Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 137.

Livländische Bustände.

( Aus: Livland   und Jrland. Ein Briefwechsel.")

Die Regelung der Agrarverhältnisse wurde in Livland  früher als in irgend einem anderen Lande Europas  , schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts, in Angriff genommen. Als in Deutschland   die glebae adscriptio und die Leibeigenschaft abgeschafft wurden, als Desterreich zur Regelung und Abschaf fung seiner Robott sich entschloß, war das Alles in Livland  schon längst ein überwundener Standpunkt. In ihrer Ge­fammtheit ist die Bauerschaft in dem Befiße des Bauerlandes ftets geschüßt gewesen, sei es durch Geset, sei es durch Her­fommen und Sitte. Als nach Eintritt der Freizügigkeit und nach Einführung des freien Kontraktes" der bisherige Schutz nicht genügend erschien, wurde durch den rothen Strich" die herkömmliche Scheidung zwischen Hofes und zwischen Bauer­land zu einer absolut festen gemacht. Einziehen" von Bauer land zu grundherrlicher Nugung, mecklenburgisches Einschlach­ten von Bauerhöfen ist in Livland   durchaus unmöglich und undentbar. In Folge einer aus dem Schooße der livländi­schen Ritterschaft hervorgegangenen Agitation hat sich die Ten­denz zum Verkaufe des Bauerlandes geltend gemacht. Unter Beihilfe der ritterschaftlichen Agrarbank hat solcher Verlauf den besten Fortgang genommen. Von sämmtlichem Bauerlande unter Ausschluß der zur Disposition der Grundherren ver­bliebenen Quote" find bereits 66 Prozent mittels forroborirter Rauffontrafte in bäuerlichen Beftz übergegangen. Würden hierzu noch diejenigen Bauerhöfe gerechnet, die nach abge­fchloffenem Vorkontratte bereits faktisch im Erbbefize der Käufer fich befinden, welche jedoch ihre Befigtitel noch nicht empfan gen haben, so steigerte sich jener Prozentsaz sicherlich auf circa 75 Prozent.

Somit hat hier die Agrarreform fich gewissermaßen von felbst, lediglich durch den gesunden und praktischen politischen Blick der Betheiligten, ohne Inanspruchnahme irgend welcher ftaatlichen Opfer, ruhig vollzogen- eine Reform, deren Durch­führung in Irland   dem Staate zweihundert Millionen Pfd. Sfecl. oder fünf Milliarden Franken Staatsschuld aufbürden würde. Giebt es für diese Leistung ein Analogon in Europa  ? Welch ein schreiender Kontrast zu den irländischen Agrarzus ständen! Und das alles hat sich vollzogen im Schatten des an geblichen Giftbaumes", im Schatten durchaus aristokratischer Institutionen!

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Auch zu dem irländischen Absenteismus und zum dortigen Systeme der Afterpachten findet sich hier das strikte Gegen­theil. Von jeher hat der livländische Grundherr auf seinem Hofe gesessen und den Betrieb seiner Wirthschaft selbst geleitet. Auch im Falle der Einherrigkeit mehrerer Güter werden in der Regel die Wirthschaften von Beamten unter beständiger Kon­trole des Herrn und für seine Rechnung betrieben. Ver­pachtungen der Großwirthschaften sind verhältnismäßig selten. Meistens kommen sie nur dort vor, wo der Besitz zu einer Erbmaffe gehört oder einen minorennen Eigenthümer hat oder wo er ein publiker ist, oder aber wo der Grundherr, sei es durch ein öffentliches Amt, sei es zur Erziehung seiner Kinder, an die Stadt gefeffelt ist. Aber auch in allen diesen Fällen pflegt die Bewirthschaftung unter fortgesetter Kontrole des Grundherrn zu stehen. Beispiellos dürfte es sein, daß auch die Pachtländereien der Bauern, das Bauerland, vom Grund­herrn, wie in Irland  , einem dritten zur Disposition überlassen würden, und daß der Grundherr sich nicht die Beziehungen zu feinen Bächtern, die Regelung der Pachtsäße u. s. w. vor­behielte.

Niemals, seit Deutsche den Fuß an dieses Gestade sezten, hat sich hier die Lendens gezeigt, das Entstehen von Zwerg­wirthschaften und damit das Entstehen eines übermäßigen Bachtangebotes und einer unmäßigen Bachthöhe zu begünstigen. Vielmehr ist durch das bäuerliche Erbgesez und durch die ge einer allzugroßen Bersplitterung des Grund und Bodens voll ständig entgegengewirkt worden-

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ein flarer Beweis, daß der

Der Scheich und sein Efel.

( Aus: John Brown  , The Dervishes.)

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Freitag, den 12. September 1884.

hiefige Aristokratismus feineswegs nur den unmittelbaren Vor theil des Grundherrn, sondern vielmehr die Sicherung eines tüchtigen Bauerstandes im Auge gehabt hat. Db in dieser Fürsorge nicht aus Mißverständniß zu weit gegangen und über das Ziel hinausgeschossen worden sei, ist eine andere Frage, die besondere Erörterung verdient. Jedenfalls findet sich auch hierin ein vollständiger Gegensatz zu den irländischen Verhält niffen.

Daffelbe gilt von der Dotirung der hiesigen Landeskirche. In Jrland hat das von den Grundherren gebildete parlament In Irland   hat das von den Grundherren gebildete parlament selbst dazu die Hand geboten, daß die Landeskirche beraubt und ihres Vermögens entkleidet werde. Aus dem Raube hat die dortige Aristokratie fich Pfründen und Sinekuren für ihre füngeren Söhne" geschaffen. Hier im Gegentheile dürfte es wenige Pfarrhöfe geben, die nicht aus Donationen der Grund­herren entstanden wären. Durchweg sichern sie dem Geistlichen und seiner Familie eine mehr oder weniger ausfömmliche und unabhängige Eriftenz. Im Gegensage zu der Preisgebung der irländischen Landeskirche durch die dortige Aristokratie ist hier, alle Jahrhunderte hindurch, Sicherung und Festigung der Landeskirche oberster politischer Grundsatz des Adels gewesen. Landeskirche oberster politischer Grundsatz des Adels gewesen. In allen beim Wechsel der Herrschaft abgeschloffenen Kapitu­lationen, in allen Landesprivilegien findet sich Freiheit der Religionsübung und Sicherung der Landeskirche voran und obenan gestellt, und Patron der Landeskirche zu sein, hat der livländischen Ritterschaft stets als heiliges Erbtheil gegolten. Können Tag und Nacht verschiedener sein, als Irland   und Livland   auch in dieser Hinsicht!

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- Hier in Livland  

Endlich das hiesige Volksschulwesen. hat von Anbeginn der Eingeborene und seine Nationalität unter dem Schuße des Eroberers und seiner Geseze gestanden. Zur Beit der Unabhängigkeit hat die geistliche Obrigkeit, der Landesfürst, es zu feiner Zeit unterlassen, seine schüßende Hand über den ,, undeutschen" auszustrecken, und durch das Gesetz des heiligen Römischen Reiches deutscher Nation war der Lette und Efthe als freier Mann" anerkannt. Daß solche Fürsorge nicht wirkungslos gewesen, ergiebt sich aus vielfachen Zeugnissen des Sechszehnten Jahrhunderts über die damalige Wohlhabenheit, ja über den üppigen Uebermuth der livländischen Bauern.- Minder beneidenswerth war freilich seine Lage nach den darauf folgenden endlosen Kriegen, nach Verwüstung, Verödung und Verwilde rung des Landes... Ja, wer hatte es damals gut in Liv land?! Sobald aber geordnete Bustände wiedergekehrt waren, hat der Deutsche   nicht nur die materielle Sicherung des Landvolkes fich angelegen sein laffen und das zu einer Zeit, da noch nirgend in Europa   die staatliche Fürsorge dem Bauerftande fich zugewandt hatte sondern auch die Volks bildung ist von den deutschen Ritterschaften gepflegt worden, und zwar in nationalem Sinne. Deutsche waren die Ueber­seger der Bibel ins Esthnische und Lettische, die Verfasser let tischer und esthnischer Andachtsbücher, ja die Begründer der lettischen und esthnischen Nationalliteratur, die Erforscher der lettischen und esthnischen Sprache und Alterthümer. Von den Deutschen   ist die Begründung des livländischen Volksschul­wesens ausgegangen, von den Deutschen   ist es in nationalem wesens ausgegangen, von den Deutschen   ist es in nationalem Sinne verwaltet und fortgeführt worden mit solchem Erfolge, daß es fich jedem, auch dem besten der Welt, ebenbürtig an die Seite stellen fann. Nur wenige Volfsschulen dürften in Livland   bestehen, die nicht sei es gänzlich, sei es haupt­fächlich auf Donationen der deutschen Grundherren zurück

zuführen wären.

Welch ein himmelweiter Kontrast auch hierin, gegenüber den Verhältnissen in Irland  , wo die penal laws den Eng­länder gleich wie für Hochverrath bestraften, der betroffen

wurde, fich des irischen Idioms zu bedienen!- wo Jahrhun­derte lang alles darauf angelegt war, die Eingeborenen, die Frländer, zu vertilgen. Hier haben sich die lettische und esth­nische Nation des Giftbaumes", im Schatten aristokratischer

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Institutionen nicht nur frei entwickelt, sondern gewisse Einflüsse haben sie sogar derart ins Kraut schießen gemacht, daß ihnen ernstliche Gefahr droht die Gefahr nämlich, vor Erlangung

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Nothwendigkeit, daß er seine Derwischwanderung antrete. Ich habe dich, sagte der Scheich, mit vieler Sorgfalt in allem, was bir zu deiner Laufbahn zu wissen nothwendig ist, unterrichtet. Dein längeres Verbleiben hier wäre nicht nur unnüß, sondern auch von Nachtheil. Wie du weißt, besige ich wenig irdisches Gut, doch werde ich gerne das, was ich habe, mit dir theilen. Gerührt von der Güte des Scheichs, führte Alt deffen Hände an seine Lippen. Auf nächsten Sonntag wurde die Ab­reise des Neophyten bestimmt.

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Eine humoristische Geschichte wurde mir von einem Scheich erzählt, der in der Nähe einer der größeren Städte Klein aftens die Aufsicht über das Grabmal eines heiligen Ders misches hatte. Bei ihm befand sich auch ein Jüngling Namens Ali, dem er sein Wissen beibrachte. Der Scheich besaß wegen seiner Frömmigkeit und übernatürlichen Kräfte einen weit ver breiteten Ruf und wurde deswegen von der ländlichen Bevöl ferung, der Aristokratie und namentlich von dem weiblichen nehmen und seine Wanderung anzutreten. Es währte nicht

Theil der Gemeinde sehr gesucht. Das Grabmal über dem Grabe war ein in die Augen fallender Bau, der zwei bis drei Bimmer enthielt, worin der Scheich und sein Jünger Al wohnten; auch dienten sie nöthigenfalls zu Schlafstätten für die in Kleinaften von einem Wallfahrtsorte zum andern her­umwandernden Derwische. Zu Kopfe des Grabes hing eine Ampel, welche Nachts immer in Brand gehalten wurde, zu weilen auch bei Tage, wie z. B. am Geburtstage des ver ewigten heiligen Derwisches und an Feiertagen, wo die Be fuche am zahlreichsten waren, um dem Scheiche Geschenke dar zubringen, feinen Segen und seine Fürbitte für fich zu ers flehen und am Grabe ihre Andacht zu verrichten. Die Fenster­des fleinen Mausoleums waren ganz mit Seugfeßen bedeckt, welche von den Gläubigen, die dort um etwas gebeten hatten, befestigt waren, damit sich der Heilige beim Anblicke der Feßen ihrer erinnere. Die Gaben aber, welche man dem Todten wie den Lebendigen spendete, tamen dem Scheiche und seinem

Jünger sehr zu statten.

Sonntag stand Ali früh auf den Beinen, er erwartete nur das Erwachen des Scheichs vom Schlummer, um Abschied zu

lange, so erschien der Scheich. Ich gebe dir, sagte legterer, als Beweis meiner Freundschaft meinen langjährigen geschäß­ten Kameraden, meinen Esel, dann einen Sattel, eine meiner wattirten Jacken, eine Reschgul( eine Schale, welche den Der­wischen dazu dient, Almosen zu sammeln, und welche fie, an einer Kette gehängt, am Arme tragen), eine eiserne Waffe, um fich gegen wilde Thiere vertheidigen zu können, ein Tigerfell, welches dich gegen die Sonnenstrahlen schüßen und bei Kälte wärmen soll, ein Nuscha( Amulet  ), welches ich selbst in einem fleinen filberartigen Cylinder am Halse trug, und einen Sad mit Lebensmitteln für die ersten Tage deiner Reise. Efel hatte natürlich die meisten Ansprüche auf die Fürsorge Ali's. Er war schnell reisefertig, seine Last bestand nur, da Ali beschloffen hatte, nach Derwischart zu Fuß zu gehen, aus dem Quersack, der Keschgul und dem Mantel. Der Scheich nahm bei alle den Reisevorbereitungen herzlichen Antheil; als alles bereit war, machte sich Ali und sein Esel auf den Weg; der Scheich gab ihnen noch eine halbe Meile Wegs Geleit, dann nahm er die Hände Ali's in die feinigen, segnete ihn,

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Der

Esel, auf dem er seine Besuche bei Freunden in der Nachbar rezitirte mit bewegter Stimme die Fatiha  ( erstes Kapitel des fchaft abftattete. Er trug die volle Tracht seines Ordens, Koran  ), wünschte ihm eine gute Reise und kehrte dann lang­außerdem das Abzeichen der Nachkommen des Propheten, den mit grünfarbigem Zuch umvidelten Turban. Db er wirklich ein Nachkomme des Propheten war und als Beleg die erforder liche Genealogie- Urkunde dazu besaß, das wußte Niemand, aber

sam zu seinem Grabmale heim. Ali aber schlug den ersten besten Weg in einem Thale   ein, welcher zu einer schwarzen Kette von Bergen führte. So verfolgte Ali während einiger Tage auf der öffentlichen Heerstraße seinen Weg, ohne viel

im Handwerke, suchte er mehr nach Einsamkeit, wo nichts zu

dedung die gewöhnliche Ordensmüße des Scheichs; seine übrige anfingen, farg zu werden, begannen auch die Kräfte des Esels Niemand zweifelte daran. Sein Jünger Ali trug als Kopfbes darnach zu fragen, wohin er führte. Als aber die Lebensmittel Kleidung war infolge des langjährigen Tragens in einem sehr zum Marschiren auszugehen. Aufgefrischt hatte er bis jetzt mißlichen Zustande, doch hatte legter Umstand keinen Einfluß noch garnicht seine Nahrungsmittel, denn noch zu schüchtern Attribut der Derwische bekannt, daß ste daraus ihre Hauptkraft holen ist, als nach belebten Gegenden, wo er hätte Almosen Schöpfen; es fezt sie in den Stand, große Reisen zu unter­nehmen, ohne befürchten zu müssen, ausgeraubt zu werden, und zweitens, ohne Lebensmittel zu bleiben. Armuth macht den Stolz des gesegneten Propheten aus, so kann es wohl auch

der Stolz eines Scheichs sein.

Eines Freitags Abends, als die Besucher alle weggegangen

fammeln fönnen. Eines Tages, wo Ali außergewöhnlich er­müdet war von der Hiße und namentlich von dem steten An­treiben des Esels, der durchaus nicht mehr vorwärts wollte und schon unterwegs ein paar Mal zusammengefallen war, hatte Ali fich früher als sonst seine Nachtlagerstätte bei einem Baume unter freiem Himmel ausgewählt; als er mit einemmale zu

maren, eröffnete der Scheich seinem Jünger Ali einen Gegen seinem größten Erstaunen seinen Esel lang die Beine ausftreden stand, den er schon oft mit ihm besprochen hatte: nämlich die sah. Das Thier holte einige Male tief Athem, seine Glieder er

1. Jahrgang.

der Reife von nordöstlichem Froste geschädigt zu werden, wenn sie aus dem schüßenden Schatten sich sollten herauslocken laffen.

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Lokales.

N. Der projektirte Bau eines Anschlußgeleises der Berlin   Görliger Eisenbahn an die Berliner Ringbahn wird endlich zur Ausführung kommen. Die Weigerung einiger Ländereibefizer in Treptow  , ihre Grundstücke zu dem offerirten Preise herzugeben, hat dahin geführt, daß in Betreff derselben das Enteignungsverfahren hat eingeleitet werden müssen. Zum Kommissarius der Regierung in der Enteignungsfache ist der Herr Regierungs- Assessor Hemptenmacher ernannt, welcher einen Termin zur Aufnahme der Tare und Erklärung der Eigen­thümer der betreffenden Grundstücke zum Freitag den 12. d. Mts., an Ort und Stelle anberaumt hat. Sobald das Ent eignungsurtheil erlaffen, wird mit dem Bau des Anschlußge­leises vorgegangen werden.

N. Ein empörender Unfug, der die strengste Ahndung verdient, ist, wie uns von verschiedenen Seiten mitgetheilt wird, in legterer Zeit wiederholt an den Sanitätswachen ver übt worden. Genau in derselben Weise, wie früher halb­wüchstge Burschen die Feuerwehr durch die öffentlichen Feuer­melder unnöthig alarmirten, scheinen ähnliche rohe Patrone jegt ein Vergnügen daran zu finden, die Beamten der Sanitätswachen während der Nachtzeit unnöthigerweise zu alarmiren. Jedem vernünftig denkenden Menschen leuchtet die 3weckmäßigkeit der Institute ein, und ist es daher unerhört, wenn Belästigungen der Anstalten von finnlos Betrunkenen oder solchen Individuen getrieben werden, die den wirklich humanen Zwed, der für Berlin   so nothwendigen Einrichtungen verkennen. Im Intereffe des Publikums wird gebeten, auf das Energischfte diesem Unwesen entgegen zu steuern und jeden vorkommenden Fall sofort zur Anzeige zu bringen. Als ein erfreuliches Beichen des Fortschritts unserer Sanitäts- Wachen sei erwähnt, daß seit Anfang d. J. bis 1. September cr. die Hilfs- Wache Blumenstraße allein 365 Hilfsbedürftigen Beistand geleistet hat.

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Der überhandnehmende Wucher gegen arme Arbei terinnen hat die Augen unserer Behörden auf eine besondere Spezies von Damen  " und Gewerbetreibenden" gelenkt, die von dem Schweiße armer weiblicher Handarbeiterinnen sehr viel ernten, obgleich fie selbst wenig säen. Wie bekannt, wird fort und fort geklagt, daß gerade weibliche Handarbeiten, wie Stickerei, Häfelei, Wäschenähen 2c. außerordentlich schlecht bezahlt werden, troßdem diese Artikel für Bedarf wie Lurus einen guten Arbeitslohn vertragen, da dieselben fast ausnahmslos in fertigem Zustande verhältnißmäßig gute Preise erzielen. Nach forschungen nach der Ursache der so sehr geringen und täglich mehr fintenden Arbeitslöhne haben folgendes überraschende Res fultat zu Tage gefördert: Die Arbeitslöhne, die von den größeren Geschäftsinhabern wie von fleineren Gewerbetreiben den gezahlt werden, sind zwar für weibliche, oft fünstlerisch ausgeführte Arbeiten, feine brillanten, immerhin aber solche, daß Arbeiterinnen, wenn sie fleißig sind, ein menschenwürdiges Da sein fristen können. Demgegenüber wuchert jedoch eine Spezies von Damen  " in Berlin  , welche die Ausbeutung weiblicher Kräfte als Broderwerb auf ihre Fahne geschrieben haben.

Diese Damen", größtentheils den beffer fituirten Stän

den, den Mitteln wie der Erziehung nach, angehörend, wiffen sich in den Geschäftshäusern Eingang zu ver schaffen und nehmen die Arbeit außer dem Hause" gleich en gros an, da fie angeblich so und so viele Hände be­schäftigen; fte erhalten diese Arbeiten, weil sie erstens dem Hause Vertrauen wegen ihrer Sicherheit bieten, das heißt, daß ihnen das Material zur Arbeit ohne Risiko anvertraut werden fann, zweitens weil das Haus dadurch die Mühe erspart, sich

mit vielen Arbeiterinnen zu befaffen. Auf diese Weise verlieren

die armen Handarbeiterinnen ihre Brodstelle" und sind glück. lich, wenn sie nun bei einer dieser Damen" noch Arbeit er­

zitterten, in seiner Keble gurgelte es unheimlich, seine Augäpfel verdrehten sich, und Alles war aus! Ali war mit einemmale mutterseelen allein auf der Welt, zur Seite nur einen todten Esel und Niemand, mit ihm den herben Verlust zu beklagen.. Seine traurigen Gedanken schweiften zum entfernten Grabmale und deffen Scheich zurück, wo er so viele Jahre seines Lebens forgenlos zugebracht hatte. Das legte Glied, welches ihn noch mit jener Joylle verband, war heute unwiderruflich zerstört. Während der junge Derwisch traurig brütend dasaß, erhob fich am fernen Horizonte eine Staubwolle, welche das Heran­nahen von Reisenden bekundete. Da er fürchtete, daß die Leute ihn vielleicht, wenn sie seinen todten Esel am Wege liegen sähen, der Grausamkeit gegen seinen Kameraden zeiben und ihm die Schuld an seinem Lode beimeffen würden, hielt er es für flug, ihn von der Landstraße zu entfernen, und scharrte ihn hurtig unter einem kleinen Sandhügel ein. Nach dem er dies Geschäft vollbracht, ſette er sich wieder hin und fing von Neuem an, sein Geschick zu beweinen.

Unterdessen hatte sich die Staubwolfe genähert, und Ali unterschied eine Kavalkade von, dem Anscheine nach, reisender reicher Muselmänner. Voran ritt ein Mann, der der Vor nehmste der Reiter zu sein schien; Ali, der am Wege saß, bemerkte er gar nicht, da er, wohl ermüdet von der bleiernen Atmosphäre, schnell vorüberritt. Ali, um sich ihm bemerkbar zu machen, erhob sich schnell, und zog damit auch wirklich die Auf­merksamkeit des Voranreitenden auf sich, der, als er in Ali an feiner ihn kennzeichnenden Müße, Reschgul und Tigerfell einen Derwisch erkannte, einen seiner Diener zu ihm sandte, um ihn zu fragen, ob er Hilfe bedürfe. Als er von seinem zurückkehrenden Diener vernahm, daß es ein armer, hilfsbedürftiger, wandernder Derwisch set, der noch dazu weinend bei einem frisch aufge­worfenen Grabeshügel fäße, eilte der Ben( der Reisende war nämlich ein Bey der Nachbarschaft, welcher von einem Besuch beim Statthalter nach Hause zurückkehrte) mit seinem ganzen Gefolge zum Fled, wo Alt weinend stand. Was ist dir, daß du so bittre Thränen weinst?" fragte mitleidig der Bey. Traurig sah Ali auf das Grab, welches die sterbliche Hülle seines Reisekameraden barg. Der Bey verstand. Gewiß ist ihm sein Ordensbruder hier gestorben, und der Arme mußte ihn ohne menschlichen Beistand allein begraben. Wann ist Dein Kamerad gestorben?" fragte weiter der Bey. D, beute," erwiderte unter erneutem Thränenstrom Ali. Und waret ihr lange Zeit Kameraden?" Seit meiner Kindheit," antwortete Ali weiter mit von Trauer bewegter Stimme.

Selbst tief gerührt über diese innige Zuneigung zwischen awei Ordensbrüdern, fand er es unpassend, noch weiter nach Der Lebensgeschichte des Todten zu forschen und sagte zu Ali, er fehe es als eine glückliche Fügung der Vorsehung an, daß sein Gefährte seine theure Seele hier ausgehaucht, und hoffe, daß daraus ein Segen für die Umgebung entspringe, da ste