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Nr. 113.

Freitag, 15. August 1884.

I. Jabrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das ,, Berliner Boltsblatt erfeint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. frei in's Haus vierteljährlich 3 Mart, monatlich 1 Mart, Nummern 5 Bf. Postabonnement pro Quartal 3 Mart. trage der Postzeitungspreisliste unter

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beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmart 10 Pf. Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen.

Redaktion und Expedition Berlin SW., Bimmerstraße 44.

Noch ein nationalliberaler ,, Parteitag."

Nach den glänzenden Erfolgen" in Neustadt, Heidel berg und Berlin werden die Herren Nationalliberalen sich nun auch in Hannover einfinden, am Siße ihres ,, lei­tenden Staatsmannes", des Herrn von Bennigsen, um auch dort sich neu zu konstituiren, d. h. den alten Wein in neue Schläuche zu fassen.

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Wir wollen gleich sagen, wie es in Hannover zugehen wird. Die faltgestellten Größen" des Nationalliberalismus in der Provinz Hannover - und ihrer sind nicht wenige! werden sich in hellen Haufen einfinden, der große Herr von Bennigsen wird eine staatsmännische" Rede halten, in der er betonen wird, daß er, der berühmte Kompromiß- Fa­brikant der ,, einzig lonfequente" Politiker sei, und man wird den Entschluß dieses großen Mannes, fich wieder aktiv an der Politik zu betheiligen, mit fanatischem Jubel­gefchrei begrüßen. Dann geht man auseinander und die nationalliberale Presse hat einige Wochen lang Stoff zu den bekannten Selbstverherrlichungs- Hymnen. Sie wird von dem unerwarteten, glänzenden Erfolg," von der unschätzbaren Aquisition" der Wiederaktivität des Herrn von Bennigfen sprechen und die Auferstehung der ganzen nationalliberalen Herrlichkeit verkündigen.

Für Leute, die unsere politischen Verhältnisse nicht kennen, für die Ausländer vielleicht, mag es den Anschein haben, als ob bei uns eine neue nationalliberale Mera angebrochen sei. Denn die Herolde des Herrn von Bennig­fen

jene Menagerie- oder Meßbudenbefizer zum Muster genom­men zu haben, die vor ihrer Bude ihre Herrlichkeiten so lange anpreisen, bis der Bruder Bauer", der zuhört, seine Reugierde nicht mehr bezähmen kann und seinen Obolus barbringt.

Man vergißt nur, daß alter Rohl eben alter Kohl bleibt, auch wenn man ihn junges Gemüse nennt. Wir find in Deutschland denn doch über jene Periode der politischen Kindheit hinaus, in welcher die Schlagworte Alles machen. Das sieht man am Besten an dem vielberufenen Schlagwort, Freiheit!" Vor dreißig Jahren trennte das Wort Freiheit " noch die konservativen und die vor­wärtsstrebenden Parteien. Heute haben sich alle Parteien dieses Schlagwort angeeignet und sogar die Herren Windt­

fann, was man immer will. Das Volk verlangt heute be­stimmte, klar formulirte Forderungen, angepaßt seinen Be­dürfnissen und geeignet, die drückendsten Mißstände zu be­feitigen.

Und was bieten die Nationalliberalen?

Nun genau genommen doch nichts Anderes, als daß sie dem Reichskanzler durch Dick und Dünn folgen wollen. Allerdings ein heroischer Entschluß, nur ist er nichts Neues. Man wußte schon, daß die Nationalliberalen nichts Anders wollen; sie brauchten es nicht erst zu verkünden. Der Reichskanzler hat andere Bahnen eingeschlagen, als jene, auf denen ihm die Nationalliberalen früher folgten. Daß sie ihm auch auf den neuen Bahnen folgen wollen, das ist eben der alte Kohl, den sie nun für junges Gemüse das ist eben der alte Kohl, den sie nun für junges Gemüse ausgeben.

Man verlangt heute denn doch mehr von den politischen Parteien, als diese Nationalliberalen glauben. Selbst­ständigkeit und Unabhängigkeit sind die ersten Erfordernisse. Selbst die Konservativen haben sich eine ge­wisse Unabhängigkeit gegenüber der Regierung gewahrt. Und da kommen nun die Nationalliberalen und glauben, das Volk würde es als ein Verdienst anrechnen, wenn sie fich bedingungslos an den Triumphwagen des Reichskanzlers spannen laffen!

Daß sich die Nationalliberalen von dem reinen Manchesterthum los sagen wollen, ift ganz gut. Allein konnte das nicht auch geschehen ohne das Gelübde der unbedingten Heerfolge gegenüber der Regierung?

Man unterschätzt bei dieser ganzen Angelegenheit ein Moment nämlich den persönlichen Ehrgeiz des Herrn von Bennigfen. Dieser Mann hat die ganze Strebe luft derjenigen in sich, die seine Bahn gewandelt sind. Ur­sprünglich Demokrat, war er bald des Kampfes für bloße Prinzipien und Jdeale überdrüffig. Er strebte nach Macht, Prinzipien und Jdeale überbrüffig. Er strebte nach Macht, nach Genuß der Macht. Zum Zweck, Macht zu er­langen, mäßigte" sich der Demokrat von ehemals immer mehr, um schließlich das Haupt der zahmsten und unselbst­ständigsten politischen Partei zu werden, die jemals bestan­den hat. Aber das erfehnte Ministerportefeuille ist ihm doch noch immer entgangen. Da zog er sich endlich grollend und schmollend zurück und fann über neue Mittel nach, feine Träume zu verwirklichen. Er glaubt sie nun in der Hei­belbergere i" gefunden zu haben und bietet seine

Blatt Freiheit." Was wird da Alles unter ,, Freiheit" bie Schranken. Und auch der Anarchist Most nennt sein Dienste wieder an.

verstanden!

Also Worte sind nichts, denn ,, ein tönendes Erz und eine flingende Schelle." Das Volf will heute feine viel deutigen Phrafen mehr, aus denen man Alles herauslesen

Rachbend verboten.]

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Feuilleton.

Das Kind des Proletariers.

Sensationsroman von U. Rosen.

( Fortsetzung)

Bier Monate vergingen, ehe ein Segelschiff landete und die Verschlagenen, von denen nur noch drei am Leben waren, nach Mauritius brachte, wo der schwer er­frankte Jasper in einem elenden Hospital Aufnahme fand. Auf dem Wege dahin traf er den Steuermann eines Schiffes, bas gerade nach Calcutta abging und diesen bat er, ihm die Briefe, welche etwa für ihn in dem Büreau ſeines Freundes angelommen wären, bei seiner Rüdkehr mitzubringen. Der alte Seemann erfüllte getreulich seinen Auftrag. Jasper's Freund war vor Kurzem gestorben, aber in dessen Büreau fanden sich zwei Briefe für Frigoy vor, der eine war schon eröffnet gewesen, der Andere noch verschlossen.

Tod und Leben, hoffte aber, bald Gelegenheit zu finden, gleich­Jasper schwebte in dem Hospital von Mauritius zwischen viel ob gefund oder frank sich nach England einschiffen zu tönnen, als der Steuermann aus Calcutta zurückkehrte und ihm die beiden Briefe übergab. Der geöffnete war von Myra, furz, gezwungen, unerklärlich:

Theurer Jasper! Ich weiß faum, was ich sage oder thue. Ich bat Dich, eiligst nach Hause zu kommen, jezt muß ich diese Bitte leider widerrufen. Etwas unvorher gesehenes, Schredliches hat sich ereignet. Ich fürchte, ich I werde nicht in der Lage sein, mein Versprechen zu halten. Gieb deshalb Deine Stellung und Deine Aussichten für Die Bufunft um meinetwillen nicht auf, denn wenn Du auch hierher zurückkehrst, würdest Du nur finden, daß wir uns niemals heirathen können, daß also alle unsere Pläne vernichtet find: Ich fann Dir im Augenblid feine weiteren Aufklärungen geben, mein Kopf ist so wirr, mein Gemüth so belastet! Wie unglücklich ich bin! Und auch Du mein Jasper, wirst Dich wahrscheinlich schwer getroffen fühlen

wie ich.

Deine gramgebeugte Myra."

in der Angst und Sorge der Enttäuschung geschrieben hatte, Das war der Brief, welchen Myra in ihrer Aufregung,

Wir können es denen, welche Ministerportefeuilles zu vergeben haben, nicht verdenken, wenn ihnen eine solch' hartnädige Zubringlighteit zuwider ist. Nicht alle Leute glauben an den staatsmännischen" Beruf des Herrn von Bennigsen. Man mußte lächeln, wenn man

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möglicherweise der Erbe der gesammten Barth'schen Befizungen sein würde.

Jasper begriff diese Beilen nicht. Er erbrach haftig den zweiten Brief, der nach dem Verschwinden Sir Ruperts und vor dem Untergang der Oceankönigin" geschrieben war:

Herrn Jasper Frigroy! Mit großem Widerstreben mache ich Ihnen im Auftrage meiner Roufine, Myra Barth, eine Mittheilung von Vorkommnissen, von welchen Ihnen selbst Kenntniß zu geben, diese nicht über sich ge­winnen kann. Verschiedene Geschäftsverwickelungen ließen es dem verstorbenen Sir Gilbert Barth rathsam erscheinen, daß seine Tochter einen mit Glücksgütern gesegnen Mann heirathe, der ihre eigenen etwas verworrenen Angelegen­heiten wieder in Ordnung bringen könne. Sir Gilbert war in große Verlegenheiten gerathen. Der Neffe und Erbe des verstorbenen Lord Bide war seit langer Zeit ein aufrichtiger Verehrer Myra's gewesen, und als gute Tochter hielt fie es für ihre Pflicht, den Wünschen ihres verstorbenen Vaters zu gehorchen und Lord Bide ihre Hand zu reichen. Die Nachricht wird Ihnen zweifellos schmerzlich sein, aber die Erfahrung lehrt nicht nur, daß die Abwesenheit die Liebe zu tödten pflegt, sondern auch, das frühe Verlöbnisse selten zur Ausführung gelangen. Myra rechnet darauf, von Ihrer Freundschaft und Großmuth mit keinem Vorwurf belästigt

zu werden.

Ich habe mich der unangenehmen Verpflichtung, Sie von dem Vorgefallenen zu unterrichten nur unterzogen, weil ich Sie schon fannte, als Sie noch ein kleiner Knabe waren, und ich von Ihnen erwarten darf, daß Sie diesen Brief alsbald verbrennen werden, damit mein Name und meine Einmischung in diese betrübende Sache in Bukunft vers geffen werde. Thr aufrichtiger

James Wrigley."

Dr. Wrigley hatte diesen Brief sofort abgeschickt, als er von dem Verschwinden Ruperts gehört, und ehe er eine Unter redung mit Myra gehabt. Er that es in der wahnsinnigen Erregung der Stunde und in der Ueberzeugung, in nicht all­zu ferner Zeit der Erbe der Barth'schen Befizungen zu werden, wenn Myra unverheirathet bliebe und an gebrochenem Herzen

stürbe.

Von Jasper Figroy's stolzem Sinn glaubte er annehmen zu dürfen, er werde seiner Buschrift niemals Erwähnung thun und fortan England meiden. Als der Brief aber abgegangen war, erfüllte Schrecken über die möglichen Folgen dieses

seinerzeit die Parteigenossen des Herrn von Bennigsen mit geheimnißvoller Wichtigthuerei darauf hinweisen hörte, daß Bennigsen bestimmt sei, der Nachfolger des Fürsten Bis mard zu werden. Sie thaten Einem leid, die armen Leute, und ihr Jool Bennigsen dazu!

Sei dem wie ihm sei- das Volk ist nicht dazu da, als Piedestal für politisches Streberthum zu dienen. Bei den Wahlen wird Herr von Bennigsen belehrt werden, wie fehr er und die Seinigen ihre werthen Jch's überschäßt haben.

Die Adelsbettler in Oesterreich .

Die Ueberproduktion von Adeligen hatte in Desterreich Talmi Aristokratie auf, der zehnte Mann auf der Straße war riefige Dimensionen angenommen. Es kam eine sonderbare

ein Ritter von" und es entwickelten sich aus diesem Segen Zustände, die nicht allein dem wirklichen historischen Adel Verdruß, sondern auch der Regierung Sorge bereiteten. Nun hat die Regierung ganz plöglich und unerwartet einen Strich durch die Rechnung der Adelsbettler gemacht, indem sie eine Verfügung erließ, der zufolge in Zukunft, iene Bestimmungen aufgehoben werden, welche mit den einzelnen Graden des Stephans, Leopolds- und des Ordens der Eisernen Krone den Anspruch auf eine Standeserhöhung oder die obligate Ver leihung der Geheimen Rathswürde( mit dem Titel Exzellenz") verbinden".

Ueber den Eindruck, den diese Maßregel hervorrief und die ihr zu Grunde liegenden Motive schreibt der Wiener Kor respondent der Bür. Post":

Großes Wehe herrscht in Desterreich. Selten hat eine faiserliche Verordnung auf gewiffe Kreise so deprimirend ge wirkt, wie die bezüglich der Drdens- und Adelsverleihung. Was nügt, sagt man, der schönste eiserne Kronenorden, wenn er nicht den Adel bringt; wer wird ferner nach dem Comthurkreuz des Leopoldordens geizen, wenn nicht mit demselben die Ba ronie verbunden ist? Und iene Hohen, Auserlesenen, Glüc lichen, welche die erste Klasse" des an vergangene italienische Herrlichkeit erinnernden Drdens erwischen, wie schwer werden fte den grünen Geheimratsfrad missen! So lastet denn die Hand des Verhängnisses schwer auf den armen Ordens- und delsjägern und es schafft ihnen geringen Troft, daß auch die liberale und demokratische" Presse dem Schmerze über das höherhängen des goldenen Brodforbes Ausdruck verleiht. Sie Deklamirt dabei über Ständeunterschied, über Bürgerthum und Aristokratie und man tönnte vermuthen, es handle sich um ein verlorenes Paradies. Nun, ich bin in der Lage, Ihnen authen tische Mittheilungen über den großen ,, Ordensstaatsstreich" zu machen. Derselbe wurde von langer Hand vorbereitet und bil­dete den Gegenstand eingehender Konferenzen zwischen dem Minister des Auswärtigen, den beiden Ministerpräsidenten und den Vorständen der einzelnen Ordenskapitel.

Die Konsequenzen der Ordensregen unter dem Ministerium Auersperg waren nicht ausgeblieben, fie wurden an den maß­gebenden Orten nicht ignorirt; geschah es doch oft genug, daß

der Dzeankönigin und Jasper Fipron's beruhigte seine Angst. Jahre vergingen und feine Stimme erhob sich aus den Wellen, um gegen ihn zu zeugen, und so erinnerte sich James Wrigley des Briefes nur selten, um seiner als eines in der Vergangen­heit begrabenen Dinges zu gedenken.

In den ersten Stunden zornigen Schmerzes hatte Jasper Fizroy beide Briefe verbrannt, und das Mädchen, das ihn so treulos und leichtfertig verlassen mit bitterem Tadel über­häuft. Auch Lord Bide hatte er mit Schmähungen überhäuft, was eben so grausam als überflüssig war, da dieser junge Edelmann, feit Jahren mit seiner Koufine verlobt, diese ge­rade um die Beit geheirathet, als Wrigley's Brief in Calcutta eintraf.

Während Myra zu Hause den Tod Jaspers betrauerte, war dieser in Mauritius das Opfer des schwersten Mißge schickes. Seine Gesundheit war zerstört, feine Braut hatte ihn aufgegeben und einen Anderen geheirathet und alle die Ersparnisse, die er in Indien gemacht, waren mit der Dcean­königin auf den Meeresgrund versunken und er besaß nichts mehr als hochbelastete Güter, die auszulösen er die Hei math verlassen und die zu retten er fast keine Hoffnung mehr hatte.

Freudlos wollte er von Neuem seine Anstrengungen be­ginnen, das seinem Vater gegebene Wort einzulösen. Der Bufall führte ihn in ein Erporthaus in Mauritius , dessen Mitbefiger er bald wurde. Seine Enttäuschung und seine Armuth veranlaßten ihn, jeden schriftlichen Verkehr mit früheren Bekannten aufzugeben. Eine Wunderlichkeit des Schicksals bestätigte und vermehrte sein Elend durch zwei Beitungs­blätter, die nach langen Bwischenräumen in seine Hände fielen. Das eine enthielt einen mitten entzwei geriffenen Bericht über die Hochzeit des Lord Bide mit Fräulein M., das übrige fehlte der Tochter des verstorbenen Sir fehlten einige Buchstaben des Namens und es folgte der Name des Bischofs, der das Paar getraut hatte und eine Liste der Gäste, die aus dem verstümmelten Blatt mehr oder minder deutlich zu errathen waren. Das Bruchstück aber sprach so un­vollkommen es auch war, für die Wahrbeit deffen, was Wrigley mitgetheilt. Es lag so nahe, die abgerissenen Buchstaben in der Weise zu ergänzen, daß man Myra Barth, Tochter des verstorbenen Sir Gilbert Barth las 2c.

wiederum

Berloren und hoffnungslos in seiner traurigen Verban­nung, getrennt von Allem, was ihm theuer war, arbeitete Jasper mühselig an dem Werke der Befreiung seines Stamm­

nachdem fte erfahren, daß Fanny ein Kind erwarte, welches Schrittes seine Seele. Erst die Kunde von dem Untergang figes und hatte noch nicht den vierten Theil des dazu nöthigen