1* auf 480 gestiegen. Für die Behandlung dieser Kranken sind beim Krankenhause fünf Assistenzärzte angestellt, so daß auf jeden Arzt jetzt 96 Patienten kommen- Da diese Zahl für einen Arzt zu groß ist, wenn eine gewiffenhafte und ordent- liche Behandlung der Kranken stattfinden soll, und da ersah- rungsmafjig für die Wintermonate noch ein größeres Anwachsen der täglichen Krankenzahl zu erwarten steht, so hat das Kura- torium des städtischen Krankenhauses in Moabit die Anstellung eines sechsten Arztes beim Magistrat beantragt. Der Ma- gistrat hat diese Anstellung vorläufig als Provisorium geneh- neigt. Wie bekannt, wurden in Folge eines Antrages des Etadto. Dr. Bellcrmann vom städtischen Erleuchtungs-Kura- torium Versuche mit Doppel- Regenerator« Brennern, Patent Schülcke, auf dem Grundstücke der städtischen Gasanstalt am Stralauer Platze angestellt, und zwar brannte zu diesem Z-vecke eine mit einem derartigen Brenner versehene Straßenlaterne länge-« Zeit hindurch die ganze Nacht. Auch wurde eine der- artige Laterne vor dem Hause Friedrich straße 39 aufgestellt. Die>e Versuche find indeffen nichl günstig für den oben ge- nannten Brenner ausgefallen. Bei beiden Laternen fiel, wie das Erleuchtungskuratorium dem Magistrat berichtet, die Flamme oft nach wenigen Stunden in sich zusammen, so daß die Leucht- kraft erheblich sank oder die Flamme erlosch soweit, d rßern Verblaken der Laternen stattfand und die Zylinder sprangen. Es find daher weitere Versuche mit Schülckeschen Regencratorenbrennern aufgegeben worden, um so mehr, da auch die vom Patent- inhaber in Ausstcht aestellten Verbefferungen nicht ausgeführt worden find. Der Magistrat wird der Stadtverordneten-Ver- sammlung von den angestellten Versuchen Mittheilung machen. Die Beilin er Echützengilde beabfichtigte ursprünglich, nach- dem die Schießstände derselben nach Schönholz verlegr, auch dort ein neues Echützenhaus erbaut worden ist, ihr Grund- stück in der Linienstraße zu paizelliren und zwei neue Straßen auf demselben anzulegen. Da indeffen die Verhandlungen wegen der Lage dieser Straßen eine den Wünschen der Gilde nicht entsprechende Richtung nehmen, so hat ste dieses Projekt aufgegeben, und beabfichtigt jetzt das Grundstück für den Preis von 1,310,000 M. zu verkaufen und hat hierzu die Ge- nehmigung des Magistrats nachgesucht. Dieser hat beschloffen, vorher noch die Vorlegung des KaufanbictenS zur Prüfung deffelben zu verlangen. Der Magistrat hat beschlossen, die städtische Kanalisations-Deputation anzuweisen, im sanitären Interesse eine Rcvifion der Be- und Entwässerungsanlagen in sämmtlichen hiefigen Schulen anstellen zu lassen. Der Etat der städtischen Grundstücke für das neue Etatsjahr 188586 schließt ad mit einer Einnahme von 370,625 M., gegen das Vorjahr mit einer Mindereinnahme von 47,677 M-, in welcher Summe allein 36000 M- Minderpacht für den Ratdskeller enthalten sind. Die Ausgabe bcläuft fich auf 101,145 M. Das städtische Krankenhaus in Moabit verzeichnet in seinem soeben erschienenen Verwaltunzsbericht für das ver- gangcne Jahr wiederum eine erhebliche Steigerung sowohl in der Zahl der Aufnahmen, wie auch in der Zahl der Ver» pfiegungstage. Der tägliche Durchschnitts-Krankenbestand stellte fich auf 342 d. h. 35 mehr a!s im Vorjahre. Im Ganzen wurden 3240 Personen behandelt, 1979 Männer, 779 Frauen, 244 Knaben und 238 Mädchen. Die Mortalität betrug im Berichtsjahre 19,6 pCt. aller Behandelten, ist also eine durch- ouS günstige zu nennen. Trefflich bewährt hat fich die Jsolir- baracke, welche im Laufe des vergangenen Jahres aus dem Terrain des Krankenhauses erbaut worden ist. Dieselbe ist Massiv aufgeführt und besteht aus 3 Zimmern, jedes für 4 Betten bestimmt. Aus den vergleichenden Zusammenstellungen, welche der Verwaltungsdireklor Herr Merke über die Ver- Vsiegungsverhältniffe im Vergleich zu anderen Krankenhäusern gegeben hat, geht hervor, daß innerhalb der regulativmäßigen Beköstigung in allen 4 Diätformen in der Anstalt mehr Stick- stoff-Substanz und von dieser wieder mehr animalische, wie vegetabilische und Fett verabreicht wird, als in den übrigen iur Vergleichung herangezogenen Krankenhäusern. Sämmtlrche Spezial-Einrichlungen dieses Krankenhauses haben fich gut be- währt und dienen bei Erbauung neuer Krankenhäuser oft als Muster._ D o k» l e s. Die geschäftliche Physiognomie der vorigen Sonntage war eine solche, daß anzunehmen ist, den meisten Geschäfts- leuten seien die ihnen während der Weihnachtszeit seitens der Polizeibehörde gewährten Erleichterungen nicht bekannt ge- Morden. Zahllose Schaufenster waren wie sonst verhängt, ob- wohl es sämmtlichen Gewerbetreibenden jetzt gestattet ist, während des ganzen Sonntags, mit Ausnahme der Haupt- Kvttcsdienststunden, ihre Waaren an den Thüren und in den Schaufenstern auszustellen. Es ist dies nicht allein im In- mteffe der Geschäftsleute gestattet worden, sondern auch mit Iückfichz darauf, daß ein großer Theil des kaufenden Publikums, namentlich der arbeitenden Bevölkerung, seine .-lueihnachtseinkäufe überhaupt nur an den Sonntagen be» 'vrgen kann; man konnte daher viele enttäuschte Gesichter Mahrnehmen, als diese auf ihren Wandcmngem durch Das glaube ich selber fast." Es traf sich nun wunderbar, daß an dem Tage Kerade der Invalide vom Königstein herabstürzte. Der junge Rodenburg denkt natürlich nicht anders, da er diese beschichte in der Zeitung las, als daß der Leichnam, Melchkn man gefunden, der Wredow's ist, den er ermordet 9at, und läuft davon." . Da» Gespräch der beiden Herren zog sich sehr in die �üugp, der Wein löste immer mehr die Zungen und der Ton de« Herrn Nicodemus Sanftleben wurde schließlich 1° laut, daß Amberg , um Unannehmlichkeiten vorzubeugen, ernstlich zum Aufbruch mahnte. Amberg vetließ mit seinem Freunde das Lokal und M'nkte einem der draußen haltenden Droschkenkutscher. Beide Herren bestiegen die Droschke, um sich nach der Woh- j�ng von Amberg'« Bruder fahren zu lassen. In der irWippinenstraße trennte sich Herr Nicodemus von seinem Freunde mit dem Versprechen, ihn bald wieder aufzu- lUchen. ,, Am nächsten Morgen fühlte sich Herr Amberg ??bt, eine kleine Moraenvromenade in den Straf _____>_ veran» q,":' eine kleine Morgenpromenade in den Straßen der 5"sidenz zu machen. Er war eben im Begriff, sich wieder «urück nach der Wohnung seines Bruders zu begeben, als Elsler bemerkte, der um diese Zeit sich ins Bureau zu Körben pflegte. Elsler hatte Amberg ebenfalls bemerkt, und obgleich er immer einen Widerwillen gegen denselben a» t» 1° glaubte er doch nicht umhin zu können, ihn zum �such in seine Wohnung einzuladen. Ämberg hatte es bis zu der Wohnung Elslcr's nicht 5st>t und überdies trieb ihn die Neugierde, über Lucie I so*""o uc...________........_Ö------. Idenburg, von der er wußte, daß sie bei Elsler's Auf- uhwe gesunden hatte, Näheres zu erfahren. * Es war gegen elf Uhr als er die Wohnung Elsner s Frau Elsler war über den Besuch zwar etwas Unt, empfing ihn jedoch freundlich und beeilte Lfl' für ihn ein Frühstück zu serviren. Fräulein «tha Amberg und Fräulein Lucie Rodenburg waren emsig q?** Handarbeit beschäftigt. r., Amberg trat auf Letztere zu, nahm ihre Hand und Be in väterlichem Tone: die inneren Stadttheile die meisten Schaufenster ver- hängt fanden. Di« Geschäfte selbst waren ja zumeist geöffnet, doch genügt dies nicht, da das tauflustige Publikum, che es ihm unbekannte Läden betritt, fick vorher an den aus- gelegten Sacken über das, was im Laden zu haben ist, orientiren will und, nebenbei gesagt als Wink für die Ge- schäftsleute, im Allgemeinen denjenigen Geschäften den Vorzug giebt, wo es sich gleichzeitig über die Preise vorher zu orientiren Gelegenheit hat. Eine möglichst ausgiebige und klare Preisangabe der in den Sckaufenstern ausgelegten Gegen- stände dürste fich daher für die Geschäftsleute stets vortheilhast erweisen, dagegen kann nicht genug gewarnt werden vor den- jenrgen Geschäften, welche durch Vre Art der Preisangabe ftch von vornherein selbst als schwindelhafte kennzeichnen. Wir meinen jene Schaufenster, wo es unentschieden gelassen wird, ob die angegebenen Zahlen Thaler oder Mark bedeuten, und wo den Zahlen noch kleine, mit bloßem Auge kaum erkenn- bare Bruchtheile hinzugefügt find. DteS find auf Täuschung berechnete Anlockungsmittel, welche jedes reelle Geschäft selbst- verständlich verschmäht. Ein in unserem Klima überaus selten vorkommender Krankheitsfall wurde von dem Sanitätsrath Dr. Lehnerdt in der letzten Sitzung derMedizinischen Gesellschaft" vorgestellt. Es bettifft ein zwölfjähriges Mädchen Marie£., das im Jahre 1872 in Kalkutta von deutschen Eltern der aus Westfalen stammende Vater ist Missionar in Ostindien als ältestes von fieben gesunden Geschwistern geboren wurde. Im Jahre 1877 zeigte fich auf der Brust des bis dahin völlig gesunden Kindes ein kleiner gelber Fleck, der fich allmälig vergrößerte, sich auf fast alle Kocpertherle ausdehnte und zu jenen charakte- ristischen Knoten, Verdickungen und Verschwärungen der Haut führte, die unter dem Krankheitsbilde desAussatzes" Lepra bekannt und gefürchtet find. Die englischen Aerzte, welche von den besorgten Eltern in Ostindien zu Rache gezogen wurden, erklärten das Leiden alsRingworm"(eine Art tzaulflechte). Da eine Besserung nicht eintrat, schickten die Eltern das Kind zur Heilung in ihre westfälische Heimath, wo dasselbe indeß auch ohne Erfolg behandelt wurde. Im Sommer ds. Js. wurde nun das Mädchen in das hiestge Elisabeth-Krankenhau« übergeführt, woselbst endlich unter tztnzuziebung hervorragender Dermatologen die Diagnose auf Lepra richtig gestellt wurde. Die kleine Patientin zeigte bei ihrer Vorstellung in der Medi- zwischen Gesellschaft ein sehr gedrücktes und scheues Wesen; das Gefichtchen war in Folge der Verdickungen und Aufwul- stungen der Haut verunstaltet und ähnliche Verunstaltungen zeigten fich auf der ganzen Haut des Körpers. Dieses Leiden beruht auf einer Vergiftung des Blutes durch einen eigen- gearteten Lepra -Bazillus, welcher von dem als Mikroskopiker bekannten Direktor des städtischen Krankenhauses Moabit , Dr. Guttmann, der Gesellschaft demonstrirt wurde. Bei uns wird diese Krankheit höchst selten, und dann nur aus dem Auslande importirt, beobachtet, kommt dagegen häufiger in Norwegen , an der Küste des MittelmeerS und in tropischen Ländern vor. Es ist bemerkenswerth, daß die Krankheit von den englischen Aerzten in Ostindien, welche sie doch häufiger zu sehen Gelegen­heit haben, nicht erkannt wurde, und daß das Mädchen erst nach Berlin kommen mußte, um eine richtige Diagnose zu er- fahren. Von Alters her gilt der Freitag als der Unglückstag in der Woche. Die Statistik weist aber nach, daß es der Montag ist, diesen sollte man im Kalender schwarz anstreichen, denn die meisten Unglücksfälle ereignen fich an jenem genannten Wochen- tage. Die Ziffernskala der in den Berliner Fabriken während des vorigm Jahres vorgekommenen Unglücksfälle lautet nämlich wie folgt: Montag 121, Dienstag 114, Mittwoch 118, Donneistag 107, Freitag 103, Eonnabend 97. Also fast ein Viertel weniger Unglücksfälle, als am Montage, find am Sonn- abend zu verzeichnen gewesen. Der Sonntag selbst weist natur- gemäß die geringste Unfallziffer, nämlich 27, auf. N. Ein Tobsüchtiger versetzte in der vergangenen Nacht die Bewohner des Hauses Neue Friedrichstraße 94 in große Aufregung. Ein dort in der 1 Etage wohnender, 42 jähriger Militärinoal-de Schulz, der schon seit einiger Zeit Spuren von Geistesgestörtheit zur Sckau trug, war In der vergangenen Nacht plötzlich ohne eine besondere Veranlassung in eine voll- ständige Raserei verfallen. In dem Wahne, ein Verbrechen verübt zu habm und nun von der Polizei verfolgt zu werden, zertrümmerte Sch. das Wohnungsinventar, während er die Thüren von Innen vernagelte. Nach einer gewattsamen Oeff- nung der Thüren fand man den Unglücklichen zusammenge- kauert an der Erde liegen in dem Glauben, daß man ihn hin- richten wolle, laut um Hilfe rufend. Der Aermste mußte, nach- dem seine Geistesgestörtheit ärztlicherseits festgestellt, auf An- ordnung der Polizeibehörde nach der Königl. Neuen Charitee geschafft werden. Wie wir nachträglich hören, hatte Schulz in der Schlacht bei Weißenburg eine Kugel in die rechte Brust- seit« erhalten und litt seit IV« Jahren an einem Lungen- leiden. n. In bewustlosem Zustande wurde am gestrigen Tage ein unbekannter Mann in unserem Nachbarorte Rixoorf auf der Straße gefunden und, da er innerlich erkrankt schien, zu- Armes Kind! Nun sitzen Sie hier, und die hübschen Händchen arbeiten, während eigentlich Ihr Platz in Schloß Rodeaburg sein sollte, und ihre Hände fern bleiben sollten von allen Beschäftigungen, welche einer jungen Dame, die einst die Erbin eines großen Vermögen« sein wird, nicht anstehen." Ich beklage mich nicht darüber," antwortete Lucie sanft und mit bewegter Stimme,daß ich ein sorgenvolles Leben und eine Ungewisse Aussicht auf Reichthum habe vertauschen müssen mit einem Leben voll Arbeit und einer hoffnungsleeren Zukunft. Aber daS schmerzt mich, und da« kann ich nie vergessen, daß ich von meinem Onkel ver- kannt wurde, und daß ich für undankbar, ja für unehrlich gehalten wurde, wo ich doch all' meine Liebe und all' meine Dankbarkeit ihm allein zuwandte." Ja, das war eine fatale Geschichte, mein Kind!" ver- setzte Amberg. Sie wissen, ich und meine Nichte Emmy , wir haben Alles gethan, um ihrem Onkel zu beweisen, daß eS am Ende nicht so schlimm sei, wie es den Anschein hatte; aber er, in dem Ungestüm seines Zornes, wollte nichts mehr von Ihnen wissen, seitdem er die unwiderleg- lichsten Beweise Ihrer Untreue in seiner Hand zu haben glaubte." Ich danke Ihnen dafür, daß Sie der armen, ver» lassenen Waise zu Hilfe gekommen sind. Ich will suchen, es zu vergessen; ich habe jetzt nur den einen Wunsch, daß mein Onkel einst überzeugt werden möge, wie sehr er mir Unrecht gethan hat." Mein liebes Kind," sagte Amberg , sich neben ihr niederlassend und ihre Hand ergreifend,Sie müssen wie- der in das Haus Ihres Onkels zurück. Ich werde nicht eher ruhen, als bis Alles wieder im alten Geleise ist. Er wird sich von Ihrer Unschuld überzeugen lassen, und es wird Alles wieder so werden, wie es war." Sie schüttelte den Kopf. Ach nein! Ein Vertrauen, d«s man einmal verloren hat, gewinnt man nicht so leicht wieder, ein Schatten des früheren Mißtrauens würde immer zurückbleiben; ich aber würde so oft ich diesen Schatten bemerkte, den ganzen nächst nach dem Amtsgebäude geschafft. Obwohl sofott ärzt- liche Hilfe zur Stelle war, so verstarb der Unbekannte doch bereits nach wenigen Stunden. Aus vorgefundenen Papierm wurde der Todte als ein Klempner Geißler aus Warmbrunn rckognoszirt. Recherchen nach den Angehören des Verstorbmen find eingeleitet. Von der Lokomotive überfahren wurde vorgestern Nachmittag gegen IV- Uhr ein älterer, feingekleiveter Herr auf dem Stadtbahnhofe Charlottenburg. Der erwähnte Herr war mit einem Billet von Westend gekommen und hatte in Char- lottenburg umzusteigen. Bei diesem Anlasse man weiß nicht, ob Kurzfichtigkeit, Unachtsamkeit oder was sonst im Spiele war wurde er von der Maschine eines nach der Stadt zu sich in Bewegung setzenden Zuges erfaßt und derart überfahren, daß das linke Bein über der Wade und der linke Arm vollständig zermalmt wurden. Außerdem erlitt der Un- glückliche eine starke Verwundung am Kopf. Der Bewußtlose wurde in einem Trazekorde, durch den das Blut heftig stckerie, nach dem Kcankenhause tcanspoctirt und dürfte wohl seinen Leiden schon erlegen sein. GericKts-Rettung. Das Dhnamit-Attentat bei der Enthüllangsfeier des Niederwald-Denkmals vor dem Retchs-Gericht. Leipzig , 16. Dezember. Die Verhandlungen werden fort- gesetzt mit der Vernehmung des Zeugen Palm, eines der früheren Genossen des Angeklagten. Palm erklärt auf Be- fragen, in welcher Weise er mit Reinsdorf bekannt geworden, daß sie hauptsächlich durch das gleiche Schicksal der Auswei- sung aus Berlin zu einandecgeführt worden seien. Zunächst sei ihm Reinsdorf durch sein exzentrisches Wesen aufgefallen; er habe ihn für den tollsten Anarchisten oder für einen Polizei- spion gehalten. Oft habe Reinsdorf gesagt, man müsse nicht nur vom Dynamit sprechen, sondern es auch anwenden. Ver- räther an der anarchistischen Sache würden so sagte Reins­dorf von England und Amerika aus getödtet werden. Reinsdorf erhielt auch wiederholt Beträge von 12 Pfd. Ster­ling aus England. Auf eindringliches Befragen giebt Palm auch zu, daß Reinsdorf im Sommer nach Wiesbaden gefahren sei und Dynamitpatronen mitgenommen habe, um sie im Kur- faale rxplodiren zu lassen. Reinsdorf habe nach seiner Zurück- kunft geäußert, er habe das Attentat nur deswegen unterlassen, weil im Kursaale zu viel Frauen und Kinder gewesen. Reins- dorf habe die mit seinem Ueberzieher verdeckt gewesenen Pa- tronen an einen Bekannten, einen Schweizer , in Wiesbaden gegeben. Der Ueberzieher blieb bei dem Schweizer , wurde von demselben versetzt und dann von Reinsdorf wieder eingelöst. Präk.: Was wissen Sie von dem Attentat in Elberfeld ? Palm: Ich war in der zweiten Versammlung vor dem S-dan- feste mit bei Holzhauer, wo dann die Rede davon war, daß die Arbeiter das Sedanfcst Angesichts vis Elends der Zeit nicht mitfeiern dürften und daß deshalb eine Gegendemonstra- tion in Szene zu setzen sei; von der Anwendung von Dynamit war aber erst später die Rede. Präs.: Was ist am 2. Dezember bei Weidenmüller ge- schehen? Palm: Reinsdorf hatte mich dahin eingeladen und dort kam die Rede auf Dynamitanwendung. Reinsdorf lud uns ein, ihn in einen Busch zu begleiten, wo wir nach Dyna- mtt suchten, aber nichts fanden. Weidenmüller hatte das Dy- namit schon vorher bei Seite gebracht. Präs.: Hat Reinsdorf gesagt, daß er das Kriegsdenkmal in Elberfeld in die Luft sprengen wolle? Palm: Ja, davon hat er gesprochen. Präs.: WaS sagen Sie dazu, und zu dem Umstände, daß Sie notorisch aus London von einem gewissen Knauer, der Seele des dortigen revolutionären und anarchistischen Klubs wiederholt Geld erhalten haben? Reinsdorf: Wenn Geld aus London an mich gekommen ist, so habe ich es nicht erhalten, sondern Palm hat es unterschlagen; ich erfahre erst jetzt etwas von solchen Sendungen. Präs.: Leugnen Sie auch das Sachen im Busch nach Dy- namit? Reinsdorf: Gewiß; alle diese Zeugen, Palm, Bach- mann und die Anderen haben fich nach meiner Verhaftung in Hamburg ja sehr leicht gegen mich bereden können. Präs.: Welche Ursache sollten dieselben denn zu einer solchen Konspiration gegen Sie haben? Reinsdorf- Bach- mann ist erst durch Palm mit mir bekannt geworden, Palm besaß auch nie Geld und hatte doch ein ganzes Haus ge- mictbet. Präs.(zu Bachmann): Sie haben ja doch gearbeitet. Palm: Gewiß; das ganze HauS mit Garten kostete 64 Thlr. und ich vermielhete trotz meiner starken Familie noch davon ad. Allerdings habe ich im letzten Jahre viel zugesetzt. Reinsdorf: Ich möchte noch die Frage an Palm richten, ob er Geld von der Polizei erhalten hat. Palm: Ich habe keinS erhalten. Präs.: Haben Sie auch das Geld auf die Postkarte, welche an Sie adresfirt, aber für Reinsdorf bestimmt war, an Schmerz empfinden, und dieser unaufhörlichen Folter mag ich mich nicht unterziehen." Liegt Ihnen denn nichts daran, daß Sie mit Ihrem Onkel ausgesöhnt sind?" O, gewiß! Ich möchte das sehr gern. Es würde mich unendlich glücklich machen, w'enn ich ihn zu über- zeugen wüßte, daß ich nicht undankbar und nicht treu- lo« bin." Nun, ich dächte, die Aussöhnung hätte auch noch andere Vortheile! Bedenken Sie, daß Sie und Ihre Brü- der seine nächsten Erben sind." Auf das Glück, wieder einmal den Wohlstand zu er- langen, in dem ich erzogen bin, wage ich nicht zu hoffen, Herr Amberg , und habe nie ein solches Glück gehofft." Sie sind in der That ein bewunderSwerthes Mädchen! Ob wohl Ihre Brüder auch so denken wie Sie?" Amberg that diese Frage scheinbar ganz harmlos, doch richtete sich sein Blick fest auf Lucie. Man sah, daß ihm an ihrer Antwort mehr gelegen war, als er fich den An- schein gab. Mein Bruder Fritz." versetzte Lucie,bleibt bei seinem Vorurtheil, daß Onkel Rodenburg nicht verdient, von seinen Bruderkindern geliebt zu werden, und ich kenne ihn er hat einen halsstarrigen Charakter. Ich weiß, daß er bei diesem Entschluß verharren wird, und ich bin überzeugt, wenn ihm Onkel Rodenburg ein Geldgeschenk anböte, er würde e« zurückweisen, und wenn er mit allen Entbehrungen des Lebens zu kämpfen hätte." Diese Auskunft befriedigte Herrn Amberg sichtlich. Und Ihr jüngerer Bruder," fuhr er fort,denkt der eben so von ihm?" Von dem habe ich leider keine Nachricht." Er war Seemann , nicht wahr?" Er ging mit einem englischen Schiffe nach Canad». Das Schiff ist von dort zurückgekehrt, mein Bruder aber nicht. Es heißt, daß er auf einem andern Schiffe Dienst genommen. Weshalb er keine Nachricht von sich gegeben, weiß ich nicht. Möglich ist es indessen, daß er meinen und meines Bruders Aufenthalt gar nicht kennt." (Fortsetzung folgt.)