Nr. 4. Dienstag, 6. Januar 1885. n. Jahrg. ßtrliiifrllollislilnll Krgan für die Interessen der Arbeiter. 4 Da?Berliner Volksblatt"., erschemt tSgl'ch MsrgenS außer«ach Soua- und Festtage». Aboasementipreii ftir Berli» frei in's Hau« vierteljährlich 4 Mark, nrouatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf. Postabonnement 4 Mark. Tinzelne Nr. 5 Pf. Sonntaas-Nummer«it illustr. Beilage 10 Pf. (Eingetragen in der Postzeiwngspreisiists für 1885 unier Nr. 746.) /, Jnkerttonsgebühr beträgt für die 3 gespalten« Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmartt 10 Pf. Bei größeren Austrage« hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate»erden bis 4 Uhr Nachmittag« in der Erpsdilioa, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von alle» Annoncen» Bureaux , ohne Erhöhung de« Preise«, angenommen. 'Redaktion und GXpeöition Rertin SW., Aimmerstrage 44. Die Sklavenemanzipation in Lrasilien. Ganz in aller Ruhe, durch gesetzliche Regelung und durch freiwillige Hilfe vollzieht sich die Abschaffung der Sklaverei in Brasilien , ohne Aufstände, Kriege und große, wirthschaftliche Krisen. Diese Erscheinung geht fast unbeachtet vor unseren Augen vorüber und doch verdient ste m-hr Aufmerksamkeit, als die blutigen Kriege und Annexionen, die sich noch fast täglich auf dem weiten Erdballe zeigen, und von denen die Spalten der Zeitungen gefüllt werden. Auch für Deutsch - land ist diese großartige und humane wirthschaftliche Be- wegung, da sie die Handelsbesiehungen mit dem südamerika » nischen Kaiserreiche viel wichtiger gestaltet, wie sie früher gewesen sind, bedeutungsvoller, als der kleine Parlaments- krieg, der gegenwärtig alle biederen Deutschen beschäftigt. Wir wollen deshalb in Kürze unsere Leser mit der Entwickelung der Sklavenemanzipation in Brasilien bekannt machen. Im Jahre 1871 wurde in Brasilien das Sklaveneman- zipationSgesetz erlassen, nach welchem die vom Dalum des Gesetzes an von Sklavinnen geborenen Kinder als frei- geboren betrachtet und Fonds zum Loskauf von Sklaven aus staatlichen Lotteriebeträgen und Steuern bei« Verkauf von Sklaven gebildet wurden. Man rechnete damals ge- nau aus, daß im Jahre 1900 der letzte Sklave m Brasilien erlöset sein würde. Es waren 1871 noch 1 600 000 Sklaven in Brasilien vorhanden. Bis zum Jahre 1882 aber konnten nur etwa 10 000 aus den vorhandenen Fonds mit 10 670 645 Mark freigekauft werden. Nach diesem Verhältnisse aber würde« zum Loskauf der gesammten Sklaven, wenn man die Sterb- lichkcit mit in Betracht zieht, mindestens 1000 Millionen Mark bis zum Jahre 1900 erforderlich sein. Und eine solche Summe ist für Brasilien auf dem Steuerwege neben den übrigen StaatsauSgaben unerschwinglich. So hatte man sich schon vielfach darein ergeben, daß der gehoffte Termin weit überschritten würde und daß das Erlöschen der Sklaverei von dem allmählichen Absterben der Sklaven abhängig sein werde. Diese letzte Rechnung ist aber glücklicherweise durch den brasilianischen Volksgeist zerstört»orden; überall in den Wirthschaften und bei der Arbeit, in Schulen und Kirchen wird seit einigen Jahren geredet, gepredigt und agitirt und die Sklaverei so hingestellt, wie sie ist, als ein Brandmal an der Stirne einer Nation. Zwar halten die großen Sklavenbarone noch fest an ihremRechte"; zwar treten im Interesse derselben Pro- fessoren wie Gelehrte auf, die haarscharfnachweisen", daß ein furchtbarer wirthschaftlicher Rückgang die Folge der Nachdruck verboten. 54 JettilXelcm. Gesucht und gefunden. Roman von Dr. Dux. (Forsetzung.) Der Rajah vergaß seinen Respekt so weit, daß er den König an seinem Arm faßte und ihn von seinem Platz emporriß. Die Begleiter drängten sich um den König, um rhn zur Flucht zu zwingen, denn das wüthende Thier konnte sich jetzt jeden Augenblick von seinen Peinigern abwenden, und auf die Zuschauer stürzen. Unter den Frauenzimmern, welche hinter dem Gaze- vorhange gehört wurden, war eine Stimme, welche erkannt wurde von einem Manne, der sich ungesehen zum Zuschauer des Schauspiels gemacht hatte. Das ist Nuna's Stimme!" hörte man ihn leise flüstern. In diesem Augenblick machte das Thier, durch die vorgehaltenen glühenden Eisenstangen zurückgeschreckt, einen Seitensprung und mit furchtbarem Gebrüll und weit ge- öffnetem Rachen stürzte es die Stufen der Veranda Durch das entsetzliche Gedränge, das dort unter den Zuschauern entstand, die Alle der entgegengesetzten Seite zuzufliehen strebten, dort, wo der Ausgang durch den Gaze- Vorhang versperrt wurde, ward der letztere hcrabaerissen und das, was unter anderen Umständen in Indien für ein todeswürdigeL Verbrechen gegolten hätte, geschah hier, her- beigeführt durch das drohende Entsetzen; da der Gazevor- hang herabgerissen war, so konnte Jedermann da« Antlitz der Frauen des Harems sehen. Aber nur einen Moment -:. denn selbst im Angesicht deS Todes und in der Ver- wnrung dcS Entsetzens hatten die Frauen, ihrer höchsten Pflicht eingedenk, schnell ihre Schleier herabfallen lassen. Nur eine allein blieb unverschleiert. Sie war noch zu neu, um die Pflichten des Harems mit solcher Pünktlichkeit, wie die übrigen Mitglieder zu erfüllen. ES war Nuna, die schöne Tibetanerin, deren dunkle, plötzlichen Freigabe der Sklaven sei, ja daß letztere selbst ein Interesse daran hätten, erst nach und nach auS dem Sklavcnverhältniß entlassen zu»erden. Das hilft Alles nichts. Das Volk hat der Sklaverei das Todesurtheil gesprochen. Wie sehr der Volksgeist gegen die Verschleppung der Aufhebung der Sklaverei empört ist, geht daraus hervor, daß ein ReichStagsmitglied, welches für die große« Sklaven- barone Partei ergriffen hatte, bei einem Besuch in seiner Heimath im Hafen keinen Jollenführer erhalten konnte, der ihn ans Land setzte. Deshalb mußte der Abgeordnetes mit dem Schiffe zum nächsten Hafen dampfen und von dort zu seiner Heimath eine weite Landtour machen. Unter diesem Drucke waren schon in den letzten Jahren deS letzten Dezenniums neben den 10 000 losgekauften Sklaven über 40 000 von den Besitzern ohne Entschädigung freigegeben worden. Die Bewegung aber ist in den letzten Jahren noch in großartiger Weise gewachsen, so daß jeder Sklavenbesitzer moralisch gezwungen ist, so rasch al« möglich seinen Sklaven die Freiheit zu geben. In Südbrasilien giebt es jetzt, zu Anfang des neuen Jahres wohl'kaum noch Sklaven; daß dortige Klima ist günstiger für die weißen Arbeiter, während im Norden deS Kaiferihums die schwarzen Arbeiter wohl noch längere Zeit nothwendig sein dürften. Dieselben werden sicherlich nach ihrer Befreiung dort bleiben und die Arbeit verrichten, da die emanzipirtea Neger von ihrer neuen Freiheit nicht sofort weitgehenden Gebrauch machen können. Nach Aushebung der Sklaverei muß erst eine neue Generation der Schwarzen heranwachsen, um die Folgen der dreihundertjährigen Knechtung zu über- winden. Auch wird Brasilien eine wirthschaftliche KrisiS durch- machen müssen doch das fällt nicht ins Gewicht gegen den großen Aufschwung, den das Land in Zukunft und zwar in Folge der Sklavenemanzipation nehmen wird. Wünschen wir dies, denn eine gute, große That ist der Belohnung werth. KolitiBcke Uebevsiickt. Nach Tasmanien soll ein Herr Friedrich Buck eine An- zahl deutscher Auswanderer schicken. Herr Buck ist von der dortigen Regierung dazu mit der Weisung beaustragt, die Aus- wanderer entsprechend auszuwählen. Die Expedition soll im März stattfinden, die Passagekosten trägt die Kolonialregie- rung. Tasmanien ist eine große Insel in der Nähe des australischen Festlandes, die Reise nach dorthin dauert in der Regel mit Dampfern erster Klasse 55 bis 60 Tage, mit Segel­schiffen oft 4 Monate. Diejenigen, welche sich zur Auswanderung entschließen, mögen ernstlich mit sich zu Rathe gehen, bevor sie glühende Augen auf den Tiger gerichtet waren, der sich, wie es schien, gerade auf sie zustürzte. Im nächsten Augen- blick mußten die Zähne des Thieres sie zerreißen, das seinen Rachen bereits nach ihr geöffnet hatte. Zwei Schritte trennten sie von dem gräßlichen Tode. Doch in demselben Moment stürzte sich eine Gestalt mit Blitzesschnelle auf das Ungeheuer. So schnell, daß da« Auge den Bewegungen nicht folgen konnte, war ein Mann auf die Veranda gesprungen. Man sah ein breites Messer in der Sonne blitzen dann wälzten sich zwei Körper am Boden. Es war der Tiger und jener Mann. Der Tollkühne hatte sich im Moment der Gefahr dem Tiger entgegen geworfen und sein Messer ihm tief in den Rachen gestoßen. Mit einem furchtbaren Gebrüll war die Bestie zurück- geprallt; aber ihre Krallen hatten den verwegenen Gegner erfaßt. Nuna stieß einen Schrei aus: sie hatte den Mann erkannt.Martin!" schrie sie entsetzt. Athemlos hielt die Fliehende inne, Angst und Schrecken lähmten ihre Glieder, und voll Grauen wandte sie sich der blutigen Szene, welche hier vor sich gehen mußte, zu. Die Krallen des Tigers zerfleischten den Mann, der ihm den Todesstoß versetzt hatte. Sollte der Verwegene seine kühne That mit einem gräßlichen Tode büßen? Nein!... Zu seinem Glück hatten die Menagerie- diener mit de« glühenden Eisenstäben noch gerade recht- zeitig den Ort des Entsetzens erreicht und trieben die Bestie von ihrem Opfer zurück. Noch steckte das lange, breite Messer in des Tigers Kehle, und ein furchtbarer Blutstrom floß aus seinem Nachen. Doch einige Lanzenstiche von den jetzt in Menge herbeieilenden Menageriewärtern tödteten ihn vollends. Die Gefahr war vorüber. Wunderbar! Von allen Anwesenden hatte Niemand die Fassung mehr bewahrt, als Wadschid Ali selber. Ge- waltsam hatte ihn seine Umgebung von der Veranda zurück- gedrängt, aber er hatte weder die Angst noch das Ent- setzen getheilt, sondern die einzige Erregung, die er ver- rieth, war die deS Zorns. »Ich lasse den Menageriemeister aufknüpfen!" schrie die Reise nach Australien antreten. Ist schon dasZurückkommen von Amerika schwierig, so ist es von Australien für Unbemittelte unmöglich, und ungehött verhallt der EchmerzcnSschrei der Enttäuschten im fremden Lande. Nur selten findet der AuS- wanderer das erträumte Glück, in den meisten Fällen wird er durch die nackten Thatsachen belehtt, daß seine Hoffnungen trügerische waren, und statt des erhofften Wohlstandes wird ihm nur die nothdürstige Existenz bei hatter, sehr hatter Arbeit in dem ungewohnten Klima zu Theil. Wer irgend noch fein Durchkommen hat, der wandre überhaupt nicht aus, sondem helfe dahin wirken, daß im Vaterlande bessere Zustände an- gebahnt werden. Zu den Getreidezölle«. In einer auswärtigen Zeitung wurde vor Kurzem durch eine Zuschrift aus dem Leserkreise auf einen Punkt hingewiesen, der in der Debatte über die Er- höhung der Getreidezölle noch kaum zur Sprache gebracht worden ist und doch eine eingehendere Erörterung in hohem Grade verdient. Di« erwähnte Zuschrift hob nämlich hervor, daß bei der theilweise üblen Lage der Landwirthe neben dem zu theueren Ankauf der Güter die Produktion von schlechten Getreidesorten, die keine Konkurrenz mit den vom Auslande eingeführten Sorten aushielten, von we- sentlichem Einflüsse sei. Die Gerstenausstellung in Magdeburg in diesem Herbste hat deutlich gezeigt, wie sehr das Ausland die deutsche Landwitthschaft im Gerstenbau überflügelt hat. Bei Weizen steht man das jeden Tag. Keine Mühle kann ohne ausländischen Weizen ein gutes backfahigeS Mehl liefern: bei 2030 M- Höherem Preise beziehen die Mühlen ausländi- scben Weizen, um die Forderungen der Bäcker nach backfähigem Mehle zu befriedigen. Der mit Vorliebe von den deutschen Landwirthen in Hannover , Sachsen , Thüringen ,c. gebaute englische Weizen ist allein nicht verwendbar und doch bauen ihn die Landwirthe weiter, weil er einen hohen Ertrag liefert. Macht daS Reich durch Erhöhung deS Weizenzolles die Mühlen- industrie von den deutschen Landwirthen abhängig, so wird das Volk nicht nur«inen höheren Preis für das Bcod zahlen, sondem auch obenein noch schlechteres Brod essen müssen. Das auswärtige Amt des deutschen Reiches, dem Fürst Bismarck vorsteht, kostete und kostet: 1872... Ml. 4092915 1879/80.. 6 335925 1881/82.. 6 564 890 1884/85.. 6855415 DaS Gesammterforderniß für das deutsche auswärtige Amt be- läuft sich im neuen Etat auf nicht weniger alS 7 Millionen und 207000 Mk. Hiervon find ganz neu verlangt, also gegen voriges Jahr mehr: 381 600 Ml. Die 7 Millionen und von der mehroerlangten Summe ebenfalls über 300000 Mk. hat der Reichstag schlankweg bewilligt und nur, im Hinblick auf die ungünstige Finanzlage des Reichs, nicht ganz 80000 Mk. in 2. Lesung einstweilen beanstandet- Unter den bewilligten Forderungen ist auch die Erhöhung desHilfsarbeitersonds" von 85 000 Mk. auf 110 000 Mk., d. h. um 25 000 Mk- Oefterreich-Ungarn . Auf Beschluß der Mehrheit des kroatischen Landtages wurden vor einigen Wochen verschiedene oppositionelle Abge- er.Unerhörte Nachlässigkeit! Das Gitter nicht besser zu befestigen!" Als er gar seine Frauen den Blicken der Menge preis- gegeben sah, gerieth er vollends in Much , und drohte alle Diener erdrosseln zu lassen. Erst als die Eunuchen und Harems-Dienerinnen herbeikamen und die Frauen in die dicht verschlossenen Palankine brachten, beruhigte er sich wenigstens so weit, daß er die vernünftigen Einreden seiner Begleiter anhörte. Die Gefahr hätte{jroß werden können, rief Mr. Parr dem König zu,wenn nicht der heldenmüthige, junge Mann sich der Bestie entgegen geworfen hätte.... Wahrlich, es wäre um eine oder mehrere der königlichen Gemahlinnen geschehen gewesen." Wahrhaftig, Mr. Parr, Sie haben Recht!" versetzte der König.Ihm allein verdanken wir'», daß nicht großes Unglück geschehen ist... Ich werde ihn belohnen Sehib, erkundigen Sie sich, wer der Mann ist; ich will ihn sehen, bringen Sie ihn zu mir." Sehr übel gelaunt und verdrießlich begab sich der König mit seinem Hosstaat nach dem Serail zurück. Die Gäste des Schauspiels hatten sich entfernt, weil er nicht in der Stimmung war, heute Gäste zu bewirthen. Selbst mit seiner nächsten Umgebung sprach er nur wenig und nur kurz abgebrochene Worte. Nach Verlauf von etwa einer Stunde meldete der Sehib, vaß der junge Mann draußen warte. Er soll hereinkommen!" befahl Wadschid Ali. Ein Jüngling von etwa zweiundzwanzig Jahren er- schien, bleich durch den Blutverlust. Er hatte eine Schulter verbunden und trug auch einen Arm in der Binde. Der eine Schlag hatte nicht nur seine Schulter zerfleischt, sondern ihm auch den Arm aus dem Gelenk gerissen. Ans seinem Antlitz lag aber nicht der Ausdruck körperlichen Schmerzes, sondern eines tiefen Seelenleidens. Es ist einer von den Gefangenen Nena Sahibs, welche unsere Truppen in Freiheit gesetzt haben," berichtete der Sehib. Ah!" rief Wadschid Ali.Ein Engländer?"