schen Kanalisation, t. Baurath Hobrecht, ist somit zum Stadt baurath von Berlin   auf die Dauer von 12 Jahren gewählt worden.

Bei dem zweiten Wahlgange werden 96 giltige Stimm­zettel abgegeben. Von denselben lauten 88 auf Stadtrath Meubrint, während sich 8 zersplittern. Hiernach ist Stadtrath Meubrint auf weitere zwölf Jahre als besoldeter Stadtrath von Berlin   wiedergewählt worden.

Schluß der Sigung 8 Uhr. Am Magistratstische: Räm­merer Runge, Stadtbaurath. Rospatt, Stadtfyndikus Belle, Stadträthe Wolff, Löwe, Bail, Krause, Friedel, Bor­chardt u. A.

In der außerordentlichen Sigung des Magistrats gelangten hauptsächlich Spezialetats zur Berathung und Fest­stellung. In Betreff des Etats des Gefinde- Belohnungsfonds wurde fonstatirt, daß sich das Kapitalvermögen deffelben von 188,500 M. auf 200,900 D., die Einnahmen aus den Kapi­talien von 8341 M. auf 9025 M. erhöht haben. Dagegen seien die Einnahmen aus den Beiträgen der Dienfiboten, welche von diesen bei Antritt oder Wechsel eines Dienstes zu zahlen sind, von 23,562 M. im Jahre 1881 auf 22,283 M. im Jahre 1883 zurückgegangen. Die Ausgaben belaufen fich im Ganzen auf 34,415 M., darunter für Verpflegung der Hospi­taliten 14,603 M., Unterstüßungen 7667 M.

Den Etat der Gemeindefriedhöfe betreffend hat der Magistrat beschlossen, für das Jahr 1885/86 die Einsegung einer Summe von 13,500 M. in das Extraordinarium bei der Stadtverordnetenversammlung zu beantragen. Es ist in Aus­ficht genommen, von dem Gesammt- Friedhofsterrain in Fried­ richsfelde   aufs Neue Hektar( tund 14 Morgen) für Beer­bigungen zu planiren, reguliren, mit Bäumen zu bepflanzen 2c. Die Ausgaben im Drdinarium belaufen fich auf 22,031 M., welchen nur 11,650 M. Einnahme gegenüberstehen, so daß ein Buschuß von 10,381 M. erfordert wird. Transportkosten find angefegt mit 6000 M., Begräbnißkosten 7845 M. 2c.

Der Etat der Armen- Verwaltung, Abtheilung für Armenwesen, für 1985/86 ist in Einnahme auf 420 900 M. und in Ausgabe auf 4 490 900 M. festgestellt. Der von der Stadt­Hauptkaffe zu leistende Buschuß beträgt demnach 4 070 000 m., gegen das laufende Etatsjahr mebr 156 050 M. Unter den Einnahmen find hervorzuheben 400 000. an die Stadt Berlin   zu erstattende Unterstügungen. Unter den Ausgaben find 3 000 000 M. angefegt zu Unterstügungen, welche die Armen­tommission auszahlt, 130,000 m. für Unterflüßungen, welche un­mittelbar bewilligt werden; 184 000 m. für besondere Arten von Unterstützungen; 1 054 750 M. zur Bestreitung der Kosten der Armen- Krankenpflege; 60 610 W. für Verwaltungskosten 2c. In Folge der Neu- Eintheilung der Stadtbezirke haben die Armen- Kommisstenen von 193 auf 213 und die neuen Medi­zinal- Bezirke von 58 auf 162 vermehrt werden müssen.

Die Verhandlungen wegen der Anlage eines städtischen Parks auf dem Kreuzberge follen nach einem Beschluß des Magiftrats mit den betreffenden fiskalischen Behörden jezt wieder aufgenommen werden. Den Magistratskommissarien find die bezüglichen Instruktionen ertheilt worden.

Lokales..

r. Die Einführung gläserner Hohlmaße, die für den Geschäftsverkehr längst ein Bedürfniß war, steht nunmehr in Kurzem beror. Nachdem der Bundesrath die Ausführungsbe­ftimmungen zur neuen Maß- und Gewichts- Ordnung geneh migt hat, ist nunmehr der von der Normal- Aichungskommission ausgearbeitete Entwurf einer neuen Aichordnung dem Reichs­amt des Innern zugegangen und dürfte bereits in nächster Zeit publizitt und damit in Kraft gefeßt werten. Die wichtige Bestimmung des Entwurfs, die auch für weitere Kreise Inter­effe hat, ist zweifellos die, welche die Bulässigkeit gläserner Maße für Flüssigkeiten zur Aichung festsetzt. Es sollen nicht blos gewöhnliche Hohlmaße von Glas, sondern auch Flaschen zur amtlichen Alichung zugelassen werden. Bei Flaschen ist in­deß die Aichung nur auf einen Inhalt von 1,0 und 0,5 Liter beschränkt. Die Aichung erfolgt durch Anbringung eines Aich­striches und Anbringung des amtlichen Alichstempels. Dieses Verfahren ist nicht zu verwechseln mit dem Alichen der Schant gefäße und anderer Geräthe, in denen Flüssigkeiten verabfolgt werden. Das Anbringen der Maßzeichen in diesen Gläsern, Rügen   u. 1. m. erfolgt lediglich auf die Gefahr der Besizer und diese sind der Polizei gegenüber und eventuell strafrecht­lich für die Richtigkeit des angegebenen Maßes verantwortlich. Eine Aichung im gefeßlichen Sinne, wie sie für die zum Han­del nöthigen Hohlmaße erforderlich ist, liegt erst dann vor, wenn der Stempel des Alichamtes neben den, den Rauminhalt des Gefäßes andeutenden Strich gesezt ist. Beim Aichen  neuer Glasmaße und Flaschen gedenkt man zur Anbringung des Aichzeichens sich des neuerdings sehr vervollkommneten Aegverfahrens zu bedienen.

Für den Umzug am Quartalswechsel macht das Po­lizeipräsidium bekannt, daß der am 2. Januar beginnende Umzug bei fleinen, aus höchftens zwei Simmern nebst Zubehör bestehenden Wohnungen an demselben Tage, bei mittleren, auß brei oder vier Bimmern nebst Zubehör bestehenden Wohnungen am 3. Januar, Mittags 12 Uhr, bei großen Wohnungen am 5. Januar beendigt sein muß.

Droschtenführer- Parade. Nach einer Verordnung des Polizei- Präfidiums beginnt mit dem 2. Januar die sogenannte

Parade der Droschkenführer Berlins   vor dem Kommissar für das öffentliche Fuhrwesen und zwar nach dem A B C, so daß alle Tage eine Serie mit voller Montur antreten muß. Er­scheint es schon an und für fich nicht sehr zweckmäßig, derartige Revisionen im Winter vorzunehmen, so weiß andererseits die Mehrzahl der Beorderten sich insofern zu helfen, als sogenannte fliegende Kleiderverleiher gegen eine Vergütung von 50 Pf. Alle mit Allem aushelfen. Diese Verleiher machen in der Beit der Troschtenparaden ein gutes Geschäft, der Zweck der letzteren ift aber seit Jahren ein verfehlter.

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r. Die Ueberbleibsel einer alt- heidnischen Kultur­Epoche erhalten fich mit einer bewunderungswürdigen Bähig feit in der Bevölkerung, sei es auch in der Form abergläubischer Gebräuche, und besonders ist die Zeit zwischen Weihnachten  und Neujahr reich an solchen Gebräuchen, an denen noch heute der Stempel des altgermanischen Heidenthums deutlich er­tennbar ist. In zahlreichen Familien unserer Bevölkerung herrschen für die Tage der Elfien"( vom 20. Dezember bis 1. Januar) bestimmte Gewohnheiten; Wäsche darf in dieser Beit nicht gewaschen, Hülsenfrüchte( Erbsen, Bohnen, Linsen) dürfen nicht gefocht werden u. s. w. Alle diese Gebräuche haben aweifellos ihren Ursprung in der Feier des heidnischen Jul­festes. Während der Elften" stand nach der heidnischen Auf­faffung die Sonne still und in scheuer Ehrfurcht vor dem Leben Spendenden Lichte, deffen Bewegung am Himmel man sym­bolisch in dem Dahinrollen jeden runden Körpers ausgedrückt fund, ruhte während der Elften" Alles im Haushalt, was rollte, bis auf den rollenden Wassertropfen, der zur Wäsche benugt wurde, und die ebenfalls rollenden Hülsenfrüchte waren für diese Beit von der Zubereitung ausgeschlossen. Erst nach der Beendigung des Julfestes, nachdem man große, brennende Feuer- Räder von den Bergen in die Thäler herniedergerollt hatte, um die Wiederkehr der Sonne zu verkünden, hörten die Verbote während der Elften" auf. Aber noch heute leben ste fort in einer verlnöcherten Ueberlieferung, und ausgestattet mit Drohung eines 18 im nächsten Jahre für den Fall der lebet tre Mer Aufklärung versagt diese Drohung

Thre

ten. Nüßt es nicht, so schadet Sausfrau, vertagt die Wäsche Hülsenfrüchte während der freiche ähnliche Gebräuche in fleinen Städten;

Alles Ueberbleibsel einer feit 1000 Jahren untergegangenen| Berlin   einen Brief erhalten hatte, der mit dem Namen des heidnischen Kultur.

N. Die Zulufarawane, von der bereits gemeldet, daß sie fich in nächster Zeit hier im Caftan'schen Panoptikum produ ziren wird, ist, wie uns soeben geschrieben wird, bereits vor­gestern Abend 12 Uhr, direkt von London   über Hamburg  kommend, auf dem hiesigen Lehrter Bahnhof   angelangt und noch in der Nacht nach dem Panoptikum überführt worden. Die Karamane, die von dem langjährigen Geschäftsführer des Mr. Barnum, Mr. N. Behrens, direkt aus dem Zululande und zwar von den Ufern des Tugela River geholt worden ist, besteht aus fünf Personen und zwar einer Tochter des berühm ten Buluhäuptlings Cetewayo, ihrem fiebenjährigen Kinde und threm aus drei Kriegern bestehenden Gefolge. Die Prinzessin, mit Namen Amazula, ist 23 Jahre alt und von einer bild­schönen, üppigen Erscheinung. In der Zulusprache heißt sie eigentlich Adz- Mwoula, auf Deutsch   Schicke uns Regen". Sie wird Amazula aus dem Grunde genannt, weil sie mit einem Zulufrieger Namens Amazula verehelicht war. Der Lettere fiel in der Schlacht von лoces- Drift nach dem Massakre des 24. englischen Regiments in Iffamdlawhama. Ihr sieben­jähriger Sohn, ein munterer und sehr hübscher Knabe, führt den Namen Ungaue. Das Gefolge der Prinzessin besteht aus dem eigentlichen Chef der Karawane, dem Häuptlinge Incomo, zu Deutsch Stier  , einem Sohne des berühmten Häuptlings Dengandoo. Incomo ist 32 Jahre alt, hat seinen Vater durch den ganzen Bulukrieg begleitet und stolz an seiner Seite ge­fochten. Er ist gefolgt von den beiden Bulukriegern Usafila und Umfula, die beide ebenfalls die ganze Bulukampagne mit­gemacht haben. Von den beiden legteren ist namentlich Umfula noch zu nennen. da derselbe in seiner Heimath die Stelle eines Kwartdoktors, Medizinmannes, in der Bulusprache Umtugat" genannt, bekleidet. Die Zulus   werden, nachdem sie sich von den Strapazen der See- und Eisenbahnreisen erholt haben, voraussichtlich am 5. Januar ihre Vorstellungen im Panop­tikum beginnen.

Die von Kindern ansgeführten Diebstähle mehren fich, wie wir hören, in einer wahrhaft erschreckenden Weise, und in den meisten Fällen sind es ganze Banden von halb. wüchsigen Burschen, welche sich zusammenthun, um ihre Raub­züge zu unternehmen. Die beliebtesten Angriffsobjekte sind die Wagen der Flaschenblerfahrer, wie überhaupt alle mit hand­lichen Gegenständen beladene Wagen, von welchen die scheinbar harmlos auf dem Straßendamm spielenden Jungen mit der größten Frechheit alles Erreichbare fich aneignen und damit in bestimmte Produktengeschäfte verschwinden, wo sie bereitwilliger Abnahme ficher find. Erst gestern find wieder zwei Burschen im Alter von 14 und 15 Jahren von der Polizei in der Schönhauser Allee   fefigenommen worden. Die Bengel stahlen einer Bäckerfrau einen Napikuchen im Werthe von 1,50 Mart, und dem Kutscher der Pferdebahn an der Schönhauser Allee  , ber das sogenannte Vorspannpferd zu besorgen hat, entwende ten sie eine Pferdedecke im Werthe von 6 Mait. Die Decke boten die Knaben Droschkenkutschern und Fuhrleuten zum Kauf an, und da sie dieselbe nicht an den Mann bringen fonnten, zerschnitten fie die Decke und verkauften fie als Lum pen für 20 Pfennig. Einem Schankwirth, bei dem die jugend­lichen Langfinger eine kleine Weiße tranken, stahlen sie eine Schlack und eine Leberwurst direkt vom Ladentisch weg. Beide Taugenichtse sind ihren Eltern wieder zugeführt worden, welche von der Wiedererlangung ihrer hoffnungsvollen Sprößlinge, die ihnen schon häufig für längere Zeit abbanden gekommen waren, wenig erbaut zu sein schienen.

g. Vorsicht! Als am Montag Abend gegen einhalb 10 Uhr ein Hausdiener die Fischerstraße entlang ging, wurde er ohne jede Veranlassung plöglich von einem vor einen Wagen gespannten großen Hunde angefprungen und von diesem so er heblich in die linke Hand gebiffen, daß dem Verlegten in der Sanitätswache in der Brüderstraße ärztliche Hülfe zu Theil werden mußte. Hier wurde konstatist, daß dem Hausdiener der Nagel des linken Beigefingers bis zur Hälfte abgebissen und das zweite Glied vollständig durchbissen war. Dieser Fall mahnt wiederum zur Vorsicht, an Hunden und Pferden, welche dicht am Trottoir balten, nicht so nabe vorbei zu gehen. Gebranntes Kind scheut das Feuer das heißt: Wer einmal von einem in der Bewegung befindlichen Pferdebahn­wagen herabgesprangen ist und dabei zu Falle kam, wartet in Bukunft gerne bis zur nächsten Haltestelle, sollte man meinen, aber dem ist nicht so. Was nügen da die Plakate im Wagen, welche das Publikum auffordern, denselben nicht während der Fahrt zu verlaffen. Ihr Werth ist fast illusorisch, denn die wenigsten Baffanten fommen fener Warnung nach. Von der Männerwelt ganz abgesehen, welche durch die Uebung und Dant ihrer fte nicht hindernden Kleidung ja im Durchschnitt eine ganz schäßenswerthe Gewandtheit bei dem nicht ganz ge­fahrlosen Salto mortale vom dahinsaufenden Pferdebahnwagen befizen, find es hauptsächlich junge Damen im Badfischalter, die dem Reis nicht widerstehen fönnen, burch einen fühnen Sprung vom Wagen die bewundernden Blicke des stärkeren Geschlechts auf fich zu lenken. Diese Versuche fallen nun manchmal recht trofilos aus. So rerunglückte am Montag Nachmittag eine junge Dame an der Ecke der Koch- und Wil helmstraße, welche in dem Augenblick vom Wagen sprang, als derselbe die starke Kurve beschrieb. Die Dame fiel recht un­

glücklich; sie selbst hatte sich zwar nicht verlegt, aber der schöne

neue Plüschmantel, wahrscheinlich ein Weihnachtsgeschenk, war total verdorben. Den Kondukteur trifft nicht die geringste Schuld, da derselbe während des Vorfalls im Innern des Wagens beschäftigt war und die junge Tame auf dem Hinter­perron gestanden hatte. Wir denken nicht daran, nochmals in die Warntrompete zu stoßen, das wäre auch dieses Mal er­folglos.

Billige Hochzeitsfeier. Zu einem Restaurateur in ber Pionierstraße fam in der Festwoche ein junger Mann und fragte, ob er den zum Lokal gehörigen Saal zu seiner Hoch­zeitsfeier am Sonnabend bekommen könne. Auf die Bejabung feiner Frage nannte er die Zahl der Hochzeitsgäfte, bestimmte das Menu und den Wein, und für Alles sollte er hundert fünfzig Matt bezahlen. Zur bestimmten Stunde kamen auch die Neuvermählten mit ihren Gästen, und Alle erklärten dem With bei Tafel, es schmeckte ihnen aus Mutterns Küche" vor­trefflich. Während man die Tafel aufbob, verschwand das Brautpaar und zwar ohne zu zahlen. Als der Kellner am Montag dem jungen Ehemann in feiner, mit großem Lurus ausgestatteten Wohnung die Rechnung überreichte, sagte diefer sehr faltblütig heute habe ich kein Geld. Empfehlen Sie mich Ihrem Prinzipal und sagen Sie ihm, ich würde gelegents lich bei ihm mit herankommen, um das Weitere zu besprechen.

Wie gefällt Ihnen die Einrichtung meiner Wohnung? Nicht wahr, brillant! und Alles aus dem Leihgeschäft, da hat man's sehr bequem, fein Gerichtsvollzieher darf mir auch nur eine Stecknadel wegholen." Der Kellner empfahl sich und brachte seinem Prinzipal die trostreiche Nachricht, daß er zur filbernen Hochzeit der gestern Vermählten wohl wieder mal wird anfragen fönnen.

a. Unermittelter Schwindler. Der vor dem Halleschen Thore wohnende Lieutenant a. D. v. R. erhielt in voriger Woche einen Brief, welcher unter seiner Adresse an einen Portepees fähnrich W. gerichtet war. Der Absender, ein Regiments schneider in Brandenburg   a. H., theilte in dem Briefe mit, daß er den vom Fähnrich W. bestellten Extraanzug demnächst an die von W. aufgegebene Adresse des Lieutenans a. D. von K. senden werde. Da Herr v. K. einen Fähnrich des angege benen Namens gar nicht fannte, so vermuthete er, daß ein Echwindler den Regimentsschneider zum Opfer außerfehen habe, und er schrieb deshalb in diesem Sinne an den Regimente schneider. Der Schneider, welcher einige Tege vorher von

icher Rebatteur R. Cronheim in Berlin  . Druck und Verlag von May Bading in

ihn persönlich bekannten Fähnrich W. unterschrieben war, und in welchem der angeblich in Berlin   bei Verwandten fich auf­haltende W. die Anfertigung und Zusendung eines Extra- An­zuges unter der Adresse des Lieutenants v. K. bestellt hatte, ftellte nunmehr Ermittelungen an, welche ergaben, daß ein Schwindler unter Mißbrauch des Namens von W. den Bestell­brief geschrieben hatte. Der Schwindler, welcher mit den Ber hältnissen des Fähnrichs W. ziemlich vertraut sein muß, nahm an, daß der Regimentsschneider ohne Weiteres den Anzug an den Lieutenant von K. senden würde, von welchem sodann der Schwindler, unter dem Vorgeben der Fähnrich W. zu sein, den Anzug abholen wollte. Es scheint aber, daß der Betrüger zu früh erfahren hat, daß sein Betrugsversuch entdeckt worden, denn er hat sich zur Abholung des Anzugs an der von ihm bestimmten Stelle nicht eingefunden. Bisher ist derselbe noch nicht ermittelt.

Gerichts- Zeitung.

Ein Nitter Schauspiel. Von der Gesellschaft ,, Vierzig Ritter" figen acht auf der Anklagebant. Es sind dies Thomas Meßner, Schieferdecker, Franz Krauß, Schreiner, Stephan Döllinger, Flaschner, Georg Blöchinger, Schriftsetzer, Friedrich Kapp  , Taglöhner, Jakob Kuttler, Schreiner, Friedrich Narius, Arbeiter und Johann Renner, Metalldreher  . Letterer ist zu= gleich Vorstand dieses Ritterordens. Der Ort der Handlung Ses Ritterschauspiels, welches wir zu erzählen haben, war das im ersten Stock befindliche Kneipzimmer des Gasthauses zum goldenen Schwan in Nürnberg  , Beit: die Nacht vom 28. bis 29. September dieses Jahres. Die Handlung selbst bildet ein etwas allzu ritterlicher Kampf, der von zwei Außschußmitgliedern burch Streit unter sich inszenitt wurde, nach dem Koder des Reichsstrafgesetzbuches aber Hausfriedensstörung benamset wird. Demselben reihten sich durch Verkettung unvorhergesehener Zwischenfälle einige Körperverlegungen, sowie grober Unfug und ein ganz klein wenig Widerstand gegen die Staatsgewalt an. So behauptete wenigstens die Anklage, als die Ritter in Ermangelung des eigentlich standesgemäßeren Faustrechtes von den hiesigen Schöffen verurtheilt werden sollten. Im Saale des Schöffengerichts erblickte man hinter der Plante außer ienem Völkchen, welches den Gerichtssaal als Wärmftube be­nügt, in buntem Durcheinander Edelfrauen und Fräuleins, die Auserkorenen der angeklagten, noch nicht verheiratheten Ritter; auch die Beugenbank wird nach und nach von ritter­lichen Bersonen besett; unter ihnen befinden sich als Ents lastungszeugen noch einige Ritter, jedoch nicht in ihrer Stahliüfturg. Hierzu gesellten sich die Diener der hei ligen Hermandad in Uniform und Zivil, sowie der Wirth vom Goldenen Schwan" und das Ehegespons dieses Wirthes, dann die Geschädigten: der Hausknecht des Gasthofes und ein Miethsbewohner, der unverschuldeter Weise ritterliche Siebe bekommen hat. Dem Charakter der Ritter entsprach es natürlich, sich selbst zu vertheidigen, weshalb Rechtsanwälte nicht bestellt waren. Den Advokatentisch offupirten hier die drei Berichterstatter, während im Landgericht umgekehrt der Tisch der Berichterstatter von Advokaten als Ablegeplatz für Aften, Hüte, Pelz- und Winterrock, Gesezbücher, Kommentare und andere nügliche Dinge verwendet zu werden pflegt. Nach Aufnahme der Personalien der Angeklagten wurde den Herren Ritten   vorgehalten, fie hätten zur angegebenen Beit zwischen 10-11 Uhr in ihrem Kneipzimmer im 1. Stock des Gasthauses ungewöhnlich stait gelärmt, weshalb der Wirth sich hinauf ver­fügt und abgewährt habe. Die Ritter hätten jedoch demselben nicht Folge geleistet und es habe Rede und Gegenrede die Streitenden beiderseits erbittert, zumal als der Wirth sich äußerte, die Ritter hätten noch so wenig Bier vertilgt, daß es sich bei all' dem Lärm, der gemacht werde, nicht einmal der Mühe verlohne, die Gesellschaft zu bedienen. Wenn das so fortgehe, fönnten sie sich ein anderes Lokal suchen. Dies hieß Die Ritterehre beim wunden Flecke treffen, denn Reiner wollte fich seine heldenhafte Leistungsfähigkeit so herabwürdigen laffen. Ritter Kuttler   trat vor und rüttelte an dem Faffe, welches sich im Kneipzimmer befand; dann fragte er nach dem Preise des noch darin enthaltenen Gerstensaftes. Der Wirth aber gab eine Antwort, in welcher er die Solvenz der Ritter angezweifelt haben soll, worauf Kuttler, der noch immer, um den Inhalt des Faffes zu erforschen, daran rüitelte, dasselbe in der Erregung von seinem erhabenen Standpunkt herabschleu­derte, so daß der Hahn herausfiel und das edle Naß fich auf den Boden ergoß. Der Lärm steigerte sich durch diesen Bwischenfall immer mehr und der Wuth fühlte sich bewogen, nach der Polizei zu schicken. Dieser legte Versuch des Ruhe­stiftens war Cel ins Feuer gegoffen, denn als die Polizei er­schien, war an Ordnung nicht mehr zu denken. Die ausge wiesenen Ritter hatten bereits Wiene gemacht, ihre Kneiprequi­fiten gleich an fich zu nehmen, ein Vorgehen, dem fich der Wirth widersette. Es wird aber behauptet, der Wirth babe die Ritter zum wiederholten Male aufgefordert, das Lokal zu verlaffen. Die Polizei wurde von beiden Seiten mit einander widersprechenden Erklärungen über den Hergang der Sache bes stürmt, so daß sich die Polizisten fein Urtheil zu bilden vers mochten und ruhiges Nachhausegehen der Herren Ritter ans

einen Ritter geschimpft haben, wofür er von Anderen einige tiethen. Dabei soll der Hausknecht Schneider im Hausflur Hiebe mit Stöcken über den Kopf erhalten zu haben behauptet. Als Hauptschuldige bei Verabreichung dieser Hiebe sind Meßner, Krauß und Döllinger bezeichnet. Kuttler soll auch das ins Rollen gekommene Faß noch die Stiege hinabgestoßen haben, was ihm als grober Unfug" angerechnet wird. Der Kunst­tischler Scherbauer, der sich während des Vorgangs in feine Wohnung im zweiten Stod   begeben wollte, hatte das Schlacht­feid zu pasfiren, und es wurde gegen ihn die Neutralität ver­legt, indem er von Meßner mit einem harten Gegenstand einen Schlag an den Kopf erhielt, in deffen Folge er angeblich noch heute zuweilen von Schwindel befallen wird. Weiter liegt gegen Ritter Krauß Die Beschuldigung vor, dem Polizei Soldaten Hofmann dadurch Widerstand geleistet zu haben, daß er ihn am Rock faßte und davon einen Knopf nebst einem Stück Tuch herausriß. Krauß erläutert, daß et Hofmann nur deshalb am Knopf erfaßt habe, um sich die Aufmerksamkeit des Beamten für seine Mittheilungen über den Hergang der Sache zu sichern, dabei sei ein Gediär ge nach der Stiege zu entstanden und nun hat er sich an dem Knopfe fest­gehalten, um nicht hinabzufallen. Tadurch sei das Malheur entstanden. Einige Ritter, sowie Edelfrauen und Fräuleins befunden, daß sie von der Polizei die Stiege binabgeworfen worden feien, während fie, um ihre galanten Ritter besorgt, doch deren Hüte, Stöcke und Ueberzieher erst in sicheren Ge­wahrsam nehmen wollten und also nicht sogleich das Lokal ver­laffen konnten. Der Amtsanwalt hält jämmtliche Anllage­punkte aufrecht, während im Urtheil der Hausfriedensbruch selbstverständlich in Wegfall kommt und sämmtliche Angeklagte in diesem Punkte freigesprochen werden. Ebenso wird Kuifler in Betreff des grnben Unfugs freigesprochen, da nicht erwiesen werden konnte, ob er das Faß abfichtlich die Stiege hinab oder vom Stuhl herabgestoßen habe. Mesner wird vom Ver gehen der erschwerten" Verlegung am Körper des Hausknechts Schneider freigesprochen, dagegen wegen der an Scherbauer begangenen Körperverlegung zu 10 Tagen Gefängniß vers urtheilt. Ebenso fällt gegen Krauß der durch Knopfabreißen angeblich verübte Widerstand gegen die Staatsgewalt weg und es wird dieser Angeklagte nur in Gemeinschaft mit Döllinger, ein Jeder zu fieben Tagen Gefängniß verurtheilt, weil sie den hausknecht Schneider geprügelt haben, auch müffen sie an den­felben eine Buße von 8 M. 50 Pf. zahlen. Die Ritter tranten sodann noch Eines, ehe fte nach Hause gingen. Berlin   SW., Beuthstraße 2.

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