pie

Blättern voran marschirt in dieser Beziehung die Berliner Beitung", die fich über die bei Mohrmann stattgehabte Volts­versammlung der Arbeiterpartei einen Bericht schreiben läßt, der mit den ewig denkwürdigen Worten beginnt: Eine Volts­versammlung der Arbeiterpartei beschäftigte sich am Montag Abend im Mohrmann'schen Lokal, Große Frankfurterstraße 117, wieder mit der deutschfreifinnigen Partei" und dem Beruf der Prefe". Es ist dies jetzt ein Lieblingsthema der großen und fleinen Agitatoren der Arbeiterpartei vulgo sozialdemokratischen Partei. In diesem Zeichen wirst du siegen!" in gut Deutsch übersetzt: In diesem Zeichen fannst du tagen!" Ein Jeder wird verstehen, was die ,, arbeiterfreundliche"" Berl. Btg." hiermit gemeint hat, und vergessen sollen diese Worte auch nicht werden, es scheint so, als ob man in jenen Kreisen jest schon Furcht verspürte, über das, was kommen wird. Es ist noch lange nicht so weit, aber der verschämte Ruf nach Polizei, der jest schon ertönt, läßt tief bliden, er zeigt ja viel beffer, als alles Andere die Arbeiterfreundlichkeit der Deutsch­Freifinnigen".

11

r. In hiesigen Lehrer- Kreisen wird gegenwärtig lebhaft der Vorschlag eines süddeutschen Kollegen besprochen, welcher für die Schulbänke eine neue Konstruktion empfiehlt, die, soweit fich dies äußerlich beurtheilen läßt, ebenso einfach, wie zwed­mäßig erscheint. Schon lange geben unsere Schulbänke, wie fie in unseren Schulen benutzt werden, den Pädagogen vielfach u Klagen Veranlassung, entweder ist bei der Herstellung dieser Geräthe darauf Bedacht genommen, daß die Tischplatte für den Zweck des Schreibens fich in der richtigen Entfernung von der Bank befindet, dann ist der Zwischenraum zwischen Bank und Tisch so beschränkt, daß er dem Schüler beim Aufstehen von seinem Blag ein gerades Stehen unmöglich macht; oder es ist bei der Herstellung dieser Schulgeräthe auf den lett­angedeuteten Umstand Rücksicht genommen, dann ist der Raum zwischen Tisch und Bank zu weit, um auf dem Tische bequem fchreiben zu können. Hier hat nun ein süddeutscher Lehrer einen äußerst plausibelen Vorschlag zur Abhilfe dieser Uebel­stände gemacht. Er empfiehlt zwischen je zwei Sigplägen von einem entsprechend langen Theile der Bank die vordere Kante derselben soweit fortzunehmen, als dies nöthig ist, um in dem so hergestellten Raume das bequeme Aufrechtstehen des Schülers zu ermöglichen. Will der Schüler fich erheben, so hat er nur einen Schritt seitwärts zu treten, um für eine gerade Körper­baltung den nöthigen Raum zu gewinnen. Der Vorschlag follte jedenfalls auch bei den zuständigen Schulbehörden nicht ohne Beachtung bleiben.

-

a Desinfektionsmaßregeln. In dem städtischen Kranken­hause zu Moabit ( Baradenlazareth) besteht bekanntlich eine Desinfektionsanstalt sowohl für die Zwecke des Krankenhauses selbst als auch für außerhalb des Krankenhauses vorkommenden Fälle ansteckender Krankheiten, in welchen von der Desinfel fionsanstalt Personen und Desinfektionsmittel an Ort und Stelle geschickt werden, um daselbst die infizirten Räume und Kleidungsstücke zu reinigen. Da aber diese einzige derartige Da aber diese einzige derartige Anstalt für die Stadt Berlin bei ernsteren Epidemien völlig unzureichend ist, so hat jest das Polizeipräsidium bei dem hie­figen Magistrat die Herstellung von noch mehreren Desinfek tionsanstalten in verschiedenen Stadttheilen, gleichmäßig ver­theilt über ganz Berlin , angeregt. Eine zweite Desinfektions­anstalt ist übrigens vom Magiftrat bereits projektirt, welche in Verbindung mit dem neu zu errichtenden Asyl für Obdachlose an der Ecke der Prenzlauer Chauffee und der Danzigerstraße errichtet werden soll.

g Auf der Eisenbahnstation Schöneberg wird nunmehr auch eine Barriere hergerichtet, um eventuellen Unglücksfällen vorzubeugen. Es wäre zu wünschen, daß auch dort, wo auf Stationen Barrieren vermißt werden, solche thunlichst bald an gebracht werden.

N. Die Pferdebahnlinie Beuthstraße- Rolltrug, ein wie uns von kompetenter Seite geschrieben wird, Verwirt Projekt, welches schon längere Zeit eristirte, soll in aller Kürze, lichung finden. Die Konzession ist der Großen Berliner Bau der Strecke mit dem 1. September in Angriff genommen Pferdebahn Gesellschaft bereits ertheilt worden, und soll der werden. Die Linie wird von der Beuthstraße durch die Kom­mandanten, Kürassier-, Oranienstraße fahren und von der Dranienbrücke abzweigend, nach dem Rollkrug direkten An­fchluß haben.

r.

gelynchten Strolche flohen nach dem Hohen Steinweg, wurden hier aber ergriffen und mit ihren dritten Complicen von Schuß­leuten nach dem Bolizeibureau in der Klosterstraße fistirt. Ein Bewohner des Hauses Königstraße 46 fam, als die Schlägerei vor diesem Hause stattfand, auf den sonderbaren Gedanken, aus dem Fenster einer Etage einen Topf mit Wasser auf die fich herumbalgenden Personen zu gießen, wodurch auch ein Theil der Zuschauer durchnäßt wurde. Diese Handlung dürfte dem Bewohner noch einige Ungelegenheiten bereiten, da ein Schußmann von derselben Notiz genommen hat.

& Humor im Briefkasten. Die geftrige Staatsbürger­Beitung enthält unter ,, Balduin " folgende Fragebeantwortungen: 1) Nur wenn Ihnen der Nachweis gelingt, daß das Mädchen innerhalb der Conceptionszeit mit anderen Männern Umgang gehabt hat, kann ein Anspruch gegen Sie nicht erhoben werden. 2) Fragen Sie dieserhalb im Eisenbahnministerium an, wo Ihnen zuverlässige Auskunft ertheilt werden wird! Wie kann der Antwortgeber das Eisenbahnministerium derartig tompro­mittiren? Daffelbe wird nun viel Mühe haben, die Laſt der Beschuldigung mit Dampf von fich abzuwälzen!- Sollte nicht vielmehr der Casus in das Reffort des Kultusministeriums einschlagen?

17

as Verhaftet. Wegen mehrfacher gegen seinen Prin­zipal begangener Unterschlagung ist gestern der Kutscher W. verhaftet worden. Zu den Obliegenheiten des W. gehörte die Einziehung der Forderungen seines Prinzipals, eines hiesigen Fouragehändlers, auf die von diesem ausgeschriebenen und mit Quittungsvermerk versehenen Rechnungen bei dessen Kunden. W. stahl nun aus dem Zimmer seines Herrn eine Anzahl Rechnungsformulare, fertigte sie selbst aus und unterschrieb ste mit dem Namen seines Herrn. Auf die gefälschten Rechnun­gen zog er von den Kunden die Beträge ein, und gab die von seinem Prinzipal ihm zur Einziehung mitgegebenen Rechnungen diesem wieder zurück, mit dem Vorgeben, daß er keine Zahlung erhalten hätte.

B. N. Beim Baden ertrunken. Wieder hat ein junger Mensch, des Schwimmens unfundig, durch seine Waghalsigkeit den Tod in den Wellen gefunden. Der 21jährige Sohn des Bierverlegers T. in der Hermannstraße in Rirdorf wohnhaft, begab sich gestern früh mit zwei Bekannten nach Nieder- Schön­weide, um Arbeit zu suchen. Alle drei beschlossen in Folge der Wärme in der Spree ein Bad zu nehmen, bei welchem aller Wahrscheinlichkeit nach T. fich zu weit in das Wasser hinein gewagt hat. The thm seine Begleiter auf den Hilferuf beizukommen vermochten, sant T. unter und verschwand in der Tiefe. Bis jetzt ist, ungeachtet der eifrigsten Nachforschungen, die Leiche des Verunglückten noch nicht gefunden worden.

-a. Bauernfängereien beim Kümmelblättchen find in Berlin seit Monaten nicht bei der Polizeibehörde zur Anzeige gelangt, da nur noch sehr wenige einfältige Personen in die ihnen von den Bauernfängern gelegten Fallen hineinfallen. Gestern aber wurde ein von Außerhalb fommender, auf der Durchreise durch Berlin befindlicher Arbeiter K. in der be­fannten Manier gerupft. An dem Bildermuseum gesellte sich gestern Vormittag ein Mann, welcher sich ebenfalls als Durch reisender ausgab und den K. aufforderte, mit ihm nach dem Kreuzberg zu gehen und da das Denkmal zu betrachten. K. ging darauf ein, und nachdem sie das Denkmal besichtigt hatten, begaben sie sich in einen Biergarten an der Kreuzberg straße, woselbst sich zu beiden ein Dritter gesellte, der mit dem Begleiter des K. das bekannte Kümmelblättchenspiel entrirte Begleiter des K. das bekannte Kümmelblättchenspiel entrirte und Einsätze von 10 M. und schließlich 20 Mt. verlor. Auf die Auforderung der Spielenden septe K. seine ganze Baar­schaft im Betrage von 20 M. ein und verlor diese. Die beiden Bauernfänger liefen sodann mit den erbeuteten 20 M. fort, K. aber verfolgt fte und faßte einen derselben, welcher auf feine Veranlassung zur Wache fiftirt wurde. Der Festgenom mene, Bigarrenmacher P., befand sich im Befiz einer Anzahl Spielmarken, welche, von Fern betrachtet, Kronen resp. Doppel­Kronen zu sein scheinen. Außerdem befand sich P. im Befiß von 16 M. 50 Pf., welche von den dem Arbeiter K. abge­nommenen 20 M. herrührten und deshalb dem K. wieder zu­gestellt werden fonnten.

N. In größter Lebensgefahr schwebte gestern Abend gegen 10 Uhr der in der Wrangelstraße wohnende Kürschner M. Derselbe sprang auf dem Lehrter Bahnhofe, als der Stadtbahnzug schon in Bewegung war, auf das Trittbrett, um noch nach der Jannowigbrücke mitzukommen. Krampfhaft hielt fich M. an dem äußeren Koupee fest und wäre sicher durch den Luftzug fast ohnmächtig geworden, herabgestürzt, wenn nicht ein Fahrgast, der durch das offene Fenster sah, den blinden Bassagier" bemerkt und durch Deffnen der Koupee­thüre aus seiner gefährlichen Lage befreit hätte.

N. Der grobe Gottlieb hat sich zwar längst zu seinen Vätern versammelt, sein Lokal jedoch, in der Wassergaffe, be­steht, wie wir uns überzeugt haben, noch und wird von seiner Wittwe in derselben Weise fortgeführt. Wenn wir sagen ,, in derselben Weise", so meinen wir nicht, daß die Wittwe die Grobheit Gottliebs, die weit über die Grenzen Berlins hinaus Grobheit Gottliebs, die weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannt war, weiter kultivirt, sondern daß dieselbe dieselben phänomenalen großen Portionen" wie der selige Gottlieb ver­abreicht. Db fie dies nur thut, um das Andenken des Ver­

Wort fiel uns recht lebhaft ein; als wir vor einigen Tagen Ein gutes Weib wiegt eine Krone auf!" Das in dem Verzeichniß der öffentlichen Zwangsversteigerungen auch das Grundstück eines Töpfermeisters im Norden der Stadt enthalten fanden. Vor etwa dreizehn Jahren arbeitete der Betreffende noch als flotter Töpfergeselle auf den Berliner Reubauten, verdiente in der damaligen Gründerzeit ein hübsches Geld, ebenso seine damals noch junge Frau, die sich beim Scheuern der Neubauten redlich plagte. Der Meister des Mannes wollte diesem wohl und ermöglichte ihm die Errich tung eines eigenen Geschäfts, deffen flotter Fortgang- darüber waren alle einig nur der flugen Umsicht der energischen fleinen Meistersfrau zu danken war; da kaufte ihr Mann eine Baustelle und baute darauf ein neues Haus, ein Geschäft, das in Berlin für jeden Bauherrn unter den heutigen Verhält niffen bedenklich ist. Aber auch hier bewies die fleine Frau ftück, alle ersten Schwierigkeiten waren überwunden, da starb fabrikate nehmen würden. bor zwei Jahren die fleine schaffensluftige Frau und heute steht das Grundstück thres Mannes subhasta. Konnten Sie

-

heute begegnet, und seine Antwort ist regelmäßig: Ja, wenn meine Frau am Leben geblieben wäre!""

N. Eine brave That, um so beachtenswerther, als der Betheiligte dabei selbst in Lebensgefahr schwebte, ist, wie man ung schreibt, geſtern Nachmittag von dem Bolizeilieutenant Aschberg in Schlachtensee vollbracht worden. Gestern

Restaurant Alte Fischerhütte", als er vom See her flägliche Hilferufe erschallen hörte. Der Genannte bemerkte einen Knaben mit dem Wellentode kämpfen. Schnell entschlossen sprang er eines Schmiedemeisters A., der fich mit seinen Eltern auf einer Landparthie befunden hatte. Nachdem der Lebensretter von einem Kellner mit den nothdürftigsten trockenen Kleidern ver sehen worden, begab sich Herr von A., ohne weitere Dantes­äußerungen der glüdlichen Eltern zu akzeptiren, per Bahn nach

Berlin .

ewigten zu ehren, wissen wir zwar nicht, wünschen jedoch, daß nnsere Berliner Wirthe, fich hier ein Beispiel für ihre Küchen­

N. Ganz großartige Zuchtresultate hat der Zoologische Garten in diesem Jahre aufzuweisen. Die Bebufamilie in der Nähe des Seelöwen untergebracht, ist in diesen Tagen durch ein zweites, fräftiges Kälbchen um ein Glied stärker geworden, das durch munteres Spiel mit dem nur wenig älteren Ge­noffen und tolle Sprünge den Zuschauer lange feffelt. Im Nebengehege tummelt sich ein junges männliches Sundarind herum. Diese Thiere, gleich werthvoll durch ihre Schönheit wie ihre Seltenheit, bedürfen äußerst aufmerksamer Pflege. um fie am Leben zu erhalten und womöglich zur Fortpflanzung zu bringen. Gegen Krankheiten sind sie sehr empfindlich und trop aller Vorsicht ging im vorigen Jahre fast die ganze Heerde Sundarinder, die der Garten hegte, ein. Nur zwei Thiere, und glücklicherweise ein Baar, blieben übrig und diese haben jetzt dafür gesorgt, daß ihr so seltener Stamm nicht ausstirbt. Der junge Tiger mit seiner Mutter ist jest, nach­dem die Bretterwand der Wochenstube gefallen, dem Publikum fichtbar geworden und Jedermann kann fich überzeugen, wie prächtig das junge Räßchen gebiehen ist. Das zweite blieb gleich von Anfang an in der Entwickelung zurück und ging nach wenigen Tagen ein. Um dieses großartige zoologische was noch Wenigen bekannt sein dürfte, die Direktion die

1

des Alexanderplages hat in letter Beit berartige Dimenſionen Inſtitut, auch Minderbemittelten zugänglich zu machen, hat, angenommen, daß die Bewohner einzelner Häuser täglich

bis zu zehn mal wegen Verkaufs getragener Kleidungsstüde foulante Einrichtung getroffen, daß an denjenigen Tagen, an

Händler und auch Händleginnen zahlt die höchsten Preise". Der Bewohner eines Hauses in der Prenzlauerstraße ist nun auf den genialen Gedanken gekommen, einen großen Bettel an feine Thür mit der Aufschrift zu beften: Alte und getragene Sachert werben hier nicht verkauft". Seitdem hat er vor den blutiger Erces spielte sich heute Vormittag gegen

Händlern Ruhe.

Ein straße 46 wollte ein bereits bejahrter Kutscher eine Riste ab laden. Dies bemerkten drei arbeitsscheue jugendliche

734 Uhr an unentgeltlich zum Besuche offen steht. Mit den ab­nehmenden Tagen wird später der freie Eintritt um 7%, resp. 7 und abwärts zulässig sein.

H Das feltene Fest der goldenen Hochzeit feiert am 19. d. M. der Malermeister Weiße, Schulstr. 69. Der Bräuti­gam ist 72, die Braut 69 Jahre alt.

Gerichts- Zeitung.

R. Daß auch die Damen der Demimonde von der

Subjekte jener Sorte, welche jede Gelegenheit wahrnehmen, Eifersucht geplagt werden, bewies eine Verhandlung gegen um einen Diebstahl auszuführen, und boten sich dem Kutscher

zur Hülfeleistung an. Dieser, die eigentliche Absicht der Helfer" gerichts. Derselbe war angeschuldigt, das Fräulein" Klette durchschauend, lehnte das Anerbieten ab, was von den drei Personen derartig übel aufgenommen wurde, daß sie den Kut­

durch Vorspiegelung falscher Thatsachen veranlaßt zu haben, für verschiedene

ren Baffanten und nun entwickelte sich eine solenne Schlägerei, Sittenpolizei in Verbindung und könne deshalb für fte Vieles bei welcher es zahlreiche blutige Verlegungen gab. 3wei der thun. Da die Klette unter Sitte steht, so afzeptirte fie um so

-

lieber den Angeklagten als ihren Beschützer" und bestritt nicht nur seinen Lebensunterhalt, sondern auch noch verschiedene Ertra- Ausgaben deffelben. Doch alte Liebe roftet nicht; Escher hatte schon, bevor er die Klette fennen lernte, ein Verhältniß mit Fräulein Anna Ruder gehabt, er schloß mit seiner alten Liebe wieder Freundschaft und wurde der Klette ungetreu. Darob erwachte in der Klette die Eifersucht, sie suchte und fand eines Abends das Pärchen in der Friedrichstraße , dasselbe sehen und auf die Ronkurrentin einhauen, war das Wert eines Augenblics. Die Geschlagene fiel nun unter Assistenz des Escher über die Wüthende her und die Klette mußte der Uebermacht weichen. Doch Rache ist füß Fräulein Klette denunzirte den ungetreuen Beliebten wegen Betrug und Mißhandlung. Bevor jedoch die Klage zum Austrag kam wurde Escher wegen eines anderen Vergehens in Hannover zu einem Jahre Gefängniß verurtheilt. Nach Abbüßung dieser Strafe mußte er in die Untersuchungs­haft nach Moabit , aus welcher er gestern dem Schöffengericht vorgeführt wurde. Der Angeklagte bestritt die beregte Aeußerung zu der Klette gethan zu haben, auch habe die Klette nicht für ihn, sondern er habe für die Klette Ausgaben gemacht. Ebenso bestritt er die ihm zur Last gelegte Mißhandlung. Der Präsident konstatirte, daß es der Polizei troß umffaffender Recherchen, nicht gelungen sei, die Belastungszeuginnen, die Klette und noch eine Dame", aufzufinden. Andererseits habe der Angeklagte zwei Entlastungszeugen vorgeschlagen, er werde dieselben vernehmen. Fräulein" Anna Ruder wird in den Saal gerufen, fie giebt auf Vorhalten des Präsidenten zu, 7 mal wegen Kontravention gegen Sittenpolizeiliche Vor­schriften bestraft zu sein und deponirt dann Folgendes: Ich lenne den Angeklagten schon seit mehreren Jahren, nähere Bekanntschaft schloß ich mit ihm im Jahre 1883. Als ich ihn zuerst fennen lernte, hat derselbe mir oft Geld ge­geben und Ausgaben für mich gemacht, später habe ich ihm öfters gegeben. Die Klette ist ihm immer nachgelaufen, so auch an dem Abend, wo er dieselbe gemißhandelt haben soll. Die Klette hat mit dem Schirm auf uns eingehauen und wir haben nur mit der Faust geschlagen; außerdem hat sie zuerst angefangen. Daß der Angeklagte der Klette falsche Thatsachen vorgespiegelt, glaube ich nicht. Präsident: Wenn sich Ihnen Jemand vor ftellen und sagen würde, ich habe Verbindung mit der Polizei, würden Sie das glauben?" Beugin zögernd: Ja." Es wird nun der Zeuge Dannhauser vernommen, derselbe weiß indeß nichts zu bekunden. Der Präsident verliest ein soeben einges troffenes Schreiben vom Polizeipräsidium, woraus hervorgeht, daß es troß vieler Mühe der Polizei bis zum Augenblick nicht gelungen ist, die beiden unter Sittenkontrolle stehenden Bes lastungszeuginnen aufzufinden. Man muthmaßt, daß dieselben fich auf Reisen" befinden. Der Vertheidiger des Angeklagten beantragt deffen Freisprechung, wenn man auch geneigt sei, der Entlastungszeugin nicht voll und ganz Glauben zu schenken, so sei es mit den Belastungszeuginnen um Nichts beffer. Der Staatsanwalt beantragt, weitere Ermittelungen der Beuginnen vornehmen zu lassen und den Angeklagten in Haft zu behalten. Der Gerichtshof schließt sich diesem Antrage zwar an, beschließt jedoch, den Angeklagten vorläufig aus der Haft zu entlaffen. R. Unter der Anklage, einem Kinde 20 Pfennige naft zu entlaffen. aus dem Portemonnaie genommen zu haben, erscheint vor dem Schöffengericht der Arbeiter" heruded. Der Ange­flagte hatte sich seit 2 Jahren den Händen der Polizei zu ent ziehen gewußt, wurde jedoch endlich entdeckt und in Unter fuchungshaft genommen. Der Angeklagte bestreitet den Dieb­stahl, er will nur von einem Knaben 10 Pfennige geschenkt er halten haben. Der Hauptbelastungszeuge, Albert Dräger, jest 16 Jahre alt, äußert sich folgendermaßen: Ich war damals noch nicht ganz 14 Jahre alt, als ich von meiner Mutter 3 Mark in fleinem Gelde mit dem Auftrag erhielt, mir dafür ein Baar gebrauchte Stiefel zu kaufen. Ich ging mit einem Schulfreunde zusammen, an der Münzstraßen- Ede fiel mir ein 50- Pf. Stück in den Rinnstein. Als wir im Begriffe waren, dieses wieder herauszusuchen, näherte sich uns der Ange­flagte und nachdem ich das 50- Pf. Stück wiedergefunden und ins Portemonnaie gethan hatte, bat er mich um 10 Pf., weil er schon überall gebetfelt aber noch nichts zum Effen bekommen habe. Ich gab ihm die verlangten 10 Pfennige, er sah in das Portemonnaie und sagte: Beig mir doch mal das Porte­monnaie". Ich gab es ihm, er drehte sich um und nahm aus dem Portemonnaie 15 oder 20 Pf. heraus, dann gab er es mir wieder zurück. Ich verlangte mein Geld wieder zurück, er weigerte fich deffen, worauf er dann von einigen Baffanten angehalten und durch einen Schußmann zur Wache befördert wurde. Der Staatsanwalt ist der Meinung, daß, obwohl das Objekt ein geringes sei, der Angeklagte dennoch eine harte Strafe verdiene; die Kinder müßten ganz besonders gegen der artige Räubereien geschüßt werden und beantrage er deshalb 6 Wochen Gefängniß. Der Gerichtshof erkannte gegen den schon mehrfach vorbestraften Angeklagten nach dem Antrage des Staatsanwaltes.

R. Wegen Unterschlagung eines Leierkastens stand der Drehorgelspieler Fistel vor der 87. Abtheilung des Schöffen­gerichts. Der Angeklagte hatte fich von dem Orgelverleiher Wahrlich gegen ein Entgeld von 3 Mark wöchentlich eine Drehorgel geliehen, dieselbe aber nicht wieder abgeliefert. Wahrlich begab fich zur Polizei, um die Wohnung Fistel's zu erfahren, doch dieser war nirgends angemeldet, und so mußte der Drehorgel- Verleiher auf die Suche gehen. Manche Orgel hatte Herr Wahrlich schon spielen hören, überall in Berlin und Umgebung hatte er auf die lieblichen" Töne des bekannten Inſtruments gehorcht, aber immer war eine Täuschung der anderen gefolgt, nirgends waren es die Klänge des an Fistel verliehenen Instrumentes. Schon glaubte er an den gänzlichen Verlust der Orgel: da endlich nach sechs Wochen kommt er nach Rirdorf und so wie Du, so lieblich und so schön" tönt es ihm auf einmal aus einem Hausflur entgegen. Das war leine Täuschung, so schön fonnte nur Fiſtel auf der Drehorgel spielen. Und richtig, beim Nähertreten erblickte er Fiftel, wie er dem Instrumente zu Nuß und Frommen der Rirdorfer die be fannten herrlichen" Töne entlockte. Doch jest war die Reihe zu trauern an Fistel, er mußte der Kunst vorläufig Balet " sagen und in Untersuchungshaft wandern. Vor dem Schöffen gericht ist Fistel geständig, die Orgel von Wahrlich geliehen zu haben, bestreitet jedoch die ihm zur Last gelegte Unterschla­gung; er fei Willens gewesen, die Orgel wieder abzuliefern.­Da Fistel aber schon vielfach vorbestraft ist, so glaubt ihm der Gerichtshof nicht, sondern verurtheilt ihn zu drei Wochen Ge fängniß.

Arbeiterbewegung, Vereine und

Versammlungen.

h Eine wichtige Werkstätten- Delegirtenversammlung der Tischler, welche äußerst zahlreich besucht war, fand am Dienstag Abend im Louisenstädtischen Concerthause, Alte Jacob­straße 37, unter dem Vorsitze des Herrn Roedel statt. Der Legtgenannte referirte im Namen der Lohnkommission über das Thema: Welche Forderungen suchen wir jest zur Durchführung zu bringen? Seinen Ausführungen lagen die jüngst statt­gehabten Berathungen der Kommission über die zweckmäßigsten Maßnahmen zur vollständigen Durchführung und Ergänzung der seither in der Lohnbewegung an die Meister und Unter nehmer gestellten bekannten Forderungen der Tischlergesellen Grunde. Hiernach soll zur Ermöglichung mög­einander abweichenden Stücklohnfäße, qualifizirtere

lichsten Ausgleichung, ver in den öünzelnen Werkstätter

oft start

Don

feinere Arbeiten in den Runſitiſchlereien sie ein Wortere bracht werben, im llebrigen aber jollen unter hubung ge­

ausgearbeitet und Durchführung Aufrechthaltung