7
Beilage zum Berliner Volksblatt.
Nr. 147.
Von E. Schläger.
Auch Neu- England hat seine literarische Sturm- und Drangperiode gehabt. Sie währte von etwa 1820 bis in die Mitte der vierziger Jahre. Wenn dieselbe auch in der Haupts sache den Stempel der geistigen Neuentwickelung an fich trägt, welche die Namen Goethe, Kant, Hegel, Carlyle für Europa bedeuten, so unterscheidet sie sich doch von ihrer deutschen Vorgängerin durch die Ausdehnung des Kampfes zwischen stegesgewiffen Neuerern und dem erstarrten Bestehenden auf alle Gebiete des Lebens. Es war, als ob ein Riß sich überall bildete. Kirche, Staat und Gesellschaft wurden in Frage gestellt, und in allen dreien erfolgten Spaltungen, denen die geistigen und sittlichen Elemente im Norden eine Bereicherung und Vertiefung verdankten, ohne welche die Ueberwindung der großen Kriegs- und Prüfungsjahre( 1861-65) nicht möglich gewesen wäre. Von bes sonderem Intereffe find noch jetzt die Anfangs der vierziger Jahre in West- Norbury bei Boston sowie an anderen Orten gemachten Versuche sozialistischer Kolonien oder eines Zusam menlebens auf fozialistischer Grundlage. Durch die aus dem Rachlaß Emerson's vor Kurzem veröffentlichten geschicht lichen Notizen über Leben und Literatur in Neu- England " wird uns die Auffassung und Beurtheilung einer Erscheinung wesentlich erleichtert, welche bei den Zeitgenossen zwar großes Aufsehen erregte, ohne jedoch in ihren eigentlichen Ursachen und ihrer höheren Bedeutung begriffen zu wer den. Als die 80 bis 90 Mitglieder zählende Kolonie nach fechs- oder fiebenjährigem Bestande finanziell in die Brüche ging, fehlte dem Schaden auch der Spott nicht. Nathaniel Haw thorne , der selbst eine Zeit lang den Segen der Vereinigung von Kopf- und Handarbeit auf der Brook- Garm über sich hatte ergeben laffen, überlieferte den Niederschlag seiner Erfahrungen in seinem Blithedaleroman in der Form farifirender Uebertreis bung. Emerson erklärt die Erzählung oder Dichtung für eines Schriftstellers vom Range Hawthorne's geradezu unwürdig und die darin enthaltenen Wirklichkeitszüge find nur mit Mühe aus ihrer lächerlichen Hülle herauszulösen. Auch Emerson, welcher die einzelnen Stufen des Experimentes mit genauer Aufmerksamkeit beobachtete, giebt uns fein ins Einzelne gehendes Bild derselben. Er charakterisirt das Zusammensein der nach neuem Lebenswein durftigen, meistens jungen Seelen als eine Art Verwirklichung des anarchistischen Jdeals. Es gab teine gebietende Autorität, fein tägliches Programm der von Jedem zu leisten den Arbeit. Es war ein Orchester ohne Dirigent, von deffen Mitgliedern man aus freien Stücken das Zusammenwirken zu schönem Busammenspiel erwarten zu können glaubte oder hoffte. Daß die Harmonie dieser Lebensvirtuosen die erwähnte Anzahl Don Jahren trogdem anbielt, spricht für die Vortrefflichkeit ihres Materials. In der That befanden sich Männer darunter, welche nach ihrer Rückkehr in die schlechte alte Gesellschaft fich um die Hebung und Verbefferung derselben große Verdienste erwarben. So George W. Curtis , der jezige Redakteur der Harper'schen Wochenschrift und Führer der Reformrepublitaner des Staates New- York , Charles Dana , lange Beit bei der N.-Y. Tribune und jetzt Herausgeber der täglichen N.-Y. Sun; Dwight, bekannt als der Gründer der ersten und beften Mufilzeitung in Boston , und Andere. Margaret Fuller , die englische Schriftstellerin und magnetische Konversationistin, schlug häufig und Monate lang ihren Wohnsit unter den wechselnden Gruppen der Brook Farm auf, während Theodor Barter, Emerson, Channing und andere Führer der fritischen Sturmfohorten durch regelmäßige Besuche ihr Interesse an der Entfaltung der neuen Lebenskunstblüthe bethätigten. Man er fteht schon aus diesen Namen, daß wir es auf der Brook- Farm nicht mit einem Sozialismus zu thun haben, welcher die Kur des Maffenproletariats fich zum Ziele segt, daß es fich überhaupt nicht in erster Linie um Abstellung materieller Noth für die Betheiligten handelte. Es war vielmehr eine geistige und seelische Noth, es war der Drang der Empörung gegen die unerträglich gewordene Routine und Lüge der Gesellschaft, die Sehnsucht nach einem reicheren, innigeren, auf Wahrheit beruhenden Verkehre, welche so bedeutende und zugleich so verschieden geartete Persön= lichkeiten zu dem Unternehmen heranzog. Man hoffte eine neue Atlantis, eine neue Insel der Seligen zu erschaffen, und man ging mit einem Ernst an die Arbeit, welcher an die Zeiten Cromwell's erinnerte. Wenn die Buritaner des 17. Jahrhunderts Den Staat nach ihrem religiös- politischen Jdeale zum Staunen
Ein Deserteur.
Von der ersten Kompagnie eines österreichischen GrenadierRegimentes ist die Meldung eingelaufen: der Grenadier Walter, einer der bravsten Leute des Regiments, fehlt seit drei Tagen, und man vermuth t, er set aus Heimweh desertirt. Oberst Strengau wendete topfschüttelnd das Blatt hin und her:" Hm! hm! Dieses Donnersheimweh!... Daß doch oft gerade die besten, vorschriftsmäßigen Burschen solchen Narrbeiten huldigen! Standal! Als ob der Soldat eine andere Heimath haben tönne und dürfe, als seine Fahne!" In diesem Augenblice tritt der Hauptmann der ersten Grenadier- Kom pagnie ein und meldet, daß der Deserteur foeben eingebracht wurde. Herr Oberst," spricht der Hauptmann, ich habe den Mann auf meine Verantwortung vorerst nicht ins Stodhaus, sondern nur aufs Wachtzimmer feßen lassen." Der Alte mißt Der Alte mißt Den Hauptmann mit erstauntem, aber nicht unfreundlichem Blid und sagt:„ So?... Hm! Und warum thaten Sie das?" Herr Oberst, ich dachte, es könne vielleicht in Ihrer Absicht liegen, diesen sonst so braven Grenadier vor dem Kriegsgericht und entehrender Strafe zu bewahren. " Dachten Sie das?
Mittwoch, den 24. September 1884.
-
" 1
1. Jahrgang.
"
Sozialismus bei seinem ersten Auftreten als Fourierismus und Cabetismus ein Seitenstück zu den Klöstern der ersten Jahrhunderte, in welche fich diejenigen zurückzogen, welche den Stampf mit der Welt und dem Leben aufgaben, welche die Welt mit dem Sauerteige ihrer befferen Qualität zu durchsäuern erfolglos geblieben waren? Der Sozialismus im Großen, in feiner weltgeschichtlichen Gestalt als Kampf der Enterbten" um einen größeren Antheil an den von ihnen erzeugten Gü tern, fällt bis dahin immer mit einer gewiffen Erschlaffung des ganzen nationalen Rörpers, mit einem Nachlaffe der nationalen Triebfräfte zusammen. Dies bemerkt auch Emer son von dem kleinen Versuch der Brook Farm. Er findet, daß die Kandidaten für derartige Gemeinschaften sich vorzugsweise, wenn nicht ausschließlich, aus Leuten refrutiren, welche die Probe der unabhängigen Existenz nicht bestanden, oder das Ziel ihres Ehrgeizes nicht erreicht haben. Es sind die Schiffbrüchigen, welche im Sozialismus den rettenden Hafen zu finden glauben. Mährend Emerson hie hem System Fou rier's zu Grunde liegende Hoffnung und Forbung eines menschenwürdigen Daseins für Alle lobt und billigt, kann er in dem Mechanismus, durch welchen das förperliche und geistige Wohlsein gleichsam von Außen her der Menschheit octroyirt werden soll, das rechte Mittel dazu nicht entdecken. Er findet, daß Fourter nur eine Thatsache außer Acht ge= laffen habe, aber die hauptsächliche und entscheidende, nämlich das Leben selbst. Das Leben des Einzelnen, die Individualität, ist kein in jede beliebige Form zu gießendes Ding, sondern sie trägt das Gesetz ihrer Entwicklung in fich. Die Reform der Gesellschaft muß beim Einzelnen anfangen. Jede Reform war einmal eine Privatmeinung( Meinung eines Einzelnen); und wieder zu einer Privatmeinung( d. h. in allen Einzelnen) ge worden, wird fte das Problem des Beitalters lösen." Es ist fein Zusammenwirken, feine Harmonie in 8weien möglich, wenn in dem Einen selbst keine Harmonie herrscht, wenn das Individuum nicht individuell, sondern zwiespältig ist, wenn seine Gedanken nach einer Richtung gehen, und seine Handlungen nach einer anderen.
der Welt wirklich umgewandelt hatten, so wollten ihre amerika -| diese Verinnerlichung natürlich. Und ist nicht schließlich der nischen Nachkommen das neue innere Gesez zur bestimmen den Macht des äußeren Lebens erheben. Indem sie sich zu dem Ende aus der Gesellschaft in die Einsamkeit zurückzogen, fich ihr gegenüber ebenso gleichgiltig wie selbstständig verhielten, nahm ihre Vereinigung den Charakter einer poetisch- philosophi schen Verbindung von Lebensfünstlern an, für welche die sonst bei sozialistischen Systemen den Hauptpunkt bildende Drganis sation der Arbeit" nur in zweiter oder dritter Linie in Betracht tam. Natürlich sollte Jeder mit auf dem Felde arbeiten unter der Leitung eines wirklichen Landwirthes, und die verschiedenen Bweige der Farmarbeit wurden sogar aus Herren und Damen sorgfältig zusammengesezten Ausschüffen zum Betriebe und zur Kontrole anheimgegeben. Aber es stellte sich bald heraus, daß die blos theoretische Ueberzeugung von der Nüglichkeit und Nothwendigkeit, förperliche Thätigkeit mit der geistigen zu verbinden, bei den neuen Dilettanten der ersteren Tein zuverlässiges und stetig antreibendes Motiv abgab, und daß die Hauptarbeit im Felde schließlich Sache jener Wenigen blieb, bei welcher die langjährige Uebung das, was man Gewissenhaftigkeit nennt, zur Eigenschaft des Charakters gemacht hatte. Die guten Leut. schreibt Emerson, find ebenso schlecht wie die Taugenichtfe, schreibt Emerson, find ebenso schlecht wie die Taugenichtse, wenn man ftetige Leistungen von ihnen verlangt; das Gewiffen der Gewissenhaften hat nur wenig Silberblicke und viel taubes Gestein, und Leute, die in gewiffen Beziehungen es sehr genau nehmen, üben in anderen eine sehr auffallende Nachficht." Nur wenn es fich um Frondiren des Bestehenden handelte, wäre diese Klaffe zur Vergießung ihres Schweißes bereit. Da ist," bemerkte Ripley gegen Theodor Parker , Shr ausgezeichneter Freund er würde den ganzen Sonntag die Maisstauden be= hacen, wenn ich es zuließe, aber der ganze Staat Massachusetts fönnte ihn am Montag nicht dazu bewegen." Es fehlte auch sonst nicht an komischen Bügen ,, in diesem Paradiese von Schäfern und Schäferinnen". In jedem Zimmer stand z. B. ein Ofen, in welchem Jeder soviel Holz verbrennen konnte, als er wollte, nur mußte er oder ste es selbst gesägt haben. Einmal hatten Einmal hatten die Damen fich am Waschtage erfältet. Sofort wurde beschlossen, daß die Herren das Beug auswringen und im Freien aufhängen sollten. Beim Tanz des Abends geschah es dann oft, daß den Herren eine Menge Wäscheklammern aus den Taschen fiel. In geistiger Hinsicht waren die Ergebnisse bedeutender. Junge Männer und Mädchen, welche bis dahin nie einer feineren Ge sellschaft und höheren Konversation theilhaftig geworden waren, gruppirten fich andächtig um die natürlichen Sonnen einer Fuller, eines Curtiß und Anderer. Die in der Kolonie errichtete Schule wurde auch von Außen stark beschickt, und in manchen Fällen gaben sich die Eltern der Kinder sammt diesen auf der Farm in Pension. Ueber die erziehende Wirkung des Zusammenlebens find die Stimmen der Mitglieder in späteren Jahren einig. Der stete Verkehr mußte schon an und für sich etwas Anziehendes und Bildendes haben in einer Bevölkerung, in welcher nähere Bekanntschaften nicht leicht und Freundschaften noch schwieriger sich schließen. Es war eine hohe Schule des Charathat denn auch die Unzerstörbarkeit des Individualismus inters und namentlich des freien und doch respektvollen Umganges zwischen jungen Personen beiderlei Geschlechts. Die Kunst des Briefschreibens wurde außerordentlich gepflegt. Nicht nur von Haus zu Haus, sondern von Zimmer zu Bimmer flogen beständig schriftliche Mittheilungen. Auspflüge in den nahen Wald, Maskeraden im Shakespeare'schen Genre, Tanz im Freien und zu Hause, und stets neue und anregende Besucher gaben dem Leben einen festlichen Anstrich und reiche Abwechs lung. Es war ein ewiger Pifnit, eine französische Revolution im Kleinen, ein Zeitalter der Vernunft in einer Küchenpfanne."
Im Jahre 1844( nach etwa dreijährigem Bestande) beschloß die Gesellschaft, fich nach Fourier's System einzurichten, welches der begabte Anhänger Albert Brisbane von New- Yart auch in Boston gepredigt hatte. Ein großes Gebäude zur Aufnahme eines Phanlansters wurde auch wirklich aufgeführt, brannte jedoch ab, ehe es bezogen werden konnte.
1845 wurden von fast allen Mitgliedern Swedenborg's Werke sehr eifrig studirt, ein weiterer Beweis, das tiefinner liche Bedürfniffe, die Sehnsucht, in sich selbst einen neuen und festen Halt zu gewinnen, das Hauptziel und die Hauptforge bildeten. Die Absonderung von der Welt wurzelte im Grunde in der Voraussetzung, daß man nur in der Freiheit von den Störungen des gemeinen Lebens sich selbst wiederfinden könne. Wenn man erfährt, daß die große Mehrzahl der Mitglieder zu Emerson's Freunden und Anhängern gehörten, erscheint
"
steht. So find diese Alpenjokel!" flüstert er dem nebenstehenden Hauptmanne zu. Unerklärliche Bergmenschen! Auf allen Schlachtfeldern schlagen sie sich wie die Teufel, und in der Kaserne... nichts als Heimweh, Unlust... Standal!" und zu dem Miffethäter gewandt, spricht er streng: ,, Hast Du auch bedacht, was es heißt, von der Fahne desertiren, he?" Ach, Herr Oberst, in selbiger Stund' hab' ich an gar nichts gedacht, als ans gedacht, als ans- Heimkommen!" entgegnete der Befragte treuherzig. Das ist's ja gerade, Du satrischer Malefizkopf!" wettert der Alte, während ein heiterer Schein über sein Gesicht zuckt; wie kannst Du die Fahne verlassen, die zu verAh, zum Vertheitheidigen Du geschworen haft?" Das digen wär' ich schon von selber wieder kommen. fönnen S' mir gewiß glauben, Herr Oberst, ruft der Mann mit Eifer. Der Alte wendet sich furz ab und spricht zum Hauptmann: Ich will diesen Heimwehsduseler im Disziplinarwege bestrafen und zwar wegen eigenmäch tiger Absentirung." Und mit einem Blide, vor welchem der Hauptmann lächelnd zu Boden schaut, fährt er fort:„ Ich halte den Mann für untauglich zu Leibesstrafen... Sie nicht auch, wie?" Sehr wohl, Herr Oberst," entgegnete der Gefragte mit einem vor Seiterfeit strahlenden Seitenblicke auf die wahrhaft herkulische Gestalt des Grenadiers. Hm, schön!... Wäre er tauglich, so bekäme er natürlich seine Vierzig"; so aber mag er fünf Tage im Einsamen fißen und barüber nachdenken, daß die wahre Heimath des Soldaten nicht zwischen mehr oder minder grünen Waldparzellen, sondern unter der schwarzgelben Fahne ist und das Reglement von Heimweh nichts weiß." Heimweh nichts weiß." Und zu dem über solche Milde er staunten Sünder spricht er: Hast Du verstanden, Du närris
Hm! Wiffen Sie, Herr Hauptmann, daß ich genau das felbe dachte und daß ich Ihnen dankbar bin Laffen Sie mir doch diesen immensen Heimwehschädel sogleich vorführen... und zwar ohne Eisen." Wenige Minuten später steht der De ferteur vor dem Obersten. Es ist ein frischer, treuherziger Sohn der Berge und blidt furchtlos in das große Auge des Gewaltigen. Om, Du wolltest heim, wie?" fragte der Alte mit strengem Blicke. es hat mich nimmer glitten!" Soda, Herr Oberst;- es hat mich Hm!. Und warum hat's Dich nimmer gelitten?"„ Ach, Herr Oberst, zwei Jahre lang bab' ich's standhaft ertragen, hab' ohne Straf ehrlich und treu gedient, derweil mein Herz fich gesehnt hat nach meinen Bergen, wie's Kind nach der Mutter! Und wann's Heimweh fommen ist mit all' seinen Schmerzen, so hab' ich's tapfer freiung. So ift's zum dritten Mal Frühjahr worden, und ich fingen und die Buben und Madeln jodeln... ach, Herr, da wo jezt die Wälder und Wiesen grün werden, wo die Vögel brungen und fegt die Häuser von Franzosen rein. An der
math, und ich hab' fort müffen, fort, und wär's auch in den Tod gangen!" Schweigend und aufmerksam hatte der Alte auf den athlethischen Burschen geblickt, der immer wärmer und wärmer geworden und nun mit glühenden Augen vor ihm
scher Ausreißer, he?" Ja, Herr Oberst."" Und willst Du wieder davonlaufen? Wie?" So lang ich solch' nen Oberst hab' nimmer!" Nun gut!... Kehrt Euch! Marsch!"
-
*
*
Ein Jahr später steht das Regiment im heißen Kampfe um Ponte Vechio di Magenta. Soeben ist das Grenadier
Spiße der übrigen Bataillone folgt Oberst Strengau. Mit
augenscheinlicher Befriedigung lauscht er dem triumphirenden
Hurrah" seiner in den Häusern wirthschaftenden" Grena biere. Mit einem Male fliegt aus einem der nächsten Fenster ein Franzose zappelnd topfüber auf die Straße nieder und bleibt leblos liegen. Am Fenster aber erscheint die athletische
Emerson erklärt sich gegen die Tendenz, Alles und Alle auf ein und daffelbe Niveau herabzudrücken. Löffel und Geschirr fann man ineinander stecken, so daß keins vom anderen zu unterscheiden ist, aber Vasen und Statuen verlangen jede ein besonderes Fußgestell für fich." Der Individualismus bildet das Wesen des Menschen; ihn unterdrücken, hieße die allein werthvolle Entwicklung des Einzelnen erschweren, wenn nicht ganz verhindern. Der Anglosachse, zumal mit seinem Jdeal und seiner Gewohnheit der Abgeschloffenheit des heimi schen Herdes, erträgt teinen Augenblid die Vorstellung eines Gemeinschaftlebens, in welchem die Heiligkeit und Geheimheit der Familie unmöglich wäre, in deffen Kasernen die unend lichen Korridore ebenso viele Klatsch- und Beobachtungskanäle abgeben würden. Der neuere wissenschaftliche Sozialismus soweit wenigstens wieder anerkannt, daß er die Gestaltung des Einzellebens dem Einzelnen überläßt und sich auf die Forde rung der Benutzung der Arbeitsinstrumente, der Maschinen, des Grund und Bodens im allgemeinen Interesse beschränkt. Während somit die Frage: Wie können für Alle die Mittel zum menschenwürdigen Dasein beschafft werden? in Europa in die erste Linie getreten ist, erscheint die andere und zuletzt weit wichtigere und schwierigere über den Zweck und Inhalt des Lebens selbst zurückgedrängt. Der Sat: Wir effen, um zu leben, läuft Gefahr, in das sonst stets verneinte Gegentheil verkehrt zu werden, und das Effen, das Genießen das Hauptziel, der Hauptinhalt des Daseins, alles Ringens und Arbeitens sein zu sollen.
Dieser Richtung, das Leben zu mechanisiren, den Einzelnen nur als Glied und Theil einer unterschiedslosen Masse zu bes trachten, sett Emerson die ewigen Rechte des Einzelnen, des Individualismus entgegen. Und zwar eines Individualismus, welcher sein Biel nicht in der Arbeit für sich allein erblickt, sondern in der thätigen Förderung der Gemeinschaft. Das Glück des Einen fann nicht bestehen mit oder bei dem Glend des Anderen. Niemand ist vollendet, so lange noch Jemand unvollendet ist. Das Wohl des Einen ist nicht vorhanden, so lange noch das Weh irgend eines Anderen besteht." Aber der Versuch der Brook Farm ist schließlich nicht ohne Nußen. Wenn man die soziale Frage auch definiren kann als die
Büfte des Grenadiers Walter der seinem Dpfer noch einen schallenden Jodler nachsendet und dann im Innern des Gebäudes verschwindet. ,, Donner," murmelt der Alte, diesen elementaren Kraftmaier sollt ich ja lennen!" Und mit mitleidigem Blicke auf den fodten Franzosen fuhr er fort: Armer Teufel, wie konntest Du auch mit diesem un Es ist Abend. geheuren Alpenſeppel raufen wollen!" Das Regiment hat den Befehl erhalten, Ponte Vechio de Ma genta zu räumen, und weicht langsam zurüd, gefolgt von dem übermächtig nachdrängenden Feinde. Der Alte ist überall; sein donnernder Buruf elektrifirt die todtmüden Kämpfer, und wie heftig die Truppen des Gegners auch nachstürmen, fle prallen immer wieder zurück vor den streitfertigen Kolben und Bajonetten. Auf Büchsenschußweite hinter dem Ort nimmt das Regiment wieder Stellung und weist den legten Angriff des Feindes blutig zurück. Bei dieser Gelegenheit geräth die Fahne des Grenadier- Bataillons in die äußerste Gefahr. Ein Haufe Franzosen hat den Fahnenführer umringt; schon fintt er blutend zu Boden und mehrere Feinde bemühen sich, dem starten Manne die Fahne aus den krampfhaft geschloffenen Händen zu reißen. Da springt, einem Rasenden gleich, ein Grenadier mitten hinein, ihm nach acht oder zehn Kameraden, und es entspinnt fich nun ein furchtbarer Kampf um die hin und her gezerrte Fahne, welche die blutigen Hände des sterbenden Führers noch immer umfaßt halten. Den zerschmetternden Kolbenschlägen der baumstarken Grenadiere vermögen die Franzosen nicht lange zu widerstehen. Bald find mehrere er schlagen, andere verwundet und wild fluchend reißen die lebrigen aus. Neben dem todten Fahnenführer aber lehnt, halb ohnmächtig, blutend aus mehreren Wunden, der Grenadier Walter und hält mit der einen Hand die gerettete Fahne, mil der anderen den Hals eines todten Franzosen umflammert. So findet ihn der heransprengende Oberst. Herr Oberlieute nant," ruft dieser seinem Adjutanten zu, notiren Sie mir, was von diesen Berserkern noch lebendig ist!... Beim Donner Thr sollt Eure Medaillen haben, Ihr fabelhaften Kolbendrescher!" Und auf Walter weisend, spricht er fast zärtlich: Hebt mir diesen blutigen Herkules auf und sorgt für ihn, wie für meinen Sohn!" Hab' ich's nit gesagt, Herr Oberst," ruft stolz und freudig der Verwundete, wenn's einmal heißt, die Fahn' vertheidigen, dann komm ich schon von selber!" Ueber das Geficht des Alten zudte es wie Rührung und leise murmelte er vor sich hin:„ Räthselhafte Bergmenschen!... Laufen im Frieden von der Fahne weg und Kriege!"
-
retten sie im