Auftralien treiben würde. Das Blat sagt, man sei durch diese Erwerbungen Deutschlands durchaus nicht beunruhigt; die Times" fordert aber die Regierung dringend auf, mit den Mächten in Betreff der Zukunft bisher nicht okkupirter Ländereien ein Einverständniß zu erzielen.
China . Aus Peting wird der„ Times" unterm 28. November gemeldet: Der Bau einer Eisenbahn von den Kohlenbergwerken in Chaitang ist vom Throne sanktionirt worden. Der Beiho ist im Zufrieren begriffen und die Schiff fahrt in dem Fluffe wird balo ihr Ende erreichen. Die Einwohner von Peking und Tientsin werden dann thatsächlich bis zum März von jedwedem Verkehr abgeschnitten sein. Die Bevölkerung von Peking verhält sich ordentlich und achtungs. voll und steht auf gutem Fuße mit den Ausländern. Die Gesandten Englands, Deutschlands , der Vereinigten Staaten und Rußlands werden über den Winter bier bleiben.
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Eine Notiz in der Morning Post" besagt:„ Die chinest chen Kreuzer, welche den französischen Transportschiffen mit Verstärkungen auflauern, sollen der Dang- Quei" und der Thao- Yong" sein, welche zwei 26 Tonnen- Kanonen, sowie leichtere Geschüße führen und eine Fahrgeschwindigkeit von 16 Knoten per Stunde beftzen. Sie find unzweifelhaft sehr mächtige Fahrzeuge, ausgenommen gegen Panzerschiffe, und sollen neuerdings in Shanghi eine beträchtliche Anzahl von Amerikanern und Europäern, die in chinische Dienste getreten find, an Bord genommen haben. Wir glauben, daß die fran zösische Regierung den Triomphante" den Transportschiffen zum Schuß gegen die chinesischen Kreuzer beigegeben hat." Der Governeur von Saigon hat einen in drohender Sprache abgefaßten Brief betreffs der Frage der flamesischen Grenze zunächst Tonking an die flamesische Regierung gerichtet. Die Siamesen find dadurch höchlich beunruhigt.
Australien . Aus Brisbane , Queensland , wird gemeldet, daß dort von der Mannschaft eines sogenannten Arbeiterschiffes wegen Menschenraub auf den Inseln des Stillen Oceans verurtheilt worden find: ein Mac Neil zum Tode, der Kapitän des Schiffes und der Regierungsagent zu lebenslänglichem Buchthaus, der erste Offizier zu zehnjährigem Buchthaus und die Matrosen zu fünf Jahren, alle in Eisen. Hoffentlich werden diese Strafen abs schreckend wirken.
Lokales.
Die japanischen Abgesandten, welche unsere hiesigen städtischen Einrichtungen fennen lernen wollten, werden fich in nächster Zeit wieder nach ihrer Heimath begeben. In Beglei fung des Hauptmanns Höhn vom 6. Bolizeirevier nahmen ste viele unserer Anstalten in Augenschein. Herr Höhn soll, wie verlautet, die Japaner mit einem unbestimmten Urlaub be gleiten, um in Japan einen Verwaltungsposten zu übernehmen.
g. Der Verkauf von Weihnachtsbäumen gestaltete fich gestern recht flott und namentlich im Mittelpunkt der Stadt wurden viele und große Bäume gekauft. In den äußeren Stadtkreisen ist erst von heute ab ein regeres Geschäft zu er warten, weil gestern Lohntag war und dann der Kleinere Mann erst seine Einkäufe zu machen pflegt.
g. Auf den letzten Wochenmärkten wurden von den zahlreichen Fischhändlern und Schlächtern große Klagen darüber laut, daß in diesem Jahre das Wild und Geflügel, besonders Hafen und Gänse, überaus billig sei, so daß Fische und Fleisch ganz vernachlässigt würden. Aus diesem Grunde fände bei ihnen ein fo geringer Verkauf statt, wie man ihn bisher nicht gekannt hätte. Richtig ist, daß man an den jezigen Markttagen Hausfrauen und auch Männer mit Gänsen beladen steht und daß namentlich die von auswärts mit schweren" Gänsen tommenden Händler troß der niedrigen Preise ein glänzendes Geschäft machen.
a. Den Taschendiebstählen auf den Weihnachtsmärtten am Schloßplatz und Luftgarten, welche sich alljährlich mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholen, wird von der Kriminalpolizei besondere Aufmerkiamkeit zugewendet, und es vermeiden deshalb die routinirten Taschendiebe, ihr verbrecherisches Handweit auf diesen Weihnachtsmärkten auszuüben. Durch einen verhängnißvollen Zufall wurde nun am Freitag Nachmittag eine alte berüchtigte Taschendiebin verleitet, mit ihrer Tochter den Weihnachtsmarkt auf dem Schloßplaz zu be suchen, und eine sich darbietende scheinbar günstige Gelegenheit zu benutzen, um einer vor ihr gehenden Dame ein Bortemonnaie aus der Manteltasche zu ziehen. Ein an einer Marktbude stehender Herr bemerkte den Kühnen Handgriff der Diebin und veranlaßte ihre Festnahme, che sie noch Beit hatte, das gestohlene Portemonnaie ihrer nachfolgenden Tochter zuzustecken. Das Portemonnaie, welches mehr als 20 Mart enthielt, wurde der Bestohlenen sofort wieder zugestellt und die Taschendiebin wurde zur Haft gebracht.
g. Ein Bauer aus der Umgegend von Berlin frat vor einigen Tagen in den Laden eines Kaufmannes in der Fehrbellinerstraße und richtete an diesen die Frage, ob er ihm nicht ein Kouvert und eine Briefmarke verlaufen könnte. Als Der Kaufmann dem Wunsche bereitwilligst nachgekommen war, sagte der Bauer in seinem plattdeutschen Dialekt: ,, Na nu tönnen Sie mir ooch gleich eenen Brief schriwe." Der Kaufmann lächelt über diese Un- genirtheit und schrieb auch noch nach dem Diktat des Bauern einen Brief, der ebenso originell
als derb war.
Jugendliche Abenteurer. Der 16 Jahre alte Richard W., der Sohn eines achtbaren Acerbürgers aus der Uckermark, steht seit längerer Zeit in der Lehre bei dem hiesigen Schloffermeister R.. Der Bursche hat sich seither gut geführt und zuweilen nur den Unwillen des Meisters dadurch erregt, daß er die ihm zugefloffenen Muttergroschen unb Trinkgelder zur Anschaffung von sogenannten Indianer- Geschichten und RäuberRomanen verwendete. Am vorigen Sonnabend bat der Bursche seinen Meister um die Erlaubniß, zu seinen Eltern reifen zu dürfen. Der Meister gestattete ihm dies auch unter der Bebingung, daß er am Sonntag um zehn Uhr Abends wieder zurück sein müsse. Frohen Muthes nahm der Bursche Abschied von der Meisterin und deren Kindern und meinte dabei:„ Na, wenn wir uns nicht wiedersehen sollten, dann bleiben Sie hübsch gesund und leben Sie mohl!!" Am Montag früh mar der Lehrling noch nicht zurückgekehrt, und als er auch am Abend noch nicht eingetroffen war, telegraphirte der Meister an die Eltern und erhielt bald darauf Antwort, daß der Sohn überhaupt nicht bei ihnen gewesen sei. Alle Nachforschungen nach dem Burschen blieben erfolglos, bis am Dienstag Nachmittag ein Forstbeamter in der Gegend von Erkner , an der Frankfurter Bahn, zwei Burschen festhielt, die Unfug mit einem Revolver in der dortigen Forst trieben. Die Jungen waren ganz munter, und tros der fühlen nafsen Witterung durchaus ,, unverfroren". Der Forstmann beschlagnahmte den Revolver und sistirte beide Jungen zum nächsten Amtsvorsteher, wo bei jedem noch ein großes Messer, Charpie, alte Leinewand zum Verbinden von Wunden, wie fie meinten, und etwas Leibwäsche gefunden wurde. Beide gestanden offen ein, die Absicht gehabt zu haben, nach Rumänien auszuwandern, um sich dort einer Räuber bande anzuschließen. Der von dem Aufenthalt feines Lehrlings in Kenntniß gefeßte Schloffermeister hat sich fofort aufgemacht, um feinen angehenden Rinaldo in Empfang au nehmen; er wird hoffentlich dafür Sorge tragen, daß dem Jungen die Lust zum Räuberwerden" gründlich vergeht. Sein Kumpan wurde in Begleitung eines Amte dieners nach Berlin transportit, da dessen Vater verreist und die Mutter, welche hier ein Schreibmaterialien- Geschäft betreibt, verhindert war, ihren Sprößling persönlich abzuholen.
g. Eine Taschendiebin wurde gestern Abend furz nach Ausführung eines Diebstahls auf dem Schloßplat ergriffen ind zur haft gebracht. Ein Knabe hatte bemerkt, daß eine
Frauensperson einer Dame ein Portemannaie aus der Paletots| tasche entwendet hatte und sich darauf entfernen wollte. Er theilte seine Beobachtungen einem Schußmann mit, welcher die Diebin in der Breitenstraße festnahm und fte nach der Wache des 1. Polizei- Reviers fiftirte. Erst nach längerem Leugnen gab die Frauensperson den Diebstahl zu, suchte sich aber damit zu entschuldigen, daß die betreffende Dame fte zu dem Diebstahl direkt verleitet habe, weil das Bortemonnaie für Jeder mann fichtbar in der Außentasche des Paletots gesteckt hätte! Ihre Personallen ergaben, daß man es mit einer ganz gemeingefährlichen Taschendiebin zu thun habe, welche schon mehrere Diebstähle ausgeführt hat.
Ein stummer Landstreicher, an deffen Sprachlosigkeit indeffen Niemand glauben wird, befindet sich augenblicklich in Landsberg a. W. in Haft. Bei seiner Verhaftung gab der etwa 40 Jahre alte Mensch zu verstehen, daß er ein Schuh macher Ryskiewicz sei, und befand er fich auch in dem Befiz eines auf diesen lautenden, bereits am 9. April 1881 abgelaufenen Basses; gleichzeitig aber hatte er auch eine auf einen Knecht Paul Ampf ausgestellte Reiseroute bei sich, die ihn in deffen augenscheinlich nicht betrifft. Da derselbe zum Sprechen nicht zu bewegen ist, so liegt der Verdacht vor, daß er aus einer Strafanstalt ensprungen, oder aber ein Verbrechen verübt hat, wodurch er veranlaßt wird, seine Verhältnisse zu verschweigen. Seit dem 2 d. Mts. befindet sich der angebliche Ryskiewicz in dem Landarmenhause in Landsberg und hat dort noch kein Wort gesprochen, obgleich er bei seiner Verhaftung noch seinen Namen genannt hat.
Die jugendliche Diebesbande, welche erst fürzlich nach Verübung eines Kaffendiebstahls bei einem Schlächtermeister in der Alvenslebenstraße ertappt worden und sodann aus dem Untersuchungs- Gefängniß des Landgerichts II wieder entlaffen worden ist, hat die ihr gewährte Freiheit recht gründlich ausgenutzt. Der Genebarm Goldmann in Schöneberg hat den Rädelsfährer der Bande, den 11 Jahre alten Knaben Krüger, mit einem in Friedenau gestohlenen Kinderschlitten ergriffen, und gestand der Kleine Dieb dem Gensdarmen, daß er den Schlitten von dem ebenfalls zu der Bande gehörigen, zwölf Jahre alten Knaben Helm geschenkt erhalten habe. Da Goldmann den Verdacht hegte, daß die Jungen gemeinschaftlich wiederum Diebstähle dadurch verübt, indem fie fich in den Laden der Geschäftsleute eingeschlichen und die Kaffen bestohlen, fagte er es dem Burschen auf den Kopf zu, daß er mit feinen Genoffen wieder zwanzig derartige Vergehen verübt hätte. Jegt erklärte der Junge weinend, daß es so viele DiebStähle nicht seien. Daraufhin inquirirte der Beamte weiter und erhielt nun eine ganze Reihe von Geständnissen über derattige Diebstähle, welche größtentheils in der Potsdamer Borstadt verübt find.
N. Durch einen Hundebiß wurde gestern Abend in der Friedenstraße die in der Pallisadenstraße wohnende unverehelichte 23jährige Louise Sch. nicht unerheblich verlegt. Die Berlegte wurde, als fie nach Erledigung einiger Einkäufe fich in ihre Wohnung zurückbegeben wollte, plötzlich von einem großen Schlächterhund angefallen und derart in das linke Bein gebissen, daß sie ohnmächtig zur Erde fant. Von vor übergehenden Baffanten wurde die Angegriffene in ihre Behausung geschafft, von wo aus ihre Ueberführung nach dem Krankenhause im Friedrichshain erfolgen mußte. Der Besitzer des biffigen Thieres ist bis jegt noch nicht ermittelt.
N. Unsere Fenerwehr wurde heute früh neun Uhr nach dem Grundstück Gitschinerstr. 53 gerufen. Da zu dem Feueralarm fein eigentlicher Brand, sondern nur helle Funken, die aus dem Schornstein schlugen, Veranlassung gegeben hatten, so fonnten die Mannschaften, ohne in Thätigkeit zu lommen, wieder in ibre Depots abrücken.
Der Gast unseres Königlichen Opernhauses Herr Mirzwinski wird, wie uns von informirter Seite geschrieben, am nächsten Dienstag zum letzten Male als Troubadour auf
treten.
Die neue Oper Der Trompeter von Säckingen" geht der umfassenden Vorkehrungen wegen, erst Anfang nächsten Jahres und zwar Mitte Januar zum ersten Male in Sjene.
Das Zentral- Theater ist in der glücklichen Lage für das diesjährige Weihnachtsfest der Repertoireforgen überhoben zu sein, da Der Walzer- König" von seiner Anziehungskraft bisher nichts eingehüßt hat und daher auch weiterhin das Feld behaupten wird; heute geht die Gesangspoffe 3. 57. Male in Szene.
Jm, Deutschen Theater" geht am Sonnabend, den 27. b. M. das Luftspiel Flattersucht" von Sardou neu in Szene. Dazu kommen an demselben Abend ,, Die Neuvermählten" von Björnson wieder zur Aufführung. Außerdem bringt das Repertoire dieser Woche Wiederholungen von„ Die Welt , in der man fich langweilt", Wilhelm Tell "," Die große Glocke" und Richard III. " Am Weihnachtsabend bleibt das Theater geSchloffen. Heute, Sonntag, wird Pitt und For" gegeben.
Polizei- Bericht. Am 19. d. M. Vormittags erlitt ber Bimmergeselle Maron, Reichenbergerstraße 21 wohnhaft, auf Sem Neubau, Wallstraße 13, dadurch eine bedeutende Quet schung des linten Fußes, daß ihm ein etwa 19 Bentner schwerer eiserner Träger beim Umkanten auf den Fuß fiel. Maron mußte mittelst Droschte nach seiner Wohnung gebracht werden.
An demselben Tage Nachmittags entstand im Lagerfeller des Schantwirths Bartels, Markusstraße 27, dadurch Feuer, daß dem c. Bartels eine brennende Petroleumlampe aus der Hand fiel. Um diefelbe Zeit wurde eine ca. 40 Jahre alte obdachlose Frau in der Papenstraße in hilfloser Lage aufgefunden und nach der Charitee gebracht.
Gerichts- Zeitung.
Das Dynamit- Attentat bei der Enthüllungsfeier des Niederwald- Dentmals vor dem Reichs- Gericht.
( Fortseßung aus dem Hauptblatt.) Rechtsanwalt Seelig als Vertheidiger des Holzhauer, Rheinbach , Soehngen, Bachmann und Toellner plaidirt für deren Nichtschuldigerklärung. Gegen Holzhauer liegen lediglich die belastenden Aussagen des Rupsch vor. Es ist dadurch aber nicht erwiesen, daß Holzhauer dem Rupsch Dynamit gegeben.
Bei Holzhauer wurde auch kein Dynamit gefunden, und es ist nicht erwiesen, daß er von dem Vorhandensein von solchem
auf seinem Grundstück oder in seinem Hause Kenntniß gehabt.
Hinsichtlich Rheinbach und Soehngen ist es fonstatirt, daß fie am 24. September Geld hergegeben haben, aber keineswegs, daß fie gewußt, zu welchem Zwede. Lag es doch gewiß im Plane Reinsdorf's, so wenig als möglich Menschen in seine Absichten einzuweihen. Die Eile der Angeklagten bei Beschaffung des Geldes spricht dafür, daß sie glaubten, es handle fich um schleunige Beseitigung einer dringenden Nothlage. Alle Momente aber, welche auf die spätere Kenntniß der Angeklagten Bezug baben, tönnen nicht zu ihrer Berurtheilung dienen. Ift schließlich Rupsch von seinem Vorhaben zurückgetreten, so würde dies auch meinem Klienten zu Gute kommen. Betreffs Töllners schließe ich mich den Ausführungen des Herrn Reichsanwalts an. Bachmann anlangend, so hat der felbe ein Gefiändniß abgelegt, dasselbe aber dann beschränkt. Er habe wohl ein Attentat bei Willemsen vollführen wollen, habe aber die vernichtende Wirkung des Dynamits nicht ges fannt und auch nicht geglaubt, daß das Haus zerstört und ein Mensch dabei getödtet werden könnte. Die Ausführung des ihm von Reinsdorf angetragenen Attentats in Den ,, Frankfurter Bierhallen" hat er abgelehnt. Seine Angaben erscheinen nach Allem, was ermittelt worden, als glaubwürdig, daß er nämlich nicht Tödtung eines Menschen, Brandstiftung oder Berstörung eines Gebäudes beabsichtigt und sich über die mög liche Wirkung seiner That in Irrthum befunden habe. Es ist
auch nicht erwiesen, daß Bachmann die That in Folge der ihm versprochenen großen Belohnung vollführt; er hat lediglich seine Reisekosten erhalten. Es dürfte auf ihn nicht§ 206 fondern 308 des Strafgefeßes zutreffen, auch ist seine bisherige Unbescholtenheit zu berücksichtigen.( Hierauf tritt eine Pause von einer halben Stunde ein.)
Nach der Pause nimmt Justizrath Fenner als Vertheidiger des Reinsdorf das Wort. Er weist zunächst darauf hin, daß Reinsdorf in Bezug auf das Attentat an der Festhalle in Rü desheim gar nicht einmal verantwortlich vernommen worden sei. Es bleibt also die Anstiftung zu den Attentaten in Elbers feld und auf dem Niederwald. Die Anstiftung soll ja allerbings wie die Thäterschaft bestraft werden. Was ist denn nun aber geschehen? In Elberfeld handelte es sich wohl nicht um einen Mordverfuch Bachmann's. Reinsdorf ist auch darin zu glauben, daß er hierzu nicht angeftiftet. Nimmt er doch die weit schwerere Anstiftung zu dem Attentat auf dem Niederwald ohne Weiteres auf fich. Hier stellt sich der Mange! eines objektiven Thatbestandes heraus. Hätten sich die Angeklagten von vornherein standhaft aufs Leugnen gelegt, so wäre von dem ganzen Attentat nicht viel herausgekommen. Was Küchler und Rupsch anlangt, so suchen sich beide auf die möglichste Weise herauszulügen. Der Herr Reichsanwalt wendet den Einen als Argument gegen den Andern an, das geht doch aber nicht. Uebereinstimmend befunden beide nur, daß sie auf den Niederwald gegangen sind und Bündschnur und Dynamit mitge nommen haben. Sie hätten sich auch gar nicht zu beschuldigen brauchen, sondern nur einfach zu sagen, es ist nichts vorgefallen. Aber Leute DON diesem Bildungsstande wiffen nicht, was fie retten oder um den Kopf bringen kann. Nachdem Rupsch gesagt, Küchler hat es gethan, sagt dieser natur gemäß, Rupsch ist es gewesen. Die Aussagen und Geständnißſe find daher ohne Werth und nur ein Gewirre von Wahrheit und Unwahrheit. Der Richter fann sich dadurch nicht binden laffen. Es ist stets bedenklich, auf die unbeeidigte Aussage eines Mit schuldigen hin möchte ich für meine Person nicht glauben, daß ich den Muth hätte, ein Todesurtheil zu sprechen. Auch Palm's Aussagen find ohne Werth. Er ist ein höchst verdächtiger Beuge, deffen Aussagen weniger werth find als die eines der Ange klagten. Nun ist thatsächlich auch nicht einmal der Versuch eines Mordes gemacht worden. Man fann ungefähr einen Bergleich mit Jemandem machen, der vielleicht mit einem Gewehr ein Attentat unternehmen wollte, aber nicht einmal zum Spannen des Hahns gelangt ist. So ist hier auch feine wirkliche verbrecherische That, sondern eine vorbes reitende Handlung verübt worden, trifft hier also der§ 80 auf die Angeklagten nicht zu. Die Frage der Anstiftung anlangend, so hat der Angeklagte Reinsdorf allerdings die Anftiftung einfach zugeftanden, aber ich habe doch in dieser Beziehung etwas anzuführen. Er ist lediglich von politischen Motiven beherrscht. Die Intereffen, die er hat, gehen diese Stufenfolge: Buerst sein Prinzip und seine Grundsäge, dann feine Genoffen, zulegt er. Er würde sich für seine Genossen ebenso aufopfern, wie für seine Sache. Es frägt sich nun, ob er im Intereffe feiner Sache so sagen mußte, wie er gesagt hat, ob er nicht im Interesse seiner Sache den Kopf unter das Mär tyrerbeil legt. Sind doch todte Märtyrer gefährlicher als le bende hinter den Gefängnißthüren. Er ist brusitrant, hat nicht mehr lange zu leben, weiß, daß er elend im Buchthause sterben muß. Sollte er da nicht den Tod auf dem Schaffot im Intereffe der Partei vorziehen? Ich muß dies aussprechen; denke man doch an das Beispiel von Herostrat! Reinsdorf soll den Auftrag gegeben haben, den Kaiser zu tödten; er lägt eine Zündschnur faufen, die 13 Minuten zu brennen bat, ehe ste das Dynamit erreicht. Welch unsicheres Geschoß. Es heißt, er habe die Anweisung gegeben, den Raiser bis auf 50 Schritt berankommen zu lassen, ehe die Schnur entzündet wurde. Dann fonnte aber feine Todtung des Kaisers mehr erfolgen. Es scheint, die Angeklagten wollten gar tein wirkliches Attentat, fondern nur den Schein eines solchen, was ihnen ebenso nüßte. Den Kaiser oder irgend welche Fürsten hatten sie nicht töbten wollen, sondern sie haben lediglich, allerdings in höchst frevelhafter Weise, ein Attentat geplant, in Folge desen Menschen umfommen fonnten. Es ist dies ein politischer Prozeß. Fast immer ist die Richterbart bei solchen Verbrechen mit politischen Gegnern befest. Auch bei den Vertheidigern waltet daß Gleiche vor. Joh habe deshalb alle politischen Gefichtspunkte abzuftreifen versucht und erkenne es an, daß der Reichsanwalt dem gleichen Gesichtspunkt gefolgt ist. Ich habe das Vertrauen zum hohen Gerichtshof, daß er hier ganz parteilos ver fahren wird.
Ober- Reichsanwalt Freiherr v. Sedendorff: Reinsdorf hat strikte Anweisungen für Rupsch und Küchler gegeben. Seine Anweisungen find befolgt worden. Das Verhältniß zwischen Reinsdorf und den Beiden war nicht so, daß Lettere es gewagt hätten, ihn hinters Licht zu führen. Nur eine höhere Hand, die Hand der Vorsehung, hat den Erfolg des Aitentats vers hindert. Küchler und Rupich gaben nach dem ersten mißglückten Verfuch nicht etwa die Ausführung ihres Planes auf, sondern beharrten auf der Ausführung. Die Schnur wurde zum zwet ten Male angezündet. Das Durchschneiden der Schnur geschah nur zu dem Zwecke, um eine trockenes Bündende zu gewinnen. Es lag also eine ftritte Beharrlichkeit vor. Rupsch fit Thäter und Rüchler zweifellos Mitthäter; er hat auch zulegt bei der Anzündung der Schnur mitgeholfen. Ein Weiteres glaube ich
nicht sagen zu brauchen.
Reichsanwalt Treplin: Man muß in Betracht nehmen, daß die Anreizungen des Reinsdorf fich gerade bauptsächlich auf Berstörung von Leben und Eigenthum gerichtet haben. Die Vornahme der Explosion an der Festhalle zeigt auch, weffen man fich von den Angeklagten versehen konnte. Gerade für die Beurtheilung der inneren psychologischen Vorgänge bet den Angeklagten ist diese That werthvoll. Der Vermuthung des Herrn Vertheidigers in Betreff der freiwilligen Märtyrer schaft des Reinsdorf habe ich entgegenzustellen, daß Reinsdorf eist hier mit dieser Stolle hervorgetreten ist; übrigens hat er seine Genossen, nachdem sie ihn bezichtigt, unter Umständen nicht geschont.
Nach einer kurzen Replik des Vertheidigers erhebt fich Reinsdorf zu seiner Bertheidigung: Es baben zwei Attentate, cins in Elberfeld , eins auf dem Niederwald stattgefunden. des Rupsch vereitelt worden. Die politische Polizei in Deutsche land hat nichts entdeckt und nichts verhindert, am wenigsten in Elberfeld , wo man Herrn Gottschalk an die Spige gestellt. Sechs Monate brauchte die Polizei, um erft durch Verräther
etwas von dem Attentat zu erfahren.
Präf.: Laffen Sie die Polizei aus dem Spiele, sondern beschränken Sie sich auf Ihre Vertheidigung.
Reinsdorf : Die Polizei und namentlich Herr Gottschall will Ihre Kenntniß von dem Attentat in Bezug auf die Quellen nicht aufoeden und hat sich hier auf den Dienfteid
von der Reise nach dem Niederwald. Der Umstand der Hers veischaffung von 40 M. durch Palm ist doch noch gar nicht aufgeklärt. Der Angeklagte ergeht sich hierauf in den hef tigfien Invektiven gegen die Polizei und wird hier durch den Präsidenten energisch unterbrochen. Er verspricht hierauf Regierung als viel zu spät gelommene, fleine wirkungslose ich zehn Köpfe hätte, ich würde fie in diesem Kampfe Mittelchen. Wir fämpfen gegen ein System, und wenn Die Arbeiter haben zu dem Kampfe gegen Der Angeklagte ver fällt nun in die trasfesten Ausfälle gegen die den Arbeiter unterdrückende ,, Bourgeoifte". Der Arbeiter habe aber Dynamit und werde damit seine Feinde vertilgen; fein Bourgeois werde
wagen.
die Unterdrückung volles Recht.
seines Lebens sicher sein. Ich breche hier ab-
fchließt der