Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 217.

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Die Wiener Preßkorruption.

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( Aus Die neue Beit".)

( Fortsetzung.)

Eine Zeitung, die einen Marktpreis erlangt hat und deren Eigenthumsantheile von jedermann gekauft werden können, ist eine Gefahr für Volk und Etaat. Wenn einmal anerkannt wird, daß die Beitungen nur eristiren, um ihre Aktionäre zu bereichern, so ist damit der Bankerott der öffentlichen Moral ausgesprochen. Derartige Blätter zu erlangen ist für jede Regierung, gehöre sie welcher Partei immer an, eine spielend leichte Sache, denn ein Ministerium in Amt und Würden versteht es, seinem Willen gegenüber zeitungsbefizenden Banken durch die verschiedenartigsten Mittel Geltung zu verschaffen. Die liberale Bresse" und das demokratische ,, Ertrablait" waren eines schönen Tages im Handumdrehen in fonservativ- födera­listische Blätter umgewandelt. Die beiden Beitungen wurden einfach durch die Länderbank, welche bekanntlich mit dem Ministerium Taaffe eng verbündet ist, ihren früheren Befißern abgekauft. Das Extrablati" foftete 750 000 fl., die Presse ", ein finanziell passives Organ, war billiger zu haben. 50 000 fl. zur Ablösung der Maschinen und eine geringe Abschlagszahlung den Eigenthümer Nassau Nassau genügten zu ihrer politischen Befehrung. Selbst das oppofitionelle Hauptorgan, die Neue freie Presse" verdankt es nur einem finanziellen Koup seines Börsenreporters und Späteren Herausgebers Benedift, daß es im Jahre 1881 nicht Regierungstrabant geworden ist. Die Länderbank besaß damals schon einen bedeutenden Theil des Aktienkapitals der Journal­gesellschaft, den die Anglobank zu verkaufen gezwungen war. Nur durch die rasche Bildung eines Börsentonsortiums, das den Nest der Journalattien auftaufte, blieb die Mehrzahl der selben in gesichertem Besize und entging das Hauptorgan des Börsenliberalismus mit fnapper Noth der Gefahr des Offiziösen­

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Sonntag, den 14. Dezember 1884.

während er 2 Jahre später bei dem Schüßenfeste in Hannover | für das neugeeinigte Deutschland schwärmte. Derselbe Wilh. Wiener ," heißt es weiter ,,, bat fich für seine Dienstleistung vom Bürger- Ministerium bezahlen lassen, hat für Berger geschrieben, so lange dieser die Schnüre des Dispositions Fonds in den Händen hatte, um, sobald dieses Baubermittel ihm genom­men ward, wüthender als jedes andere Blatt über den früheren Gönner herzufallen." Derselbe Wilhelm Wiener, muß hinzu­gefügt werden, tritt heute mit dem gleichen Eifer für das kon­servative Ministerium Taaffe ein, mit welchem er vor demselben das liberale Ministerium Auersperg vertrat. Uebrigens hatte sein allgemein nüßliches Wirken auch bei seinen Kollegen An­erkennung gefunden, denn er wurde von denselben einstimmig zum Präsidenten des Journalistenvereins ,, Konkordia" ernannt. In Würdigung derselben vielseitigen Verdienste wurde Wiener in den Adelsstand erhoben.*)

Weniger einträglich als der Verkauf der Gesinnung ist für den Journalisten der Verkauf falscher Nachrich­ten und Urkunden. Troßdem findet auch dieses Ge­schäft Personen, welche es taltioiren. Der Schriftsteller Viktor Hahn in Wien fabrizirte für die Vorstadt- Zeitung" jenen Brief von Karl Mary über das anarchistische Raubattentat an Merstallinger, auf welches Schriststück fich während der Prozeß­verhandlungen sogar der Staatsanwalt berief. Auch das Schreiben, in dem sich Marr für die Tendenzen des Deutschen Schreiben, in dem sich Marr für die Tendenzen des Deutschen Schulvereins erklärte, war von Hahn gefälscht. Zur Zeit der Tisza- Eszlarer Affaire schrieb derselbe Publizist für die Vor­stadt Beitung" und N. fr. Preffe" einen philisemitischen Brief bes bekannten Freiheitsveteranen Hans Kudlich . Einige Tage später erklärte jedoch Hahn diesen Brief in der Tribüne" als gefälscht und veröffentlichte eine entrüstete Buschrift Kudlich's, in welcher sich diesec zum entschiedensten Antisemitismus be­fannte. Das genügte dem fühnen Journalisten noch immer nicht, und er schrieb für die Deutsche Zeitung", um auch von dieser Beilenhonorar zu erhalten, eine humoristische Notiz, in welcher beide Kudlich- Briefe als Fälschungen bezeichnet wurden.

Die Gesinnung der Zeitungen ist, wie man aus diesen Beispielen ersehen fann, zum Hantelsartikel geworden. Nicht wie er denkt und empfindet, schreibt der Journalist, sondern wie es ihm seine Bant- Brodherren anbefehlen. Er tagelöhnert mit der Feder. Die Charakterfestigkeit gilt als lächerlicher Bo­panz. Das gestehen mitunter die Beitungen selbst ein. Einem politischen Farbenwechsel gegenüber," schreibt die Deutsche Beitung" vom 28. April 1872, find die Journalisten machtlos, weil ein überzeugungstreuer Mitarbeiter durch einen Gesinnungs­lumpen ersetzt werden kann. Heute sind die Banken ver faffungstreu aber die Hand aufs Herz, wenn morgen ein feudales Ministerium eine recht fette Konzeifton den reichen Dis tektoren vor Augen hält, würde ihre Verfassungstreue diese Brobe überstehen?"" Die Thatsachen müssen diese Frage ent­schieden verneinen. Der Gesinnungswechsel ist etwas Alltäglichen Brief Koffuth's, in dem der einstige ungarische Diktator liches. Wie oft schon haben die Bresse", de Morgenpost", Das Fremdenblatt" und auch politische Wizblätter, z. B. der Riteriti", ihre Gesinnung geändert!

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Im Jahre 1870 ließ der Journalist Bresnis im ,, Patriot" einen Artikel zur Verherrlichung des Ministers Petrino er­scheinen, welcher von ihm 9 Jahre später Wort für Wort, selbstverständlich nur mit Veränderung der Na men, zum Lobe des Ministers Taaffe im Osten" ange­stimmt wurde. Dieses Faktum wurde in einer öffentlichen Boltsversammlung in Wien vorgebracht, und Bresniz hat kein Wort der Entgegnung gefunden. Derselbe Volksbildner schreibt heute, feine semitische Abstammung ganz vergeffend, antisemi­fische Artikel für sein jetziges Organ, die Morgenpost".

Ueber einen anderen Held der Feder, Namens Wilhelm Wiener, bemerkte die ,, Deutsche Zeitung" vom 24. Juli 1872, reich an den Tag legte und in den Spalten feines Organs die Deutsche Armee den Beschimpfungen ihrer Gegner pretsgab,

Berliner Sonntagsplauderet.

R. C. An allen Straßeneden sieht man jeßt die Weih­nachtsbäume, ihr harziger Tannenduft zieht weit in die Straßen hinein, und unwillkürlich zaubert er auch dem, der im Gebränge der Weltstadt eifrig seinen Geschäften nach­geht, Bilder längst verschwundener Zeiten, Bilder der Kind­heit, vor die Seele.

Ein Weihnachtsbaum mit seinen strahlenden Lichtern, mit einer Schaar fröhlicher Kinder, mit einem zufriedenen, glücklichen Elternpaare, ist das nicht ein Anblick, der

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Ein anderes Heldenstück desselben erfinderischen Talents ist jener Brief Kraczewski's, der unmittelbar nach der Verhaftung des greisen Poeten erschien und durch die ganze europäische Preffe lief. Dieser Brief, in welchem Kraczewski das Ge­ständniß impulirt wird, daß in seinem Hause geheime Ver­Sammlungen zu hochverrätherischen Zwecken stattgefunden hätten, hat dem alten Mann unendlich viel geschadet. Mit beson derer Vorliebe schreibt Hahn Briefe verstorbener Personen. Einige intereffante Schreiben Richard Wagner's rühren von ihm her. Die Gedichte des Frauenmörders Hugo Schenk find seiner Feder entflossen, ebenso auch Teftamente bekannter Persön­lichkeiten und ähnliche Dokumente. Ein Rivale Hahns, Namens Carl Rößler , schrieb für die ,, Wiener allg. Zeitg." einen jugend­lichen Brief Kossuth's, in dem der einstige ungarische Diktator fich aus seinen Kinderjahren eines Vorfalls erinnerte, welcher der Affaire Sollimosy sehr ähnlich war. Die Zeitungen ver öffentlichen größtentheils derartige Schriftstücke im Bewußtsein ibrer Falschheit. Das Jalustrirte Extrablatt"( Auflage 42 000) fälscht übrigens auch, in seinem löblichen Bestreben, den Lesern Neues und Intereffantes zu bieten, Bilder und Porträts. Nach der Katastrophe von Casamicciola brachte dieses Journal ein Bild des italienischen Dichters Luigi Cocigliari sammt dessen Biographie, in welcher erzählt wird, daß der gefeierte Poet sammt seiner Gemahlin, einer jungen Tänzerin, bei dem Erd­beben sein Leben verlor. Glücklicherweise konnte dem Dichter

*) Es ist das derselbe Herr, der fürchtete, er könne mit unserem gleichnamigen Mitarbeiter Wilhelm Wiener verwechselt werden, und der uns ersuchte, ihm zu bestätigen, daß er in feiner Beziehung zu uns stehe, was wir auch mit dem größten Vergnügen in der Redaktions- Korrespondenz von Nr. 7 dieses Jahrganges gethan haben. D. Red.

ihr zu Theil wird. Ob diese Art Leute wohl auch mit Db diese Art Leute wohl auch mit dem Mahnruf einverstanden sind: Friede auf Erden?" Wie ganz anders wird doch das Weihnachtsfest in Arbeiterkreisen begangen. Ist es hier überhaupt ein Fest der Freude, ein Fest des Friedens?

Augenblicklich wird ja noch fast überall gearbeitet und zwar in beinahe übermenschlicher Weise. Alle Bestellungen, die noch zu Weihnachten eingelaufen sind, müssen unter allen Umständen ausgeführt werden, und was bei Tage eben nicht fertig gestellt werden kann, nun das macht man eben Nachts! Ländlich, sittlich.

des Menschen Herz erfreuen kann, wenigstens das Herz Was geschieht aber nun, wenn die Feiertage wirklich besjenigen Menschen, bem das Gefühl noch nicht gänzlich herangerückt sind? In allen Fabriken wird Inventur ge= erstorben ist, der da weiß, welch' unendliche Freude es ist, macht, es sind soviel Waaren überproduzirt worden, für andern eine Freude bereiten zu können. ,, Friede auf Er­die man keinen Absatz gefunden hat, die Herren Jndu­den" das ist ja wohl der hohe Gedanke, unter dem wir striellen müssen doch nun auch einmal zusehen, was sie das Weihnachtsfest begehen sollen, das Band der Liebe und eigentlich für Schäße aufgespeichert haben, und der alle Menschenkinder umschließen, des Friedens sell gerade jegt beim Scheiben des Jahres Arbeiter feiert inzwischen. Es verlängert die unfreiwilligen ja mit Worten, mit Feiertage vielleicht bis über Neujahr hinaus, eine Woche dem Munde predigt man den Frieden, die Thaten sehen wieder also gefeiert.

aber anders aus.

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Wie wunderbar bisweilen das Schicksal spielt! Alles

ist jetzt geschäftig, Alles arbeitet, Alles spart, Jeder soll ist da, in den Familien schaffen fleißige Hände, sie bereiten fich freuen zum frohen Feste. Die Zeit der Geheimthuerei Ueberraschungen vor, denn Ueberraschungen find ja so schön. Wer wüßte es nicht? Wie der Dieb in der Nacht kommt Cinem so ein unverhofftes Glück über den Hals, wem sind noch keine Ueberraschungen zu Theil geworden? Freilich, fie dürfen nicht zu oft kommen, sonst gewöhnt man sich zu leicht daran, wie der Blitz aus heiterem Himmel, total un­erwartet müssen sie kommen, dann sind sie schön, und dafür leben wir auch jetzt in der fröhlichen, feligen, gnadenbrin­

genden Weihnachtszeit!"

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Ob es wohl viele unter denjenigen Leuten giebt, welche die Nase rümpfen, wenn von Arbeitern gesprochen wird, die da wissen, was es bedeutet, wenn ein Arbeiter eine

Woche feiern muß? Wohl schwe..ich.

Wenn das fröhliche Weihnachtsfest da ist, so eröffnet sich dem Arbeiter die traurige Perspektive auf die verdienst­lose Woche und auf das Neujahrsfest mit seinen ver­schiedenen Bahlungen. Der Ausfall eines Wochenverdienstes mamt sich in einem Arbeiterhaushalt Monate hindurch fühlbar, es tann bis in den März hinein dauern, bis der Berlust wieder eingeholt ist.

Daran denken aber außer Denjenigen, die es wirklich

angeht, nur sehr Wenige, weshalb soll man sich auch mit solchen unliebsamen Gedanken unnüßer Weise den Kopf beschweren, man hat genug mit sich selbst zu thun, und ändern kann man diese Verhältnisse ja doch nicht. Wenn der Tannenbaum strahlt, und für jedes Familienmitglied ausgesuchte Geschenke bereit liegen, dann hat man nur die Verpflichtung sich zu freuen, man hat sich mit der Armuth

1. Jahrgang.

dieses Unglück schon deshalb nicht widerfahren, weil er über­haupt nie gelebt hat. Das Bildniß wurde nachträglich als das eines in Wien lebenden Handlungskommis agnoszirt.

Man darf nicht staunen, daß sich die Lügen und Fälschungen der Wiener Zeitungen bis auf die geringfügigsten Lokalnotizen erstrecken, daß auch Vereins- und Versammlungsberichte mit dem größten Raffinement entstellt werden und selbst die ehren­haftesten Gegner nicht vor der Bekämpfung mit den gemeinsten Mitteln geschüßt find. Denn die Vertheidigung der Korruption auf sozialem, wirthschaftlichem, wie auf politischem Gebiete, so lange nur dieselbe nicht öffentlich aufgedeckt ist, ist unter den gegebenen Verhältnissen naturnothwendig eine Lebensaufgabe der Preffe. Die bestehende österreichische Preffe kann und darf nicht die ungeheure Korruption, welche sich heute in allen ton­angebenden gesellschaftlichen Kreisen zeigt und die Grundfesten des Staats erschüttert, bekämpfen lassen. Sie fann es nicht, meil fie selbst im Bestze oder Bachte jener Elemente ist; fie darf es nicht, weil sie hierdurch ein vernich­tendes Urtheil über die eigene Thätigkeit fällen würde.

Ereignisse, die sich vor wenigen Monaten erst abspielten, haben zum mindesten einem Theile der Bevölkerung die Augen geöffnet. Die skandalösen Vorgänge bei Angelegenheit der Nordbahnfrage haben selbst die Freunde der beutigen Preffe in Aufregung versezt und ihnen das größte Mißtrauen ein­geflößt. Allein wäre dieses auch hundertfach größer, es könnte feine Aenderung der österreichischen Presverhältnisse herbei­führen, welche tief in den gesellschaftlichen Zuständen des Landes wurzeln. Eine kurze Stizzirung der erwähnten Vor­fälle dürfte hier wohl am Blaze sein.

Am 4. März 1836 verlieh die österreichische Regierung dem Wechselhause S. M. Rothschild das ausschließliche Pris vilegium zum Bau und Betrieb der Nordbahn für fünfzig Jahre. Während dieser Zeit verstanden es der Krösus und seine Konsorten, gestüßt auf ihr Monopol, das Publikum in einer Weise auszubeuten, die jeder Beschreibung spottet. Ein Beispiel genüge. Die Frachtsäße für Koble find bei der Nord­bahn um durchschnittlich 80 Prozent höher als bei den vers staatlichten Linien. Um 44 Millionen Gulden wurden hier­durch im Jahre 1881 der Bevölkerung blos bei Kohlenfrachten mehr abgepreßt, als sie nach den Tarifen staatlicher Bahnen zu leisten gehabt hätte. Kein Wunder also, daß man dem am 4. März 1886 erlöschenden Privilegium feine Auferstehung wünschte. Allein das Unglaubliche geschab! Der Handels­minister unterbreitete dem Abgeordnetenhause im April 1884 eine Regierungsvorlage, nach welcher der Nordbahn auf weitere 80 Jahre eine Konzession unter den günstigsten Bedingungen verliehen werden sollte. Und die Opposition? Sie schwieg mit ehernerBeharrlichkeit undGrabesstille herrschte in den Spalten der Blätter aller Parteischattirungen. Nur zuweilen tauchte eine Notiz auf, daß die Nordbahn sich um jeden Preis im Reichs rathe eine Majorität für die Vorlage fichern wolle. Dhne Sang und Klang wäre wirklich eine neuerliche achtzigjährige Ausbeutung der Bevölkerung durch die Aktiengesellschaft be­schloffen worden, wenn nicht ein energischer Mann die trägen Geister wachgerüttelt hätte. Der tonfuse aber unabhängige Abgeordnete Schönerer trat laut und energisch für die sofortige Verstaatlichung der Nordbahn ein. Sein Appell war von Wirkung. Von allen Seiten der österreichischen Monarchie wurde die Forderung erhoben. Die Aufzählung der Ge meinden und Vereine, welche um Verstaatlichung der Nords bahn petitionirten, nimmt 20 Spalten des stenographischen Protokolls ein. 3000 Wiener Bürger brachten in einer Versamm­lung das gleiche Begehren in einer Resolution zum Ausdruck. Jest erst festen die Parteigänger der Nordbahn ein. Obgleich fich die liberale Partei nachträglich gegen den Vertragsentwurf ausgesprochen hatte, vergaß die Neue freie Preffe" ihren op­pofitionellen Standpunkt und zeigte sich zum ersten Male ganz für die Jdeen der Regierung eingenommen. Als mit Bezug

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glücklich, weil er etwas hat, der Andere ist unglücklich, weil er nichts hat. Nun, wetterwendisch ist ja das Schicksal, es kann ja auch einmal anders werden. Die Welt fängt an, alt zu werden, man sieht es ja alle Tage nicht einmal mehr einen richtigen Winter bringen wir zu Stande. Windig und schmußig" das ist das Zeichen des Wetters nämlich draußen. ist das Zeichen Ein lauer Frühlingswind weht bisweilen, auch die Sonne scheint manchmal, man sollte meinen der Lenz wäre schon angebrochen, die eisige todte Ruhe des Winters wäre da­hin, und neues, sprossendes Leben bräche hervor, doch δο es ist Trug, elender Trug, ein falter heimtückischer, plöt licher Windhauch erinnert uns wieder daran, daß wir noch Frühlingssonne, wir leben eben noch im Winter, im starren, im Winter leben, dahin sind die Träume von goldiger eisigen Winter, der jedes frisch aufblühende Leben schonungslos, gewaltsam vernichtet. Doch mag der Lauf der Ströme uod Flüsse durch die Eismassen getödtet scheinen, becke Blumen und Blüthen erstickt hat, mag es so aussehen, als ob der Schnee mit seiner Grabes­tief unter ge frorener Oberfläche da pulsirt warmes, inneres Leben, das gewaltig, unaufhaltsam hervorbricht, wenn die Sonne lodt, und wenn der Frühling fommt. Und auf den Winter folgt immer der Frühling, das ist der Lauf der Welt, ein Thor müßte der sein, der daran zweifeln wollte. Auch diefer Winter wird vorübergehen mit der erbarmungslosen Kälte, die nur das eine Gute hat, daß sie die frierenden Menschenkinder näher an einander drängt, daß der Eine Schutz und Hilfe sucht bei dem Anderen. Und wenn der Sturmwind über die öde Haide saust, wenn dichtes Schneegestöber herrscht, so dente man immer daran, daß es Menschen giebt, die noch unglücklicher find, wie wir, die vielleicht nicht einmal wissen, wo sie ihr Haupt nieder legen sollen, die heimaths- und schußlos in der Welt umhers irren. Wo ein solcher Unglücklicher anklopft, soll man ihm aufthun. das ist Menschenpflicht, man soll ihm hilfreich bei­stehen, denn es ist hart, im Winter auf der Landstraße zu fein.-

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ist z. B. der Herr Kommerzienrath, er leidet heute noch Gewiß ist Weihnachten schön, weshalb auch nicht? Da schwer an den Folgen des letzten Feldzuges, in welchem er fich Residenz. er muß für seine Familie doch auch Einkäufe abgefunden, vielleicht hat man auf einem Wohlthätigkeits- nicht lange. Sollte er uns auch noch öfter mit seinem plöt Armeelieferant. Er fährt vor bei dem ersten Juwelier der machen,

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namentlich die Gattin ist's, die theure, die ihm

fehr am Herzen liegt. Ein Armband, vielleicht mehrere tausend Mark werth, ist doch das Mindeste, was er dieser Dame verehren kann. überreicht er es natürlich mit der quittirten Rechnung dem theuren" Ehegespons, sie kann hier gleich in Zahlen die

Am Weihnachtsabend

bazar etwas eingekauft! Als ob diese Einrichtungen einen anderen Zweck hätten als den, daß sich die foge nannte vornehme Welt hier Rendez- vous giebt, und daß heirathsbedürftige Lieutenants mit reichen Finanz männertöchtern heimliche Liebeshändel anknüpfen.

Ein Fest der allgemeinen Freude ist also Weihnachten keineswegs, es geht hierbei eben wie überall, der Eine ist

Ewig währt auch der strengste Winter nicht, im Ge

gentheil, man sagt gewöhnlich, gestrenge Herren regieren lichen, hinterliftigen Frost überraschen, pah­die Welt ist alt, einen richtigen Winter kriegen wir doch nicht mehr, die Sonne mit ihren belebenden Strahlen muß uns doch wieder erfreuen, und wenn die Natur wieder ersteht in verjüngtem Frühlingsgewand, dann wollen wir nicht mehr an die böse Zeit denken, ihr Andenken sei ausgelöscht, selbst die Er innerung an sie werde vernichtet.