Nr. 153.

Mittwoch, 1. Oktober 1884.

I. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das ,, Berliner Boltsblatt

erfcheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3 Mart, monatlich 1 Mart, wöchentlich 25 Pf. Einzelne Rummern 5 Bf. Bostabonnement pro Quartal 3 Mart.( Eingetragen im VIII. Rach trage der Postzeitungspreisliste unter Nr. 719a.)

Jasertionsgebühr

beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Bf. Arbeitsmarkt 10 Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncene Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen.

Redaktion und Expedition Berlin SW., Bimmerstraße 44.

Mitbürger! Arbeiter! Handwerker!

Die Wahlen zum deutschen Reichstag sind nunmehr ausgeschrieben, am 28. Dktober hat das deutsche Volk das Recht, aus seiner Mitte Männer zu wählen, die über sein Wohl und Wehe zu beschließen haben. Von dem Ausfall der Wahlen hängt es ab, ob in unserem Vaterlande in Zukunft bessere Zustände Plaz greifen werden oder nicht. Jeder Wähler hat aber nicht nur das Recht, nein auch die heiligste Pflicht, am Tage der Wahl seine Stimme nach seiner freien Ueberzeugung abzugeben. Kein Wähler darf an diesem Tage fehlen, wer es versäumt, seine Stimme abzugeben, der schadet nicht nur sich selbst, sondern er schadet auch seinen Mit­bürgern. Da aber nur Diejenigen ihr Wahlrecht ausüben können, welche in die Wählerlisten eingetragen sind, so ist es vor allen Dingen nothwendig, daß Jeder sich überzeugt, ob auch sein Name in der Liste steht, ob Vor- und Zuname, sowie der Geburtstag und Geburtsort genau stimmt. Und hierzu bietet sich nur noch in den jetzt folgenden 7 Tagen Gelegenheit.

Die Wählerlisten liegen jetzt nur noch 7 Tage, bis zum 7. Oktober einschließlich öffentlich aus und zwar:

für den I. Wahlkreis in der Turnhalle des Friedrich- Werderschen Gymnasiums, Dorotheeustraße 13-14,

für den II. Wahlkreis in der Turnhalle der 27/44. Gemeindeschule, Wilhelmstraße 117,

für den III. Wahlkreis in der Turnhalle der 62. Gemeindeschule, Schmidtstraße 38,

für den IV. Wahlkreis in der Turnhalle der 18. Gemeindeschule, Krautstraße 43,

für den V. Wahlkreis in der Turnhalle des Sophien Gymnasiums ze, Gormannstraße 4,

für den VI. Wahlkreis in der Turnhalle der 67. Gemeindeschule, Ackerstraße 28a,

und anßerdem für sämmtliche Wahlkreise im Wahlbureau, Breitestraße 20a, 2 Treppen, und zwar während der Tageszeit Wochentags von Vormittags 9 bis Nachmittags 3 Uhr und Sonntags von 11 Uhr bis Nachmittags 4 Uhr.

Jeder Wähler hat das Recht, sich in der genannten Zeit die Listen aufschlagen zu lassen. Die Listen sind anfangs September aufgestellt worden, und deßhalb muß jeder Wähler in der Liste des Hauses aufgenommen sein, wo er um diese Zeit gewohnt hat. Stimmberechtigt ist jeder Wähler in dem Bezirk, in welchem er in die Liste eingetragen ist. Wer die Wählerliste für unrichtig hält, kann innerhalb 8 Tagen nach Beginn ihrer Auslegung- also nur bis einschließlich den 7. Oktober beim Magistrat Einspruch erheben, welcher darüber endgültig entscheidet. Zur Begründung etwaiger Nachtragungen ist es nothwendig, daß der betreffende Antragsteller sich gehörig legitimirt. Hierzu empfehlen sich die polizeilich abgestempelte Wohnungsanmeldung, die Miethssteuer- resp. Einkommensteuer- Quittungen, oder fonflige beglaubigte Atteste.

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Abonnements- Einladung.

Bum Vierteljahreswechsel erlauben wir uns alle Arbeiter zum Abonnement auf das

das ist nicht geschehen. Die Regierung hat sich ganz auf die sozialpolitischen Geheimräthe und auf die Hilfsarbeiter in den Ministerialbureaug verlassen. Wir wollen gar nicht daran zweifeln, daß bei diesen Männern der gute Wille ge­wöhnlich vorhanden ist; aber mit dem guten Willen allein

einen auf die ländliche Arbeiterfrage zugeschnittenen Charakter annehmen würde.

Immerhin aber gilt es, den Gedanken zu propagiren, daß wenn für die sozialpolitische Gesetzgebung eine gefunde Basis geschaffen werden soll, man es sich angelegen sein

Berliner Volksblatt" ur Wohlthat der arbeitenden Klaſſe dienen follen, beſten Quelle, aus einer virekten Erhebung und Bernehmung

ist es noch die Bedürfnisse des Volles der

einzuladen.

Daffelbe kostet für das

ganze Vierteljahr 3 Mark, für den Mo­nat Oktober frei ins Haus 1 Mark. Bestellungen werden von sämmtlichen Zeitungsspediteuren, sowie in der Expedition, Zimmerstr. 44, angenommen.

Für Außerhalb nehmen alle Postanstalten Abonne­ments für das nächste Quartal zum Preise von 3 Mart ent gegen.

Redaktion und Expedition des Berliner Volksblatt".

Nochmals die Altersversorgung für Arbeiter.

Auf der Generalversammlung der süddeutschen Demo­fratie, resp. der deutschen Volkspartei zu Heilbronn wurde der weitgehende Sachverständigen Vernehmung eintreten zu lassen und die Resultate dieser Unternehmung als Grundlage für das neu zu entwerfende Alters- Ber­forgungsgefeß zu benußen. Dieser Vorschlag ist ganz prak­tisch und zeitgemäß. Nur ist er nicht so neu, wie die Preß­organe der Bollspartei und auch die Frankfurter Beitung" zu glauben scheinen, denn nicht nur in unserem Blatt und in anderen Blättern, sondern auch in Hunderten von Ver­fammlungen und im Reichstage selbst ist schon vor langer Seit darauf hingewiesen worden, daß, wenn man Institu­tionen für die Wohlfahrt der Arbeiter schaffen wolle, man erst durch gründliche Erhebungen und Vernehmungen über die Wünsche, Bedürfnisse und Zustände innerhalb der Ar­beiterwelt Gewißheit erlangen müsse. Bekanntlich hat ja im Jahre ( Enquete) veranstalten laſſen, bei welcher auch der sozial­demokratischen Partei angehörende Personen vielfach über die find. Aus uns nicht bekannten Grünben ist man von dieser Brazie abgegangen und hat seitdem nichts Aehnliches mehr unternommen. Wir bedauern das sehr denn, indem man ftehenden Personen vernahm, fonnte man ein flares Bild von den Zuständen innerhalb der arbeitenden Klaffen ge­

winnen.

will, die

bei den Arbeitern selbst, kennen zu lernen. Hier strömt der lautere Duell der Wahrheit, und die Herren Geheimräthe, Professoren und Staatsmänner aller Art werden uns zu­geben, daß man das, was man hier erfährt, nicht aus dem Aermel schütteln noch aus Büchern ersehen fann. Die Sozialreform tann nur volksthümlich werden, wenn das Volt selbst an derselben mitwirkt.

Politische Uebersicht.

der muß eben einen Einblick in die Verhältnisse der arbei­tenden Klaffen haben, und diesen Einblick gewinnt man niemals aus Büchern, mögen sie noch so dick sein, sondern indem man sich an die wirklichen Zustände selbst wendet. Da ist es genau so, wie mit anderen Dingen. Man kann kein Verständniß für militärische Taktik gewinnen, wenn man nie eine Schlacht gefehen hat, mag man noch so viele Bücher durchgelesen haben; man wird nie unsere politischen Zustände begreifen, wenn man nur gelesen und fich nicht einmal die Verhältnisse auch wirklich angesehen Zum Submiffionswesen liefert die Rh.- Weftf. Volks hat. Und da sollte es in den schwierigsten, den volkswirth- zeitung" folgenden Beitrag: Der Bauunternehmer K. aus schaftlichen, Fragen anders sein? Elberfeld , welcher als Mindestfordernder die Aufführung der Quaimauer am Brausenwerth zum Preise von 31 000 M. über nommen hatte, hat die Arbeit eingestellt; denn obschon das Mauerwerk erst bis etwa zur Hälfte der Höhe ausgeführt ist, übersteigt schon jezt die Summe seiner Auslagen diejenige feiner Gesammtforderung. Der nächst Mindestfordernde hatte 50 000 m. verlangt." 50 000 m. verlangt." Man sieht, wie demoraliftrend das Submissionswesen wirft; wie nothwendig seine Aufhebung ist. Daß die Arbeiter des Bauunternehmer R. so plöglich aus ihrer Arbeit geriffen worden sind, ist auch ein dunkler Punkt in dem

Die Altersversorgung wird ein weit größeres Interesse erregen, als die Kranken- und Unfallversicherung. Wenn die Regierung nicht vorher unter den Arbeitern, denen doch das Gesetz gelten soll, Erhebungen anstellt, so wird die Die Regierung Sache den gewöhnlichen Gang nehmen. wird dann die Altersversorgung nach den bureaukratischen Grundfäßen organisiren wollen, auf benen auch die Kranken­und Unfallversicherung beruht. Im Reichstag felbft werden dann auch noch, wie bei der Unfallversicherung, die wenigen Konzessionen, die von der Regierung gemacht worden sind, dem Egoismus der Unternehmer zum Opfer fallen. Leider besteht in den Parlamenten die Gewohnheit, sich den Kund­gebungen der Unternehmer anzuschließen und sie ohne Weiteres als vollgiltig zu betrachten, während das, was in Hunderten von Arbeiterversammlungen zu Tage tritt, nur

wenig oder gar nicht beachtet wird. Dieser Uebelstand er­klärt sich aus der Natur der Dinge; aber die Regierung kann eben, wenn sie den guten Willen dazu hat, diesen Uebelstand beseitigen. Wenn sich die zur Ausarbeitung eines sozialpolitischen Gesezes unbedingt nöthigen Vorarbeiten auch auf die Arbeiter insofern erstrecken, als man die Ar­beiter zu den Vernehmungen heranzieht, so wird dadurch nicht nur Material zu einer festen und sicheren Grundlage für das neue Gesetz gewonnen, sondern dies Material macht auch einen gewaltigen moralischen Einbrud und fant Forderungen nothleidender Arbeiter abzuweisen, werben sich

fehr ins Gewicht. Die deutlich formulirten Wünsche und die Volksvertreter viel schwerer entschließen tönnen, als fich dem gegenüber, was ihnen die Geheimräthe als angeb­liche Wünsche des Volkes bezeichnen, ablehnend zu ver­halten.

Das muß ausdrücklich betont werden, denn unter Sach­Wir wollen uns dabei keinen sanguinischen Anschauungen verständigen" versteht manchmal Jeder etwas Anderes. Herr hingeben. Sowohl bei den Vertretern der Regierung, wie in der Handwerkerfrage und seine Parteigenossen beten des= politischen Bestrebungen nicht über ein gewiffes Klaffen­Bünfte und Zwangsinnungen vorfabelt. Für solche intereſſe hinaus. Die Grenze der Sozialreform ist für die beitern fehlt, sind die richtigen Sachverständigen in erster gierung läftig wird. Deshalb erstreckt sich die Sozial­" Sachverständigen" danken wir. Für das, was den Ar- Regierung da, wo die Sozialreform den Freunden der Re­fie der Schuh brüdt. Es hätten deshalb der Ausarbeitung aller sozialistischen Vorlagen großartige und umfassende Ber nehmungen unter den Arbeitern, und zwar abgesehen von aller politischen Parteischattirung, vorhergehen müffen. Allein

reform" einstweilen auch nur auf die industrielle Bevölle

Die nach Westafrika bestimmte Expedition deutscher Kriegsschiffe wird natürlich nicht ohne Einfluß auf das nächste Marinebudget bleiben. Wie die Voff. 8tg." hört, wird die Vorlage desselben voraussichtlich von einer Denkschrift begleitet sein, von der man auch weitere Auskunft über die sogenannte Kolonialfrage erwartet. Wir haben schon wie­derholt darauf hingewiesen, daß dem deutschen Volke durch die überseeischen Unternehmungen auch neue Kosten erwachsen.

jetzt beliebten Submissionsverfahren.

Verbot. Auf Grund des Sozialistengefeßes ist das mit Die Vertretung der deutschen Sozialdemokratie" unterzeichnete und vom laufenden Monat datirte, anläßlich der bevorstehen den Reichstagswahlen zur Veröffentlichung fertiggestellte sozial­demokratische Manifeft, herausgegeben, gedruckt und verlegt

von J. H. W. Dieß in Stuttgart ", verboten worden.

In dem Prozeß von Vollmar, Bebel und Genossen

find weiter noch, wie der Volkszig." aus Sachsen mitgetheilt wird, die Herren Frohme in Bodenheim und Xylograph Müller

in Darmstadt als Angeschuldigte vernommen worden. Herr von Vollmar hat das Chemnizer Landgericht von seinem Aufent halt verständigt und wird die Vernehmung desselben im Laufe der nächsten Woche stattfinden. Die Untersuchungsaften sollen dann geschloffen werden, da weitere Vernehmungen nicht in Ause

ficht stehen, die Hauptverhandlung dürfte dann wohl im Laufe

bes Novembers stattfinden.

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Belgien . In Trelles, einer Vorstadt Brüssels , wird jezt haftig das Gebäude der Nuntiatur hergestellt um dem neuen päpstlichen Nuntius einen recht glänzenden Palast zur Ver fügung zu stellen. Die jeßigen belgischen Minister find bereit, jedem Wunsche der Bischöfe Rechnung zu tragen. Ein Macht wort eines Bischofs und alle auch die vor der vertretung abgegebenen Erklärungen der Minister der falandes­Minister Jacobs auf die Anfrage mehrerer Deputirten in der Kammer ausdrücklich, daß dasselbe in feiner Mittelschulen berühre auch ihre Be seitigung nicht bezwecke. Jetzt hat derselbe mit einem Federstrich die beiden Normalschulen in der Stadt Haffelt, deren Kommunalverwaltung eine liberale ist, und die vier Mittelschulen in Enghien , Grammont, Nicolas und

rung; die ländliche bleibt unberührt, und die Köller, feitigung nicht zelfchul Minnigerode und kleift- Regon laufen keine Gefahr, wenn

fie start in ,, arbeiterfreundlicher" Sozialpolitik machen. Das würde sofort aufhören, wenn einmal die Sozialreform"