Lokales.

g. Den Kanalisationsgebieten am Opernplay, von der Neuen Wache, entlang dem Zeughause bis zum Spreearm an der Schloßbrücke, stellen sich durch unterirdische massive Mauerwerke vor dem Wachtgebäude und dem Zeughause große Hemmniffe entgegen, da nur von starken Meißeln und schweren Hammern ein Weg für die Kanalisationsröhren gebahnt werden fann. Das Holzpflaster, welches erst vor Kurzem neu gelegt worden ist, mußte in Folge dieser Arbeiten wieder aufgerissen werden und mit ihm auch die Betonschicht, die Unterlage für das Holzpflaster. Warum derartige Arbeiten, wie Legung der Kanalisationsröhen, nicht schon vor Herstellung eines neuen Pflasters ausgeführt werden, wird nachgerade unverständlich. Das ununterbrochene Aufreißen eines Pflasters fann demselben doch unmöglich zum Vortheil gereichen.

N. Das Programm zur Denkmals- Enthüllungsfeier am 2. September des von Deutschen Schüßen ihren bei der Ratastrophe auf dem Steglißer Bahnhof verunglückten Schüßen­brüdern nebst Angehörigen auf dem neuen Louisenstadt- Kirch­hof in der Hermannstraße ist gestern publizirt worden. Dem­zufolge findet Mittags 1 Uhr die Versammlung der am Aus­marsch sich betheiligenden Gilden und Schüßenvereine in der Unionsbrauerei in der Hasenhaide mit Fahnen in Parade­Uniform statt. Hierauf erfolgt die Begrüßung der erschienenen Ehrengäste und Schüßen und sodann der Abmarsch nach dem Kirchhof. Die Enthüllung des Denkmals geht nach dem Ein­treffen der Theilnehmer in folgender Reihenfolge vor sich. Durch den Steinmegmeister A. Babel wird die Uebergabe des Denkmals erfolgen, daran schließt sich die Ansprache des Ko­mitee Vorfißenden. Nachdem die Hülle gefallen, wird der Konfiftorialrath Herr Noël die Weiherede halten und ein Choral die Feier beschließen. Nachmittags um 5 Uhr findet in der Unionsbrauerei ein Kommers statt, der durch eine An­sprache des Bundesvorfißenden A. Merker eingeleitet wird. Da die Kosten zu dem Denkmal noch lange nicht gedeckt sind, wäre es des humanen Bwedes wegen sehr wünschenswerth, wenn der Besuch fich zu einem recht zahlreichen gestalten würde.

r. Der Andrang zu den juristischen Staatsprüfungen ist seit längerer Zeit ein so bedeutender, daß die staatliche Brüfungs- Behörde zu außerordentlichen Maßnahmen hat ihre Zuflucht nehmen müssen, um die Prüfungsarbeiten zu erledigen. Gegenwärtig werden wöchentlich drei Mal Prüfungstermine abgehalten, in denen jedesmal sechs Examinanden zur Prüfung gelangen. Diese zahlreichen Prüfungen hatten es den ständi gen Mitgliedern der Justiz- Prüfungs- Kommission schon seit längerer Beit unmöglich gemacht, die mündlichen Prüfungen sämmtlich abzunehmen und die mit den Prüfungen verbundenen fchriftlichen Arbeiten der Eraminanden zu bewältigen. Es haben deshalb für die Bewältigung dieser Arbeiten besondere Hülfsarbeiter vom Justizminister herangezogen werden müssen, unter deren Beihülfe gegenwärtig nun die Prüfungen en masse stattfinden. Der übermäßige Andrang zur Justiz- Carriére ist längst ein Gegenstand der Sorge nicht bloß bei unseren Suftig behörden, sondern auch bei den Eltern, deren Söhne fich diesem Studium widmen. Wann unter den obwaltenden Umständen einmal die jungen Juristen zu einer Anstellung gelangen sollen, ist gar nicht abzusehen.

r An Kindesstatt. Wir wissen nicht, ob eines jener bekannten Zeitungs- Inferate oder eine andere Gelegenheit die Bekanntschaft der Frau X. mit der kleinen Else vermittelt hat, Die jetzt seit einer Reihe von Jahren sich im Hause der Frau X. befindet, und dort von allen Leuten als deren natürliche Tochter betrachtet wird. Jedenfalls war Elsens Mutter sehr froh, ihr Töchterchen in der Obhut von Leuten zu wissen, die geneigt waren, das Kind als eigenes aufzunehmen, und die fich auch sonst in guten Verhältnissen befanden. Frau X. wohnt in einer der vornehmsten Straßen; eigene Kinder hat sie nicht, und so ist es ihre größte Freude, wenn die kleine Else fte Mama" nennt. Aber unnatürlich, wie dieses erfünftelte Ver­hältniß, ist auch die Behandlung des Kindes durch seine Mama". Zwar geht die Kleine sauber gekleidet, faft zu ele­gant, und besucht eine gute Schule. Aber oft ist das Köpfchen verbunden und im Gesicht schimmern Stellen in allen Regen­bogenfarben. Merkwürdig oft muß die Kleine beim Fallen Unglück haben; dann wird der Arzt gerufen und kein Geld ge­scheut, das Loch im Kopfe oder eine andere Wunde zu heilen; diese aber find so eigenthümlicher Natur, daß fie eben­Sowohl Folgen grober Mißhandlungen, als eines Unfalles sein tönnen; auch eine Rückgrat Ver­stauchung, an welcher der Arzt die Kleine fürzlich behandelte, fonnte viel eher von einem heftigen Niederstauchen des Kindes auf einen Stuhl, als von einem angeblichen Falle desselben herrühren. Das Kind wagt feine Aeußerung, ohne dazu die Genehmigung seiner Mama" durch einen Blick derselben em­

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M.

ohne Sperre mehr oder weniger an der Leine spazieren geführt.

Doch Schwamm über diese unerquidlichen Geschichten, wir

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pfangen zu haben; ja, die Hausbewohner raunen einander zu, das Kind wage bei den furchtbarsten Mißhandlungen nicht einmal laut zu schreien; nur vereinzelt gellt ein solcher Wehruf an das Ohr eines zufällig Vorübergehenden. Und wer wollte es wagen, hier als Anfläger aufzutreten? Das Kind hat scheinbar Alles, was sein Herz nur wünschen kann; für Unter­halt und Erziehung läßt die Mama" es an Nichts fehlen. Freilich eine Sorge quält fie; ein Adoptivgesuch wurde vom Gericht zurückgewiesen, da Frau X. noch nicht das zu einer Rindesannahme erforderliche Alter von 50 Jahren erreicht hat, und ehe fie das erreicht, ist auch die kleine Else alt genug, um ihren eigenen Verstand zu gebrauchen. Das könnte leicht einen ſchillen Mifflang geben, in der Mama"-Harmonie Möchte dies Bedenken lieber dazu beitragen, das Megärenhafte in der Erziehungsmethode der Mama" X. zu mildern.

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Ter Heumarkt auf dem Oranienplay ist eine wahre Plage für den dortigen Straßenverkehr, und an jedem Markt tage finden dort Verkehrsstörungen statt, die von den hunder­ten hochbeladenen Heuwagen verübt werden. Bald hängt ein Omnibus zwischen zwei solchen Heuwagen fest, bald versagt einer der fleinen Dorfflepper und läßt den heuwagen mitten auf den Pferdebahnschienen stehen. Komisch ist es anzusehen, wenn eine Droschke, die schnell nach dem Görliger Bahnhof will, plöglich in aller Gemüthlichkeit langsam hinter einem Heuwagen fahren muß, weil die edle Droschken- Rofinante fich von dem delikaten Heuduft gar nicht trennen fann, und sich in ihrem Genuß weder durch Bügel noch durch die Peitsche ihres Kutschers stören läßt. Es wäre in der That zweckmäßig, diesen Heumarkt mehr an die Peripherie der Stadt zu verlegen, denn den interesfirten Händlern ist es gleichgültig, ob sie mit der Pferdebahn für 10 Pf. weiter fahren müssen, und außer eini gen Restaurateuren am Dranienplay würde Niemand dem Heu­markt bei seiner Verlegung eine Thräne nachweinen.

g Unter der größeren Anzahl von Ehescheidungs­sachen, für welche ein Termin vor dem hiesigen Kgl. Landge richt I am 1. November cr. anberaumt worden ist, befindet sich auch jene der Frau Domnauer, der Gattin des seinerzeit aus Berlin verschwundenen Konfektionärs D. aus der Mohrenstraße. Als Ehescheidungsgründe werden angeführt: böswillige Ver­laffung, Ehebruch, grobe und widerrechtliche Ehrenkränkungen und unwiderstehliche Abneigung. Sühneversuch fällt weg. Es gilt als unzweifelhaft, daß dem Antrage der betrogenen Frau gilt als unzweifelhaft, daß dem Antrage der betrogenen Frau entsprochen wird.

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Egzeug!" Sind Sie deffen ganz sicher, Madame?" ,, Gewiß! Beruhige Dich nur mein Kind." Jch athme wies der auf, Madame!" Am nächsten Tage war das ,, verlegte" Stubenmädchen in Begleitung des gesammten Silberzeuges auf Nimmerwiedersehen aus dem Hause verschwunden."

Die feindlichen Brüder. Es giebt Viele, welche für die närrischen Einfälle des haarduftpillendrehenden Seelenriechers Dr. Gustav Jäger in Stuttgart trop allem ein heiteres Lachen bereit haben, und nur Wenige, die ihn völlig ernst nehmen. Einen aber giebt es, der ihm ernstlich böse und bitter gram ist, und dies ist der Bruder des Seelenjägers", der als oberster Leiter des Schulturnens im Königreich Württemberg den Schwaben als" Turnjäger eine bekannte Persönliche ist. Dieser ist den Bestrebungen seines Bruders keineswegs grün und öftere Verwechselungen seiner Person mit Bruder Gustav haben ihn dermaßen aufgebracht, daß er seinen Zorn durch folgende Erklärung" im Schwäbischen Merkur" Luft machen mußte. Bei den ewigen, wesentlich auch turnschädigen den Verwechslungen sage man doch nun statt Jägeruniform etwa Wursteruniform oder Gustavstracht oder Haarduftkleid! Der Turnprofessor" Dr. Otto Jäger." Der Seelenjäger wird die ihm vom Turnjäger" provozirte Wursteruniform" schwerlich ruhig hinnehmen, und so werden wir bei dem streit baren Charakter der beiden feindlichen Brüder des Bruder friegs schlangenhaariges Scheusal" bald entfesselt sehen.

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Ein Kaffernhäuptling. Einem Reisebrief aus dem Oranje- Freistaat in Südafrila, den die Köln . Btg." zu vers öffentlichen soeben in der Lage ist, entnehmen wir folgende nicht interessante Stelle, welche uns einen Kaffernhäuptling als Schaustüd eines fontinentalen zoologischen Gartensson dern am eigenen heimischen Heerde schildert. Derselbe ist das Sepinare Moroka ist ein Oberhaupt von Thaba N'chu. zahmer Wilder, der zwischen heidnischer Barbarei und christlicher Heuchelei hin und herschwankt: wenngleich selbst ein großer Freund geistiger Getränke Freund geistiger Getränke zumal deutschen Erportbieres verbietet er den Verkauf derselben in seinem Lande bei 1000 M Strafe, ein Gefeß, das indessen einen seiner Brüder oder Bettern nicht gehindert hatte, sich zur Feier meiner Anwesenheit einen foloffalen Rausch anzutrinten; Sepinare läßt den Missionären aller Bekenntniffe freie hand, besucht selbst gelegentlich eine Kirche, ohne sich jedoch taufen zu lassen; er befigt gewiffe Schulbildung läßt aber trozdem gelegentlich einige ihm Migliebige abschlach ten; sein ganz hübsches in europäischem Stil erbautes aus bewohnt er nicht und fühlt sich in seiner Lehmhütte bei ſeinen verschiedenen Gattinnen bedeutend wohler. In diesem Palazzo wurde auch ich empfangen. Wie alle Kaffernhäuptlinge, deren einzige Beschäftigung abgesehen vom Kriege- fich aus Fleischeffen und Kafferbiertrinken zusammenseßt, zeichnet fi auch Sepinare( d. h. eiserner Büffel) durch eine mächtig impos nirende Gestalt aus. Ueber sechs Fuß groß mit riesigem Brut faften und intelligenten Gesichtszügen, bietet er den schönen Typus eines afrikanischen Kriegers. Leider empfing er mich nicht in ,, Raffernkleidung", d. h. fast ohne Gewandung, sondern in europäischer Kleidung: Plüschhosen, schmußigem wollenem Hemd, noch schmutzigerer rohseidener Jacke. Den seinen für lichen Schädel frönenden schlappen englischen Reisebut meiner Gegenwart abzunehmen, hielt er anscheinend unter seiner Würde, dagegen erhob er, als ich eintrat, feine schwerfälligen Gliedmaßen, streďte mir mit einem Iauten

g. Die Identität eines Selbstmörders, dessen Leiche in der Nacht zum 9. d. M. in einem, in der Breitenstraße zu Bankow belegenen Vorgarten aufgefunden worden ist, fonnte tros aller amtlichen Bemühungen bisher nicht festgestellt wer­den. Da bei dem Verstorbenen ein Hut aus einer Fabrik in der Linienstraße zu Berlin gefunden wurde, so ist es nicht un­wahrscheinlich, daß der Selbstmörder nach Berlin gehört. wahrscheinlich, daß der Selbstmörder nach Berlin gehört. Er ist etwa 25 Jahre alt, 5 Fuß 2 Zoll groß, trägt einen blonden Schnurbart, hat dünnes blondes Kopfhaar, vollständige Zähne, dices, blaffes Gesicht, hohe Stirn und graue Augen. Er trug einen blauen Rock, blaue Weste, bunte englische Bein fleider, Schaftstiefel mit ungewöhnlich hohen Absägen, weißes Nachthemd, Oberhemd, Parchen Unterbeinkleider, Patent­Gummi- Hosenträger, langen blauen Shlips und schwarzen, festen Hut von großer Kopfweite. Am linken Ringfinger des Verstorbenen befand sich ein glatter, schwach vergoldeter Trau­Bei dem ring mit der Inschrift Treue E. P. 1. 11. 82". Selbstmörder wurde ein Bettel, anscheinend von seiner Hand geschrieben, vorgefunden, inhaltlich dessen er sich mittelst Gift aus der Welt befördert hat.

N. Die freiwillige Feuerwehr in Rirdorf wurde gestern Abend gegen 11 Uhr abermals in Thätigkeit genommen. In dem Hause des Dr. Tiburtius, an der Ecke der Goethe- und Bergstraße, war eine Dachlammer, neben welcher sich ein photographisches Atelier befindet, in Brand gerathen. Nur dem rechtzeitigen Eintreffen und dem energischen Einschreiten der Feuerwehr ist es zu danken, daß das Feuer nicht weiter um fich griff. Der Schaden ist ein verhältnißmäßig geringer. Die Entstehungsursache bisher noch unbekannt.

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trat

auf mich ,, tumela"

zu

und

( ungefabr

Ser Linken umfaßte. Er war überhaupt recht freundlich, eine profit") seine Rechte entgegen, während er deren Gelent mit Erfrischung bot er mir zwar nicht an, beantwortete dafür aber mit unermüdlicher Geduld alle meine Fragen. Nachdem wir uns einigermaßen angefreundet, bat ich ihn, mir einige feiner Gattinnen vorzustellen, er grunzte zustimmend und sofort e duftete einer der Höflinge, deren ein halbes Dugend in refpelt vollster Stellung uns umgaben. Bald erschien Mrs. Sepinare Nr. 1, eine recht hübsche Betschuane. Hübsch" ist natürlich immer relativ zu nehmen, die Kaffern- Frauen und Mädchen find alle schön gewachsen, fie haben schöne Zähne und find rein gewaschen der Rest ist Geschmackssache. Mehr als die Landes mutter intereſfirte mich ein äußerst kunstvoll gestickter Mantel aus hartem Eberfell, in den sie gehüllt war. Sepinare war freundlich genug, mir denselben als Geschenk anzubieten, eine Szene, die insofern nicht ohne Originalität war, als die Fürstin fich bereitwilligst dieser einzigen- Hülle entledigte, um mich mit derselben zu schmüden. Meine Gegengabe bestand aus gen ungemein erregt zu ihrer Herrin und theilte ihr mit, daß einem dem Atelier von Nikolaus Longer in Köln entstammen fie fich beim Reinigen der Eßbestede mit einer Gabel gestochen den Lichtbilde meiner werthen Person in Uniform, das den habe. Ach, Madame!" rief das Mädchen, welches erst furze Fürsten und seine heranstürmenden Gattinnen Nr. 2-8 leb haft erfreute: Das habe ich gleich gesehen, daß du Soldat warst", sagte der alte Heuchler. Wenn du nach Deutschland dies möglich sein?" Nun, wenn die Gabel aus Alfenide kommst, edler Fürst," erwiderte ich, so macht man dich fofort

Vermischtes.

Eine raffinirte Diebin. Aus Paris wird folgendes hei­tere Geschichtchen mitgetheilt: Ein bei einer wohlhabenden Ba riser Familie bedienstetes Stubenmädchen fam vor einigen Ta

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Zeit im Haufe diente ,,, ich fürchte, daß der Brand dazu kommen

werde!" Unfinn!" entgegnete die Hausfrau ,,, wie sollte

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wäre...."

,, Sie ist aber aus Silber, wie unser ganzes

zum General." Das that ihm unsäglich wohl..

mit feltener Unparteilichkeit.

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Er verschwieg nicht die er schwerenden Umstände der That, hob aber auch die mildernden die Jugend des Angeklagten, die der väterlichen Zucht er That hervor. Als er des Vaters des Angeklagten gedachte, da fiel das Wort pflichtvergessen" mit bleierner Tonlofigkeit

wollen uns den heutigen Sonntag dadurch nicht verderben die Züge des Angeklagten, der den Blid mit stolzem Troße be mangelnde Erziehung, das von Gemeinheit freie Motiv de

laffen, denn heute ist Stralauer Fischzug! Das alt herbrachte Fest der Berliner Bevölkerung soll auch diesmal in würdiger Weise gefeiert werden. So oft wie dieses Fest schon besungen ist, immer und immmer wieder übt es einen unwider stehlichen Reiz auf den richtigen Berliner aus, und wie oft man den Stralauer Fischzug auch schon todt gesagt hat, immer wieder erfteht er von Neuem mit seinem Ult, seinen Volksver­gnügungen, seinem Affen und seinem Kater!

Eine seltsame Geschichte.

Ich will der Welt eine Geschichte erzählen, wie man Präfident wird." Schillers Kabale und Liebe".

In der Hauptstadt einer österreichischen Provinz machte vor ungefähr 25 Jahren eine Gerichtsverhandlung ungewöhn liches Aufsehen. Es handelte sich um einen Mord. Der Thäter, die Motive seiner That, der Verlauf der Verhandlung, Alles erregte im hohen Grade die Aufmerksamkeit.

Die Schwurgerichte gehörten schon damals zu den Justiz­institutionen der Monarchie. Der Verhandlungssaal war über­füllt. Die Geschworenen nahmen ihre Pläge ein, desgleichen der öffentliche Antläger und der Vertheidiger des Angeklagten. Der Gerichtshof erschien. Der Präfident war ein landbefann ter, wegen seiner Strenge gefürchteter Mann.

Ein Mann

von hoher, stattlicher Figur, mit breiter Stirn, festgeschlossenen Lippen, einer feinen Nase, deren Flügel fast unaufhörlich vibrirten.

Der Angeklagte wurde vorgeführt. Eine Apollogestalt, stramm und geschmeidig. Frei erhobenen Hauptes betrat er den Saal. Aus dem vor Erregung blaffen Antlige bligte ein Baar fühner Augen. Der Mund erschien festgeschloffen, keine Miene zuckte, nur die Nasenflügel verriethen die innere Be­

wegung.

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So blickte tein gemeiner Mörder. Und doch der Jüng­ling war des gemeinen Mordes angeklagt und geständig.

Mit vornehmem, fast stolzem Anstande verbeugte er fich vor seinen Richtern. Auf den Präsidenten warf er einen lan­gen, unbeschreiblichen Blid. Mitleid, Haß, Abscheu flammten Sarin gleichzeitig auf.

Der Präsident begann das Verhör:

Sie heißen?"

Friedrich Tanners."

Der Angeklagte sprach die einfachen Worte mit fest auf den Präsidenten gerichtetem Blick, jede Silbe betonend, als erwarte er davon irgend eine Wirkung. Woher sollte dies

Berantwortlicher Redacteur

tommen? Der Präfident kannte den Namen längst aus der Boruntersuchung; er fonnte ihn nicht überraschen. Und doch, als die letzte Silbe gefallen war, bohrte sich sein Auge tief in gegnete. Hatte er aus dem Antlig etwas mehr als aus den Aften herausgelesen? Unruhig rückte er auf seinem Sessel und schier hastig flang die weitere Frage:

,, Alt?"

Einundzwanzig Jahre," lautete die Antwort.

Der Präsident erbleichte, er mußte tief aufathmen, bevor er das Verhör fortseßen konnte. Seine Züge wurden entsetzlich starr, als hätte er in einen Abgrund geblickt und würde vom Schwindel erfaßt. Aber sein Stolz war stärker als seine Schwäche. Das Verhör nahm seinen Fortgang. Der Ange­flagte geftand Alles freimüthig.

Er hatte sein Opfer, einen angesehenen Gutsbefizer, auf deffen eigenem Grund und Boden, im Walde, angegriffen

wie eine Selbſtanklage, von den stolzen Lippen; als er der Motive gedachte, welche den Angeklagten zum Morbe getrieben, da glänzte sein Auge von einer zärtlich tolgen

Regung.

Der Gerichtshof zog sich zur Fällung des Urtheils zurüd Es konnte nicht zweifelhaft sein. Nach wenigen Minuten ver fündete der Präsident den Spruch; Tod durch den Strang" Er sprach das Todeswort mit gewohnter Festigkeit. Dann aber verließ ihn die Kraft; er taumelte und wurde ohnmächtig

hinweggeführt.

und nach furzem Wortwechsel mit der längst bereit gehaltenen Faffung angehört; fast schien ihn das Verhalten des Gericht

Waffe niedergeschoffen. Wie ein Hund," fügte er bebend vor Erregung hinzu.

Nur die Motive verschwieg er. Es war räthselhaft. Die Zeugen wußten hierüber nichts anzugeben. Der Präfident brang wiederholt in den Angeklagten, die Wahrheit zu ge stehen. Er beschwor ihn mit ungewöhnlicher Wärme, sich dieses Milderungsgrundes nicht zu entschlagen. Schier ängstlich flang der Buruf, flehend, väterlich.

Sie wollen es wiffen, Sie, Herr Präfident?" Es rang fich feuchend von den Lippen des Angeklagten; es schien, als sollte nun etwas Unerhörtes geschehen.

Der Präfident erbleichte und bog fich zurück; der Ange­flagte blidte ihn wieder mit dem räthselhaften Blicke an, dann athmete er tief auf, er schien sich anders besonnen zu haben. Trozdem fuhr er fort:

,, Er hatte meine Mutter geschmäht. Er hatte sie eine Dirne genannt. Und das Alles, weil mein Vater, ein Schurke," das Wort kam donnernd, wie eine Anklage, von den Lippen ,, meine Mutter verrieth, um mit Hülfe einer alternden Mä­treffe.... ein hoher Staatsbeamter zu werden."

Der Präfident lehnte weit vorgebeugt über den Gerichts tisch , er athmete mit Anstrengung und sichtlich schwer raffte er sich zu einem Tadel über das Verhalten des Angeklagten und des Publikums auf, welches in laute Zeichen seiner Theil­

nahme ausbrach.

Der Angeklagte beendete sein Geständniß. Sch forderte von dem Beleidiger Genugthuung. Er verweigerte fte- dem Bastard. Da suchte ich ihn auf und schoß ihn nieder wie einen Hund, Herr Präsident. Ich habe Alles gesagt. Nun richten Sie mich."

Der Verurtheilte hatte den entseglichen Spruch mit präsidenten mehr zu intereffiren, als sein eigenes Edid fal. Sein Blid blieb auf der Thür haften, durch welche der Ohnmächtige verschwunden war, bis er selbst in seine Belle

geführt wurde.

Im Publikum verbreitete sich wie ein Lauffeuer die Runde von den Vorgängen der interessanten" Berhandlung. Man war einig, daß der Angeklagte seitens des Gerichtshofes der Gnade des Monarchen empfohlen würde. Das verstörte Be nehmen des Präsidenten, seine Ohnmacht schrieb man einem Unwohlsein zu, deffen der kräftige, pflichteifrige Mann verge Nachts erschien in den Korridors des Gefängnißfes der einen vom Gerichtspräsidenten gefertigten Erlaubniß ein hoher, in einen schwarzen Mantel gehüllter Mann schein zum ungestörten Besuche des Verurtheilten vo Der Schließer prüfte den Schein, schüttelte ver wundert den Kopf, ließ aber den nächtlichen Besucher, der sein Geficht tief in den Mantel hüllte, in die beleuchtete Belle des Unglücklichen eintreten, nachdem er den darin poftirten

bens Herr zu werden versucht hatte.

Wachmann herausgewinft.

Als der Beamte nach längerer Zeit durch das Gudlod der Thür spähte, da fuhr er schier erschrocken zurüd. Darin lag es war fein Zweifel möglich der stolze Präfident auf den Knieen vor dem Verbrecher und streichelte weinend, in

brünstig deffen Wangen .

einen

Im lezten Jahre öffneten sich die Kerkerpforten für e Tode verurtheilt, zu lebenslänglichem Kerker begnadigt schließlich nach 25 jähriger Buße entlassen worden war.

und

Sobn

bet

am Weihnachtsabend ein reuiger Vater seinen verlorenen& In einer fleinen Stadt der österreichischen Alpen aber hielt als das beste Geschenk seines Lebens in den Armen

Greis den gebrochenen Mann.

Nach diesem Geständnisse war die Aufgabe des Staats­anwalts eine leichte, dagegen die des Vertheidigers eine hoffnungslose. Der Präsident gab das Resümé. Er that es R. Gronheim in Berlin . Druck und Verlag von Way Bading in Berlin SW, Beuthstraße 2.

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