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Beilage zum

Mr. 198.

Henry Stanley's Rede über Afrika .

R. Auf diesen fogen. schwarzen" Kontinent richten sich augenblidlich aller Blicke, soll doch die Kongo - Konferenz fich ringehend mit ihm beschäftigen. Einiges Aufsehen erregte so­mit natürlicher Weise eine Rede des bekannten Afrikareisenden Stanley, welche derfelbe in einer vom deutschen Kolonialver ein veranstalteten Versammlung hielt. Einige Kraftstellen Derfelben wollen wir hier unseren Lesern vorführen. Herr Stanley fagte:

Sch fam von meiner Reise durch Afrika nach Europa zurüd. Do, in Marseille , trafen mich Abgesandte des Königs der Belgier , die mich fragten, ob ich zurück wolle nach Afrika . ch? zurüd nach Afrika ? Und jetzt, abgespannt, aufgerieben, tootmüde? Nicht um die Welt!" Aber fie famen wieder, und inzwischen hatte ich ein gutes Beefsteat gegeffen, ein Glas Champagner getrunken, war im Theater gewesen, neue Lebens­lust, neues Kraftbewußtsein strömte durch meine Adern; da fagte ich, als fte thre Frage wiederholten, ich will mir's über­legen."

Herr Stanley schildert nun, wie er zunächst ein Buch über ben schwarzen Kontinent" schrieb, dann England und Deutsch­ land bereifte und schließlich im Jahre 1879 das Anerbieten des Königs der Belgier annahm, also wieder Afrika durch­forschte.

Im weiteren Verlaufe seines Vortrages bemerkt er bann, daß das Land reich an Gold, Silber, Eisen-, Kupfer­und Bleiminen, sowie an werthvollen Hölzern aller Art fei. Bum Schluß läßt er fich über das Alima wie folgt aus:

Das Klima, das gefürchtete, ist nicht so schlimm, wie man sagt, nur Maß muß man halten im Trinken von Spi rituosen. Ein Gläschen Wein, ein Gläschen Bier, ein Kelch Champagner zum Mittagstisch- wer fich damit zufrieden giebt, der mag zu uns kommen, dem wird das Klima Nichts Thun

berr Stanley mag es ganz gut meinen, allein er scheint nicht zu merken, daß es zweierlei ist, ob man als Reisender Afrila besucht oder als Kolonist fich dort niederlaffen will. Bereisen tann man auch den unaesundesten Theil der Erde, Das hält man aus, wenn man den Rathschlägen des Herrn Stanley, mäßig zu sein, in jeder Beziehung folgt. Ebenso fann auch der Kaufmann oder Plantagenbefizer unter einem ungefunden Klima leben, wenn er fich entsprechend einrichtet.

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Anders der Kolonist. Wer die Mittel besigt, seine Eristenz in der Heimath zu fristen, der wandert nicht nach Afrita aus. Diejenigen aber, welche mittellos fich dorthin begeben, tönnen gar nicht daran denken, ein Glas Champagner zu trinken, am allerwenigsten ist für fte der Rath, mäßig zu trinken, am Blaze. Unter dem tropischen Klima, welches doppelt fühlbar wird Durch Entbehrungen aller Art, geht selbst der robusteste Mensch in furzer Beit zu Grunde.

Es ist freilich leicht in einer Versammlung die Buhörer, und namentlich solche, wie ste der Kolonialverein in fich birgt, für Afrila zu enthusiasmiren: es klingt wunderschön, menn Don den mineralischen Reichthümern, von den herrlichen Wäl bern und sonstigen romantisch erscheinenden Einzelheiten ge sprochen wird. Aber rauh ist die Wirklichkeit.

Da fist der neue Kolonist in seiner Erdhütte, die außer ihm von noch sehr vielen lebenden Wesen und was für Wesenbewohnt wird. Ungeziefer aller Art laffen ihn Nachts nicht zur Ruhe tommen, Morgens erhebt er sich erfältet und matt vom schlechten Lager, die Früchte, welche er sich zum Effen bereitet, werden bei der primitiven Stocherei nur halb ge= nießbar, der Magen dadurch verdorben, das Fieber ist da und mit ihm tommt die Entkräftung. Das ist Wirklichkeit. Und fte ist nicht gerade verlockend.

Wir fönnen es daher nicht über uns gewinnen dieser rauben Wirklichkeit ein glattes Mäntelchen umzuhängen. Es wird uns nicht einfallen die Verdienste des Forschers Stanley irgendwie schmälern zu wollen, aber vorläufig ist das tropische Aftita für unbemittelte Deutsche nicht zu empfehlen.

179300

Der erste Schnee.

Von Franzista von Rapff Essenther. Den ganzen Tag war der Himmel grau verbangen ge wesen. Jegt, es ging gegen Abend, hatte sich der scharfe Nord­weft gelegt und die Luft füllte sich mit feinen Eisnadeln und Eispünktchen, die fich prickelnd auf die Nase festen, man wußte nicht wie und woher. Nach und nach wurden die Eisfläumchen größer, es wurden richtige Floden daraus, die zögernd durch Die graue Luft taumelten Der erste Schnee!

Die Kinder in den Straßen jubelten. Die großen Leute traten an die Fenster und vor die Thüren und betrachteten Den ersten Schnee. Auf den Wagendächern lag er schon wie ein weißer Schleier auf den Trottoirs zerfloß er zu feuchter, Dunkler Näffe.

Die Dämmerung fant grau und plöslich herab. Ganz leise und sanft, bei unbewegter Luft schneite es fort.

Berliner Volksblatt.

Sonnabend, den 22. November 1884.

Lokales.

h. Wie viel Jammer und Elend die polizeilichen Aus­weisungen auf Grund des sogenannten Sozialistengesetzes und ,, kleinen Belagerungszustandes" im Laufe der legten sechs Jahre schon über so manche plöglich ihres Ernährers und Ober­hauptes beraubte arme Familie gebracht, wie viel Eristenzen fie zerrüttet und wie viel häusliches Glück fie zerstört haben mögen, wird sich leicht Jeder, mit den Verhältniffen der dabei hauptsächlich in Betracht kommenden Bevölkerungsklaffen nur einigermaßen Vertraute vorstellen können. Doch dringt davon in der Regel über den engeren Kreis der Freunde, Berufs­und Gesinnungsgenossen der Unglücklichen nur wenig mehr, als höchstens eine schwache Andeutung hinaus; das große Publikum und besonders die bessere Gesellschaft" erfährt so gut wie Nichts davon. Umsomehr dürfte es daher die Pflicht der unabhängigen, freimüthigen Bresse sein, einzelne, zu ihrer Kenntniß gelangte, derartige traurige Vorkommnisse ihrem Leser­Treise mitzutheilen. Ueber einen solchen Fall, der den am 15. v. tts. von hier ausgewiesenen Maurer Conrad, sowie deffen Familie betrifft, und der, obwohl recht betrübender Natur, doch noch bei Weitem nicht zu den traurigsten jener Art gehört, erfahren wir soeben aus zuverlässiger Quelle, daß die hier einstweilen mit den drei, im Alter von 8, 3 und 1%, Jahren stehenden Kindern zurück­gelassene Frau des Ausgewiesenen, welche sich seit einigen Monaten abermals in gesegneten Leibesumständen befand, ohne Zweifel in Folge der ihr durch die Trennung von ihrem Manne verursachten Gemüthserschütterungen, Sorgen und größeren Anstrengungen am 7. d. M. von vorzeitigen Geburtswehen überrascht und unter größter Lebensgefahr von einer Frühge­burt entbunden wurde. Hierbei soll der schließlich noch glück­liche Verlauf der Entbindung nur einem besonders glücklichen Umstande, sowie der Geschicklichkeit und außerordentlichen Sorgfalt des betreffenden Chirurgen und Oberarztes der Kgl. Charité zu verdanten gewesen sein. Aber noch nicht genug mit dieser einen Sichicfalsprüfung,- es sollten ihrer bald mehr - es sollten ihrer bald mehr werden. Kurze Zeit darauf, als die Mutter noch im Wochenbette lag, erkrankten auch die Kinder, Die jezt der gewohnten sorgsamen mütterlichen Pflege und Aufsicht entbehrten, an den Masern und an Lungenentzündung. Die neue Unglücksbotschaft erreichte den bekümmerten Familien­vater an seinem derzeitigen unfreiwilligen Aufenthaltsorte, Halle a. d. S., am 15. d. M Ein von ihm sofort an das biefige Polizeipräsidium gerichtetes Gesuch um einen furzen Urlaub nach Berlin an den häuslichen Heerd der erkrantien Familie wurde von Herrn von Madai mit anzuerkennender Humanität ohne Weiteres bewilligt und schon am Abend des 16. d. M. weilte Herr Conrad wieder inmitten der Seinigen, über deren augenblickliches Befinden wir Näheres noch nicht in Erfahrung bringen konnten. Der gewährte Urlaub soll sich auf etliche Tage erstreden.

Anläßlich der angeblichen Aeußerung des Fürften Bismard, bezüglich der vielen verloren gehenden Briefe, daß das Dasein der Briefmarder ein wahres Glück für die Post­tassen sei, da sonst kein Mensch einen Brief deflariren würde, wollen wir hier im allgemeinen Interesse mittheilen, in welcher Weise die Briefmarder das Vorhandensein von Briefen zu er­mitteln suchen. Vermuthet nämlich ein Briefmarder Papier­geld in dem zu spoliirenden, nicht deklarirten Brief, so durch­fucht er den letteren mit einer feinen Nadel, so daß der etwa Darin befindliche Geldschein gleichfalls durchlöchert wird. Hier auf sucht er durch Schütteln und Nüden des Briefes die in demselben befindliche Banknote aus ihrer Lage zu verschieben. Hält der Briefmarder sodann den Brief gegen das Licht, so wird er an der mit der Nadel durchlöcherten Stelle des Briefes den bläulichen Schein der Banknote erkennen und hierauf sich den Brief aneignen.

T, Der Schneefall am Donnerstag Abend erzeugte in unseren Straßen eine für Pferde und Führwerksbesitzer höchst gefährliche Glätte. Am Moripplag lagen zu gleicher Beit Drei gestürzte Pferde am Boden, die fich aus eigener Kraft nicht

Verspäteten. Ganz langsam schritt er durch die stillen Gaffen Der entfernten Borstadt zu, wo feine Wohnnng lag.

Der Schnee lag jegt in leuchtend weißen, unberührten Feldern auf Straßen und Blägen, nur hier und da von dun­feln Wagengeleisen und Fußtritten untei brochen. Der Himmel batte sich gelichtet und der Mond schimmerte durch weißliche Nebel. Die bleiche stille Dämmerung, welche der halb vers hüllte Mond und das matte Schneelicht hervorbrachten, hatte etwas Gespenstisches.

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Edmund war still und athmete schwer. Was ihm der erste Schnee zu seinen Füßen da sagte: Weihnachten für seine Rin­der- Holz, Kohle, Winterkleider lange, stille Hausabende bei einer bescheidenen Petroleumlampe im Kreise seiner Fas milie und hinter ihm wie eine andere Welt Das fremde, pruntende Hotelzimmer, die schöne Freundin, die ihm zuflüstert, seine Roffer zu packen, ihr zu folgen, ein Künstler sei überall daheim! Es zieht, es lodt ihn, diesem Rufe zu folgen. Und da beschlich ihn doch wieder heimliches Web beim Anblick dieses ersten Schnee's, der ihn an seine Häuslichkeit, seine Familie Er sieht die fröhlichen Gefichter seiner Kinder vor fich: Frig jubelt gewiß über den Schnee; er ist so wild, Schneeball werfen, Schlittschuhlaufen, das find seine Freuden. Und die beiden kleinen Mädchen, fte dachten gewiß an das Christkind. Und wo war indeß ihr Vater?

In einem eleganten Restaurant der Radialstraße war eben eine fleine Gesellschaft der Lebewelt, zum großen Theil erinnert. einem Diner aufge­aus Schauspielern bestehend, von ftanden.

Eine schöne junge Schauspielerin, die eben im Begriffe war, ein Engagement in. anzutreten, feierte hier ein tleines Abschiedsfest. Man war im Begriff, den Kaffee zu nehmen und plauderte im Flüsterton, weil ein Künstler am Klavier faß und Nocturnen von Chopin spielte. Nur Eine fchien mit ganzer Seele dieser frankhaft füßen, unergründlich webmuthvollen, sehnsüchtigen Musik zu lauschen die beldin des Abends. Der Mann am Klavier hatte den Blick so feft, so ausdrucksvoll auf sie gerichtet, als spräche er in den Zönen etwas ganz Bestimmtes zu ihr. Sprache zu verstehen. Der Mann mochte über die erste Jugend hinaus sein. Aber sein dunkles Auge strömte Leidenschaft aus, eine bleichen, bartlofen Büge waren voll ausdrucksvoller Lebendig­feit und das dunkle, wallende Lodenhaar gab ihm einen jugend lich- romantischen Anstrich.

Sie schien die

Jept erhob er fich und trat zu dem schönen Weibe. Dieses hatte den Fenstervorhang geöffnet: Es schneit. Schneit!"

es

Wir blidten hinaus. Man sprach von der Eissaison, von Den Wintermoden und Winterstoffen, endlich vom Weih­

nachtsfeft.

Der Mufiler blidte eigenthümlich starr hinaus in das weiß liche Flodengewirbel.

Woran denkst Du?" flüsterte die Schöne unruhig. An meine Kinder," sagte er dumpf.

bist ein Künstler, Edmund!"

Beim Himmel- Du mußt- must frei werden- Du

Die Gesellschaft trennte fich spät. Die Damen waren früher gegangen, die Herren hatten noch ein Spielchen gemacht. Auch Edmund, der Muftler, gehörte zu den Legten, den

1. Jahrgang.

zu erheben vermochten und so nicht bloß den Pferdebahnver febr, sondern auch den übrigen Wagenverkehr erheblich beein trächtigten. Noch schlimmer sah es an den Holzbrücken cuf dem Dranienplatz und in den älteren Stadttheilen aus. Die in der Mitte fpig in die Höhe gehenden Brücken- Slappen find bei solchem Wetter für beladene Fuhrwerke fast unüberwind­liche Hindernisse und die Verkehrsstörungen würden dort fein Ende nehmen, wenn nicht der Berliner ein allezeit hilfsbereiter Mensch wäre. Versagen dem Gaul beim Anfahren auf eine Brücke die Kräfte, flugs find zahlreiche Hände bereit, den Wagen zu schieben; Schußmann und Dienstmann greifen zu, und neben dem herkulischen Bierfahrer, der seine mächtige Schulter gegen die Rückrand des nothleidenden Fuhrwerks stemmt, stellt sich ein zierliches Männchen und drückt ebenfalls so gemaltig gegen den Wagen, als wollte es seine spiße Achsel in denselben hineintreiben. Geht dann der Wagen von der Stelle, so blickt der kleine Herr mit einem so selbstbewußten Geficht xmber, als hätte er das Werk ganz allein vollbracht. Einen eigenthümlichen Anblick gewährten die reitenden Beamten der Pferdebahn, welche gegen 7 Uhr den einzelnen Wagen mit je einem Reserve Pferde entgegenritten. In den Depots hatte man nicht bloß alle disponiblen Pferde, sondern auch eine größere Anzahl fremder Pferde, soviel man in der Eile von ihren Befigern hatte miethen fönnen, eingestellt, und es muß anerkannt werden, daß der Pferdebahn- Betrieb trot des widrigen Wetters ein ziemlich prompter mar.

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r. Die Salzmaschine wurde am Donnerstag Abend ein neuer, auf einzelnen Pferdebabnstreden in Anwendung ge brachter Apparat nom Berliner Publikum getauft, der zu dem 3wede fonstruirt ist, den Schnee von den Geleisen zu ent fernen. Ein auf den Schienen fahrender Wagen enthält in seinem hinteren Theile eine ziemlich umfangreiche Trommel, in welcher sich eine Reibewert befindet, das mittelft einer Kuibel in Bewegung gefegt wird. Von dem unteren Boden der Trommel führen zmei Röhren dicht hinter je eines der Hinter Räder des Wagens und streuen bier ein in der Trommel zer­riebenes, start falzhaltiges Pulver auf die Schienen, welches sofort den darauf liegenden Schnee zum Schmelzen bringt. Wenn der Apparat torreft funttionirt, so fann der Wagen mit der gewöhnlichen Schnelligkeit eines Pferdebahnwagens die Strecke zurücklegen und längs derselben das Pulver ausstreuen. Freilich ging die Sache am Donnerstag nicht so glatt. Die Höhren verstopften sich wiederholt und machten so wiederholt Unterbrechungen der Fahrt nöthig.h

-Wie die Voff. Zta." aus guter Quelle erfährt, hat die gesammte medizinische Fakultät der hieftgen Universität in einem Schreiben an den Profeffor Schwenninger, auf Grund seiner ihrer aftenmäßig bekannten Münchener Vergangenheit, fich deffen gesellschaftlichen Umgang verbeten.

Ein in feiner Art einzig dastehendes Zigarren geschäft befindet sich seit einigen Tagen in dem Laden des Hauses Kochstraße 38. Industrie der Berliner Stadtmission" fteht auf dem großen Firmaschild zu lesen, und diese Bezeich nung wiederholt sich auf allen im Schaufenster qualiegenden Waaren. Ta sieht man Rauch, Kaue und Schnupftabat der Stadtmisfion ausgestellt, Stadtmissions- Bigarren undBigarretten, Tabakspfeifen und Bigarrenspipen 2c. Weiter findet man dort, vermuthlich zur Pflege und Aufbesserung des Patriotismus, Kaiser- Wilhelms, Kronprinz- und Prinz Wilhem- Bigarren, die in Risten mit den Bildnissen der Genannten verpackt find. Dann giebt's auch eine Kanzler- Bigarre mit dem Bilde Bismard's und dem Verslein: Was Deutschland geträumt, gehofft und gedacht, der eiserne Kanzler hat's wahr gemacht." Andere Bigarrensorten tragen Darstellungen der Wacht am Rhein, der Germania 2c. Ein bischen starfer Tabat!

a. Ein in der Friedensstraße vor dem Ashl für Ob­dachlose Posten stehender Schußmann bemerkte am 18. d. M. Abends einen jungen Mann, welcher ein Packet unter dem Arm tragend, die Friedensstraße in der Richtung vom ehem. Frankfurter Thore nach dem Landsberger­Platz zu ging. Als der Unbekannte des Beamten anfichtig wurde, warf er das Packet von sich und ergriff die Flucht,

Blößlich faßte er eine Scheere, trat vor den Spiegel und schnitt sich eine Locke vom Scheitel.

Es war geschehen!

Und wie er jegt in den Spiegel starrte, als erschräte er vor seinem eigenen bleichen Antlig! Er sab sich nicht mehr allein. Eine Frauengestalt stand hinter ihm, im einfachen Hauskleid, ein freundliches, ein wenig verschlafenes Antlig.

Da bist Du ja, Edmund," sagte sie unbefangen. ,, Eure Gesellschaft dauerte lang. Jh legte mich angekleidet auf's Bett und schlief ein bis jetzt Dein Schritt mich weckte." Sie bemerkte jept die abgeschnittene Lode, seufzte ein wenig und fuhr in befümmertem Tone fort:

Schon wieder eine Locke, Edmund? Deine Schülerinnen schwärmen für Dich, ich weiß es. Aber behaglich ist Deiner Frau nicht dabei, weißt Du? Diese Locke- fie ist gewiß für die Schauspielerin, zu deren Abschiedsfest Du heute ge laden warst!" Sie schwieg wieder eine Weile, während er abs gewendet dastand und auf das mondbeschienene Schneefeld hinausblickte... Nun will ich Dich doch auf etwas aufmert­fam machen. Du hast's vielleicht noch gar nicht bemerkt," fuhr fte noch immer freundlich, aber ernst fort. Sieh einmal Deine Locke an da liegt auch der erste Schnee da find

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schon graue Haare drin. Nimm ste heraus, bevor Du die Locke verschenfit!"

Er war herangetreten und blickte erschrocken auf das kleine, dunkle Haarbüschelchen, durch welches sich einzelne Silberfäden schlängelten. 29

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Als wollte der einsame Wanderer seinen eigenen Gedanken entfliehen, so rasch schritt er jest weiter. Aber er fonnte ihnen nicht entgehen, Da stand er schon vor seinem Hause. Die Fenster seiner Wohnung waren dunkel, es mochte Alles schlafen. Graue Hoare ich habe graue Haare!" murmelte er. Das war gut für ihn in dieser innerlich wildbewegten Stunde. Er öffnete leise mit seinem Schlüssel, durchschritt sachte ein vom Die Frau fämpfte fichtlich gegen eine aufsteigende Rührung. bleichen Montesdämmer erfülltes Gemach, in dem drei Kinder­Gräme Dich nicht, lieber Mann, das muß ja so kommen wie der erste Schnee draußen lommen mußte. Nun freilich bettchen standen unb der fanfte, regelmäßige Athem der Kinder hörbar wurde. Dann betrat er sein Arbeitszimmer und machte Der Schnee auf Deinen schönen Haaren schmilzt nicht mehr Licht. An Schlaf vermochte er nicht zu denken, so leichtlebig Hübsch und interessant bleibst Du deswegen weg er sonst war. Aber das große Dilemma drängte ihn unmittel doch." Sie blickte ihn eine Weile forschend an. Er hielt seine Locke in der Hand und murmelte nochmals: ,, Graue Haare bar zu einem Entschlusse. Seine schöne Freundin hatte ver morgen früh langt, er solle ihr morgen graue Haare!" eine Locke feines Haares senden, zum Beichen, daß er ihr angehöre, daß er ihr folgen würde. Noch vorhin unten in der Straße- schien es ihm möglich, zu thun, was fie verlangte. Und jest schien ihm das enge, einfache Heim mit seinen Pflichten, seiner stillen Einförs migkeit, seinen brängenden Sorgen so unmittelbar bedrückend, daß er meinte, es nicht mehr erfragen zu können. Er war ein Rünstler, er bedurfte der freien Bewegung, es war Pflicht gegen fich selbst, fich zu befreien.

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Er schritt im Zimmer auf und nieder, im raftlosen Seelens tampfe. Die Lampe brannte trübe, draußen flimmerte der Mond auf der leuchtend weiß beschneiten Dachfläche, die Nacht war so still und sein Herz so laut. Es muß ein Ende wer Den

Die Frau sprach mit stodender Stimme: Das hat weiter nichts auf sich. Wie gesagt, Edmund Doch bedente Gines: Wenn draußen der erste Schnee fällt, so denkt wohl Jeder: Jezt ist es gut zu Hause sein im häus lichen Kreise. Dente auch Du: Der erste Schnee ist da, ich will nun zu Hause bleiben."

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Du hast Recht," sagte der Mann leise. Noch zögerte er eine Weile, dann riß er seine Frau an sich und umarmte fie zärtlich.

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Nimm Du die Locke," sprach er leise, diese Lode mit den grauen Haaren. Und wenn es nöthig werden sollte, so zeige mir dieselbe nur. Doch ich glaube, es wird nicht nöthig sein!"