Mr. 179.
Freitag, 31. Oktober 1884.
I. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
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Die Redaktion des„ Berliner Volksblatt".
Nach der Wahl.
Wir haben gestern unseren Lesern an dieser Stelle die me eines Nationalliberalen Blattes vor Augen geführt; wollen wir dasselbe thun mit den höchst interessanten fungen der Frankfurter Beitung", welche ntlich den Standpunkt der in Süddeutschland am en vorhandenen ,, Volkspartei " vertritt. Dieschreibt über die stattgehabten Wahlen folgender
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Noch bei keiner Wahl war selbst für die kundigsten en der Volksstimmung die Ungewißheit über den fall größer, als diesmal. Die anscheinende PassiviRegierung, die Parteiverschiebung, die durch die berger Häutung der Nationalliberalen bewirkt wurde, inirarbeit der Sozialdemokratie, alle diese Umstände zusammen, den sonst sicheren Blick für den Zug der trüben, die Rechnungen über die zu erwartenden ffern zu verwirren.
it der Ungewißheit erhöhte sich natürlich auch die ung, mit der man der Stunde entgegensah, in der m Dunkel der Wahlurnen die Gewißheit an das mmen werde. Auf Ueberraschungen war man ge nan durfte sich sagen, daß gar manche VorausFiasko machen, gar manche Biffer frappiren b so ist es denn auch gekommen, wie schon die ersten Sten uns beweisen, die bis zu der späten Abendstunde trische Funte uns übermittelt hat. Ueberraschungen en Seiten, für die Regierung vielleicht die allerdenn die eine Thatsache, die jetzt schon unwiderburch Ziffern belegt werden kann, ist eine staunens Stimmenzunahme derjenigen Partei, die man zuerst in Ausnahmegesetz zähmen und dann durch eine form gewinnen zu können glaubte. Daß weder das
erboten. Feuilleton. Isaura.
( Fortsetzung)
t Aynard hatte in diesem Thale , faft an der telle, mit Beatrice gerastet: sein Herz war voll; er Augenblick vor sich, wo er seinem fürstlichen
der nun start genug schien, Alles sagen durfte. seid diesen Weg oft gewandelt!" begann er mit beBlicke.
bnst Du mich auch? Glaubst Du, ich habe nicht Pacht?" versette der Dauphin seufzend.
Frau lebt noch, welche die peinliche Frage aushielt nichts verrieth, weil sie geschworen hatte, das Geu bewahren," sagte Mont Aynard.
wußte also etwas?" rief der Dauphin. Und der Mörder feines eigenen Rindes" er gudte immen und feste tonlos hinzu: Mein Gott ! Wie on schelten, da er doch Grund hatte, zu strafen- schändlichster Sorglosigkeit, mein armes Kind auch abe." echt nicht so! Dies Wort verbannt aus Eurem fagte der Erzbischof mild. Höret vielmehr, was reue Freund sagen wird, um Euren Schmerz zu
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te ich Euch nicht schon die Kunde, daß Beatricens bt?" unterbrach ihn der Dauphin. Kein Traum ntheit ist es, woran ich oft gedacht habe, was ich zu sagen? Warum spracht Ihr nicht weiter davon? redet doch, redet!"
et Ihr ihm Vaterliebe weihen?" es mir, Raymond! Mein Kind, mein verlorenes Dauphin faßte heftig des Ritters Arm. hr findet es als- Braut," sagte Mont Aynard Braut," sagte Mont Aynard n?" rief der Dauphin. Wer hat es gewagt, mir Stehlen, das einzige, das mir noch gehört? Mann, mir Antwort, wo ist mein Kind? Wer hat es ge ist es die langen Jahre gewesen? Lügft Du, es abischof blidte in diesem Momente stugend nach
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Eine noch das Andere gelungen ist, das mögen die folgenden Details beweisen.
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Beginnen wir mit Frankfurt , das in dieser Beziehung geradezu als typisch gelten darf. Die demokratische ehrlich eingestanden werden ihre erste Niederlage erlitten, Partei hat in diesem ihren Stammsiz heute das muß aber nicht die Nationalliberalen, nicht die Rückschrittler haben über sie gestegt, sondern die Sozialdemokraten. Während die demokratischen Stimmen trotz der größeren Wählerzahl um mehrere Hunderte abgenommen haben, find die sozialistischen um mehr als dreitausend in die Höhe ges gangen, haben alle anderen überflügelt und stehen zum ersten Male an der Stelle, an der sich seit 1871 stets die demokratischen befunden haben. Bisher fonnte die Demos fratie fich rühmen, hier jeder einzelnen Partei gewachsen zu fein, sie ist es heute selbst mit dem energischen Beistand der Deutsch - Freifinnigen nicht mehr und die Gefahr, die wir in der letzten Stunde vor der Wahl geschildert haben, rückt jezt in drohende Nähe.
worin liegt das Typische? Darin, daß immer weitere Wir nannten die Frankfurter Wahlziffern typisch; Kreise der bürgerlichen Wähler, an dem Fortschritt, den ihnen die entschieden liberalen Parteien in Aussicht stellen, verzweifelnd, sich der Sozialdemokratie in die Arme werfen, die in ihnen eine unbestimmte und deshalb um so eindrucksvollere Hoffnung auf eine radikale Wandlung unserer politischen und wirthschaftlichen Zustände wachzurufen vers steht. Das Neue, verbunden mit dem Geheimnißvollen, reizt immer und dieser Neiz muß durch mannigfache Enttäuschungen, die das Volt von Seiten der Liberalen ers fahren hat, noch erhöht werden.
Daher ist es die freisinnige und demokratische Oppofition, der die Sozialdemokratie am meisten Abbruch thut und die großen Städte, die Size dieser Opposition, haben das Schicksal, zuerst erliegen zu müssen. Man darf es heute als eine Frage der Zeit bezeichnen, daß alle städtischen Wahlkreise ohne Ausnahme der Sozialdemokratie zufallen Wahlkreise ohne Ausnahme der Sozialdemokratie zufallen und das Loos von Breslau , Hamburg und Nürnberg theilen werden. Aber auch in den Landkreisen, namentlich in solchen, die unsere Großstädte umschließen, tritt ein auffallendes Wachsthum der Sozialdemokratie zu Tage und beweist, daß alle Spekulationen, welche Konservative und Nationalliberale an die Sozialreform Bismarck's geknüpft haben, eitel sind.
Doch lassen wir weiter die Ziffern reden. Da ist Da ist Königsberg , wo 1881 für Bebel 248 Stimmen abgegeben wurden; heute marschiren die Sozialdemokraten 4649 Mann start auf und der Fortschritt hat um das ihm 4649 Mann start auf und der Fortschritt hat um das ihm bisher kaum ernstlich bestrittene Mandat in einem zweiten bisher kaum ernstlich bestrittene Mandat in einem zweiten Wahlgang mit ihnen zu ringen. Da ist Kassel , wo die
dem Bergpasse hinauf, wo zwei Fußsteige fich trennten; un willkürlich richteten sich die Augen des Dauphins und Mont Aynards auch dorthin, doch gewahrten Beide nichts. Ich sah es blizen droben, wie von Waffen," erklärte der Erzbischof. Mont Aynard stand rasch auf.
Eaßt uns weiter ziehen," ſagte er zu dem Dauphin, deffen Aufregang sich in seinem ganzen Wesen ausdrückte. Jest nur mein Ehrenwort, daß ich Euch die Wahrheit gesagt habe. Bald lege ich Euch das Kind an die Brust fte hat sich mir verlobt!" und werbe um Eure Busage
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Dir?" rief der Dauphin man wußte nicht recht, ob in Freude oder Groll. Und weiß sie wußtest Du?" Beide wußten nichts und erfuhren erst später Alles. Doch kommt, daß ich Euch Isaura wiederschenke! Im Sattel erzähle ich Euch Alles." Er gab einen kurzen Hornstoß, welcher das Gefolge aufzäumen hieß.
Dieser Hornstoß wurde aber noch ron Anderen vernom men, als denen er galt. Er hätte eine Warnung sein können, auf dem Wege schnell umzukehren, aber fte stußten nur einen Moment darüber und überredeten fich dann, daß er für ste feine Bedeutung haben könne.
Stolz und schön, wie nur ein Schloß auf gebietender Höhe fich darstellen mag, leuchtete Gardemont den Herren entgegen, welche nach langer, inhaltschwerer Unterredung endlich in seine Nähe gekommen waren. Mont Aynards Äntlig strahlte vor freudiger Aufregung; noch hatte er dem Dauphin nicht alles gesagt, was ihn droben erwarte; aber er hoffte davon nicht bloß ein Glück für ihn und sich, sondern auch für das ganze Land, denn es mußte den Dauphin aus der entnervenden Stimmung reißen, die ihn zum Stumpffinn zu führen gedroht hatte. Und diese Hoffnung theilte der ehrwürdige Erzbischof mit seinem jüngern Freunde. Dem Dauphin aber wallte das Blut ungeſtüm durch die Adern und Bild auf Bild rang fich mit diesen unruhigen Wogen durch sein Hirn, hell auf tauchend und wieder versinkend. Er sah das Turnier wieder, wo er des Grafen von Briançon Tochter zuerst erblickt hatte; er lebte die Stunden noch einmal durch, allzuflüchtig, aber jüß, wie Himmelsglück, und verstohlen, weil sein ftrenger Bater den Szepter noch hielt und jeden Gedanken an eine Verbindung seines Sohnes mit dem Kinde selbst des vor nehmsten Lehnsträgers bestraft haben würde: seine Schwiegertöchter fuchte er auf den Thronen Europa's ! Dann sah des Dauphins innerer Blid den Thurm im Gebirge, wo er seine Liebe vor Aller Augen verborgen hielt, den Nachforschungen ihres ergrimmten Baters spottend, welcher nur
sozialdemokratischen Stimmen sich verdoppelt haben, ein Gleiches gilt von Wiesbaden , in dessen Landkreis sie fogar verachtfacht erscheinen. Leipzig hat für Bebel 9600 Stimmen gegen 6400 im Jahre 1881 aufgebracht, Glauchau - Meerane , Bebel's alter Stammfiß ist von den Sozialdemokraten im ersten Anlauf zurückerobert worden, Mainz wird ihnen höchst wahrscheinlich in der Stichwahl zufallen und sogar Darmstadt ist gefährdet; von 1360 Stimmen haben sie es dort auf 4601 gebracht und den Fortschritt, der das Mandat besessen, aus dem Felde ge= schlagen. Aber auch das Centrum wird sich nicht rühmen fönnen, ein Bollwerk gegen das Wachsthum des Sozialismus zu fein; im heiligen Köln haben sich die Stimmen Bebel's gegen 1881 fast verdoppelt und demnächst in der Stichwahl zwischen Nationalliberalen und Klerikalen den Ausschlag zu geben. Man gehe die lange Reihe der Depeschen durch, überall dieselbe Erscheinung, überall Erfolge der Sozialdemokratie; von den so laut auspofaunten großen Siegen der Heidelberger und ihrer konservativen Bundesgenoffen ist dagegen noch Nichts bekannt. Gegen diese Koalition haben fich Freifinn und Demokratie in den Städten sowohl, wie auf dem Lande, soweit unsere Nachrichten lauten, faft überall siegreich behauptet.
Und endlich die Reichshauptstadt! Auch sie ist dem Zuge der Beit gefolgt, auch dort zeigen die Wahlrefultate den oben flizzirten Charakter. Im ersten Wahlbezirk ist erfreulicher Weise Löwe gegen Wagner Sieger geblieben, in diesem Kreis standen die Sozialdemokraten nicht in Konkurrenz. Dagegen haben sie den vierten Bezirk sofort gewonnen. Der sechste ist ihnen sicher und im zweiten und britten liegt der Ausgang der engeren Wahlen in ihrer Hand. Auch hier in den Ziffern dieselbe Erscheinung wie in Frankfurt . Im vierten Bezirk sind die sozialdemokratischen Stimmen um 11 000 gewachsen, die forschrittlichen um 6000 heruntergegangen, im sechsten Bezirk zeigt sich das Gleiche, ebenso im dritten. Die Antisemiten haben zwar keine Erfolge in Berlin gehabt, sind aber auch nicht zurückgegangen, Stöcker hat sogar noch ein Plus gegen 1881 erzielt.
Bei diesen flüchtigen Stichproben mag es heute sein Bewenden haben. Sie lassen erkennen, wer der Gewinner in der diesmaligen Wahllotterie ist. Für die Reaktion ist bis jetzt kein Treffer herausgekommen und die Heidelbergerei, die vom großen 2008 geträumt und gleich Meister Till mit diesem Glück geprahlt hat, fcheinen auch mehr Nieten als Glücksnummern in Rede gewesen zu sein. Was die Demofratie betrifft, so hat sie, abgesehen von der Frankfurter Niederlage allem Anschein nach sich nicht nur in ihrer bisherigen Stärke behauptet, sondern auch in mehreren Kreisen bedeutenden Zuwachs erhalten, in einigen sogar mit guter
die Schande, die sein Kind über ihn gebracht, in ihrem Blute zu löschen schnaubte, und auch alle Ritter verlachend, die einst um Beatricens Hand und Herz geworben hatten: Jacques von Vinay zumeift, der ihr Verlobter gewesen war! Als sich das Bild dieses edeln Mannes in Humbert's Erinnerung erhob, fühlte er Schmerz und tiefe Beschämung: Binay war dem rachedürftenden Vater, dem der Zufluchtsort seines verleiteten Kindes endlich verrathen worden, nachgeeilt, um ihn vor wilder That zu bewahren, ach! er war zu spät gekommen: in ihrem Blute fand er das unglückliche Weib, umheult von des Thurmwarts Frau und Schwester; der Vater war fort und hatte das kaum einjährige zarte Wesen, das keine Schuld trug vom Fehle seiner Eltern, mit sich ges nommen, wahrscheinlich, um es auch zu ermorden. Durch Gottes Gnade ward der Doppelmord ihm erspart: das Kind, es lebte ja und sollte bald an des Vaters Brust sinken! Bor diesem Gedanken erloschen die andern, welche Mont Aynard's Erzählung in ihm geweckt hatte: er vergaß, wie großmüthig Vinay an der unglücklichen Beatrice gehandelt hatte; er vergaß sein trauriges Ende, ja, der Moment war mächtig genug, ihm auch seines Knaben Tod, den er verschuldet hatte, mitleidig zu verschleiern!
Die Bugbrüde fant; am innern Thorwege standen zwei alte Männer, die Herren erwartend. Den Einen hatte Mont Aynard selbst herbestellt: es war der Thurmwart von der Tour sans venin; aber des Andern Gegenwart überraschte ihn. Sie da, Royan ?" rief er. ,, Bist Du glücklich und ohne An fechtung heimgekommen?"
Sehr glücklich!" sagte Royan , die Einreitenden ehr furchtsvoll begrüßend. Mit ben allerwichtigsten Briefen." furchtsvoll begrüßend. Und er langte aus seiner Tasche eine dicke Schriftrolle hervor.
Aber der Dauphin war vom Pferde gesprungen, aitternd, so daß jeder Moment für ihn Gefahr drohte. Mont Aynard verschwand mit ihm, ohne Royan anders, als durch einen stummen Wink zu bescheiden, im Portale, das nach dem Hauptgebäude führte. Der Erzbischof nahm die wohl versiegelten Schreiben in Empfang, während der Dauphin schon die verhängnißvolle Schwelle droben überschritt. Mein Kind, mein theures Kind!"
Bu seinen Füßen, bebend wie eine Blume im Gewitters Sturm, fant Saura; er hob fie an seine Brust, er hatte nur stumme Liebkosung für fte; all' seine Kraft schien zu zerrinnen, schwere Tropfen fielen auf aura's Lockenhaar es war ihm,
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als fönne er nie seliger sterben, als in diesem Augenblicke.