Haufen. Den ungetreuen Ehemann traf das Erscheinen seiner Frau wie ein Bliy aus heiterem Himmel; er hatte sie nämlich als sehr bedenklich krank vor einiger Zeit nach einer Klinik bringen lassen, hatte ihren Zustand für unheilbar gehalten und daher geglaubt, schon an Ersatz denken zu dürfen Nun war sie nicht nur ganz unerwartet schnell gesund geworden, sondern hatte auch durch einen anonymen Brief von dem Treiben des Ungetreuen Kcnntnifj erhalten. Jetzt stellte sich auch heraus, woher der Mann die Mittel zu den reichen Geschenken für seine „Braut", zu dm theuren Reisen und den sonstigen damit in Verbindung steherden Ausgabm bestritten hatte: er hatte nämlich das Papiergeschäft, das seine Frau betrieben� um reo- lich ihren Tbeil zur Erhaltung der Familie beizutragen, wäh- rend der Zeit, daß dieselbe krank war, verlauft und mit den 600 Mark, die er dafür erbauten, den flotten Liebhaber gespielt. Das Belle-Alltance-Theater war am Sonntag bei der 80. Aufführung des Schönrhan'schen Schwankes„Der Raub der Sadinerinnen" wieder total ausverkauft. Ein bankerottes Musenm. Der ehemalige Direktor des AmericantheatZls, Herr Heinsdorff, begründete vor mehr als Jahressrist ein sogenanntes„Weltmuscum", drffen Schätze er auf allen möglichen Auktionen und bei den verschiedensten Händlern einkaufte. Die Einrichtung kostete ihm ein schweres Geld; manche Gegenstände, wie die großen Galeriebilder von Meistern ersten Ranges, mechanische Kunstwerke und dergleichen, bezahlte er mit 20- bis 30 000 Ml. Aber die Sache rentirte sich nicht; zweimal wechselte Herr Heinsdorff hier sein Museum, wohl auch mit seinen Schätzen ins Ausland, aber immer lreb der E.folg weit hinter den erhofften Erwartungen zurück. Es half auch nichts, daß der immer strebsame Direktor auf neue, zeitgemäße Erwerbungen ausging und beispielsweise bald nach dem Tode der Ernestine Wegen« deren Originalkostüm als„jüngster Lieutenant" für eine bedeutende Summe erwarb— das Museum blieb nach wie vor leer, und heute werdcn seine Schätze in alle Winde verstreut werden. Der Auktionator wird in den Räumen seines Amtes walten und alle Trödler Verlins werden sich dort ein Rendezvous geben. „Große Versteigerung des Heinsdorff'schen Weltmuseums"— so verkünden Plakate und Anzeigen, und trostlos blickt der Be- sitzer auf das mit so großen Hoffnungen begonnene und nun vernichtete Unternehmen. Das ist das Loos des Schönen auf der Erde! g. Der Neujahrstag wird stets benutzt, um durch un- defugte Gratulationen von angeblichen Angestellten dieses oder jenes Geschäftsmannes, mit dem der Gratulirte in Verbindung steht, kleinere Beträge zu erschwindeln. Der Betrug gelingt in den meisten Fällen, weil man nach einer Legitimation nicht zu fragen pflegt und es immerhin nur kleinere Geldgeschenke sind, die gemacht werden. Außer dem Eigenthümer des Hauses Zimmeistraße 37, welcher auf die gedachte Weise an einen angeblichen Angestellten der Gesellschaft für Müllabfuhr 2 Mk. dezahlt hat, ist am Neujahrstage bei dem Fabrikanten O. in der Alten Schönhauser str. 51 seitens eines angeblichen Echorn- steinfegergesellen des Schornsteinfegermeisters Schaff in der Dragoner straße ein ähnlicher Betrug versucht worden..Herr O. bemerkte ab«, daß auf der Neujahrskarte nicht, wie ge- wöhniich, der Name des Meisters Schaff stand, worauf der Gratulant die allerdings annehmbare Ausrede hatte, daß diese Karten bereits sämmtlich vergriffen seien und schnell noch andere ohne Namen nachgekauft worden wären. Herr O. wollte sich aber doch über die Richtigkeit der Angaben überführen und als er einen seiner Lehrdurschen herbeirief, welcher bei dem Meister Schaff Erkundigungen einziehen sollte, nahm der Gratulant Reißaus und war auf der Straße mcht mehr zu finden. a. Ein junges Mädchen, welches ihren hiesigen achlbaren Eitern durch ihren leichtfertigen Lebenswandel viel Kummer und Schmerz bereitet hatte, ist vorgestern wegen eines Gelegenheits- diedstahls verhaftet worden. Dieselbe hatte sich vor einigen Tagen, am 31. v. Mts., zu einer mit ihren Eltern bekannten Dame begeben, um angeblich im Auftrage ihrer Eltern Ar- beiten zu bestellen. Mährend dieses Besuches nahm sie unbe- merkt auS einer Kommode 1 Uhr nebst goldener Kette, eine goldene und eine silberne Brochs, mit welchen Sachen sie sich zu einem Pfandleihcr begab und bei diesem die Sachen für 15 M. verpfändete. Diese Summe wurde am Sulvcsterabend von der erst 15 Jahre alten Diebin mit ihrem Zuhälter ver- jubelt. Die Diebin, welche schon vor Weihnachten ihren Eltern entlaufen war und seither sich herumgetrieben hat, ist von der Kriminalpolizei ermittelt und zur Haft gebracht worden. g. I« dem Keller-Restaurant von P. in der Markus straße entstand am 3. d. M, Abends gegen halb zehn Uhr, zwischen den aus Zuhältern ic. bestehenden Gästen eine Schtä- aerei, welche sich bald auf die Straße fortpflanzte. In diesem Augenblicke passtrte der ca. 70 Jahre alte Oberdriefträger Keimeß, welcher erst vor Kurzem sein 50jählig«s Dienstjubiläum gefeiert hatte, ein ruhiger, friedliebender Beamter, mit seinem Sohne, einem Eigenthümer aus Britz , diesen Punkt der Straße, als ohne jede Veranlaß ung einer an der Schlägerei Bethei- ligten von hinten auf K. zukam, ihn ins Genick packte, und mit solcher Wucht gegen ein Haus schleuderte, daß K-, aus habt; von Jugend auf hatte er wisienschaftliche Studien vorgezogen, und so sehr auch sein Vater gewünscht hatte, daß er zum Militär gehe und später seine Güter übernehme, so hatte dieser doch nicht verhindern können, daß der junge Baron die Staats-Karrwre ergriff. Nachdem er in Marburg seine Studien beendet hatte, war er am Oberappellationsgericht der Rheinprovinz eine Zeit lang thätig, um demnächst eine Stellung im Staats- Ministerium einzunehmen. Der junge Mann schien zum Diplomaten geboren. Sein feine?, geistvolles Gesicht, seine gewandte Art zu sprechen. seine Gabe zu kombiniren und sein kluges, berechnendes Auge waren, neben seinen juristi- schen Kenntnissen, sicherlich vorzügliche Eigenschaften des künftigen Diplomaten. „Sieh, Oswald," sagte sein Vater, nachdem er ihm die Herrlichkeiten seines Parks nach einander vorgeführt, „wäre es nicht besser. Du satteltest jetzt»och um, und würdest ein Landwirth?" „Das ist mir unmöglich, Vater!" antwortete der junge Mann;„die Kameralwissenschaften sind einmal mein Beruf, sie sind mir über Alles lieb, und während ich einst, wie ich hoffe, ein guter Staatsbeamter werde, so würde ich andern Falls ein schlechter Landwirth sein.... Du weißt ja, daß ich von Jugend auf zwar Sinn für die Schönheiten der Natur, aber durchaus keine Lust ge- habt habe, mich mit landwirtschaftlichen Dingen zu be- schäftigen." Jetzt seufzte Herr von Wredow wieder. „Es liegt mir schwer auf dem Herzen, mein Sohn," sagte er,„daß alle diese henlichen Anlagen, das schöne Gut, das Schloß, die prächtigen Wälder sich ernst in frem- den Händen befinden werden, nachdem sechs Jahrhunderte lang die Familie Wredow hier eingesessen war." „Eberhard," sagte die Frau Baronin, sich in sanftem, fast bittendem Tone an ihren Mann wendend,„Du hast ja noch einen Sohn." _„Schweig' mir von ihm," unterbrach sie der Baron heftig.„Nein, ich habe keinen zweiten Sohn; Bruno ist nrcht mehr mein Sohn!" „Mein lieber Vater," nahm der junge Mann das einer großen Wunde an der rechten Seite des Kopfes blutend, besinnungslos liegen blieb. Sein Sohn brachte den Verletzten nach der in der Vlumenstraße befindlichen Sanitätswache, deren Inhaber Wemecke, ein Schwiegersohn des K. ist. W. begab flch mit seinem Schwager eiligst nach dem Thatorte und hier traf er den rohen Patron gerade an, als er sich in das gedachte Keller-Restaurant zurückbegeben wollte. W. erwischte ihn noch rechtzeitig und obgleich der Mensch den W. in dessen Vollbart griff und demselben ein großes Büschel Haare ausriß, so hielt W. den Patron fest. Inzwischen waren zwei reitende und Fußschutzleute herbeigeeilt, durch deren Eingreifen es ge- lang, den Thäter zur Wache des 22. Polizeireviers in der Holzmarktstraße zu fistiren. Hier wurde in dem Sistirten der Klempnergeselle Ernst August Zager, Waßmannstraße wohn- Haft, ermittelt. Z. wurde zur Haft gebracht. Gmckts- Leitung. Reichsgerichts-Entscheidung. Durch einen Dampfwagen der Etraßen-Ersenbahn-Gesellschaft zu Hamburg wurde ein über den Straßendamm gehender Mann überfahren und getödtet. Dieser Unfall war hauptsächlich dadurch herbeigeführt worden, daß der Lokomotivführer, welcher die Lokomobile des Zuges, von welchem d« Verunglückte überfahren wurde, führte, statt seiner Pflicht gemäß das Geleise, auf welchem er fuhr, vor sich im Auge zu behalten und bei dem Bemerken des die Geleise überschreitenden Mannes zeitig zu stoppen, seitwärts nach einem vorbeifahrenden Zuge gesehen und deshalb den Mann, bevor derselbe von der Maschine erfaßt worden, gar nicht bemerkt hatte. Allerdings traf aber auch den Verunglückten ein Ver- schulden, well er trotz des Herannahens des Dampfwigens den Fahrdamm überschritten hatte. Die Wittwe des Verunglückten, Frau K., beanspruchte auf Grund d-s§ 1 des Haftpflichtgesetzes von der Eisenbahn-Gesellschaft Schadenersatz, welcher ihr aber von der Gesellschaft verweigert wurde, indem diese geltend machte, daß d« verstorbene K. sich den Tod durch eigenes Ver- schulden zugezogen habe. Auf die Klage der Frau K- wurde die Gesellschaft in beiden Instanzen zum Schadenersatz verur- theilt, und die Revision dec Beklagten wurde vom Reichsgericht, l. Zivilsenat, durch Urtheil vom 15. November 1884 zurückgewiesen, indem es begründend ausführte:„Der Berufungs - rechter imputirt allerdings dem Getödteten ein leichtes, geringes Verschulden, führt aber aus, daß demselben die erheblichsten Entschulvigungsmomente zur Seite stehen, und er legt die Hauptschuld an dem Unfall dem Lokomotivführer bei.... Der Beiufungsrichter sieht deshalb das leichte Verschulden des K nicht als dasjenige an, welches den Unfall verursacht habe." Die rohe Mißhandlung des Herrn Hof- und Land- stallmeisters. Die Amtsanwaltschaft hatte gegen das vom Schöffengericht in Frankfurt a. M. vor etwa zwei Monaten gefällte Urtheil über den 5) o f- und L a n d st a l l m e i st e r Eerdinand von Willich inDarmstadt appellirt. «selbe wurde seinerzeit freigesprochen von d« Anklage, am 18. August auf dem.Sattelplatze in d« Nähe bei Niede«ad sein Pferd öffentlich und in ärgernißerregender Weise mit einem Knotenstock mißhandelt zu haben. Der Angeklagte macht das pädagogische Moment geltend. Ein Pferd beurtheilen könne nur Einer, der es jeden Tag„in der Arbeit" sehe. Das boshafte Thi« habe am Renntage zweimal den großen Waflersprung versagt. Wenn eS nicht pariren wolle, so stelle es sich auf die Hintelfüße oder überschlage sich mit dem Reiter. Angeklagter giebt zu, daß er wegen des Unfalls beim Wasser- sprunjj sehr übel gelaunt war, und sich auch über die Art, wie em herbeigeeilter Schutzmann ihn zur Rede gestellt, ge- ärgert habe. Hätte er gewußt, daß das Pferd schon vorher von dem Stallknecht gezüchtigt worden, so hätte er es vielleicht nicht geschlagen.— Der als Zeuge vernommene Schutzmann bekundet, er sei herbeigerufen worden, weil man an der Behandlung des Pferdes durch den Stallknecht An- stoß genommen. Als er den Platz betrat, habe er keinen Stallknecht, sondern einen anständig gekleideten Herrn getroffen, dec das Pferd mit wuchtigen Hieben überoen Kopf traktirte. Er habe ihn höflich«sucht, daS zu unterlassen, und sei mit den Worten angefahren worden: „Werden Sie das Pferd reiten oder ich?" Das Publikum begrüßte das Einschreiten des Schutzmannes mit einem Bravo. Der Angeklagte habe damals erklärt: er sei Etallmeistn und könne mit dem Pferde, seinem Eigenthum, machen, was er wolle. Er habe dann den Schutzmann nach seinem Namen gefragt, und dies« ihn auf seine Nummer hingewiesen und auch seinen Namen gesagt, worauf der Angeklagte rief:„Es wird Ihnen klar gemacht werden, wie Sie einem Hofstall- meister entgegenzutreten haben!" Der Zeuge bezeichnet das Anfahren des Angeklagten als ein„höchst brutales". Die Beweisaufnahme wird ohne weitere Zeugenvernehmung ge- schloffen, da auch die vom Angeklagten gewünschte Vernehmung des Entlastunaszeugens Barons Doktor von Eclanger(seines Neffen) für überflüssig erachtet wird, weil derselbe nur über das Benehmen des Schutzmanns verhört werden soll. Der Staateanwalt, sieht als erwiesen an, daß der Sattek-Platz ein öffentlicher Ort und das Verfahren des Angeklagten ein ärger- Wort, als der Baron in düsteres Schweigen versank, „im Grunde genommen hast Du keine Ursache, Bruno auf ewig aus Deinem Herzen zu verbannen.... Was hat denn Bruno gethan? Er hat ein Mädchen entführt, das er liebte, um sich mit ihr zu vermählen, weil er wohl wußte, daß Du Deine Einwilligung zu dieser Vermählung nicht geben würdest." „Wenir er sich hätte mit der Tochter eines meiner Arbeiter vermählen wollen," antwortete der alte Baron, „hätte ich eher meine Einwilligung gegeben, als zu einer Verbindung mit ein« Steinberg." „Eberhard, vielleicht urthcilst Du auch zu hart," sagte die Baronin, eine schmächtige, bleiche Dame, mit feinem, aristokratischem Antlitz und sanften, blauen Augen und einem Zuge von tiefem Gram auf ihrer einst gewiß schönen und stolzen Stirn.„Vielleicht bist Du selbst schuld daran. Zu der Zeit, als wir mit der Familie Steinberg befreundet waren, da hast Du nie etwas dawider gehabt, wenn die jungen Leute sich einander näherten. Du hast ihre gegen- seitige Zuneigung entstehen sehen, unter Deinen Augen hat sich die kindliche Zuneigung zu einer heißen, untrennbaren Liebe entwickelt; Du hast es geduldet." „Ja, das war damals," unterbrach sie d« Baron finster, als ich selbst noch die Gesinnung Steinbergs nicht kannte; seit ich aber weiß, daß er allen Traditionen deS Adels entsagt, daß er koquettirt mit dem Bürgerthum und frater- niflrt mit dem Proletariat, hasse ich ihn; und wenn Bruno einen Funken von dem Geist der Wredow'S geerbt hätte, so müßte er die Familie hassen, wie ich eS thue." „Sei nicht ungerecht, Vater," widersprach Oswald. „Man kann wohl politische Anschauungen bekämpfen und widerlegen, aber sie dürfen nicht die Personen berühren. Die politische Gesinnung hat mit dem persönlichen Werth, mit dem Charakter wenig gemein, sofern die Gesinnung«ine ehrliche ist." „Ich will nicht hoffen, Oswald, daß Du ebenfalls an- gesteckt bist von dem modernen Zeitgeist, der alle Privilegien des Adels beseitigen möchte, der faselt von persönlichen Verdiensten, von Menschenwerth und Menschenrechten und was dergleichen hohle Phrasen mehr sind, oder sollen wir nißerregendes war. Als erschwerend gilt der Umstand, daß die Mißhandlung eine Viertelstundi nach dem Wassersprunge erfolgte und stch als eine„rohe" charakteristrt. Als strafmil- dernd sei anzusehen, daß das Unglück auf der Rennbahn den Beklagten in üble Laune versetzt habe. Die Strafe bemißt der Staatsanwalt nicht höher als die Amtsanwaltschaft in erster Instanz: 50 Marl . ES sei eine Bestrafung nothwendig des Beispiels wegen. DaS erste Urtheil habe in ganz unstatt- Haft« Weise die Freisprechung motivirt. Angeklagler bestreitet, das Pferd in der Erregung bestcaft zu haben, sondern eS sei wegen der Ungezogenheit des Thieres geschehen. Die Aussage des Schutzmannes genüge ihm nicht.„Mir aber genügt sie," sagt der Staatsanwalt. Das Urtheil ver Kammer entspricht dem Antrag: 50 Mart oder 5 Tage Haft wegen„roher Miß- Handlung." Ohrfetgen in Raten. Das Dienstmädchen Agnes Huf- nagel in Wien begab sich am 12. v. M. in die Wohnung des Metallarbeiters Joseph Heide, ihres Schwagers, um sich dort einen kleinen Betrag einzukasfiren. Die Art und Weise, in welcher sie ihre Forderung gegenüber der Frau Heide geltend machte, soll nicht besonders zart gewesen sein, weshalb die beiden Frauenzimmer alsbald in heftigen Streit und Wort- Wechsel gcriethen. Zu diesem Zankduett kam Joseph Heide dazu, der ohne weitere Untersuchung Partei für seine Gattin nahm und der Hufnagel einige Ohrfeigen verabfolgte. Als die Geschlagene am Nachmittage desselben Tages ihren Besuch wiederholte, applizitte ihr der schlagfertige Schwager das dop- pelte Quantum der Ohrfeigen. Gestern stand Joseph Heide vor dem Strafrichter des Ottakringer Bezirksgerichtes, um sich gegen die Anklage der Agnes Hufnagel zu vertheidigen, welche angab, von ihm am 12. Dezember fünfzehn Stück Ohrfeigen erhalten zu haben. Richter(zur Klägerin): Haben Sie denn diese vielen Ohrfeigen so genau zählen können?— Klägerin: Jawohl, Herr Richter, weit ich sie nicht auf einmal, sondern in Raten bekommen habe.— Richter: WaS heißt das: in Raten?— Klägerin: Na die erste Rate Hab ich in der Früh' bekommen; zuerst 2 Stück, und in kurzer Zeit darauf 3, macht also zusammen 5 Stück im Ganzen. Gleich nach dem Essen bin ich wiedergekommen, da Hab' ich zum Empfang 3 Stück erhalten, dann im Laufe unseres Gespräches wieder 3 und beim Fortgehen 4 Stück, macht also zusammen 10 Stück und mit denen vom Vormittag in Summa 15 Stück Ohrfeigen— in fünf Raten. Richter: Was haben Sie davon für Folgen gehabt? Hat flch vielleicht ein Kopfleiden eingestellt?— Klägerin: Im Kopf Hab' ich nichts g'habt, aber Fußschmerzen Hab' ich davon be- kommen, so daß ich einige Tage nicht gehen konnte.— Richter: Von Ohrfeigen dürften Sie kaum Fußschmerzen bekommen haben. Kopfleiden hatten Sie also nicht in Folge dies« Schläge?— Klägerin: DaS kann ich nicht so genau beurtheilen. Der Kopf war von jeher mein schwächster Theil und a biffel damischer werd' ich wohl die ersten Tag nach den 15 Ohrfeigen herumgegangen sein, das kann man natürlich nicht so unter- scheiden.— Dn Angeklagte behauptet anfänglich, die Hufnagel nur mit dem Handschuh ins Gesicht geschlagen zu haben, muß ab« eingestehen, daß er doch mit seinen Fingern die Wangen der Klägerin gestreift habe.— Klägerin: Jetzt, wann die fünf» zcbne nur,.«'streifte" waren, da möcht i schon amal 15 Stück feste!— Richter(zum Angeklagten): Aber, wie konnten Sie flch denn einem Frauenzimmer gegenüber so weit vergessen und stch zu solcher Rohheit verleiten lassen?— Angeklagter: Sie hat mir ja die Ohrfeigen abgebettelt.— Richter: Abgebettelt? — Angeklagter: Sie hat mich so lang' gereizt, bis sie eine nach der andern kriegt hat.— Richter(zur Klägerin): Verlangen Sie Schmerzensgeld?— Klägerin: Ja freilich, Herr Richter, er soll mir für meine Fußschmerzen zehn Gulden bezahlen. Der Richter erkennt den Joseph Heide schuldig und verurtheilt den- selben zu einer Strafe von zehn Gulden und zehn Gulden Schm«jenszelv. Der Angeklagte nimmt die Strafe an und sagt nach kurzer Berechnung zum Richter: Da kommt ja das Stück Ohrfeigen auf stebenzig Kreuzer? Da macht die Huf- nagel bei den schlechten Zeiten ja das beste G'schäft, wann'S sonst gar nix thät', als stch den ganzen Tag über Ohrfeigen geben zu lassen._ Arbeiterbewegung, Vereine uuöl VerBnmmwngen. t. Eine Gegendemonstration gegen die von konservativer Seite s. Z. auf Tivoli tu Szene gesetzte, die„20000 Mark" betreffend, fand am Sonntag Vormittag in Golle's Salon, Linienstr. 30 statt, woselbst eine von der Arbeiterpartei cinbe- rufene allgemeine Volksversammlung tagte, und zwar in einer Weise, welche allein schon als Demonstration gelten kann im Gegensatze zu den turbulenten Szenen, durch welche stch jene „Volksversammlung" in so wenig ruhmvoller Weise auszeichnete. In ruhiger Weise, frei von jeder Gehässigkeit, sprachen die He«en Kunkel, Kühne und Steindorf ihre tiefe Entrüstung aus üb« das Vorgehen der Herren Konservativen und wiesin unter Zustimmung aller Anwesenden entschieden uns von den Leuten, welche bis dahin unsere Unterthanen waren, Gesetz und Recht vorschreiben lassen? Sollen wir uns in dieselben Schranken fügen, die für den Plebs ge- macht find?.... Wir sind die Stützen de? Staats, nur in dem Adel findet der Staat Kraft und Werth, und wenn man von„Blüthe der Nation" spricht, so kann nur von den Mitgliedern des Abels die Rede sein." „JmGroßen und Ganzen theile ich DeineAnsichren, wenn ich auch nicht so starr festhalte an Traditionen, die sich überlebt haben.... Die Zeit steht nicht still; jede Zeit hat ihren eigenen Geist, und wir haben die Pflicht, dem jedes- maligen Zeitgeist« Rechnung zu tragen. Selbstverständlich haben wir mit allen Mitteln zu kämpfen für unsere Macht und unsere Privilegien." „Run, daS ist doch ein vernünftiges Wort, mein Sohn. Es freut mich, daß Du, wenn Du auch bereit« angekränkelt bist vom Zeitgeist, Dich von demselben doch nicht ganz hast hinreißen lassen, wie dieser Steinberg... Es überkommt mich immer eine Wuth, wenn ich daran denke, daß er sich von den sogenannten Liberalen— worunter man die Männer des Umsturzes aller Größe und Herrlichkeit ver- steht— zum Parlaments-Kandidaten aufstellen läßt.— Es ist empörend! Einen solchen Mann soll ich Bruder nennen?.... Mit einem solchen Manne soll ich in ein nahes verwandtschaftliches Verhältniß treten?!... Nimmermehr!"■ I „Eberhard, die Liebe kennt solche Rücksichten nicht," sagte die Baronin begütigend.„Bruno liebte die Tochter SteinberglS, und wenn er sich mit ihr zu vereinigen wünschte, so ist ja damit noch nicht ausgesprochen, daß er nicht doch Deine Ansichten theilt." „Das ist vollständig damit ausgesprochen... Bruno bleibt aus meinem Herzen und meinem Hause verbannt.— Schweigt mir, ich will nichts von ihm hören, und eher will ich sehen, daß die Stammgüter der Familie Wredow.in den Händen des ersten besten Güterschlächter« sich befinden» als daß ich ihn wieder in seine Rechte einsetze." (Fortsetzung folgt.)
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