Nr. 151.

Beilage zum Berliner Volksblatt.

Das Kolonialfieber.

Unter dieser Ueberschrift bringt der Export" folgenden beherzigens werthen Artikel: Seitdem das Reich durch seine an der afrikanischen Westküste vorgenommenen Gebietserwerbungen bezw. durch Aufbiffen der deutschen Flagge in eine altuelle Kolonialpolitik eingetreten ist, steht das Koloniftren- wenn auch nur vorläufig auf dem Papier in Deutschland   auf der Tagesordnung. Deutsche Ackerbaukolonien mit pommerschen und märkischen Insaffen am unteren Laufe des Kongo   werden dugendweise geplant; berufslose Sonntagsjäger gründen nach dem Vorbilde der Hudsonsbay- Gesellschaft eine Kongo  - oder Benue  - Kompagnie, die Zahl der Elephanten- und Nilpferd­jäger in spe wird bei der nächsten Volkszählung in bedent­licher Weise die Spalte der Nebenberufe füllen, und wer weiß, ob nicht die liebe Jugend mitzumachen sich berufen fühlt und demgemäß fühnen Muthes ihr hilft mit" in die Listen ein­trägt. Der heiße Sommer hat offenbar die Sympathien für die Tropen und Subtropen in vielen Röpfen in beinahe be­dentlicher Weise bis zur Siedehige gesteigert und zu einer Be­handlung kolonialer und folonialpolitischer Pläne geführt, die an Don- Quiroterie nichts zu wünschen übrig laffen und deren blauem Dunft gegenüber die berühmt gewordenen tolonialen Phantasmagorien des obermutschelbacher Propheten doch immer­hin noch reines, edles Blech repräsentiren.

Glücklicher Weise sind die Deutschen   ja, troß ihres Durstes und trotz ihres das Weltall   erobernden nationalsten Export­artikels, des Bieres, ein nüchternes Volf, welches sehr bald be­rechtigte foloniale Bestrebungen und die Unternehmungen er­fahrener, vorsichtiger Kaufleute von den utopischen Plänen phantastischer Projektenmacher unterscheiden wird. Um des­willen ist auch anzunehmen, daß Leytere Jene auf die Dauer nicht beeinträchtigen werden, wenngleich fie manchen Freund deutscher Kolonialpolitik zur Reserve veranlassen, so manche un­willkommene und unberechtigte Kritik der Gegner auch ver­nünftigen und gut fundirten, wie vorsichtig geleiteten Unter­nehmungen gegenüber provoziren werden. Doch das find Widerwärtigkeiten, die ernsthaften Leuten und Arbeiten auf die Dauer fein Hindernis bereiten werden.

Eine nicht zu unterschäßende Gefahr involviren die Re flamen jener Kolonial- Dilettanten, indeffen doch für Diejenigen, welche, unfundig der Zustände junger Kolonialländer, ver­meinen ihr Glüd versuchen zu sollen, sei es, indem sie sich an folonialen Gründungen mit Kapital betheiligen, oder gar nach den glücklichen Regionen der jungfräulichen Boden­gebiete", über denen jetzt die deutsche Flagge weht, auszu wandern die Abficht befunden. Solchen Neigungen gegenüber muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß koloniale Unter nehmungen größere Rapitalien erfordern, welche, sei es durch Handel, Viehwirthschaft, Plantagenbau u. s. m. naturgemäß erst nach einer längeren Reihe von Jahren rentiren fönnen, und daß es vor Aufbringung größerer Mittel ein unbedingtes Grforderniß ist, durch erfahrene, sach- und landeskundige Pro­Männer genaue Aufschlüsse über die wirthschaftlichen Bro buktions- und Konsumtionsverhältnisse der betreffenden Gebiete, sowie über deren sonstige für die Kolonisation wichtige Ver­hältniffe zu erlangen. Eine dahin zielende Expertise verursacht ebenfalls nicht unbeträchtliche Kosten, so daß jedenfalls nur wohlhabenderen Personen die Betheiligung an solchen Unter­nehmungen anzurathen ist. So selbstverständlich dies erscheint, fo veranlassen uns zu der obigen Warnung die maffenweiſe bei uns eingelaufenen Projekte und Anfragen mäßig Be mittelter, welche selbst ihre mühsam erworbenen Ersparnisse zu opfern beabsichtigen, in der bestimmten Hoffnung ihre Ein­schüsse binnen kürzester Frist mit reichem, überreichem Gewinn aus dem afrikanischen Elfenbein, Diamanten und Metall­Eldorado herauszufischen. Familienväter, welche kaum die Mittel zur Ueberfahrt bestreiten können, wünschen sich mit ihrer Familie nach West- Afrika   zu begeben", wo sie Land, so viel als ihnen beliebt, umsonst haben fönnen. Man weiß nicht, was man an diefen Anschauungen mehr anstaunen soll: die Unkenntniffe der Verhältnisse oder den Leichtsinn, mit welchem dieselben beurtheilt werden.

Sonntag, den 28. September 1884.

Militärs, Beamte, Referendare, Mediziner und selbst junge Gottesgelahrte, die ihren Beruf verfehlt haben, ein Heer materiell wie geistig bankerotter sog. Kaufleute, eine große Bahl von Personen qui vont corriger la fortune, sowie eine Menge jüngerer phantastischer Gemüther, die fich im Geiste bereits als füdwestafrikanische Großgrundherren und Herden­befizer erblicken alle solche und ähnliche Personen werden wunderbare Refruten und Pioniere für die deutsche Kolonial­armee abgeben. Nach den Reden dieser Herren darf an der Germaniftrung Südwest- Afrikas im Laufe der nächsten Jahre nicht mehr gezweifelt werden. Vom Oranjefluß bis Kamerun  und Tsadsee ein deutsches Kolonialreich!" Wenn Krempelstiefeln und Schlapphüte, ein an der Hüfte verstohlen toquettirender Revolver, großer, größerer und größter Durst, sowie ein großes Maul den deutschen Kolonialpionier ausmachen, dann möge England auf seiner Hut sein, seine Kolonialreiche werden zittern, vom Tafelberg bis zum Nil wird ein Schrei des Entsezens gehen. Die alten, bewährten Kolonialen, die Woermann, Lüderig, Thormählen u. A. m. werden sich wunderbar angeheimelt fühlen, wenn die neue deutsche Kolonialarmee anrückt, nament­lich wenn ihre Führer alte bekannte und erfahrene" commis voyageurs de l'Afrique find- alte Bekannte", die im Dienste der geographischen Wissenschaften und anderer unbe­rechtigter ,, Erwerbsbranchen" s. 3. so heidenmäßig viel Geld brauchten, und deren Forscherruhm nur durch die Unverschämt­heit überstrahlt wurde, durch welche fie für den ersteren Propa­ganda machten.

Das Schicksal solcher und ähnlicher ,, Pioniere" würde uns sehr gleichgiltig sein, wenn nicht durch fie viel Unheil sowohl einzelnen Personen, wie soliden Unternehmungen gegenüber angerichtet werden könnte. Die Parole lautet daher: Vor­ficht und etwas mehr Reserve so lange bis das Kolonial­fieber und der daran anschließende Kolonialschwindel ausgetobt haben wird.

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Lokales.

g. Die städtische Zentral- Markthalle an der Neuen Friedrichstraße ist nahezu unter Dach, und auch die beiden thurmartigen Aufsäge, welche an den Endpunkten rechts und links an dem in Höhe der zweiten Etage aufgeführten Anbau ( Der Dachgiebel der Halle ragt weit über diesen hervor) an­gebracht sind, dürften zu ihrer Fertigstellung nur noch furze Beit in Anspruch nehmen. Diese Aufsäße, achteckig gebaut, mit kleinen Bogenfenstern versehen, laufen oben spiß zu und tragen nicht wenig zur Verzierung des ohnehin elegant aus­geführten Baues bei. Auch die Arbeiten an den Bogen zur Herstellung der Barallelbahn längs der Stadtbahn schreiten rüftig vorwärts; während jene an der Zentral- Markthalle bereits in Höhe der Stadtbahnbögen aufgeführt sind, ist man auf der Strecke nach der Rochstraße zu eifrig mit Aufführung der Fundamente beschäftigt, welche Arbeiten erst vor Kurzem be gonnen worden sind. Das Grundwasser ist hier wegen des ehemaligen Königsgrabens ziemlich stark vorhanden, und daher ehemaligen Königsgrabens ziemlich start vorhanden, und daher müffen auch jest wieder, wie bei den erstgebauten Stadtbahn bogen, sog. Senttlöge, das sind mit Cement   zusammengefügte bogen, sog. Senttlöße, das sind mit Cement   zusammengefügte Biegelsteine, verwendet werden, welche in den seichten Boden

gelaffen werden. Im Interesse der großen Anzahl von Ar­beitern, welche an allen diesen Bauausführungen beschäftigt ist, wäre es nur zu wünschen, daß die gegenwärtige günstige Witterung noch recht lange anhält.

Ein neuer Droschtenwegemesser für Berlin   tritt nach einer Verordnung des Königlichen Polizeipräsidiums vom 20. d. M. mit dem 1. Dktober cr. in Kraft und kann durch das Droschken Vereinsbureau( Fischerbrücke 14) bezogen werden.-

r. Ein schwerwiegendes Pfandstück hat vor einigen Tagen der Gerichtsvollzieher in den Bureaur eines hiesigen Wollgeschäfts mit Beschlag belegt, nämlich ein folossales Geld spinde, im Gewicht von über 100 Bentnern. Der Gerichts­vollzieher erschien in Abwesenheit des Chefs im Romtor, um eine geringfügige Post von etwa 10 Mart zwangsweise einzu ziehen. Der anwesende junge Mann lehnte die Bahlung ab, da er keine Instruktion hierzu hatte und der Gerichtsvollzieher Daß mit der Gewinnung und Erschließung neuer Erwerbsverfiegelte nunmehr das mächtige Geldspinde. Dem Chef war gebiete eine große Babl freier Kräfte fich denselben zuwenden würde, war vorauszusehen, da an solchen zur Zeit in Deutsch  land kein Mangel ist. Daß unter denselben eine Menge abenteuerlicher Griffenzen fich befinden würde, lonnte mit ebenso großer Sicherheit prognoſtigirt werden, denn auch an solchen baben wir ja leider wie jedes Land- einen Ueberschuß.

Berliner   Sonntagsplauderei.

Der Herbst hat seinen Einzug bei uns gehalten. Man merit noch nicht viel davon, aber der 21. September ist vor über, folglich haben wir Herbst. Troß alledem ist es aber noch so sommerlich, daß es die Schwalben noch recht gut bei uns hätten aushalten fönnen, auch der Storch hätte noch garnicht nöthig gehabt, das Land der Pharaonen aufzusuchen, denn vor läufig wird bei uns so leicht wohl noch nichts von Kälte zu verspüren sein. Weise Leute sprechen bekanntlich der ersten Schwalbe die Fähigkeit ab, einen Sommer machen zu können, ob sich schon irgend wo ein Schlaukopf gefunden hat, der be hauptet hätte, daß der Abzug des legten der eleganten Vögel wohl so leicht in Berlin   noch nicht werden, und die Kohlen­den Herbst hervorruft, das wissen wir nicht. Kalt wird es flein gehauenen" Holzhändler machen vorläu

und die

das blaue Siegel sehr unangenehm, aber er überwand seinen Merger und beschloß, sich an dem Gerichtsvollzieher zu rächen. Bum 1. Oftober mußte er ohnehin die Komtorräume aufgeben, und so beschloß er, so schnell als möglich auszuziehen, und den verftegelten Geldschrank zurückzulassen. Gedacht, gethan! Am nächsten Tage war die Stätte öd und leer, und dem Kaufmann nächsten Tage war die Stätte öd und leer, und dem Kaufmann

Bei den politischen Kämpfen der jetzigen Tage tritt das so recht zu Tage. Da wirft der eine Parteiführer dem anderen vor, er lügt, er lügt sogar systematisch, seine ganzen politischen Anschauungen find auf Lügen aufgebaut, und der Angegriffene erklärt dagegen so troden wie nur irgend möglich, sein Gegner hätte in seinem Leben überhaupt noch nie die Wahrheit ge­Und Das nennt man bei uns im ges sprochen. segneten deutschen Vaterlande fich politisch bekämpfen!" gesellschaftlicher Beziehung hervor Herren, die in ragende Stellungen einnehmen, bewerfen einander mit Roth wie die Gaffenjungen, und der Anhang solcher Leute Bravo   bei jeder neuen Ungeheuerlichkeit. Ach, une

wenn es nur noch bei Redensarten bliebe! Dann wäre die Sache noch garnicht einmal so gefährlich, denn es könnte doch nichts Schlimmeres paffiren, als daß man für gelieferte Inju­rien eine entsprechende Geldsumme opfert, eventuell eine ent

fig noch recht trübselige Gefichter. Der Kopf wird uns noch recht sprechende Zeit brummt. Jest wird es aber anders, man be lange Zeit warm genug gemacht werden in den Wahlversamm lungen, und für Holze" ist ja theilweise auch schon gesorgt Instrumenten und in nicht allzulanger Beit wird man in worden. Weshalb soll man fich also jest schon unnöthiger Berlin   das Schauspiel erleben, daß fich die zukünftigen Reichs­Weise nach Brennmaterial umfehen, es hat vorläufig noch gar tagsabgeordneten gegenseitig verbauen. Sonderbar bei der teine Roth, und wenn in Zukunft noch fernerhin für so toloffale Hige in den Debatten gesorgt wird, dann frieren wir

überhaupt nicht mehr.

Sache ist nur, daß dieser Prügelfomment von einem Er­zieher der Jugend ausgeht; und wenn man in Zukunft derartige Versammlungen besucht, wird man gut thun, fich vorher einen Waffenschein zu verschaffen, nota bene, wenn man einen friegt. Das ist gewiß nicht übertrieben, denn wenn ein

Und doch wäre es besser, wenn ein tüchtiger Herbststurm eintreten möchte. Er würde manchen Unfinn verwehen, der gesprochen wird, er würde vielleicht auch beitragen zur Ab Profeffor schon wie ein Reitknecht mit der Peitsche droht, was

fühlung der Gemüther.

Aber so bei dieser sommerlichen Schwüle ist das garnicht möglich, ist es nicht denkbar, daß diejenigen Geifter, die fich hermetisch gegen jede bessere Erkenntniß verschließen, von einem fühlen Hauche gestreift werden, daß einmal ein erfrischender

sollen dann andere Leute thun, die in wirklich feinen Sitten lange nicht so eingeweiht find, wie der staatssozialistische lange nicht so eingeweiht find, wie der staatssozialistische Kathedermann.

Manche Leute haben sonderbare Anwandlungen. Der Eine prügelt fich gern, der Andere betheuert dagegen aufrichtig,

Luftzug in die modrige Atmosphäre gewiffer Versammlungen daß er ein friedfertiger Mensch und thätlichen Angriffen durch

bringt.

Es ist eine uralte Erfahrung, aber fie bewährt fich immer

von Neuem nicht vertragen.

viele Leute lönnen nun einmal die Wahrheit Allerdings giebt es Viele, die sich wieder

fchließen, fie wollen und können die Wahrheit nicht hören, well fie selbst unwahrhaft find, weil fie fich schon derartig an die Lüge gewöhnt haben, daß fie schließlich selbst nicht mehr wiffen, ob sie lügen oder die Wahrheit sagen.

aus abgeneigt sei. Am spaßigften betragen fich jedenfalls die Deutsch- Freifinnigen".

Das Neueste auf dem Gebiet des Wahlschwindels ist ent­schieden das, daß man das Sozialistengeset viel mehr auf die ,, Liberalen  " anwende, als auf diejenigen Leute, für die es eigentlich gemacht sei, auf die wirklichen, unverfälschten Sozial­demokraten." So ungefähr schreibt das B." in seiner gestrigen Abendnummer.

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1. Jahrgang.

die Sorge um die Fortschaffung des Geldspindes abgenommen, die gerade in diesen Räumen ungemein viel Schwierigkeiten verursacht. Mag jezt der Herr Gerichtsvollzieher sehen, wie er mit dem Eisenklumpen fertig wird; der jetzige Eigenthümer deffelben wird ihn ruhig zur Auktion kommen lassen, und ihn dort hoffentlich billig kaufen, denn er befizt die Schlüssel dazu, ohne welche der Schrank nichts weiter ist, als ein Haufen altes Eisen. Es dürfte sich kaum Jemand finden, der auf den schlüssellosen Geldschrank mitzubieten Luft hätte. Vom Auktions­total aus aber ist der Transport des eisernen Koloffes jeden­falls viel bequemer, als von den eine Treppe hoch belegenen Komtorräumen, wo er sich jetzt befindet.

N. Der Verein der Thierfreunde hatte sich gestern Abend in der Berliner   Flora Friedrichstraße  , versammelt. An­wesend waren 400 Damen( meist ältere) und ca. 100 Herren. Das Hundegeschlecht war zahlreich in der Race der Schoßhunde vertreten. In der sehr lebhaften Debatte wurde besonders gegen die hiesige fiskalische Abdeckerei und gegen ihre Art und Weise des Hundefangs und Tödtung des treusten Thieres zu Felde gezogen. Die Damen gaben durch lebhaften Applaus ihre Zustimmung und traten sehr energisch für ihre Lieblinge ein. Auch der Magistrat wurde angegriffen. Er nehme die Hundesteuer, thue aber nichts für die Aufbefferung des Schid fals der Hunde. Einige hißige Redner ließen sich Beleidi gungen des Magistrats und des Abdeckerei- Instituts zu Schulden kommen und wurden die Namen der Beleidiger durch den anwesenden Inspektor der Abdeckerei behufs Klage festge stellt. Die anwesenden Scharfrichter- Gehilfen, welche seitens des Polizei- Präsidiums angestellt sind und durchaus unbe scholfen sein müssen, waren über die ihnen entgegengeschleu derten Beleidigungen mit Recht empört. Herr Scharfrichter Kraus, welcher anwesend war, jedoch von Niemand erkannt wurde, saß an einem Tisch zwischen vielen alten Damen und führte mit ihr ein sehr eifriges Gespräch. Innerlich herzlich lachend hörte er die Schmähungen der Damen gegen ihn und seine Gehilfen an. Wenn man bedenkt, daß in anderen Städten z. B. in Leipzig   von den Besitzern sich umhertreiben­der Hunde 15 Mark Polizeistrafe außer dem Fanggelde bezahlt werden müssen, so könnten die Berliner   Hundebefizer immer noch zufrieden sein. Von allen übrigen Hundevereinen ,, Hektor  " u. s. w. war Niemand anwesend.

r. Die bevorstehende Saison der Petroleum- Lampen läßt es bei Zeiten angezeigt erscheinen, diesem Beleuchtungs­apparat, der ja im gewöhnlichen bürgerlichen Haushalte unent­behrlich ist, die erforderliche Aufmerksamkeit zuzuwenden. Be sonders verdient auf die Beobachtungen erfahrener Fachleute hingewiefen zu werden, welche auf die Bemühungen der Re­gierung, für das Petroleum einen möglichst hohen Higegrad für seine Entflammbarkeit festzustellen, und leichter entflamm bares Petroleum aus dem Handel zurückzuweisen, fein so ent­scheidendes Gewicht legen, wie auf die zweckmäßige Konstruktion der Lampen. Selbst ein leicht entflammbares Petroleum ist ungefährlich in einer gut tonstruirten Lampe, und das erprob teste Petroleum fann gefährlich werden in einer Lampe un­zweckmäßiger Konstruktion. Vor allen Dingen ist darauf zu achten, daß der metallene Theil, in welchem der Docht brennt, so eingerichtet ist, daß er die Hiße des brennenden Dochtes nicht auf das Baffin übertragen fann. Das Heißwerden des Metalltheiles auf dem Baffin vom Brenner aus ist wohl die Ursache der meisten Petroleum Lampen Grploftonen und beson ders zeichnen sich hierbei die Flachbrenner aus, wo bei voll gegoffenem Baffin der erhigte Brenner fast unmittelbar an bas Petroleum reicht und dieses leicht zur Entzündung bringen fann.

N. Blondin auf der Gertraudtenbrücke. Mit nicht abzuleugnender Eleganz und Sicherheit tanzte gestern ein dem Arbeiterstande angehöriger Mann auf dem sehr schmalen Eisen­geländer der Gertraudtenbrücke. Eine große Menschenmenge fammelte sich an und sah dem Künstler mit Bewunderung und Angst zu. Als der Auflauf jedoch eine Verkehrsstörung her beizuführen drohte, nahte sich ein Schußmann, um den Straßen­artisten festzunehmen. Dieser entzog sich jedoch durch die Flucht seiner Sistirung.

g. Gefangen. Um die Lindenbäume in der Breitenstraße befinden sich zum Schuß der Stämme eiserne Schußgitter, welche nach unten zu einen sog. Bauch machen, also größer als der obere Theil find. In diesen, gleichsam einen runden Käfig bil­denden Theil des Schußgitters eines der Lindenbäume hatte fich am Donnnerstag Nachmitag ein fleiner Knabe durchzu preffen gewußt, ohne aber hinauskommen zu können. Auf sein

Das würde garnicht schaden, auch wenn es wirklich der Fall wäre. Wer kennt nicht das Göthe'sche Gedicht von dem Bauberlehrling? Ganz dieselbe Geschichte ist's mit den soges nannten ,, Liberalen  ". Sie konnten es ja garnicht schnell genug fertig bringen, dieses schöne Gesez; die siebenundzwanzig Bieder männer, unvergessenen Andenkens, die strammen Schrittes auf den Wink ihres omnipotenten Befehlshabers zur Abstimmung schritten, haben der Partei, die bis jetzt einzig und allein alles Gute bei uns gestiftet hat, ja zu den Segnungen des Aus nahmegesezes verholfen, und jest beklagt man fich darüber? Komische Käuze find die Deutsch   Freifinnigen doch und ste werden es auch bleiben. Bis jegt hieß es doch ganz einfach, dieSuppe, die man sich eingebrockt hat, tann man auch außeffen, und das ist auch ganz richtig. Aber sobald man die Suppe versalzen findet, möchte man ein schiefes Geficht ziehen und dieselbe stehen laffen, glücklicher Weise hilft jegt kein Mundspißen, jest muß gepfiffen werden.

Wenn jede Partei über eine aufgelöste Bersammlung ein solches Geschrei erheben würde, wie die ,, deutsch freifinnige", wenn man so lamentiren würde über Vergewaltigung, über Erschütterung des Rechtsbewußtseins, was würde das für ein Lärmen sein! Das Sozialistengeset wird zweischneidig ange wandt, so tüftelt das Berl. Tagebl." in seiner gestrigen Abendnummer aus, und dieser Verdacht regte sich, dem weisen Blatt zufolge, schon bei den Berliner   Stadtverordnetenwahlen, bei denen angeblich die sozialistische Bewegung bald freien Spielraum genoß, bald energisch unterdrückt wurde, je nach dem es die Bekämpfung der Liberalen zu erfordern schien. Kommt dem Berliner Tageblatt" diese Erkenntniß erst jest oder wußte man es schon zur Beit der Berliner   Kommunal wahl? Wenn das Leptere der Fall ist, weshalb, so kann man weiter fragen, stimmte denn der Freifinn" für ein Gesetz, welches die Verlängerung solcher unhaltbaren Zustände be zweckt? Wenn die liberale Partei jest auch etwas von den Annehmlichkeiten der Ausnahmegeseße zu foften bekommt, so geschieht ihr das recht, fte hat es sich ganz allein selbst zuzu­fchrei en, denn in ihrer Hand lag es, die Verlängerung des Gefeßes zu verhindern. So rächt sich der perfide Streich an den Urhebern, und die Deutsch- Freifinnigen" erfahren es an fich ſelbſt: Was Du nicht willst, das man Dir thu', das füg auch keinem Andern zu."