seiner Frau vor kurzem nach Amerika   gereist, um daselbst wei­teres in Bezug auf einen Kaufmann zu veranlassen, der zur Beit des bekannten Prozesses zu denjenigen Persönlichkeiten ge­hörte, auf welche ein Theil der öffentlichen Meinung bringen­den Verdacht geworfen hatte. Der betreffende Mann hat das mals Hals über Kopf Berlin   und Europa   verlassen und ist über den Dzean gegangen. Der Familie des Runge aber ist der Aufenthalt desselben nicht lange verborgen geblieben, und fie hofft nunmehr, durch ihre Maßnahmen in die Lage zu kom­men, durch Herbeischaffung dieses Menschen, dessen Aeußeres eine auffallende Aehnlichkeit mit dem p. Runge haben soll, der ganzen Affaire eine andere Wendung zu geben.

Wohl bekomm's!! Eine eigenthümliche, wenn auch nicht sehr finnige Weihnachtsbescherung wurde einem am Halleschen Thor wohnenden Rentier S. zu Theil. Unter den zahlreichen Geschenken befand sich auch ein fest enveloppirtes Packet des jüngsten Sohnes, der seit kurzer Zeit als Lehrling in einer hiesigen Apotheke beschäftigt ist, zur eigentlichen Be­scherung jedoch nicht tommen fonnte, da er bis um 10 Uhr Abends in seinem Berufe festgehalten wurde. Das Packet des lieben Sohnes Erich enthielt eine funstvolle Atrappe, in welcher, wie ein beiliegender Bettel voll Stolz ausdrückte, fich ,, 500 eigenhändig fabrizirte- Rhabarberpillen für Papa" be fanden, als Zeichen der erlernten Fortschritte des jugendlichen Pharmazeuten.

Eine aufregende Szene spielte sich in der Sylvesternacht im Hause 30 der Sorauerstraße ab. In einem Zimmer der vierten Etage daselbst war eine lustige Gesellschaft versammelt; der Christbaum strahlte wiederum im hellsten Kerzenglanze und illuminitt waren auch einige der anwesenden jungen Leute, welche der Sylvesterbowle fleißig zugesprochen. Als endlich des Jahres legte Stunde abgelaufen, stieg die allgemeine Auf­regung bis ins Bedenkliche und einer der jungen Leute wurde plößlich, des füßen Punsches voll, von dem unwiderstehlichen Drange getrieben, irgend eine hohe" That auszuführen. Er fprang zum Fenster, riß beide Flügel auf, und fich dann auf die Brüstung schwingend, hielt er fich mit einer Hand an dem Fenster kreuz feft, bog sich mit dem Dberkörper vor und rief aus der schwindelnden Höhe den Paffanten und denen, die dies halsbrecherische. Manöver zu sehen verurtheilt waren, ein übermüthiges Profit Neujahr!" zu. Die in der Stube An wesenden wurden von Furcht und Entsezen ergriffen, man sprang von allen Seiten hinzu, um den Verwegenen an den Rockschößen festzuhalten und wieder zurückzureißen, doch dieser blieb mit der Hartnäckigkeit der Betrunkenen bei seinem wahn­finnigen Vorhaben. Da wollte es noch das Unglück, daß der Tannenbaum von den in der Stube Hin und Herlaufenden umgerissen wurde und Feuer fing, doch war es wohl vielmehr ein Glück zu nennen, denn die dadurch auftauchende Gefahr brachte den Angetrunkenen in soweit wieder zu sich, daß er feinen gefährlichen Standpunkt verließ und fich mit Erfolg an dem Ersticken der aufzüngelnden Flammen betheiligte, welches in wenigen Minuten gelang,

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r. Unsere Damen. Während in Frankreich   die Blutthat der Frau Clovis Hougues eine ganz bedenkliche Aufregung ver ursacht, aus der sich für den unbetheiligten Beobachter eine ebenso gefährliche wie beklagenswerthe Verirrung des Rechts­gefühls erkennen läßt, ist es nicht ohne Interesse, einen Blick auf das Geistesleben unserer Damen zu werfen, wie es fich in einem hiesigen Vereine darstellt, der Damen aus den gebildeteren Ständen der Gesellschaft zu seinen Mitgliedern zählt. In einer vor Kurzem stattgehabten Sigung dieses Vereins hielt zunächst Herr Dr. S. einen Vortrag über Nerven- Leiden". Der nach diesem Vortrage stattfindende musikalische Theil des Abends schien nun gewissermaßen eine Probe auf die Nerven­Stärke der anwesenden Damen zu sein. Bunächst spielte, wie ein über jene Sigung verbreiteter Bericht sagt, Fräulein M. mit großer Fertigkeit bie Ballade As- dur von Chopin   und die Phantafteftücke des Abends" und Aufschwung" von Schu­mann. Hierauf sang Frl. R. ,, an die entfernte Geliebte" von Beethoven  , der erste Schnee" von Levanski und Fouge" von Mendelssohn  . Sodann trug Herr Musikdirektor F. Die Pièce Sträußli Phantaste" für Cornet von Hoch, ferner eine Bhantafe Wolfram's und zum Schluß das ,, Lied an den Abendstern" von Wagner vor. Mit Erstaunen und mit Grauen hören die Spezial- Aerzte für Nervenkrankheiten von diesen Leistungen, denn nach ihren sachverständigen Gutachten wird Niemand von Allen, welche dieser Vereinsfigung wachend von Anfang bis zu Ende beigewohnt, o aktiv, ob passiv, o aktiv, ob paffiv, ist dabei gleichgiltig je zu ihren Patienten gehören, und eine so hochgradige nervöse Erregung, wie sie zur Ausübung einer That à la Clovis Hougues nöthig ist, wäre bei diesen Damen nicht leicht zu befürchten. Möge der betreffende Frauen- Verein, der sich die Belehrung und Unterhaltung seiner Mitglieder zur Aufgabe macht, fich der glücklichsten Resultate feines Strebens erfreuen; seinen schönen Mitgliedern machen wir für die in ihrer Ruhe und Energie bewiesene Nervenftärke unser galantestes Kompliment.

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a. Zwei sehr gefährliche Heirathsschwindler, der Schuhmacher Unrath und der Buchbinder Wiese, sind heute zur Untersuchungshaft gebracht worden. Im September v. J. hatte eine verwittwete ältere Dame in einer Beitung ein An­nonce veröffentlicht, durch welche fte einen Lebensgefährten fuchte. Es meldete sich bei ihr der Schuhmache Unrath, welcher fich der Dame als der Wertführer in einer Druckerei unter dem Namen Wiese vorstellte und angab, ledig zu sein und ein Jahreseinkommen von 800 Thalern zu haben und eine ältere Dame zur Führung seiner Wirthschaft heirathen zu wollen. Die Dame nahm mehrfach die Besuche des U. an, und verlobte fich sodann mit diesem vor seinen beiden ihr vorgestellten Freunden, dem Buchbinder Wiese und dem Kauf­mann M. Diese beiden Freunde stellte Unrath thr aber unter den Namen Schulze und Müller vor. Nach der Verlobung entlockte U. der Dame, unter dem Vorgeben, Wirtschschafts­gegenstände einkaufen zu müssen und hierzu nicht die genü­genden Mittel zu beftzen, nach und nach im Ganzen 600 M., welche er theils selbst, theils sein Freund Wiese al. Schulze bei ihr erhoben. Seit Anfang Dezember ließ fich Unrath bei der Dame nicht wieder sehen, und diese erfuhr auf ihre Er­fundigungen, daß Unrath verheirathet ist, Kinder habe und mit seiner Familie in der Röpnickerstraße wohnt. Vor einigen Tagen erhielt die hiesige Kriminalpolizei von diesem Schwindel und zugleich von einem zweiten, weit gemeineren Heiraths­schwindel Kenntniß, welchen Unrath in Gemeinschaft mit Wiese verübt bat. Ein junges Mädchen, welches sich während ihrer mehrjährigen Dienstthätigkeit 300 M. erspart hatte, war vor Kurzem von Außerhalb nach Berlin   gekommen, um hier in Stellung zu treten. Dieses Mädchen logitte sich bei den Un­rath'schen Eheleuten in der Köpnickerstraße ein. Unrath über­redete das Mädchen, sich mit seinem Freunde Wiese zu ver­loben und diesem ihre Ersparniffe von 300 M. zur Einrichtung der Wirthschaft anzuvertrauen. Wiese und Unrath verpraßten dieses Geld, gleichwie fte die 600 M. der älteren Dame ver­geudet hatten. Denn bei ihrer Einlieferung im Kriminal­Kommiffariat befanden beide fich nur noch im Befiz von wenigen Pfennigen.

N. Jn Betreff des Selbstmordes eines hiesigen Kauf­mannes wird une, um eventuelle Jerihümer zu beseitigen, mitgetheilt, daß der Selbstmörder ein bisher in der Neuen Friedrichstraße 91 wohnender Kaufmann Dscar Mertens ist. Derselbe hatte fich am 1. d. M. ein Zimmer im Central Hotel gemlethet, und dort in der Nacht vom 1. zum 2. d. in felbft­mörderischer Abficht Gift, allem Anschein nach Zyankali, zu sich genommen. Die Wirkung des fürchterlichen Giftes war eine fo rapide, daß sich sofort requirirte ärztliche Hilfe als zu spät erwies. Auf Anordnung der Behörde wurde die Leiche behufs gerichtlicher Obduktion nach dem Obduktionshause geschafft. Verantwortlicher Redakteur R.

a. Ueber einen bei Brieg   in Schleften verübten Raubmord, begangen von einem Lehrling gegen seinen Meister, gelangt an die hiesige Kriminalpolizei folgende Mit­theilung: Am 26. v. Mts, Abends, ist unter einer Brücke bei Groß- Biaftenthal im Kreise Brieg   die Leiche des Schuhmacher­meisters Fischer aus Klein- Piastenthal aufgefunden worden, und zwar unbekleidet und in einen Bettüberzug gewickelt. Fischer ist wahrscheinlich in der Nacht zum 25. Dezember v. J. in seinem Bett überfallen und erschlagen und sodann seine Leiche unter die Brücke geschafft worden. Dringend verdächtig Leiche unter die Brüde geschafft worden. Dringend verdächtig der That ist der flüchtig gewordene Lehrling des Fischer, Julius Ladny, geboren in Schwanowis, Kreis Brieg  , 17-18 Jahre alt, mit vollem, bleichem Gesicht, hellblonden Haaren, von schwächlicher Statur und mittlerer Größe. Derselbe ist im Befiz folgender, zum Theil neugekaufter Kleider: eines glatten, schwarzen Düffel- Ueberziehers mit schwarzem Sammettragen, einer dunkelblauen Weste, gleichfarbiger Hose, eines schwarzen, niedrigen, steifen Hutes, eines dunkelbraunen, farrirten Jaquets. Da das Wanderbuch des ermordeten Fischer fehlt, ist es möglich, daß der Mörder auf Grund desselben sich für den Fischer ausgiebt.

N. Ein bedeutendes Schadenfeuer, dem wiederum meh­rere Werkstattsanlagen zum Opfer fielen, snchte in der vergan­genen Nacht das Grundstüd Gerichtstraße 72 heim. In der Dort in der ersten Etage belegenen Tischlerwerkstatt von Matschke war gegen Uhr auf bisher noch unaufgeklärte Weise ein Feuer ausgebrochen, welches mit einer solchen Vehe­menz um fich griff, daß beim Eintreffen der schnellstens er­schienenen Feuerwehr nicht nur bereits die in der 2. Etage bes legene Tischlerwerkstatt von Schmidt, sondern auch die zur legene Tischlerwerkstatt von Schmidt, sondern auch die zur ebenen Erde befindliche Sattlerei von Rahn und die Schmiede­werkstatt von Liebchen in Mitleidenschaft gezogen waren. Db­wohl sofort 2 Dampffprißen und mehrere große Handdrud­sprigen in Bewegung gesezt worden, so konnte doch nicht ver­hindert werden, daß die sämmtlichen Werkstätten in febr em­pfindlicher Weise beschädigt wurden. Die Ablöschungs- und Aufräumungsarbeiten zogen fich bis heute früh gegen 6 Uhr hin. Der Schaden für die Abgebrannten ist um so bedeuten­ber, da nur einer und zwar der Tischler Maßschke, ver­fichert war.

Im Deutschen   Theater geht am Sonnabend, den 10. d. M. zum ersten Mal das Lustspiel Der Weg zum Herzen", von Adolph L'Arronge  , in Szene. Außerdem bringt das Re­pertoire dieser Woche Wiederholungen von Die große Glocke", Romeo und Julia"," Die Neuvermählten" nebst Flattersucht" und Pitt und For"." Heut werden Die Neuvermählten" und Flattersucht" gegeben.

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Gerichts- Zeitung.

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N. Der wegen des Sittlichkeits- Attentats in der Königshaide in Untersuchungshaft befindliche Arbeiter" Carl Grüßmacher hatte sich am gestrigen Tage vor der zweiten Straffammer des Landgerichts II   wegen dieser Anklage zu ver­antworten. G. wurde, da er seiner Zeit durch das Dazwischen­tommen anderer Personen an der Ausführung seines schänd­lichen Verbrechens behindert worden, nur wegen Körperver­legung mit drei Monaten bestraft.

Reichsgerichts- Entscheidung. Ein wohlhabendes Mäd chen machte die Bekanntschaft eines Gutsbefizer- Sohns, mit welchem fte sich verlobte. Bei der Verlobung erklärte sie ihrem Bräutigam, daß fie eine Ehe mit ihm nur eingehen merde, wenn ihm sein Vater mit 12 000 Mart ausstatte. Einige Beit später ließ der Vater des Bräutigams der Braut durch eine Mittelsperson mittheilen, er werde, wenn sie seinen Sohn heirathe, dem legteren 12 000 Mt. mitgeben. Nach der Hoch­zeit erfolgte die vom Vater zugesagte Mitgabe nicht, und da bas junge Ehepaar die erwartete Summe von 12 000 Mr. zur Verbesserung und Errichtung ihres Gutes nothwendig ge­brauchte, so verstand sich der Vater des Ehemannes dazu, die 12 000 Mt. den Eheleuten als Darlehn zu geben. Nach dem Tode des Vaters verlangten die anderen Erben von der Wittwe jenes inzwischen auch verstorbenrn Sohnes die Rückgabe des Darlehns von 12 000 Mt. Ciese verweigerte die Rückgabe, indem sie eine Gegenforderung in gleicher Höhe wegen der ihr vor ihrer Ehe versprochenen aber nicht erfüllten Mitgabe für ihren damaligen Verlobten geltend machte. Mit dieser Gegen forderung wurde aber die von den Erben verklagte Wittwe in beiden Instanzen abgewiesen, und die von ihr eingelegte Re vision wurde vom Reichsgericht, IV. Zivilsenat, durch Urtheil vom 20. November 1884, zurückgewiesen, indem es begründend ausführte: Nach dem festgestellten Vorgange hat die beklagte nur ihrem ehemaligen Verlobten gegenüber erklärt, daß ste eine Ehe mit ihm nur eingehen werde, wenn ihn sein Water mit 12 000 Mt. ausstatte. Daß dieses Verlangen der Beklagten   irgendwie und insbesondere zum Zwecke der Vertragsschließung in Beziehung gesezt ist zu der Person des Vaters des Verlobien, dem legteren in Absicht einer Ver­tragsschließung überhaupt nur bekannt worden ist, so daß er, als wie auf eine ihm gemachte Offerte, sich erklären fonnte und mußte, das ist weder behauptet noch sonst sachlich dargelegt. Jenes, dem Verlobten gegenüber ausgesprochene Verlangen der Beklagten ist daher nicht als eine, dem Vater des Verlobten gemachte Offerte einer Mitgift zum Zwecke der Eheschließung anzusehen. Wenn nun der Vater des Verlobten einige Beit später durch eine Mittelsperson der Beklagten hat mittheilen laffen, er werde, wenn sie seinen Sohn heirathe, dem legteren 12 000 Mart mitgeben, so steht diese Erklärung in feinerlei fachlicher Beziehung zu dem früher von der Beklagten an ihren Verlobten gestellten Verlangen, ist daber keine bejahende und einwilligende Antwort auf eine, dem Vater des Verlobten ge­machte Offerte, also auch keine Akzeptation eines Versprechens. Beide Erklärungen stehen daher ganz isolist neben einander und bringen bestimmte Personen, als Vertragskontrahenten, überhaupt in feine rechtliche Berührung. Wenn daher ein Vertrag über die Mitgift mit dem Erblaffer der Kläger  , dem Vater des Verlobten und späteren Ehemanns der Beklagten  , überhaupt nicht zu Stande gekommen ist, so kommt es auf die forrelate Beziehung zwischen Eheschließung und Mitgift nicht weiter an."( B./B. 189/84.)

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Augsburg  , 29. Tezember. Der Bürgermeister Kaspar Bihler von Hansen, Bezirksamt Bruck, wurde durch die Straf­tammer des Landgerichts wegen Betrugs zu sechs Monaten Gefängniß, 300 M. Geldbuße und zur Tragung sämmtlicher Kosten verurtheilt. Bigler begab sich, wie man den Münchener N. N." schreibt, im Mai 1883 zur Dienstmagd Anna Mösel nach Winkel und schwindelte derselben vor, fie müsse ihm ihre Sparbücher aushändigen, denn der neuernannte Bezirksamt mann von Bruck tomme zur Gemeindevifitation und wolle wissen, was die armen Leute befizen. Nichts Böses ahnend, gab die Mösel ihre beiden Sparbücher, welche zusammen auf den Betrag von 310 M. lauteten, und Bihler erhob bereits einen Tag später zu Landsberg   den Betrag von 200 M. und zahlte damit seine Schulden. Auf die Frage, warum er diese gemeine Handlung begangen und ein armes rechtschaffenes Dienstmädchen um sein sauer erspartes Geld betrogen habe, antwortete er: Unser Herrgott hat's halt so geschickt, er ist daran schuld."

Arbeiterbewegung, Vereine und

Versammlungen.

in dem großen Keller'schen Saal, Andreasfir. 21 zur Ver sammlung zu erscheinen, um über die nöthigen Schritte zur Abwendung der, den dortigen Arbeitern drohenden Gefahr, zu berathen. Kollegen! Bedenkt, ein Abzug bis zu 30 pet. bet einem Wochenverdienst von 15-18, höchstens 21 Mart würde ein Sinken der Löhne auf 12-15, höchstens 16 Mart mit sich bringen. Müssen wir demgegenüber uns nicht endlich er mannen? Nun wohl, Kollegen, zeigt, daß Ihr endlich die Größe der uns drohenden Gefahr erkannt habt und erscheint Mann für Mann in der Versammlung.

Den Mitgliedern der Zentral- Kranken- und Sterbe­Kaffe der Drechsler und Berufsgenossen( E. H. Nr. 48) zur Nachricht, daß die Beiträge bei folgenden Herren entgegens genommen werden, Sonnabends von 7 bis 10 Uhr Abends: Kleine Hamburgerstraße, Ecke der Elsasserstraße, bei Volland; Gollnow und Weinstraßen- Ecke; Andreasstraße 44 bei Wirfig; Fischerstraße 24 bei Geride; Alte Jakobstraße 124 bei Pfeiffer; Reichenbergerstraße 24 bei Schröder; Mittenwalderstraße 56: Naunynstraße 78 bei J. Müller. Mitglieder- Aufnahme findet auch in oben genannten Bahlstellen sowohl, wie bei dem Be­vollmächtigten und Kassirer statt. Krantenscheine und Geld werden nur bei dem Bevollmächtigten Julius Müller, Engelufer5, oder im Lokal Naunynstraße 78 von 12 bis 1 Uhr und bei dem Kaffirer Kühn um dieselbe Zeit in der Fischerstraße 24 ausgegeben.

Die Kranken- und Sterbekasse der Berl. Hausdiener, eingeschriebene Hilfskaffe 61, welche troß der kurzen Beit ihres Bestehens schon 1400 Mitglieder zählt, hält am Dienstag, den 6. Januar 1885, Abends 9 Uhr, in der Tonhalle, Friedrich­straße 112, eine außerordentliche General- Verfammlung ab. Tagesordnung: 1. Mittheilung. 2. Wie verhält sich unsere 3. Er Kaffe zum Sanitätsverein, Referent Herr D. Grauer. ledigung der eingelaufenen Anträge. 4. Wahl des Vorstandes. 5. Wahl des Ausschusses. Die Mitglieder 6. Fragefaften. werden ersucht, in Anbetracht der Wichtigkeit der Tagesord nung pünktlich zu erscheinen. Als Legitimation gilt das Quittungsbuch.

Fachverein der Schmiede. Montag, den 5. Januar, Abends 82 Uhr, im Vereinslokal, Kommandantenstr. 77/79, 2. ordentliche Generalversammlung. Tagesordnung: 1. Kaffen­bericht. 2. Bericht der Kommission. 3. Neuwahl des Vor­standes. 4. Vereinsangelegenheiten. Wegen der Wichtigkeit der Tagesordnung ist das Erscheinen aller Mitglieder Ehren­sache. Der Vorstand.

Der Verein der Berliner   Bauanschläger hält beute Sonntag, den 4. b. M., Vorm. 10 Uhr, im Preuß'schen Lokal, Oranienstraße 51, eine Generalversammlung ab, mit der Tages­Ordnung: 1) Bericht der Kommission über Unterstützung bei längeren Krankheiten. 2) Bericht der Revisoren über den Kaffenbestand. 3) Wahl des Vorstandes.

Der Fachverein der Tischler hält seine nächste Ver­sammlung am Montag, den 5. b. M., in Jordan's Salon, Neue Grünftr. 28, ab. In dieser Versammlung wird Herr Dr. med. Weise einen mit Experimenten begleiteten Vortrag über: Die Ursachen der Lungenkrankheiten" halten. Gäſte haben Zutritt, neue Mitglieder werden aufgenommen. Billets zum diesjährigen Maskenball des Vereins( am 24. d. M. im Schüßenbauſe) find in den Versammlungen des Vereins und bei den Mitgliedern Böhm, Johanniterstr. 10, H. III; Friese, Waldemarfir. 38, III.; Krug, Frankfurterstr. 59, IV. u. Wolter, Lothringerstr. 24, III. zu haben.

Eingesandt.

Ueber die sozialen Verhältnisse unter den Handlungsge­hilfen erhalten wir von einem solchen folgende bemerkenswerthe Buschrift: Seit 12 Jahren in einem biefigen sehr bedeuten den Handlungshause thätig, habe ich Gelegenheit, die soziale Stellung meiner Berufsgenoffen in ihrem ganzen Umfange zu studiren und habe gefunden, daß unsere Lage in jeder Be­ziehung einer radikalen Reform bedarf. Ueber das Lehrlings­wesen, will ich mich hier nicht auslaffen; für jest möchte ich mich nur mit den Handlungsgehilfen beschäftigen. Hat ein Handlungslehrling seine Lehrziit beendet, so blickt er in dem Gefühl, einem nach seiner Meinung bevorzugten Stande anzu­gehören, mit einer gewissen Nichtachtung auf den Arbeiterstand herab.

Gewöhnlich bringt er seine freie Zeit in Kneipen und Tanz­lokalen zu, den großen Herrn" spielend und über seine Ver­hältniffe lebend, obne etwas für seine weitere geistige Aus­bildung zu thun und ohne zu überlegen, daß seine Stellung eigentlich sehr primitiver Natur und er bei eintretender Stellen lofigkeit oder Krankheit der Sorge und Noth preisgegeben ist, da die Handlungsgehilfen fast gar keine Kranken- und Hilfs­tassen befizen.

Die Folgen der modernen Produktionsweise machen sich doch in allen Berufsklaffen und Branchen fühlbar. Daher ist auch in dem Kaufmannsstande ein Proletariat entstanden, welches in wahrhaft schreckenerregender Weise fich vermehrt und uns ernstlich mahnt, dem Umftchgreifen dieses Uebels energisch zu Leibe zu gehen.

Dieses ist jedoch leichter gesagt, als gethan.

Eine Koalition sämmtlicher Handlungsgehilfen würde an dem Indifferentismus und noch mehr an dem Kastengeist der­selben scheitern.

Es giebt wohl keinen zweiten Stand, in welchem der Raftengeist so ausgeprägt ist, wie in dem Kaufmannsstande.

Die Handlungsgehilfen in den Bankhäusern halten es unter ihrer Würde, fich mit denen anderer kaufmännischer Branchen zu vereinigen.

In Folge des leichten Geldverdienens an der Börse zu einer verhältnißmäßig üppigen Lebensweise geneigt, glauben ste nur tann ihrer Stellung zu entsprechen, wenn sie den Umgang mit Elementen aus der sogenannten Gesellschaft", wie z. B. Abel, Offiziere u. f. w. erstreben, obgleich fie sehr gut wissen, daß gerade diese Klassen in sozialpolitischer Beziehung Gegner der Börse sind. Doch was thut's, man hat ja sein Biel er­reicht und seine Eitelkeit befriedigt, wenn man der Welt seinen diftinguirten Umgang gezeigt und dadurch als falonfähig in die sogenannte Gesellschaft" eingeführt ist.

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Diese zweifelhaft glänzende" Lebensweise mag wohl ben Handlungsgehilfen anderer Branchen nachahmenswerth erschei nen, denn auch in diesen hat die Sucht nach einer solchen luxuriösen Lebensweise Blaz gegriffen.

Auch die der Börse fernstehenden Handlungsgehilfen halten fich für vornehmer als ihre Berufsgenossen, welche einer schlechter bezahlten wie z. B. Kolonialwaarenbranche an= gehören.

Daß ein derartiges gesinnungsloses Streberthum den Charakter des Kaufmannsstandes verderben muß, ist wohl leicht zu verstehen, und wohin die Folgen der Genußsucht und weich­lichen Lebensweise führt, ist am besten aus der Statistik der Verbrechen zu ersehen, welche zu großem Theil von Leuten verübt werden, welche dem Stande der Handlungsgehilfen an gehören.

Eine wie oben geschilderte Lebensweise muß auf die Dauer schlecht auf den Charakter und die Arbeitsfähigkeit wirken, muß schließlich den Hang zur Sinnlichkeit und zum Müßig gang fördern und aus diesen schädlichen Leidenschaften den Keim zum Verbrechen hervorsprießen lassen.

Daher ist es die höchfte Beit, mit aller Energie die Hand­lungsgehilfen aus ihrem Indifferentismus aufzurütteln, fte an das Pretäre ihrer Lage zu erinnern, fie zu bewegen, sich durch Gründung von Vereinen, Kranken- und Hilfskaffen zu ver­binden, und ich bin überzeugt, daß dann der größere Theil derselben durch die Verbesserung ihrer ungünstigen with­schaftlichen Lage fich von dem Streberthum ab- und ebleren Bielen zuwenden würde.

Aufruf an die Drechsler, Knopfmacher und Berufs­genossen. Schon wieder ist in der Markerf'schen Knopffabrik ein Lohnabzug von 10-30 pet. angekündigt und zwingt uns das Vorgehen des genannten Fabrikanten, an Cuch mit der Forderung heranzutreten, am Montag, den 5. Januar Cronheim   in Berlin  . Druck und Verlag von Mar Bading in Berlin   SW., Beuthstraße 2.

Hierzu eine Beilage