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Nr. 192.
Sonnabend, 15. November 1884.
1. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das ,, Berliner Volksblatt"
erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 3 Mark, monatlich 1 Mark, wöchentlich 25 Pf. Einzelne Nummern 5 Pf. Postabonnement pro Quartal 3 Mart.( Eingetragen im VIII. Nachtrage der Postzeitungspreisliste unter Nr. 719a.)
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Eine allgemeine Fabrikordnung.
An allen Ecken und Enden soll gegenwärtig an der Sozialen Frage " herumgedoktort werden. So schlägt man jegt in fonservativen Kreisen eine allgemeine, gefeßlich festgeftellte Fabrikordnung für ganz Deutschland vor.
Man stüßt sich dabei auf die letzten Berichte der Fabrilinspektoren, aus denen sich allerdings nachweifen läßt, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen vielfach die Fabrikanten durch die erlassenen Fabrikordnungen das Interesse sowohl als das Ehrgefühl der Arbeiter in herausfordernder Weise mißachten.
So behandeln von den 39 Paragraphen einer Fabrikordnung nach dem Bericht des Fabrikinspektors zu Arnsberg 23 Paragraphen die gegen die Arbeiter anzuwendenden Strafen! Diese Fabrikordnung räumt dem Direktor das Recht ein, Arbeiter und Meister sofort bei der Kündigung zu entlassen. Sie verpflichtet die Arbeiter zur Angeberei unter der Zusicherung, daß der Name des Angebers verschwiegen bleiben solle. Ja, es wird eine Strafe bis zu zehn Mark angedroht Demjenigen, der in einigen bestimmt angegebenen Fällen nicht denunzirt.
In einer Hamburger Fabrikordnung ist die Benutzung des Aborts während der zehnstündigen Arbeitszeit den Arbeitern untersagt.
Eine Insterburger Fabrikordnung verpflichtet die Arbeiter, das Arbeitsverhältniß ein Jahr lang innezuhalten, berechtigt dagegen den Fabrikanten, den Arbeiter in gewissen Fällen sofort oder ohne Anführung von Gründen nach vierwöchentlicher Kündigung zu entlassen.
Und ähnliche Fabritordnungen ließen sich noch zahlreiche nachweisen, welche die Bestimmungen der Gewerbeordnung illusorisch machen.
Man sieht, daß der Gedanke an eine allgemeine Fabrikordnung nahe liegt und daß eine solche selbst das Interesse der Arbeiter fördern könnte.
In der Schweiz ist man daran gegangen, Normativbestimmungen zum Schutze der Arbeiter gegen fittliche, Sanitäre u. f. w. Gefahren aufzustellen. Arbeit bis jetzt gebiehen ist, wissen wir nicht. Aber das ist Wie weit diese Wie weit diese denn doch etwas anderes, als eine allgemeine Fabrik ordnung.
regierung auf Einführung einer allgemeinen Fabrikordnung ein gesundes Essen, und wir glauben, daß eine solche Ordnung ebensoviele drakonische Bestimmungen gegen die Arbeiter enthalten würde, als die oben angezogenen Fabrikordnungen fie enthalten. Wo die Herren Windthorst, Ackermann und Kleift- Rehow in wirthschaftlichen Dingen zu bestimmen haben, da werden die Arbeiter noch mehr gedrückt, wie gegenwärtig.
Die Bedrückung würde dann nur verallgemeinert und in Bermanenz erklärt werden; auch diejenigen Arbeiter, welche gegenwärtig unter einer humanen oder gar keinen Fabrikordnung stehen, würden unter unleidliche Verhältnisse gebracht werden. Deshalb wünschen wir, daß wenigstens der nächste Reichstag mit der Berathung dieser Frage verschont bleibe.
Es wird, wie gesagt, die wirthschaftliche Reaktion so wie so schon Stoff genug vorfinden, um ihre Arbeit nach Herzenslust zu verrichten.
Wie heute die Sachen stehen, so würde uns ein gesetzliches Verbot von Fabrikordnungen überhaupt am Liebsten sein. Die übrigen Bestimmungen der Gewerbeordnung in Bezug auf die Fabritarbeiter dürften zur Regelung des Verhältnisses zwischen Arbeiter und Fabrikanten vorläufig genügen, wenigstens bis zu der Zeit, wo die Gesetzgebung zum Erlaß wirklicher Arbeiterfuggefete fich aufschwingen wird.
Politische Uebersicht.
Der Bundesrath genehmigte in seiner gestrigen Sigung zunächst den bekannten Nachtragsetat, betreffend die Anschaffung von zwei Dampfern für den Gonverneur von Kamerun . Die Vorlage, betreffend die Ausführungsbestimmungen der Literar tonvention mit Belgien , wurde zunächst den zuständigen Ausschüssen überwiesen. In die Berathung der Postdampfervor lage einzutreten, versagte fich die hohe Körperschaft vermuthlich, um erst dem Staatsrath, der gestern ebenfalls über diese Vorlage berieth, Gelegenheit zu geben, den preußischen Stimmen treffend den Ruhegehalt von Reichsbeamten, wurde genehmigt. die wünschenswerthe Direktive zu geben. Der Antrag, beSpesialetats angenommen. Die Grledigung der noch nicht in Desgleichen wurden die auf der Tagesordnung stehenden Desgleichen wurden die auf der Tagesordnung stehenden den Ausschüssen durchberathenen Etats des Reichsheeres und des Auswärtigen Amtes, sowie des Etatsgefeßes gedenkt man in einer, höchstens zwei noch vor dem Zusammentritt des Reichs
Auguft im Haag tagte, hat bekanntlich auch über die Gefahren
Auch wir sind der Meinung, daß noch verschiedene Gesetze zum Schuße der Arbeiter nothwendig find, dieselben tages abzuhaltenden Sigungen zu bewirken. aber in eine allgemeine Fabrikordnung zwingen zu wollen, bas tommt uns äußerst bedenklich vor, besonders bebentlich aber bei der heutigen Zusammensetzung des Reichstags, deffen Majorität uns mit Zwangsinnungen und Arbeitsbüchern beglücken will. Für diese Majorität wäre ein Antrag der Reichs- welche bei einer etwaigen Regelung der erwähnten Angelegen
Radbrud verboten.]
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Feuilleton.
Gesucht und gefunden.
Roman von Dr. Dur. ( Forseßung.)
Run is Deinerseits gehörig.," sagte ermunternd Habicht. ch will Dir das gute Beispiel geben. Der Wein erhöht die Freude des Fröhlichen, und der Wein tröstet den Traurigen. Geniße die Gottesgabe, Fris, nach ganzem
Appetit."
Sie verschlangen im eigentlichsten Sinn des Wortes die portrefflich zubereiteten Speisen mit einem Heißbunger, wie ihn waldes hervorzubringen vermag. nur ein achtstündiger Ritt durch den dicken Schnee des Hoch
fludes mit wohlgefälligem Murmeln:
-
Wir haben Wald.... Wir haben wüste Haidestrecken. hühner oder der Hecht in Angriff genommen wurde. Dann Wir haben Teiche," je nachdem die Rehteule, die Wildgriff er hinter sich an die Lehne seines Stuhles und brachte eine Flasche zum Vorschein. Frankreich . Auf Deine Gesundheit, mein Junge!" Wir haben auch Weinberge, Friz, aber diese liegen in Auf die Deinige, Bathe!" lichkeit lag auf ihren Gefichtern. Die Flammen knisterten, die Es war ein Genuß, die Beiden so zu sehen. Die Behag Gabeln flapperten, die Flaschen ergoffen sich unaufhörlich in ternacht heulte der Sturm seine grausigen Hymnen. Endlich war der Hunger der Beiden geftillt. Habicht füllte nun die Gläser von Neuem, hielt das seinige empor und sagte:
Auf die glückliche Genesung unseres gnädigen Herrn, des meine Junge, damit dieser unser Stoßseufzer Erhörung finde." Frig that es. Auf's Neue füllte Habicht die Gläser. Ein Wohlbehagen durchströmte das ganze Wesen der Belden, wie es nur glückliche Menschen zu empfinden pflegen, die nach
Der internationale Kongreß für Hygiene, der im verhandelt, welche der öffentlichen Gesundheit etwa durch den Transport und durch die Verarbeitung von Lumpen drohen und hat eine Kommission mit der Berathung dieser Frage be traut. Da es nun vor Allem die deutsche Papierindustrie ist,
cher er sein Bett erblickte, bestehend aus einem Lager platt auf dem Boden, mit einem Bärenfell als Decke. Im Hintergrunde dieser Nische bemerkte er eine Statue, die heilige Jungfrau Darstellend, in der Hand einen Kranz von noch unverweltten Blumen haltend. Das Ganze war durch Vorhänge halb geSchloffen.
Also, lieber Habicht ," fing Friz wieder an ,,, dieser Thurm ist erbaut von Donald, dem Wolf?"
,, Wie ich Dir fagte!" versette der Alte. ,, m, sonderbar!"
Dor?"
so
Wieso sonderbar?" Was kommt Dir dabei bedenklich
Ja, Du lieber Gott, der Name ist so seltsam und trifft eigenthümlich mit gewissen Erscheinungen zusammen, die mir aufgefallen find.
Nun, ich meine, an dem Namen ist nichts Sonderbares. Die Ritter legten fich ja, um ihre Namen noch furchtbarer zu machen, irgent einen Thiernamen bei: Richard der Löwe, Albrecht der Bär , und so hast Du auch Donald der Wolf."
Nun sage, behagt es Dir denn auf diesem einsamen Waldschloffe
Ganz und gar, mein Junge! Das Leben des Bergschotten, das eigentlich ein unaufhörliches Waidmannsleben ist, fagt mir gerade zu. Seit den funfzehn Jahren, welche ich hier meile, bin ich selber zum Schotten geworden, trop eines gebore. nen Hochlandssohnes. Dazu kommt, daß der gnädige Herr mich vor aller seiner Umgebung auszeichnet.- Mein Leben war von jeher ein wildes und unftätes. Der Habicht, welcher von Ort zu Ort gescheucht wurde, hat endlich in dieser Felsenburg ein behagliches Nest gefunden, und der Fittig des Adlers Donuil beschütt thn."
"
Aber die Einsamkeit, Bahhe!"
" Du baft Recht. Ich kam mir häufig so von aller Welt verlassen vorzu Anfang: seit ich Dich mein Junge, auch
nur auf englischem Boden wußte, feitdem ist es, als hätte ich hier einen lieben Angehörigen, und nun erft ist mir meine neue Heimath werth. Aber wie ist's mit Dir? Sehnst Du Dich nicht nach Deutschland zurüd?"
Nicht im mindesten! Was sollte mich da hinziehen? Für
langer, schwerer Arbei fich endlich sorgloser Ruhe hingeben. mich knüpfen fich an Deutschland nur trübe Erinnerungen; Frig warf fich in seinen Lehnstuhl zurüd und betrachtete jest bort starb mein Vater, von hartherzigen Verwandten in erst sein Zimmer näher. Es war eine ziemlich niedrige Wöl
den ich baffe."
bung in den Stein gehauen, wie eine Art maffiver Backofen. tönnte, als jener hartherzige Mann, der Einzige auf Erden, Die Höhe in der Bitte betrug höchstens fünfzehn Fuß. Im Hintergrunde bemerkte er eine geräumige Vertiefung, in wel
" Nun, vielleicht ist der alte Rodenburg nicht so schlimm,
heit am tiefften berührt würde, so hat sich der Verein Deutscher Papierfabrikanten an das Reichsamt des Innern mit dem Ersuchen gewendet, ihm bei einer Regelung der Frage betreffend die der öffentlichen Gesundheit aus dem Transport und der Verarbeitung von Lumpen erwachsenden Gefahren Gelegenheit zu geben, auch seine Wünsche und Bedenken in dieser Frage zum Ausdruck zu bringen.
Deftereich. Bischof Rudigier in Linz hat abermals gegen zwei Lehrer beim oberösterreichischen Landesschulrathe Klage wegen Gefährdung des fatholischen Glaubens durch ihre Lehren geführt. Sein Vorgehen findet Nachahmung. Das Leitmerizer bischöfliche Drdinariat hat nämlich an den böhmischen Landesschulrath eine Eingabe gerichtet, in welcher wegen eines im Jahresberichte des Kommunal- Ober- Gymnasiums von Brür er schienenen Aufsages Beschwerde geführt wird. Dieser Aufsat behandelt den Einfluß der französischen Literatur auf die große feffor Rebhahn. Das Drdinariat beanstandet den angeblich Revolution Frankreichs und stammt aus der Feder des Proirreligiösen und staatsgefährlichen Inhalt der Abhandlung. Es scheint, daß das Epistopat nach einer allgemeinen Barole vor geht und bemüht ist, das Aufsichtsrecht über die Schule, wel ches ihm die Gefeßgebung entzogen hat, auf einem Umwege wieder zu erobern.)
"
-In Ungarn müssen wahrhaft haarsträubenda Zustände auf dem Gebiete der Justiz vorhanden sein. Aus Anlaß einer Interpellation Emerich Hodoffy's erklärte der Justisminister gegen Ende des vorigen Reichstages, er habe dafür gesorgt, bag in Bufunft Fälle, wie derjenige, daß eine Person irr thümlich" Monate hindurch im Gefängniß vergessen werde, fich nicht wiederholen könnten. Seine Anordnungen beschränk ten fich darauf, daß die Verhaftungsdekrete fünftighin auf grünem, die Entlassungsdekrete auf rothem Papier ausgefertigt werden sollten. Troß der rothen und grünen Farbe find den noch wieder Personen aus Nachlässigkeit der Behörden widerrechtlich in den Gefängnißfen zurückbehalten wor den. So hat der Disziplinarsenat der t. Tafel am gestrigen Tage die Angelegenheit eines Bezirksrichters verhandelt, der einen unschuldigen Menschen vier Monate lang in Unterfuchungshaft vergeffen hat. Der angeschuldigte Richter gab an, daß der betreffende Gefängnißwächter den auf die Freilaffung des Untersuchungshäftlings bezüglichen Bescheid dem Kerfermeister nicht zugestellt habe. Der Disziplinarsenat sprach über den Bezirksrichter die Strafe einer Rüge aus. Ein
gefeßlichen Grund im Gefängnisse zurückbehält und dafür Richter, der einen Menschen vier Monate lang ohne jeden
eine Rüge!
Frankreich . Offiziell wurden gestern in Paris 85 Choleratodesfälle bei 360 Erkrankungen konstatirt. Die Polizeipräfeftur ordnete den sofortigen Ankauf aller öffentlichen Fuhrwerke an, die zum Transport der Cholerakranten requirirt worden find. Der Kabinetsrath sprach sich gestern Vormittag im Brin zipe für das Listen Strutinium aus. Ferry theilte dem Ministerrath Depeschen mit, welche melden, daß Gordon auf der Fahrt von Chartum nach Berber erschossen worden sei. Großbritannien . Die Agitation der schottischen Kleinbauern nimmt eine immer drohendere Gestalt an.
als man sagt. Hast Du kürzlich Nachricht von ihm erhalten."
Von ihm nicht; ich habe nur einmal einen Brief von ihm erhalten, nämlich denjenigen, in welchem er mich aufforderte, nach Deutschland zurückzukehren, und seine Reue aussprach über feine Sartherzigkeit gegen meinen Vater; zugleich bot er mir feine Hilfe an.
,, Und was hast Du ihm geantwortet?
,, Daß ich für seine Hilfe danke! Ich zürne ihm indessen schon weniger, denn meine Schwester Lucie schrieb mir erft vor Kurzem, daß er fie betrachte wie sein Kind. Sie lebt dort eben so einsam wie Du hier auf Schloß Donuil. Das Einzige, was ihr Leben dort zu trüben scheint, ist die Anwesenheit eines gewiffen Fräulein Amberg , das fich seit einigen Monaten in Rodenburg's Haus aufhält. Ich habe Lucie geschrieben, daß, wenn ihr im Mindesten eine Kränfung widerfährt, sie sofort das Haus verlassen und hierher kommen soll. Ich bin zwar arm aber dennoch theile ich gern mit meiner Schwester das Wenige, was ich habe."
,, Rodenburg hat einen Sohn, nicht wahr?" " Hatte einen Sohn!" Er hat vor Kurzem die traurige Nachricht erhalten, daß dieser Sohn gestorben ist.
Alle Teufel, Junge, so seid ihr ja die nächsten Erben! Und das Vermögen des Alten muß nicht unbedeutend sein."
" Ich zerbreche mir den Kopf darüber nicht. Verhungern werde ich auch ohne diese Erbschaft nicht; allein ich möchte wohl ein kleines Vermögen befißen."
Aha! Ich merke schon; man sehnt sich nach einem eige nen Hausstand. Nun, wer weiß, Friß, ob nicht Deine Anwesenheit hier zu Deinem Glüde ist. Hilfst Du dem alten Grafen, so ist Dein Glück gemacht. Sollte aber
Er vollendete nicht, denn hier erschütterte ein starker Stoß die Thür.
Achtes Kapitel.
Das Geräusch an der Thür war so unerwartet und so plöglich gekommen, daß Fris Rodenburg heftig erschrat. Der Stoß an der Thür wiederholte fich. Habicht horchte auf. Es ist ein Windstoß," meinte Frig. " Nein, das ist etwas Anderes. Hörst Du nicht das Kragen? Das ist mein Hund, der fich losgemacht hat. Sch öffne schon, Ajax," fügte er hinzu, indem er auffion. aufstand.
-
Er öffnete die Thür und eine ungeheure Dogge sprang thm entgegen, legte die Pfote auf seine Schultern und lecte ihm mit ihrer langen, rothen Zunge Bart und Wangen, und