Beilage zum Berliner Volksblatt.
Nr. 163.
Kolonisation und Auswanderung.
Unter dieser Ueberschrift bringt der Hamburgische Korrespondent" nachstehenden, vielfach recht zutreffenden Artikel:
Als vor einigen Jahren diejenigen Bestrebungen, welche jezt in dem„ Deutschen Kolonisations Verein" ihren Mittelpunkt gefunden haben, zuerst anfingen, fich in öffentlicher Agitation geltend zu machen, waren die Bemühungen hauptsächlich darauf gerichtet, ein Mittel zu finden, durch welches die vielen Tausende der alljährlich aus Deutschland abfließenden Ueberpöferung auch in fernen Landen dem Deutschthum erhalten und der weiteren wirthschaftlichen Entwickelung Deutschlands dienstbar gemacht werden fönnten. Man wollte, furz gesagt, ver suchen, ob nicht die deutsche Auswanderung nach einem erst noch aufzufindenden Neu- Deutschland an fernen transozeani schen Gestaden geleitet und dort zu einem neuen Staatenge bilde verwendet werden könne, das in Sprache und Sitte eine Fortentwickelung des alten Deutschland abgeben, mit demselben in inniger Verbindung bleiben, seine Produkte faufen und das gegen die Rohstoffe für seinen Verbrauch in seiner Industrie liefern sollte. Daneben aber spielte die Anlegung von Handelstolonien, die Erwerbung dazu geeigneter überseeischer Ländereien, die Gründung von Plantagen u. bergl. eine verhältnißmäßig untergeordnete Rolle. Im Laufe der Zeit haben nun aber diese beiden Richtungen der kolonialen Bestrebungen völlig ihre Position gewechselt; die Gründung von Handelsniederlaffungen ift mehr und mehr in den Vordergrund getreten, während von Acerbaukolonien als selbstständigen deutschen Niederlassungen laum noch die Rede ist. Auch in der am Sonntag zu Eisenach abgehaltenen Generalversammlung des deutschen Kolonial- Vereins ist die Sache so verlaufen, daß die Versammlung, animirt durch das Vorgehen der Reichsregierung an der westafrikanischen Küste, fich energisch für eine ähnliche Weiterförderung dieser Art der Koloniftrung erklärt hat, dagegen von der Auswanderung nur in dem negativen Sinne gesprochen wurde, daß die Westküste von Afrifa für die Anlegung von deutschen Aderbautolonien durchaus nicht geeignet sei.
Für die Vernachlässigung, in welche die Frage einer auf die Massenauswanderung zu baftrenden Koloniftrung zur Beit gerathen ist, giebt es eine zwiefache Erklärung: Erstens hat man noch nirgends ein noch unoffupirtes Terrain zu entdecken vermocht, welches sich für die Ansiedelung einer vorzugsweise Ackerbau treibenden deutschen Bevölkerung eignete, während die Energie deutscher Kaufleute bereits seit längerer Zeit mit der praktischen Errichtung von Handelstolonien vorgegangen war. Dann aber wird in maßgebenden Kreisen die Auswanderung vielfach an fich so angesehen, daß man fie vielmehr hemmen thun, was ihr einen neuen Anstoß geben könnte. Der Jm puls, welchen die Unterſtügung der Regierung solchen Bestre bungen, die auf die Beeinflussung größerer Voltskreise berech net find, zu geben vermag, fehlt also hier, und die Wirkung liegt vor Augen.
Sonntag, den 12. Oktober 1884.
deutichen Auswanderer in solchen Gebieten sammeln wollen, wo fich für die Erhaltung der Nationalität bessere Aussichten bieten, als z. B. in den Vereinigten Staaten . Hoffentlich wird der deutsche Kolonialverein in späteren Versammlungen auch diesen Theil seiner Aufgabe zur Erörterung bringen.
Lokales.
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Immer luftig! Ludwig Löwe will sich in den Reichs tag hinein tanzen. Den 23. d. M. findet nämlich ein Fest des Wahlvereins der deutsch - freifinnigen Partei im ersten Berliner Wahlkreise statt Konzert und Tanz-, an dem hervorragende Abgeordnete der Partei theilnehmen; natürlich Ludwig Löwe als Kreisvertreter varan. Bei den legten Wahlen ereiferten fich fortschrittliche Blätter gegen die Wahlfeste des C. C. C.- Ja, Bauer, das war ganz etwas anderes. Nun, Ja, Bauer, das war ganz etwas anderes. Nun, wir mißgönnen beiden Parteien das Feste feiern" nicht wir wollen unser Fest am 28. Oftober begehen.
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Die Wählerlisten, welche vom 30. September bis 7. Dt tober öffentlich ausgelegt waren, find zusammen von 34 955 Personen eingesehen worden und zwar: im 1. Wahlkreis mit 21 611 Wählern von 1428 Personen, im 2. Wahlkreis mit 56 869 Wählern von 6154 Personen, im 3. Wahlkreis mit 31 682 Wählern von 4852 Personen, im 4. Wahlkreis mit 72 050 Wählern 9251 Personen, im 5. Wahlkreis mit 26 729 Wählern von 2375 Personen, im 6. Wahlkreise mit 74 877 Wählern von 5259 Personen, und im Wahlbureau Breitestraße 20a haben die Listen eingesehen 5636 Personen. Von diesen Personen haben 696 Nachtragung beanfragt, weil fie ihren Namen in der Wählerliste nicht gefunden hatten. Davon waren indessen 1) nicht wahlberechtigt und fönnen nicht nachgetragen werden 145 Personen: 2) in Folge unterbliebener oder unrichtig erstatteter polizeilicher Anmeldung unter einer andern Wohnung in den Listen eingetragen 358 unter einer andern Wohnung in den Listen eingetragen 358 Personen; 3) bei Aufstellung der Wählerlisten in Berlin noch nicht wohnhaft gewesen, sondern erst später zugezogen 96 Personen; 4) bei Aufstellung der Wählerlisten noch nicht 25 Jahre alt waren 76 Personen und 5) waren nur 25 Personen aus unaufgeklärter Ursache in den Listen ausgelaffen. Dieses günunaufgeklärter Ursache in den Listen ausgelaffen. Dieses günstige Resultat ist in Folge der im städtischen Wahlbureau unter Leitung des Bureauvorstehers Gettwart geführten allgemeinen Leitung des Bureauvorstehers Gettwart geführten allgemeinen Wählerlisten erzielt worden. Früher wurde bei jeder auszu führenden Wahl eine allgemeine Aufnahme der Wähler durch Hauslisten veranlaßt, welche indessen sehr unvollständige Wählerlisten ergaben. Vergleichsweise wird bemerkt, daß bei den Reichstagswahlen im Jahre 1881 die Listen von nur 14 401 Bersonen eingesehen wurden. Die Gesammtzahl der eingetragenen Wähler betrug 283 818, d. h. es haben über 10 pCt. die Listen eingesehen.
a. Die Zahl der öffentlichen Gasflammen zur Straßenbeleuchtung in Berlin hat sich nach dem GemeindeVerwaltungsbericht pro 1877-1881 in diesem Beitraum stetig vermehrt; dagegen zeigt sich während desselben Beitraums bei den Privatflammen, nach einer sehr beträchtlichen Steigerung in den beiden Jahren 1876/77 und 1877/78, im Jahre 1878/79 eine Verminderung um 30 609 Flammen oder um 4,75 pCt. gegen das Vorjahr, in welchem 644 742 Privatflammen vorhanden waren. In den folgenden drei Jahren trat zwar wiederum eine Zunahme der Privatflammen ein, doch war fie unbedeutend und blieb binter der Zunahme der Bevölkerung zurüd. Eine natürliche Folge der Verminderung der Privat flammen war, daß die Gasproduktion in erheblich geringerem Maße geftiegen ist, als in den vorhergehenden 10 Jahren. Während die Gasproduktion in jedem dieser Jahre in höherem Verhältniß
Es wäre jedoch ein Irrthum anzunehmen, daß hierdurch auf die Auswanderung selbst in irgendwie merkbarer Weise eingewirkt würde. Die Auswanderung aus Deutschland ist nur mit einer Naturerscheinung zu vergleichen, die sich stets wiederholt und nur in gelegentlich verschiedener Intensität auftritt. So lange die Bevölkerung Deutschlands fich alljähr lich um eine halbe Million Köpfe, und also in rascherem Maße vermehrt, als die Steigerung der Bodenproduktion oder die Belegenheit zu lohnendem Arbeitsverdienste damit Schritt zu halten vermögen, ist es nothwendig, daß fich ein Abzug für den überschüssig werdenden Bruchtheil der arbeitsuchenden Ausnahme des Kriegsjahrs 1870/71 Bevölkerung und der verzehrenden Individuen findet, zunahm, als die Bevölkerung, bleibt fie in der Zeit von 1876
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mit
bis 1881 hinter dem Anwachsen der Bevölkerung erheblich
N. Der berühmte Gelehrte Professor Dr. Schwein furth hat bei seiner legten Anwesenheit in Deutschland der egyptischen Abtheilung der Königlichen Muſeen ein hochansehnliches Geschenk zugewendet, nämlich ein Reihe sehr wohl erhaltener Pflanzenreste aus den alten Königsgräbern. Man steht unter diesen altehrwürdigen Beugen mehrtausendfähriger Ver
und wir fönnen von Glüd sagen, daß der in unserem Bolle steckende Wandertrieb die Erfüllung dieser Nothwendig zurüd. teit bisher verbältnißmäßig glatt fich hat vollziehen lassen. Der ti Spuren von Entfräftung unseres Volksthums gezeigt, wohl aber einer Säfteſtodung vorgebeugt, die unbedingt gefährlich Die leitenden Regierungsorgane sich aneignen, und aufhören geworden wäre. Diese Auffassung der Sache sollten denn auch gehemmt, noch weniger verhindert werden kann. folche Aenderung in der Haltung der Regierung werden diejenigen Rolonifirungsbestrebungen, welche an die Auswanderung antnüpfen wollen, in der Lethargie verharren, von welcher fie jezt betroffen find und namentlich werden ohne fie auch die Bemühungen vergeblich sein, welche wenigstens ein Theil der
Ohne eine
gangenheit Blumengewinde und Kränze, aus aufgerollten Blättern oder kleinen Blüthen hergestellt, in der Weise, wie fie auf altegyptischen Stulpturen zur Darstellung gelangten, ferner auch einzelne Pflanzenzweige, namentlich Minze. Diese Gewinde und Pflanzentheile find den Mumienumhüllungen entnommen, und von so wunderbarer Erhaltung, daß oft noch die Farben der Blüthen, namentlich gelb und roth, deutlich zu
wollte, er hat vor vollem Hause sprechen dürfen und er ist durch diese Versammlung noch berühmter geworden, als er es schon früher war. Als faktisches, pofitives Resultat ist von der ganzen Geschichte zu verzeichnen, daß durch Herrn Pickenbach unzweifelbaft festgestellt ist, daß in den verschiedenen Stadttheilen Berlins Brot von ungleichem Gewicht zu gleichem Preise verkauft wird. Hierdurch hat sich herr Pickenbach jeden
R. C. Nun wird sich Alles ändern! Die Berliner Antifemiten haben das Mittel gefunden, jeglichen Nothstand abzuSchaffen. Der frühere Weißwaarenhändler, jezige Stadtverselbst in die Hand nehmen, und schon dieses Faktum allein ordnete und Reichstagslandidat für Jüterbogt will die Sache muß genügen, das Herz jedes Gedrückten und Unglüdlichen falls ein ganz unsterbliches Verdienst erworben. mit den befeligenden Gefühlen neuer Hoffnung zu erfüllen.
Aber, soviel wir wissen, war Herr Pickenbach, bevor er Reichstagskandidat und ein berühmter Mann wurde, ein ge= wöhnlicher Geschäftsmann, wie viese tausende seiner Mitbürger, welche bisher noch nicht von dem berauschenden Trank des Ruhmes geloftet haben, es heute noch find. Herr Bickenbach betrieb ein Wäschegeschäft in der Friedrichstraße , nahe den Linden. Selbstverständlich ist es für einen erleuchteten Geist, der fich der parlamentarischen Laufbahn widmen will, ein recht
1. Jahrgang.
erkennen find; fie find von Herrn Profeffor Dr. Schweinfurth in äußerst finnreicher Weise derartig zwischen Glasplatten prä parirt, daß mechanische Zerstörung durch Druck vermieden ist. Leider find fie sehr empfindlich gegen Einwirkung des Lichts; in Folge deffen nur einige wenige Probetafeln zur Ausstellung gelangen konnten.
r. Händler verbeten!" Diese Bemerkung befindet sich vielfach bei Verkaufsanzeigen, um das Heer der Trödler, die fich bei solchen Gelegenheiten einzustellen pflegen, fernzuhalten. Wie wenig diese Bemerfung ihren 3wed erreicht, hat neulich die Frau eines hiegen Magistratsbeamten erfahren. Mit dem üblichen ,, Händler verbeten" ließ fie einen Kinderwagen zum Verkauf anzeigen. Bald erschien eine Frauensperson, die den Wagen für ihr frankes Kind nöthig zu gebrauchen vorgab, und unter Hinweis auf ihre dürftigen Verhältnisse um möglichst niedrige Bemessung des Kaufpreises bat. Die Beamtenfrau hatte furz zuvor ein Kind durch den Tod verloren und befand fich also in einem Gemüthszustande, bei dem eine solche Bitte ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Wagen ging für einen sehr geringen Preis an die fremde Frauensperson über. Einige Tage später sah die Beamtenfrau zufällig auf der Straße, wie die Käuferin ihres Wagens in einen Möbelfeller ging. Sie schöpfte Verdacht und ermittelte auch bald, daß der Mann dieser Frau der Befizer des Kellers ist und daß in diesem der billig verkaufte Kinderwagen zum weiteren Verkauf steht.
Zum 75. Male gelangt am Dienstag Jäger- Liebchen" auf der Bühne des Central- Theaters zur Aufführung; das Theater ist täglich von einem distinguirten Publikum gefüllt, welches der exalten Darstellung wiederholten Beifall zollt. Durch das Engagement des Frl. v. Lücke hat die Rolle der Anna eine ausgezeichnete Vertreterin gefunden.
Das Repertoire des Deutschen Theaters" bringt in dieser Woche Wiederholungen von Die große Glocke",„ Wil helm Tell", Die Welt, in der man sich langweilt" und" ,, Der Richter von Balamanca".
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Belle- Alliance- Theater. Franziska Ellmenreich , die ge feierte Gastin dieser Bühne, sezt ihr erfolgreiches Gastspiel am Sonntag, Dienstag und Donnerstag als Adrienne Lecous vreur" und am Freitag als Katharina v. Rosin in Bürgerlich und Romantisch" fort. Am Sonnabend wird die intereffante Künstlerin in 2 Einattern ,, Die Provinzialin" von Turgenjem, deutsch von Eugen Babel, und ,, Eine anonyme Cor respondenz", von Richard v. Fuchs Nordhoff, auftreten. Gleich zeitig nimmt Frau Marie Salbach, jest wieder hergestellt, am Sonnabend ihr Gastspiel als Amalie v. Wahren in Gegenüber", Lustspiel in 3 Akten von Benedix, wieder auf. Am Montag geht noch einmal das Lustspiel Die Wilden" von Ernst Wichert in Szene, während als Ertra- Vorstellung zu halben Kaffenpreisen am Mittwoch Augier's Goldprobe" an gesetzt ist.
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g. Zum Kapitel der Ehescheidungen in Berlin er fahren wir, daß vom Kgl. Landgericht I hierselbst( 13. Civilfammer) nicht weniger als 17 Parteien geladen sind, welche die Scheidung der Ehe beantragt haben. Unter diesen 17 Antragstellern befinden sich 12 Frauen und 5 Männer. Da deren Aufenthalt unbekannt ist, so mußte die Aufforderung zur münd lichen Verhandlung des Rechtsstreites in der Ehescheidungssache öffentlich erfolgen. Die große Zahl der an einem Vormittag anberaumten Termine zeigt, mit welcher Schnelligkeit eine Ehe scheidung erfolgt. Jeder anberaumte Chescheidungstermin weist einen Beitunterschied von einer Viertelstunde auf.
N. Der Berliner Bock auf dem Tempelhofer Berg wird in der nächsten Saison nicht mehr die Schwierigkeiten bieten, ihn zu erklimmen, welche bis jetzt bestanden haben. Der schmale, ziemlich steil aufsteigende Weg von der Belle- Alliancestraße bis zum Bock- Etablissement ist jeẞt abgetragen und gepflastert worden. Zum Bod- Eingang führen breite mit Quadern ge pflasterte Stufen und ermöglichen jegt auf bequeme Manier den Eingang in das Etablissement und Garten.
N. Ein Schornsteinbrand führte heute früh gegen sechs Uhr Mannschaften der Feuerwehr nach dem Grundſtud Degerstraße 36. Wie bei allen derartigen Bränden konnten sich die mit allen Löschapparaten erschienenen Mannschaften darauf beschränken, die vollständige Ausbrennung des Schornsteins zu
überwachen, um sodann in die Depots zurückzukehren.
Eine bedeutende Gaserplosion zerstörte gestern( Freitag) Abend 6 Uhr das in der Königstraße 14a gelegene Manufatturund Modewaarengeschäft des Kaufmanns Louis de Laval . Nach den eingezogenen Recherchen bei den Bewohnern des Hauses Lonnte festgestellt werden, daß schon seit längerer Zeit ein be
irren ist menschlich und der Professor Virchow wird den Schmerz hierüber wohl schon überwunden haben.
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Der Besuch der Wählerversammlungen ist ja sehr nüglich und sehr intereffant für denjenigen namentlich, der nur ein mal hingeht. Viele Leute haben aber die Manie, fich unaufhörlich in solche Versammlungen zu drängen, in denen ste eigentlich garnichts zu suchen haben. Wenn die Herren ,, Deutsch Freifinnigen " und Antisemiten es für passend halten, wie Mittwoch Abend in der ViktoriaBrauerei, zur Erhärtung ihrer Beweisgründe fich ge genseitig mit Kagentöpfen zu regaliren, so ist es deßhalb für die Berliner Arbeiter noch lange nicht nöthig, dem Bei spiel dieser nobeln und wohlerzogenen Herren zu folgen. Die Arbeiter begehen durch ihr Erscheinen in den gegnerischen Ver ſammlungen nur die Unflugheit, diesen Versammlungen in den Augen des größeren Publikums eine Bedeutung zu verschaffen, welche fie niemals erlangen würden, wenn man jene Derren einzig und allein sich selbst überließe. Sie wirken durch das unaufhörliche Austramen ihrer schon so oft gehörten Weisheit
Die Brotausstellung en miniature liefert doch jedem Unpar nur wagt, seine Eristenz durch dunfel- geheimnißvolle Anfangs buchstaben der Welt kundzugeben, wenn vielleicht auch mit etwas hausbadener Weisheit, aber vielleicht mit dem besten Willen entschloffen ist, längst gefühlte Mißstände abzustellen. ganz entschieden find die Mitglieder des ,, D. A. B." wie geschaffen dazu, um über tief in das Innerste des Volks wie um uns auch diefer gefälligen Ausdrucksweise zu bedienen, lebens einschneidende Fragen ein endgültiges und unanfechtbares Urtheil abgeben zu fönnen. Schon das schaurige, mysteriöse daß ein Oberhemde oder ein Paar Strümpfe Unter den Linden derartig einschläfernd, daß nur ein Publikum von der Geduld
Und
Air, welches durch die drei Buchstaben ausgedrückt wird, er wedi in allen Schichten der Bevölkerung ein gewiffes Ver trauen, und es würde in Wirklichkeit keinem besonnenen und friedliebenden Staatsbürger einfallen, einem Fähnrichs- Aspiranten, einem Korpsstudenten mit zerbaďtem Geficht oder einem
läftiges Geſchäft, in ſeinen Mußeſtunden Unterbeinkleider und Hemostragen verlaufen zu müssen, aber sollte Herr Pickenbach von seiner faufmännischen Laufbahn her garnicht mehr wissen,
durchaus nicht, selbst wenn diese Gegenstände von gleich guter Qualität find, zu demselben Preise verkauft werden, wie beis spielsweise bei einem Posamentier in der Wienerstraße? Woran das wohl liegen? Herr Bidenbach mag
fann doch sonst so gut rechnen, er hat es herausgebracht, daß
verunglückten Offizier die moralische Berechtigung abzusprechen, es zur Zeit des dreißigjährigen Krieges weniger Vagabonden Versammlungsbericht lesenswerth macht, das einfache Referat
ist, ein entscheidendes Wort mitreden zu dürfen. Denn das ist doch entschieden der reine Blödsinn, wenn einzelne besonders enragirte Rechthaber behaupten wollen, daß jene Leute, die wir ganz und gar die Mitgliederschaft des„ D. A. B." bilden, von dem Brot nur wüßten, daß man es in den Kneipen umsonst
in Deutschland gab, als heute, und sollte nun mit einem Male hier vor diesem Problem der Verstand dessen stille stehen, der sonst so ziemlich Alles weiß? Merkwürdig, sehr merkwürdig. Aber die Treuenbriegener, Jüterbogter, Bauch- Belziger Anti
foeben charafierifirt haben und die hauptsächlich, wenn nicht semiten werden doch eine unfinnige Freude haben, wenn sie
Im Gegentheil alle diese Herren befigen praktische Er fahrung, fie find die Antisemiten der That, man fteht ja hier
erfahren, was ihr Kandidat hier in Berlin Alles ausheckt, fte werden sich jedenfalls eine Freude und eine Ehre daraus machen, einem so hochverdienten Manne ihre Stimmen geben zu können.
Inzwischen geht aber Alles seinen geregelten Gang weiter.
in Berlin an gewiffen Orten recht häufig Spuren ihrer segen- In den Wählerversammlungen giebt es neben Brandreden und bringenden Thätigkeit, und es soll ihnen sogar schon gelungen stürmischen Auftritten jest auch noch Keile gratis und
Niemand ist mehr vor Auflösungen" ficher. Sogar der Pro
der Berliner nicht die Langmuth verlieren fann, und ein aufmerksamer Zeitungsleser wird finden, daß die meisten Reden von Sprechern beispielsweise der liberalen Parteien von den eigenen Organen einfach todtgeschwiegen werden, wenn nicht irgend ein„ pifanter" Bwischenfall eintritt, der einen derartigen über die Rede eines deutsch - freifinnigen" Kandidaten wagt man nicht einmal dem Berliner Publikum anzubieten. Der Arbeiter giebt sich also dazu her, um für jene Leute noch Reklame zu machen und das ist sehr unflug. Ueberließe man fene Herren sich selbst, so würden die Versammlungen derselben schwerlich so start besucht sein, wie das jetzt der Fall ist, und ganz entschieden würde auch ein durchaus ablehnendes Ver halten bei Weitem mehr der Würde des Berliner Arbeiter ftandes entsprechen. Um ,, Radau" in den Versammlungen der Gegenparteien zu machen, dazu ist die Situation für die Berliner Arbeiterschaft viel zu ernst, und was alle jene Leute uns Arbeitern erzählen wollen, das haben wir uns längst an den Schuhen abgelaufen, wir wissen, was wir wollen, und zielbewußt werden wir auf eigenen Intereffe für wünschenswerth halten. Möchten uns alle jene Voltsbeglüder nur mit ihren arbeiterfreundlichen
baaren, der sich in ihre Versammlungen wagte, zur Thür feffor Virchow verfiel dem§ 9 des Sozialistengeseges. Wird gesetzlichem Boden das zu erstreben suchen, was wir in unserem
fich der Herr Professor aber darüber gewundert haben, daß man ihn aus den Reihen der gut gesinnten ,, Deutsch Freifinni
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humoristischen Bersammlung das erreicht, was er erreichen gen" urplöglich unter die Gemeingefährlichen" verseste! Na, Phrasen verschonen, wir sind ihnen allen sehr dankbar für die