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Sonnabend ,, 6. Dezember 1884.
I. Jahrg.
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Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das ,, Berliner Volksblatt"
fcheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 f. Binzelne Nummern 5 Pf. Postabonnement pro Quartal 4 Mart.( Eingetragen im VIII. Nachtrage der Postzeitungspreisliste unter Nr. 719a.)
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ie Fortschrittspartei und die Arbeiter.
Dic
Die bekannte Aeußerung des verstorbenen Führers der schrittspartei, des Herrn Schulze- Delizich, daß die Arter fich nur um ihre wirthschaftlichen Verhältnisse und tum die Politik zu fümmern hätten, bezeichnet genau Stelluna, welche die Fortschrittspartei, vulgo deutschifinnige Partei zu den Arbeitern eingenommen hat und jezt noch im Wesentlichen einnimmt. Herr Schulze te dann noch schmunzelnd hinzu, daß die Fortschritttei die politischen Geschäfte der Arbeiter prompt abdeln werde.
In den größeren Städten Norddeutschlands fand diese eorie des verstorbenen Fortschrittlers vielfach Anklang, Don die Gewerkvereine ber Herren Hirsch- Duncker Zeugniß egen. Herr Dr. Max Hirsch trat in die Fußstapfen des n Schulze und ließ sich von der Fortschrittspartei mehrin den Reichstag wählen, um nun als Mitglied der Fort rittspartei die politischen Geschäfte seiner Arbeitervereine zu besorgen. Nachdem die Fortschrittspartei den sozialen tor" aber hat fallen lassen und keine Aussicht vorhanden ist, bas brave Märchen jemals wieder zu Gnaden angenommen lamentirt das Drgan desselben, die Freie Zeitung". über, daß die Fortschrittspartei immer die ihr nahe enben Arbeiter vernachlässigt habe.
Niemals habe die Berliner Fortschrittspartei einem äßigten, Hirsch- Dunderschen Arbeiter einen Stadtver netenfit, einen Abgeordnetensiz oder gar einen Reichsfig angeboten und zuertheilt. Und nun seitdem eine ene Arbeiterpartei entstanden, feien Arbeiter ben Stadtverordnetenversammlungen und Parlamenten
anben.
Fühlt aber das Organ des Dr. Max Hirsch nicht, e Selbstantlage in obigen Aeußerungen liegt? 1 Weshalb haben sich denn die Arbeiter der„ Gewerkeine" immer von der Fortschrittspartei ins Schlepptau men lassen? Weshalb haben sie sich von Dr. Mar fortwährend irre leiten lassen? Weshalb sind diese
beiter nicht selbstständig aufgetreten?
nfelbstständige Arbeiterparteien haben aber lein Recht zur felbstständigen Vertretung in den lamentarischen Körperschaften.
Man wird uns erwiedern, daß unselbstständige Arbeiter leien selbstständig werden können.
"
Gewiß! Aber die Gewerfvereine" unter der Leitung Herrn Hirsch werden niemals selbständig werden. Sie mit eifernen Retten an die sogenannte Selbsthülfe" Herrn Schulze gebunden, sie können von dem Hasse der talen Schule gegen jede Staatsintervention in ArbeiterBen sich nicht emanzipiren und gehen deshalb in dieser
Wad verboten.
Heuilleton.
Gesucht und gefunden.
Roman von Dr. Dur.
( Forserung.)
Und doch wünschte ich, daß Lucie zurückkehrte. Sie gen Recht haben, daß sie undankbar ist, sie hat aber Ursache, mir zu zürnen.
Sie hat mich freilich ge=
ht; ich habe aber nicht untersucht, ob Leichtsinn oder Her Wille Veranlassung war. Ich war zu heftig gegen fie
wenn ich sie zurückrufen fönnte, ich würde es thun würde sie um Verzeihung bitten; mein Gewissen hat s nicht Ruhe."
Ders
Das wäre Schwäche, lieber Freund! Sie treiben Ihre muth zu weit."
Es ist einmal eine innere Stimme, die mich dazu gt. Wenn ich nur ihren Aufenthalt wüßte." Wer weiß, ob sie nicht gar mit einem Entführer das gegangen ift," antwortete Amberg . Einem Mädchen lo falschem Herzen ist Alles zuzutrauen!"
"
11
Mein Freund," versette Rodenburg, ohne die neue Dächtigung zu beachten ,,, wäre es Ihnen nicht mög
ben
Aufenthalt Lucie's zu ermitteln?"
Ich glaube nicht, daß mir das möglich wird; indeß Derde es versuchen, wenn Sie meinem Rathe, sie ihrem djale zu überlassen durchaus nicht folgen wollen. Um en gefällig zu fein, thue ich Alles. Ich werde nach Aufenthalt forschen und werde sie bewegen, in dieses
zurückzukehren."
Thun Sie das! Sagen Sie ihr, daß ich ihr verbaß es mir leid thue, so heftig gegen fie gewesen zu Sagen Sie ihr, daß ein alter, einsamer Mann ste en Tagen seines einsamen Lebens zu sein, sagen zu ihm zurückzukehren, um ihm ein Trost in den Er wurde unterbrochen durch den Eintritt Charlottens, Se den Brediger Wilhelmi anmeldete.
ihr."
Ei, Wilhelmi! Er ist mir willkommen," sagte der Herr mit sichtlicher Freude.
öden Anschauung der wirthschaftlichen Verhältnisse langsam, aber sicher zu Grunde.
Die Gewerkvereine können so lange keine selbständige Partei werden, als sie an ihren Rechnungs- und Rassentünstlern, an dem Dr. Mar Hirsch und seinen Gehülfen festhalten. Diese Herren haben sich nun einmal in den liberalen Anschauungen völlig verrannt; sie sind auch so fehr in ihre Stellen verliebt, daß es allzuschwer für die Gemertvereinsarbeiter ist, diese Herren abzuschütteln.
Es ist männiglich bekannt, daß Dr. Max Hirsch trotz feiner Rellamemacherei und troß der Lobhudelungen, die er fich in feinen Drganen gefallen läßt, bei den Arbeitern selbst nichts weniger, als beliebt ist. Nur seine Beamten sind und bleiben ihm ergeben. Und diese wissen auch, warum,
Wenn nun von Seiten der Gewerkvereinsoorstände alle Hebel in Bewegung gesezt worden sind, um endlich einmal von der Fortschrittspartei den bewußten, gemäßigten Arbeiter" als parlamentarische Größe zu gewinnen, so Arbeiter" als parlamentarische Größe zu gewinnen, so wußten sie wohl, welche Art von Arbeitern dieser Arbeiter" repräsentiren solle. Dr. Max Hirsch soll einfach in seinem Rassento llegen, dem Porzellanarbeiter" Herrn Bey im Reichstage wieder aufleben. Die Forts schrittspartei hat nun sehr gern ihre Zustimmung zur Aufstellung des gemäßigten Arbeiters", des Herrn Kaffenbeamten Bey im VI. Berliner Reichstagswahl freise gegeben, da sie diesen Kreis als aussichtslos für die Partei schon aufgegeben hat und weil durch die Kandidatur des Herrn Bey sich diese Aussichtslosigkeit nur noch steigert.
-
So ist das Verhältniß der Fortschrittspartei zu den gemäßigten Arbeitern."
Doch auch die Arbeiter im Vl. Berliner Wahlkreis selbst haben Stellung zur Arbeiterkandidatur" Bey zu nehmen.
Dazu ist nur zu bemerken: Wer sich für Herrn Bey entscheidet, stimmt im Grunde genommen für Herrn Dr. Mar Hirsch. Somit wäre es doch besser, letteren selbst als Kandidaten zu nominiren, da immerhin der Meister mehr versteht, als sein Gehülfe.
Wer aber sich für Dr. Mar Hirsch nicht ententscheiden kann, der darf auch nicht für seinen der darf auch nicht für seinen Rasienkollegen Bey stimmen:
Der Arbeiter Pampel hängt eben beiden Herren an den Rockschößen.
Politische Webersicht.
Die in letzter Zeit häufigen Unfälle auf preußischen Eisenbahnen, welche zum Theil sehr beflagenwerthe Folgen hatten, sollen dem Ergebnis einer stattgehabten Untersuchung zufolge durch strafbare Leichtfertigkeit und unverantwortliche
Amberg war durch diesen Besuch weniger angenehm berührt. Sein Mund verzog sich, und seine Stirn legte sich in verdrießliche Falten.
Rodenburg reichte dem jungen Prediger die Hand und lud ihn freundlich ein, Platz zu nehmen.
Wilhelmi grüßte Amberg sehr falt und heftete einen langen. mißtrauischen Blick auf ihn.
Ich fomme," wandte er sich dann an Rodenburg, ,, um mit Ihnen von Ihrer Nichte, Lucie Rodenburg, zu sprechen."
Von ihr!" rief der Alte lebhaft. Ich sprach soeben mit meinem Freunde, Ihrem Amtsbruder Herrn Amberg, von ihr."
Ja wohl! Wir sprachen von ihrem Undant," sagte dieser, und von dem Verbrechen, dessen sie sich hier schulbig machte."
Von dem Verbrechen, dessen sie hier beschuldigt wurde, will ich ebenfalls sprechen," sagte Wilhelmi. Man hat sie der Unterschlagung beschuldigt. It's nicht so, It's nicht so, Herr Rodenburg?"
,, Es Es ist leider so! Sie ist vielleicht durch Leichtsinn oder Pugfucht und dergleichen verführt!"
Möglich," fagte Wilhelmi; wahrscheinlicher aber ist, daß sie ganz unschuldig ist."
,, Ganz unschuldig?! rief Rodenburg, indem er schnell fein Antlig auf den Sprecher richtete.
,, Ganz unschuldig?" wiederholte Amberg spöttisch. ,, Können Sie ihre Unschuld beweisen?"
Was
Bum Theil!" versette Wilhelmi sehr ruhig. war es, Herr Rodenburg, dessen sie beschuldigt wurde?"
Es handelte sich zuerst um eine kleine Summe", sagte diefer. Ich glaube, es waren vierhundert Thaler, welche an der Wirthschaftskasse fehlten, und dann um eine Summe von fünfhundert Thalern, welche ich ihr zu Weihnachtsgeschenken für Arme eingehändigt hatte."
,, Und diese Summe?..."
Wilhelmi.
Sat bic an einem
Nachlässigkeit untergeordneter Organe in Handhabung befiehender Vorschriften herbeigeführt worden sein. Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat daher, wie offiziös mitgetheilt wird. um das Bewußtsein der schweren Verantwortlichkeit zu schärfen dienstes betrauten Beamten zu steigern, Veranlassung genom und das Pflichtgefühl der mit Wahrnehmung des Sicherheitsmen, mit besonderem Nachdruck auf die Strafbarkeit pflichtwidrigen Verhaltens hinzuweisen und den Eisenbahnbehörden aufzugeben, mit voller Strenge gegen die Schuldigen einzuschreiten. Gleichzeitig find von ihm die geeigneten Anordnungen getroffen, um die genaueste Handhabung der für die Sicherheit des Betriebsdienstes bestehenden Vorschriften streng zu über vachen und nach Möglichkeit sicher zu stellen. Auf diese Weise soll eine größere Bürgschaft dafür erzielt werden, daß die Beamten alle Vorschriften, welche sie zu beachten haben, richtig verstehen, den Zweck derselben fennen und mit ihrer Handhabung genau vertraut find, ungeeignete Beamte aber alsbald durch beffere erjezt werden. Wir wollen uns durchaus nicht der Ansicht verschließen, daß ein Theil der Unglückss fälle auf Pflichtverletzung der untergeordneten Organe" zurückzuführen ist; allein andererseits ist es eine allgemein bekannte Thatsache, daß die Beamten oft mit dem besten Willen nicht im Siande find, die Instruktionen genau zu befolgen. Jeder Reisende hat fich oft genug z. B. bei den Schaffnern davon überzeugen fönnen. Es wird unserer Ansicht nach absolut nothwendig sein, daß die Dienststunden der Eisenbahnbeamten gekürzt werden, damit dieselben während der Dienstſtunden nicht erschlaffen und dadurch die nöthige Vorsicht außer Acht laffen.
Im Prüfungsjahr 1883-84 sind im Deutschen Reiche approbirt 771 Aerate( 1882-83 692, 1881-83 669, 1880 bis 1881 556), 22 Bahnärzte( in den Vorjahren 25, 25 bezv. 16), 92 Thierärzte( 95, 121, 57), und 393 Apothe.,( 315, 327 und 259). Davon tommen auf Preußen 336( im Borjahre 327) Aerzte, 19( 13) Bahnärzte, 57( 55) Thierärzte und 184. ( 139) Apotheker. Die große Sunahme der approbirten Aerzte tommt zumeist auf Bayern , wo 249( im Vorjahre 188) Arjte ihre Approbation erlangten. Wenn man erwägt, daß Bayern noch nicht den fünften Theil der Einwohner Preußens zählt, erscheint die Zahl der dort approbirten Aerzte ganz außer ordentlich hoch. Auch die Zunahme der jährlich approbirten Apotheker im ganzen Reich( seit 3 Jahren um 134 oder 52 pt.) ist beachtenswerth.
Das Reichs- Versicherungs- Amt hat entschieden, daß alle gestellter Waaren befaffen, eine Be- oder Verarbeitung von diejenigen Betriebe, die fich lediglich mit Verpackung fertig Gegenständen in feiner Weise ausführen, als Fabrik im Sinne des§ 1, Absatz 4, des Unfall- Versicherungs- Geießes nicht an zusehen und solche Betriebe daher von der Versicherungspflicht ausgeschlossen find.
Tonga - Gebiet und Biafra- Bah. Unter diesem Titel hat der Reichskanzler soeben den ersten Theil der Sammlung diplomatischer Aftenstücke zusammenstellen laffen, welche er zur Erklärung der Maßnahmen des deutschen Reiches an der westafrikanischen Küste dem Bundesrathe und Reichstage vorzus legen gebenft. Der erste Theil der Sammlung enthält auf
Die Beweise sind untrüglich!" verseßte dieser. ,, Lucie hat das Geld angeblich vertheilt, ohne sich Quittungen geben zu lassen, und ferner mit dem ausdrücklichen Auftrage an die Empfänger, sich nicht bei Herrn Rodenburg zu be= danken. Ist das nicht mehr als verdächtig?"
,, Es ist verdächtig," wiederholte mechanisch wie im Selbstgespräch der Alte.
Es ist verdächtig," sagte auch Wilhelmi; aber nur für Denjenigen, welcher ein Interesse daran hat, einen Verdacht auf sie zu richten. In Bezug auf diesen legten Punkt bin ich im Stande, die Unschuld Ihrer Nichte zu beweisen.
,, Sie können das, mein lieber Freund?" rief Nodenburg, den Arm des Predigers ergreifend und ihm mit fieberhafter Spannung ins Auge sehend. Thun Sie es, mein Freund! Sie beruhigen mein Gemüth, Sie er weisen mir altem Manne eine Wohlthat, so groß, so groß, wie teine andere sein könnte, wenn Sie mir die Unschuld meiner Nichte beweisen."
Ich kann es in dem letzten Punkte! Man weiß in der Gemeinde, daß Fräulein Lucie Ihr Haus verlassen hat; ich habe es für meine Pflicht gehalten, zu untersuchen, da, wo Andere es für genügend hielten, zu ver urtheilen. Ich habe die Armen der Gemeinden, welche von Fräulein Lucie Weihnachtsgeschenke erhalten haben, vers anlaßt, sich bei mir zu melden und die Summe, welche fie empfangen haben, genau anzugeben."
,, Ah, has thaten Sie?"
Ich that es, Herr Rodenburg, obgleich ich vielleicht das Eorgefühl manches Armen verlegt habe! Es handelte sich aber hier darum, die Ehre einer unschuldig Berurtheilten herzustellen. Sie hatte die Gaben vertheilt in echt christlicher Weise, ohne zu prunken, ohne Aufsehen, ohne Anspruch auf Dank. Ich mußte die Wohlthat, die im Verborgenen gethan war, an die Oeffentlichkeit ziehen; ich that es ungern, llein es war Pflicht..."
Und das Resultat?" fragte Rodenburg mit sichtlicher Spannung.
Wilhelmi zog eine Brieftasche hervor, nahm aus der selben ein Blatt und überreichte es Rodenburg.
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