthaft ist, oder nicht, so allen diese ihnen am meisten zum Opfer. Wie mancher hat eine Unbedachtsamkeit, eine Dummheit, bei der er sich eigentlich gar nichts weiter gedacht hat, schon mit langem Gefängniß und Vernichtung Ueber die auswärtige Lage machen sich die seiner ganzen Existenz bezahlen müssen! Aber selbst ganz Bierbankpolitiker seit der Revue von Kronstadt allerhand loyale Leute, die streng monarchisch gesinnt sind, haben Gedanken. Wir haben es natürlich für überflüssig ge- oft schon Unglück in dieser Hinsicht gehabt. seiner Eristenz hat er nicht einmal fich genützt. Die kapitalistische halten, allen den Unsinn hier zu reproduziren, der Welchen Zweck hat nun eigentlich die Verfolgung Breßmache hat uns vollständig widerstands los gefunden. Friß darüber geschrieben ist; derartige Champagnerfeste haben der Majestätsbeleidigungen? Eine Stärkung des monar- oder stirb!" Das war die Alternative, vor die wir uns gestellt sahen. Mit dem Einzelnen konnte und kann man machen, was ebenso wenig Bedeutung, wie die Reisen des Herrn Giers. chischen Bewußtseins gewiß nicht; denn dadurch, daß man man will. Wer frägt nach dem? Nicht einmal wir. Im GeDie wirklichen Dinge werden durch Geseze beſtimmt, die diejenigen armen Teufel bestraft, die ihren republika- gentheil. Ist er auf der schiefenen Ebene endlich herunterkommen, man studiren muß, und nicht durch Zufälligkeiten. Und nischen Ansichten ungeschickten Ausdruck geben, rottet man gestrandet, dann registriren wir ihn noch als den- sogenannten so bleibt denn vor und nach der Reise des Herrn Giers, diese Ansichten doch nicht aus. Sie können nur den Redakteur!!" Hier ist das ehrliche Geständniß und auch das Aufden Friedenserklärungen sämmtlicher Premierminister und Zweck haben, den die Verfolgung jeder gewöhnlichen Bedergleichen, die Sachlage genau so, wie wir sie früher leidigung hat: die persönliche Ehre vor ungerechtfertigten zeigen der Ursache, weshalb es so ist: Der Schriftsteller geschildert haben. Das wird auch durch die Auslaffungen Angriffen zu schüßen. Das ist aber die Sache des an- muß seine Arbeitskraft verkaufen, um zu leben, und wenn Caprivis im Reichstag wieder bestätigt. gegriffenen Individuums, weßhalb bei gewöhnlichen Beer seine Arbeitskraft an eine Ueberzeugung knüpft, so ist Zu ähnlichen Schlüssen, wie wir Sozialdemokraten, leidigungen Strafantrag der Beleidigten nothwendig ist. sie eine unverkäufliche Waare, und er kann verhungern. kommt in dieser Angelegenheit eine soeben erschienene Deshalb sollte auch eine Verfolgung der Majestätsbelei Friß, Vogel, oder stirb", heißt es. Wir bitten unsere Leser, diese Ausführungen des Broschüre:„ Un petit mot avant le troisième acte" digungen nur auf Antrag des Kaisers stattfinden.
-
-
"
-
par Démophilos. Nach einer Schilderung des bisherigen In einem aufgeklärten Staat versteht sich das von Schriftstellerorgans mit dem Artikel von Belfort Bar zu Vorgehens Rußlands , wo es als Hort der Reaktion selbst. Da wird sich die Regierung sagen: weshalb soll vergleichen, den wir gleichfalls in dieser Nummer bringen. gegen die Revolution beständig seine Macht gestärkt hat, man unnüße Erbitterung erregen und Leute wegen einer Was nüßt so einem Unglücklichen aller Idealismus, aller schildert sie die Konsequenzen eines Krieges zwischen bloßen Dummheit, die sie einmal begehen, so hart strafen? Stolz, alle Charakterstärke nichts fann ihn vor der Zweibund und Dreibund: Im Fall, daß der Letztere Bei uns aber besteht die Kunst gerade darin, daß man Verlumpung bewahren, als höchstens ein Radikalmittel: Mit vollem Recht spricht man von siegte, die Vernichtung Frankreichs und eine Schmälerung die Leute mit aller Gewalt erbittert, und sie, auch da, der Selbstmord. Rußlands durch Schaffung eines neuen Polen ; im um- wo es gar nichts nut' ist, gegen die bestehende Ordnung geistiger Prostitution". Die körperlich und der geistig gekehrten Fall die Suveränität Rußlands über Deutsch aufreizt. Daher die Stärke der Sozialdemokratie in Prostituirte leben von dem Verkauf ihrer Ehre. Wir sind weit entfernt von pharisäischen Vorwürfen, land, mit dem Erfolg, daß Frankreich zu Boden gedrückt Deutschland . würde, Eroberung Konstantinopels , und Beherrschung Wir erwähnten fürzlich die Zustände der die man so oft hört. Diese unglücklichen Opfer der Geganz Europas durch Rußland . Der Verfasser giebt des deutschen Schriftstellerwelt. Wir finden nunmehr in ſellschaft sind zu bedauern, mehr zu bedauern, wie der halb seinen Landsleuten den Rath, sich von der russischen einem neuen Fachorgan,„ das Recht der Feder", einen ärmste Proletarier; denn der kann doch wenigstens noch Allianz zurückzuziehen, Elsaß- Lothringen zu verschmerzen Artikel, der sich mit unseren Anschauungen theilweise seine Selbstachtung retten. und seine Friedensliebe durch Beginn einer Abrüstung zu deckt und jedenfalls eine rücksichtslose und energische eine Besserung der Verhältnisse von einer fräftigen OrIn dem Verfolg des Artikels erwartet der Verfasser Ueberzeugung und Ueberzeugungstreue find nun einmal ganisation. Selbst gesetzt den Fall, daß troß der bisDas Lettere sind zwar schöne Pläne, aber sie werden Dinge, deren Stärke oder Schwäche meist abhängt vom Be- herigen schlechten Erfahrungen eine solche möglich wäre; ja wohl nicht in Erfüllung gehen. Derartige Stimmen finden des Magen. Da wird man es in unserer Zeit der rüd- die gehoffte Wirkung fann sie doch nicht haben. Die fichtslosen Interessenherrschaft, die das Fressen oder Gefressenzeigen aber doch, wie man auch in den bürgerlichen werden Jedem unbarmherzig jeden Tag vor Augen hält, der Gesinnungslosigkeit ist das nothwendige Erforderniß des vor hält, at Kreisen Frankreichs unbefangen denkt. Presse nicht allzuschwer anrechnen dürfen, wenn sie von der all- Berufs, ohne sie ist er nicht auszuüben. Vielleicht läßt Ob aus der Mitte des Reichstags ein Antrag gemeinen Korruption ebenso angefressen ist, wie alle übrigen Er- sich die unwürdige äußere Stellung des Standes heben, werbe. Am Ende will auch der Journalist leben und für jeden der schamlosen Ausbeutung eine gewisse Beschränkung über die Aenderung des Verfahrens bei Majestäts- tommt einmal die Stunde, die ihn darüber nachzudenken zwingt, auflegen; aber weiter ist nichts zu erreichen. Auch hier beleidigungen, wie er jüngst in der Preſſe angekündigt ob er sich den ungeheuren Luxus einer Ueberzeugung gestatten ist eine endgiltige Befreiuung erst möglich an dem Tage, wurde, hervorgehen werde, erscheint noch ungewiß; daß darf ader nicht. Sogleich tippt man ja nicht um. Man thut zunächst nichts wo alle Ketten fallen. Erst wenn einem Jeden die eine Reform in diesem Punkte nöthig sei, unterliegt feinem Zweifel, denn die Majestätsprozesse beginnen sich gegen seine Ueberzeugung, man arbeitet lediglich für ein Interesse, Existenz durch ehrliche Arbeit garantirt ist, kann ein bas einem persönlich gleichgültig ist und ja nicht immer unanzu mehren, wie in der Zeit nach den Mordanschlägen ständig zu sein braucht. Oder man versucht 28 bei den er Jeder nach seiner ehrlichen Ueberzeugung leben. es der Der Schriftstellerstand steht mit diesen Verauf den ersten Kaiser. Damals, im Jahre 1878, fam eignen Ueberzeugung„ nahestehenden" Blättern. Man fängt, wie auf je zweitausend erwachsene, selbständige, männliche Gretchen, mit einem heimlich an und schließlich kennt man Behältnissen nicht allein da; was von ihm gilt, gilt gleichdenken überhaupt nicht mehr. mäßig von dem größten Theil der Gebildeten, welche im Preußen je eine Person, welche wegen Majestätsbeleidigung Es ist garnicht nöthig, daß Jemand brutal vor uns hintritt in Untersuchung stand. Heute hat die Presse wieder nur und das Opfer unserer Ueberzeugung von uns verlangt. Dienst der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung stehen. zu oft Gelegenheit, über solche Verhandlungen zu be- tragisch geht es bei uns garnicht zu. Jeder sagt sich allein, da Von den Theologen finden wir ein Zitat aus einem und da kannst du nur Geschäfte machen, Arbeit finden, wenn du Flugblatt„ Die Reform" eines orthodoxen Geistlichen, richten. Dio Cassius erzählt in seiner„ Römischen Geschichte" in dem und dem Sinne thätig bist. Jeber macht das generaliter welches das Hamb. Echo" abdruckt: mit sich selber ab und glücklich der, dem die Eierschalen der Auf der Universität lernen die jungen Theologen, daß vom Kaiser Titus:„ Klagen über beleidigte Majestät ließ alten Journaliſtenmoral nicht mehr ankleben, der als ganzes Theologie und Saufen und H.. lieder singen sich vortreff er weder bei sich selbst noch bei andern Richtern anhängig sind seiner Zeit sich der Preßindustrie in die Arme ge- lich mit einander vereinigen lassen. Was gehört nun dazu, wenn der junge Mann als Pastor seiner Gemeinde Buße predi werden. Was mich betrifft, sagte er, so fann Beworfen hat. Der hütet sich, eine Gesinnung überhaupt zu verrathen. So gen soll und einen Glauben, der die Welt überwindet? Dies schimpfung und Hohn mich gar nicht treffen. Wüßte ich lange es irgend geht, drückt er sich im Feuilleton, oder im lokalen theologische Studium ist die allerniederträchtigste doch nicht, womit ich mir gerechten Tadel verdient hätte, Theil herum, wenn das Blatt eine politische Tendenz vertritt. Heuchelet, die es giebt. Es ist dazu da, um als abund lügenhafte Beschuldigungen können mich nicht was die Andern in den anderen Theilen des betreffenden Blattes schreckendes Beispiel zu dienen, wie die Theologen nicht sein fümmern. Die Denunzianten aber jagte Kaiser Titus thun, das verpflichtet ihn zu Nichts. Tritt dann die Frage an sollen. Es ist aber auch dazu da, in der Gemeinde den Eindruck ihn beran, eine verantwortliche Stellung einzunehmen und eine zu schaffen, daß die Pastoren nicht aus Ueberzeugung, aus der Stadt fort." Das, war freilich die verkom- Tendenz mit seinem Namen zu vertreten, dann überlegt er sich, sondern um schändlichen Gewinnes willen das Evanmene" Kaiserzeit, wir stehen natürlich sittlich viel höher. ob ein wenig zuwarten nicht vielleicht noch eine bessere Stelle gelium predigen. Das jezige Studium der Theologie iſt Es ist auch müßig, an jenes Gesetz zu erinnern, welches bringt, ob es schon rathsani ist, sich die weitere Laufbahn zu eine Beleidigung des Christenthums und eine Zerstörung unserer Gemeinden. Wenn man sich so auf den Beruf der Pastoren die römischen Kaiser Arcadius und Honorius im Jahre erschweren. Das ist heutzutage klug, wenn man nicht will, daß das vorbereitet und der schwarze Rock schließlich alles wieder gut 393 erließen, indem sie erklärten, wenn jemand unwürdige bekannte Wort, das den Journaliſten als einen Hungerkandi- macht, dann sagt der Laie sich:" Kann man sich so auf den und vermessene Schmähreden gegen den Kaiser führe, so daten" charakterisiren zu können glaubte, auf eigene Berson nicht Himmel vorbereiten?" und das Sterbekleid deckt alle Sünden solle er nicht bestraft, sondern, wenn er aus Unbe- zutreffe. Hungerkandidat! Onein, das ist schon lange nicht mehr sonnenheit handelte, verachtet, wenn er sich aus Unver- wahr. Seitdem es mit der Ueberzeugung aufgehört hat, nährt stand verging, bemitleidet, und wenn er vorsätzlich zu die Bresse ganz gut ihren Mann, wenn er sich einigermaßen auf breitet. Premierlieutenant Morgen hält z. 3. Vorträge kränken suchte, durch die Verzeihung bestraft werden. sein Geschäft versteht. Er muß eben„ Blic" haben, Brauch in verschiedenen deutschen Städten. In Wiesbaden er
"