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Nr. 150.
Sonnabend, 27. September 1884.
I. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Fefttagen. Abonnementspreis für Berlin fra in's Haus vierteljährlich 3 Mart, monatlich 1 Mart, wöchentlich 25 Pf. Einzelne Nummern 5 Bf. Bostabonnement pro Duartal 3 Mart.( Eingetragen im VII. Nach trage der Postzeitungspreisliste unter Nr. 719a.)
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Jules Ferry und die Franzosen. Nachdem die Franzosen jahrelang dem Treiben der Ferry und Genossen in Bezug auf deren kostspielige und abenteuerliche auswärtige Politik ruhig zugesehen haben, beginnt sich endlich doch der Unwille über die Verschwendung an Blut und Gelb, deren sich diese Regierung schuldig gemacht, zu verallgemeinern. Man bemerkt eine tiefe Erbitte tung über die hinterlistige Art, mit der die Regierung jebesmal die Verfaffungsbestimmung umgangen hat, nach welcher die Zustimmung der Volksvertretung zu einem Kriege erforderlich ist. Herr Ferry beräth sich noch mit seinen Rollegen, ob er die Rammer einberufen soll, und er giebt Lage, da Herr Ferry die Kammer zusammentreten läßt, beginnt eine große Minister- und Regierungskrisis, die wahr scheinlich Herrn Ferry und Genossen verschlingen wird.
Allem gegenüber der Eroberungspolitik Napoleons III. mit ihren großen Opfern eine Politit des Friedens, geeignet, eine gesunde Entwicklung im Innern zu verbürgen.
Als das napoleonische Raiserreich in dem großen Kriege mit Deutschland zertrümmert worden war, erinnerte man sich an diese tönenden, an schönen Worten und Versprechungen so reichen Programme der republikanischen Bourgeoisie oder bürgerlichen Demokratie. Die Woge des Umschwungs trug diese Partei zur Höhe der politischen Macht empor. Allein
fie wußten noch keinen sicheren Gebrauch davon zu machen
und lehnten sich nach dem Frieden von Frankfurt ganz an den alten Intriguanten Thiers an, der bekanntlich Gambetta für einen rasenden Narren( fou furieux) erklärte. Thiers forgte dafür, daß in Frankreich Alles beim Alten blieb, ausgenommen, daß die Regierung einen anderen Namen trug. Er regierte so sehr im Sinne eines alten Regimes", eines ,, alten daß er sich selbst hinweg regierte und an seine Stelle der Marschall Mac Mahon trat. Die Republik wurde konstituirt, allein es fehlte an Republikanern, d. h. an Leuten, die fähig waren, die Republik zu verwalten und lebensfähig zu machen. Erst als Gambetta feinen großen Feldzug gegen Mac Mahon begann, bildete sich eine Schule von republikanischen Staatsmännern heraus; sie hatten nunmehr die Kunst des Regierens begriffen.
Und wie hatten sie diese Kunst begriffen! Der schwache Grévy wurde auf dem Präsidentenstuhl falt gestellt und es begann die geheime Regierung" Gambetta's , der an der Spitze der Kammermajorität alle Regierungen sich abnußen ließ, um für sich völlig freie Bahn zu machen. Unter diesen aufreibenden Parteifämpfen vergingen kostbare Jahre und doch wurde kein anderes Ziel erreicht, als daß die Namen der Regierenden wechselten. Von irgend welchen Reformen der Regierenden wechselten. Von irgend welchen Reformen war feine Spur zu sehen, wenn man es nicht als„ Reform" betrachten will, daß immer die Gegner der herrschenden Parteischattirung aus allen einflußreichen Staatsämtern entfernt wurden. Die Parteien zersplitterten ihre ganzen Kräfte in nuglofen Kämpfen und endlich warf man sich auf die auswärtige Eroberungspolitik, die mit dem Feldzug nach Tunis begann.
Man fann es den Franzosen nicht verdenken, wenn sie enblich unwillig werden. Vor fünfzehn Jahren befanden fich die Leute, von deren Hand heute das Staatsruder gelenkt wird, noch in der Opposition gegen das napoleonische Raiserreich. Ihre Aussichten waren nicht besonders hoff- das geheime Gouvernement " hatte sich gleichfalls abgenutt. nungsreich und ihre Zahl war eben so gering, als ihre Die Versprechungen des Diktators von ehedem waren groß Versprechungen großspurig waren. Die Herren Jules Grévy artig. Er versprach Verminderung der Steuerlaften und Jules Favre waren damals einfache Abvokaten, soweit sie night Deputirte waren; Andere, bie sich heute in höchst eine Börsenmänner. Die Programme der französischen Demo- tung des Schulwesens. Allein alle diese Versprechungen
rabitale Reformen im Schul- und Kirchenwesen und vor
Ragbend verboten.]
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Feuilleton.
Das Kind des Proletariers.
Sensationsroman von U. Rofen.
( Fortsetzung)
burchgreifende soziale Reformen, über deren Charakter indeß kein
näherer Ausschluß gegeben wurde, und ſein Unterrichtsminister Baul Bert versprach in Reben, die ob ihres Rabifalismus Paul Bert versprach in Reben, die ob ihres Radikalismus in der ganzen Welt Aufsehen erregten, eine totale Umgestalblieben unerfüllt, und Gambetta ward nach kurzer Regierung gestürzt, nachdem er auch die Absicht kundgegeben hatte, eine
Jasper sprang auf. Er wagte faum zu athmen. Nun, das ist dasselbe Kind, was jept zum Mann er wachsen ist, der fleine füße Knabe, in welchen meine Hanna so vernarrt war." Jasper ergriff ihn beim Arm.
"
Borter, wer außer Shnen weiß noch darum?"
Meine Schwiegermutter drüben im Paddington- Armen
"
fahren an geliebt, und habe oft gewünscht, ihn anstatt Wrig Ich liebe den Knaben, ich habe ihn von seinen Kinder- hause. ley's zu meinem Erben zu machen." Jasper winkte Sam herbei. " Run, Herr, die Sache war einfach genug. Ich ſtreifte Sie die alte Dame ohre Aufenthalt hierüber."
Es ist jest vier Uhr, Sam; kommen Sie mit mir nach den Stallungen. Ich werde Ihnen einen Wagen anspannen
laffen, und sie hinüber nach Baddington schicken. Bringen
Es war merkwürdig, mit welcher Dienstbefliffenheit die Leute des Barth'schen Haushaltes, die jeden Auftrag, jedes Wort Wrigley's mit Widerwillen entgegennahmen, den Be ihnen aufgetaucht war, gehorchten.
vor etwa einer Stunde oder drüber, am Reservoir umher, um meinen alten Busenfreund Tim zu erspähen. Gerade als langfam und schlotternd herankommen. Plöglich stürzte fie fehlen Fipron's, eines Mannes, der mitten in der Nacht unter
topfüber ins Waffer.
Bu gleicher Beit sprang Tim, der
ben herbeigelaufen war, dem Fremden nach, ich hinterbrein, wir erfaffen ibn, und tragen ihn ans Ufer. Nachdem Tim Ich überzeugt hatte, daß der junge Mensch nicht todt sei, rief er vergnügt aus:„ D, ich lenne ihn, er gehört lebend oder todt Fräulein Barth," und so trabten wir in größter Eile
Liebes Kind," sagte Elsa zu Myra,„ ruhen Sie ein wenig in diesem Lehnstuhl aus, wenn Sie nicht lieber zu Bette geben wollen. Sie müssen sehr ermüdet und angegriffen
fein."
Ja, Myra, thu, was Elfa Dir räth," meinte Jasper.
Sam und ich, wir werden jest hinunter gehen." Und Myra, in den großen Sessel neben Rupert's Bett jurückgelehnt, fühlte, daß die Laft, welche ihr Leben bisher zum ersten Male seit langen Jahren wieder einen traumlosen fo schwer bebrüdi hatte, von ihr abgewälzt wurde, und schlief
Schlaf
"
34. Rapitel.
Noch vor fünf Uhr war Sam Porter in einem Gig auf dem Wege nach Baddington.
Der Morgen stieg heiter und glänzend herauf. Im Barth'schen Schloß war ein beständiges Gehen und Kommen. Buerst erschien Dr. Brice. Er gab die Versicherung, Rupert werde sehr bald vollkommen hergestellt sein, und Myra übermittelte der Gräfin und ihrer Tochter die frohe Kunde von der Rettung Rupert's, und Francesca eilte glühend vor freudiger Erregung an ihres Bräutigams Seite, und jeder ihrer Blicke, jeder Ton ihrer Stimme, waren für ihn Heilmittel von wunderbarer Wirkung.
Es tamen zwei Polizeibeamte in Zivilkleidung, die nach einer furzen Unterredung mit Figron in ein freundliches fleines Bimmer geführt und füchtig mit Fleisch, Bier und Brot be wirthet wurden.
Es kam Dr. Mellodem, welcher dem eben zurückgekehrten Tim Titlow begegnend, diesen Schuldloser mit Drohungen überhäufte, wenn er nicht sofort alle Supert betreffenden Ge
Tim erwiderte mit männlicher Würde, das Geheimniß
ein Bimmer im Erdgeschoß betreten hatten, als wir den gehöre Porter, und dieser fei in der Nähe und werde voraus fungen Mann da oben aus seiner Erstarrung warm rieben, fichtlich feinen Anstand nehmen, daffelbe zu enthüllen.
Sam wird fich gleich vorstellen," sagte Jasper herzu tretend, inzwischen bin ich bereits im Befit des Geheimnisses.
fwarzes Herzag. Sie erinnern sich wohl, daß ich Ihnen erzählte, wie meiner Hanna eigenes Kind starb und wir he mit einem fremden Knaben betrogen, den ein schwarzer haben, das verspreche ich Ihnen."
Ach, Doktor, wir werden bald Alles in schönster Ordnung
batte
Myra fehrte in Rupert's Bimmer zurück, deffen Pflege Elsa übernommen hatte. An seinem Bett saß Francesca.
äußerst gefährliche und kriegerische Orientpolitik zu beginnen. Auf ihn folgte Herr Ferry, der als Vertreter der platten Mittelmäßigkeit am längsten hält.
Man sieht, diese bürgerlichen Republikaner und soge nannten Demokraten haben von all den Versprechungen, die Als fie einft gemacht, Nichts aber auch gar Nichts erfüllt. das Land ihnen zujauchzte, glaubte es nicht, daß es sich in der Regierung um eine bloße Namensveränderung handle. Aber sie haben von dem Blut und Geld des franzöfifchen
Bolles genau denselben Gebrauch gemacht, wie einst Napo leon
und Louis Philipp; Staat und Regierung sind diesen bürgerlichen Anarchisten so darf man sie wohl bezeichnen -nur das Mittel, die Spezialinteressen ihrer Roterie zu wahren. Unter dieser Regierung dominirt die franzöfifche Börsenkoterie, von der ein Schriftsteller treffend gesagt hat, fie sei, das Lumpenproletariat auf der Höhe der bürgerlichen Gesellschaft".
Die Regierung der angeblich republikanischen Bourgeoisie hat in diesem Jahre angeordnet, daß die Zahl der zur Mas rine auszuhebenden Mannschaften zu verdoppeln sei- statt 7000 find es nunmehr 14,000 Mann. Damit verräth man, welche Süden die Abenteuer" in Tontin, Madagaskar und China , die man verfassungswidrig unternommen in die Marinemannschaften gerissen haben. Der Unwille über das Verfahren beginnt in Frankreich nachgerade ein allgemeiner zu
werden.
Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, wenn die alten reaktionären Parteien in Frankreich die Gereiztheit des Volkes benußen und drohend ihr Haupt erheben. In der That die Republik in ihrer gegenwärtigen Verfassung hat so lange keinen Werth, als die Franzosen nicht eine vollsthümliche Regierung einsehen, die endlich die sozialen Reformen in Angriff nimmt, nach denen das Land schon so lange feufzt.
Die Anarchie auf dem Lande.
Wir haben uns schon über das Institut der Fabrikinspektoren geäußert und den Segen deffelben rückhaltlos anerkannt, zugleich aber verlangt, daß dasselbe noch mehr ausgebildet und auch noch weiter ausgedehnt werde.
Wir wünschen, daß den Fabrikinspektoren größere Rechte eingeräumt werden und daß ihre Bezirle einen viel geringeren räumlichen Umfang erhalten, damit die Herren ihren Verpflich tungen beffer nachkommen fönnen, und daß ihre Wirksamkeit
nicht bloß auf Fabriken beschränkt bleibe. Die Hausinduſtrie
und das fleine Gewerbe müssen überwacht werden; ferner aber auch die Landwirthschaft und die ländlichen Ar beiten überhaupt.
Dagegen aber sträuben fich die fonservativen und klerikalen Gutsbefizer, in deren Händen gegenwärtig leider die Ge ſeggebung liegt.
Eingedenk der Vorschriften des Dr. Brice, unterhielt sie den Kranken nur von angenehmen Dingen. Sie erzählte ihm von der Auffindung des Testamentes, von dem Vermächtniß der Lady Barth, das jezt gleichfalls in Kraft trete, von Myra's Güte, und von der frohen Bukunst, die sich ihnen eröffne.
,, Und Jhr seid nicht in Italien gewesen, und Ihr habt mir nicht jene schrecklichen Briefe geschrieben?" fragte Rupert.
,, Gewiß nicht," lächelte Francesca.
,, D, diese Briefe trieben mich zum Wahnsinn. Ich wollte auswandern, erhob mein kleines Kapital bei der Bank und bezahlte meine Ueberfahrt nach Amerita. Meine Abficht war, nach Neu- Merito auszuwandern, aber ich wurde frant, und mittlerweile war das Schiff abgesegelt und hatte mich zurückgelaffen."
,, Gesegnetes Schiff!"
,, Und dann war ich noch so schwach von meiner Krant heit, das Fieber fehrte noch so oft wieder, und in einem solchen Anfall wanderte ich hinaus, um den Schauplaß meiner Er innerungen aus der Kinderzeit aufzusuchen. Ich ging an dem epheuumfponnenen Landhäuschen vorüber, in welchem Du gelebt hattest, und ging dann durch den Barth'schen Bart nach dem Thal mit den Himmelsschlüffeln, wo ich Dich zuerst ge feben hatte. Wie ich nach dem Reservoir gelangt bin, weiß ich faum, wahrscheinlich lockte mich irgend eine Gedanken verlettung babin, ein Schwindel erfaßte mich und ich stürzte ins Waffer."
Inzwischen hatten Jasper Figron und Dr. Mellodem Alles erfahren, was Tim Titlow mitzutheilen wußte, als Jasper, durch das Fenſter blickend, ein verdächtiges Paar spähend heranschleichen fah.
Herr Baron ," meldete Elsa, zwei höchft seltsame Fremde verlangen mich zu sprechen."
Sch erinnere mich eines fleinen Simmers mit einem dunklen Seitenkabinet, dorthin führen Sie diese Leute, liebe Elsa, und seien Sie unbesorgt. Auch die kommen und vielleicht sehr gelegen."
Elsa's Gäste waren Herr und Frau Betigrew. Sie hatten ihre Kenntniß der Schliche Wrigley's und ihre Vermuthungen mit einander verglichen, und waren zu dem Schluß gekommen, daß Rupert der verlorne Barth'sche Erbe sein müsse. Dieses Geheimniß wollten sie nun zu einem möglichst hohen Preise verwerthen und dann aus dem Lande fliehen. Da das saubere