Beilage nun Berliner Bolksblatt. Nr. 7. Freitag, den S. Januar 1885. II. Jahrgang. MMmentsdencktr. Deutscher Reichstag . 19. Sitzung, Donnerstag, 8. Januar, 1 Uhr. Am Tische des Bunvessaihcs Ftust v. Bismarck , v. Boet- ticher, Lucius, Bronsart v. Scheilcndorff, v. Schelling u. A. Das Haus hat nährend da Ferien eines ferner Mitglieder, den Abg. v. Maltzahn(Malchin ), durch den Tod ver> loren und ehrt sein Andenken in der üblichen Weise. Ein Schreiben des Reichskanzlers setzt das Präsidium davon in Kenntnih, daß die Bivollmächtrgten zum Bundesrathe General- major v. Tylander und Aabineimiruster Eschenburg aus demselben ausgeschieden und statt ihrer von dem Könige von Baiern und dem Fürsten zur L ppe der Oberst v. Xylander resp- Geh. Rath Meyer ernannt sind. Ein zweites Schreiben des Reichskanzlers benachrichtigt das Präfidium, daß laut einer Mittheilung der sächsischen Regierung das gegen den Abg. Kayser bei rem Landgericht zu Dresden schwebende Strafver- fahren für d e Dauer ver Session eingestellt worden ist. Die zwerte Eiatsderathung wird nnl dlm Etat des Reichs- amis des Innern fortgesetzt. Tit. 1(Staatssekreiaic des Innern 36GOO Mk.) benutzt Abg. Lingms, um die Berichte der Fabrikinspektoren zur Sprache zu bringen, die wesentliche Fortschritte im Jabre 1883 konstatiren, sowohl in den Ein- Achtungen gegen Gefahren als in Bezug auf Besserung der Aibeitelekale, vor Allem aber durch die Durchführung sehr de- deutender Wohlfahrtseinrichtungrn in manchen Betriebsstätten, welche das warme Herz der Arbeitgeber für ihre Arbeiter be- weist. Hätten die Fabrikinspektoren nur in dieser Beziehung noch solgsältiger recherchtit! Dies Institut sollte nicht blog den Schwachen ein Schutz sein und Gefahren von ihnen ab- wehren, sondern auch sittlichen Zwecken dienen, also unzweifel- Haft dem Schutz der Frauen in Fabriken und Werkstätten und der Sonntaasheil'gung. Nur in wenigen von den 46 großen Bezirken haben die Inspektoren ihre Aufmerksamkeit auf den Sonntag gerichtet, und wo von Sonntagsruhe und Arbeit am Sonntage in den Berichten die Rede ist, da ge- schieht das nur nebenbei und durchaus nicht in dem Tone wahrer Würdigung, den man erwarten durfte. Außerdem begegnet man auffäLigen Ungleichheiten in den Be- richten; nach dem einen ist volle oder doch erhebliche Sonn- tagsarbeit in Zuckerfabriken unvermeidlich, anderswo untersagt eine preußische Regierungsbehörde sie ganz oder beschränkt sie auf ein Minimum. Dieser Wirrwarr in einer so bedeutenden Industrie ist jedenfalls sehr zu beklagen. In einem anderen Bezirke werden die Frauen und Mädchen auch zur Nachtarbeit in den Zuckerfabriken verwendet und mehr oder weniger geht es so in fast allen Betrieben: bei 26 wird ausdrücklich Nachtarbeit gestattet und gehandhabt ohne Nachweis des Bedürfnisses. Gewiß bestehen in dieser.Hinsicht eigenthümliche Schwierigkeiten, z. B. in den chemischen Fabriken, und mit allge- meinen Vorschriften durchzugreifen wäre da gefährlich, aber Sachverständige würden sichert ch eine mäßige Ausgleichung finden. Denn auch das Interesse der Arbeitgeber kommt hier in Betracht; es giebt sehr anständige Arbester, aber auch solche, auf die diese Bezeichnung vielleicht weniger Anwendung findet und die dann durch ihre Uebertreibungen die Konkurrenz der anständigen sehr dedeutend erschweren. Daß eine Ausgleichung möglich ist, beweist eine Verfügung der Re- gierung zu Düsseldorf vom 24. Juli 1884, in der eine An- Weisung ergangen ist an die Ortspolizeibehörden über die Zu- lassung der Sonntagsarbeit in Fadriken und ausdrücklich bezeichnet wird, was als zulässige SonntagSardeit anzusehen und zu gestatten ist. In manchen Bezirken klagen die Jnspek- tonn darüber, daß sie keine Handhabe und vielfach auch nicht den Beistand der Polizeibehörde finden. Die Düsseldorfer Re- gierung erklärt den Schutz der Arbeiterinnen für nothwendig durch engere Begrenzung ihrer Thätigkeit. Daß er gewählbar ist, wenn die Behörde Beistand lerstet, ist zweifellos. Wie viel leistet die Bremer Poltzel aus dem Auswandeiungsgebiet I EtwaS Aehnliches könnte durch die Polizei doch auch in Bezug auf die Gesundheitspflege und Ordnung in den Fabrikräumen geleistet werden, damit solche Kloaken von Einrichtungen ver- schwinden, in denen nur mit Gefährdung der Gesundheit gearbeitet werden kann. Der Redner fordert zum Schluß daS Reichsamt des Innern auf, diesen Verhältnissen die Aufmerk- samkeit und Energie, wie bisher, zuzuwenden und empfiehlt für diejenigen Fabrikinspektoren und Gewerberäthe, die sich durch Gewissenhaftigkeit und Sorgfatt in der Berichterstattung auszeichnen, Anerkennung nach Verdienst und Aufbesserung ihrer Gehälter als Sporn für ihre fernere Thätigkeit.(Beifall im Zentrum.) Das Gehalt des Staatssekretärs wird darauf bewilligt, ebenso das des Unterstaatssekretärs, deS Direktors und der zehn vortragenden Räche im Reichsamt des Innern; desgleichen die Besoldung des Bureauvorstehers, welche sich aus 5400 M. und 2700 M.„für Wahrnehmung der Geschäfte eines Bureauvor- steherS für den Bundesratb" zusammensetzt. Jedoch wird die m der letzteren Ziffer enthaltene Aufbefferung um 900 M. "ach dem Vorschlag der Kommission als persönliche Zulage be- trachtet und im Dispositiv des Etats als„künftig wegfallend" bezeichnet. Bei Kap. 7 d der ordentlichen Ausgaben, Titel 1„Reichs- wnrrnjfariat für das Auswanderungswesen" bemerkt kjf/u�tngens: Seitdem im Reichstage zuletzt über »•'l' n?°8enstand diskutirt worden, hat der schreck« t>er„Cimbria" uns wieder die dringende Nothwendlgkeit, alles Erdenkliche zum Schutze der Naturrecht zusteht, aus seinem Vaterlande hinaus will in ein anderes Land, dann rst ei auch das unantastbare Recht der Zurückgebliebenen, emen solchen nicht beschwindeln und be- trügen zu lassen, wie es vielfach von den A»swanderungs- Agenten geschieht. Und wre graßlich sah es obendrein auf den deutschen Auswandererschlffen aus, namentlich im Vergleich zu den englischen! Wir haben zwar nrcht erreicht, daß der Reichs- kanzler eS als sein Recht anerkannt hatte, ein energisches Wörtlein für die Handhabung und den Schutz der Ordnung und Sittlichkeit auch auf der großen Wasserstraße des Ozeans mitzusprechen; aber der Präsident der Vereinigten Staaten hat darauf Rücksicht genommen und unsere Ziele sind durch einen Akt des Parlaments in Washington sicher gestellt: Strenge Vorschriften über die Trennung der Geschlechter unter An« vrohung des Landungsverbots. Wir find stolz darauf, dies Wenigstens erreicht zu haben. Der deutsche Reichs- evvlmissar erfüllt seinerseits die ihm aufgetragenen Funktionen mit Sorgfalt und Gewissenhastigkeit, indem er die genaue Be- folgung gewisser vor der Einschiffung zu treffender Maßregeln »vvtrolirt. Aber es genügt nicht, daß er nur im Hafen auf das 'vmvst: eist nachdem die Anker gelichtet sind, gestalten ttch die Dinge auf dem Schiffe so, wie sie nachher gar zu leicht bleiben. Wollte der Kommissar nur einige Male bis Southamp- jon mit den Bremer und Hamburger Schiffen mitfahren! Eine persönliche Mitfahrt nach Southampton würde dem Reichs- kommissar auch genügende Aufklärung ich er die Zweckmäß gkeit der Abtiennnng der Räume in der großen Kajüte verschaffen, auch hier find die englichen Schiffe den unsrigen überlegen. Nach dem letzten Bericht des Kommissars pro 1883 wird jetzt in tzam- hurg an die Logirhäuser die bessernde Hand angelegt; das ist um so erfreulicher, als wir früher von dem Zustande derselben nurein sehr dunkles Bild entwerfen konnten. In Bremen waren solche Verbesserungen schon lange, schon vor 1882 vorhanden, wie die Bremer Einrichtungen überhaupt musterhaft find; in Hamburg aber sieht man trotz der unleidlichen Zustände von größeren Umbauten ab, und zwar u. a. aus dem sonderbaren Grunde, weil einige dieser Auswanderer-Logirhäuser mit der Ausführung des Zollanschlusses ohnehin eingehen müßten! Dort befindet sich z. B. noch ein Bett über dem anderen, so daß man zu dem oberen Bett hinausklettern muß; das find unerträgliche Zustände, die ich nirgend anderswo gefunden habe, und der Kommissar hätte duredaus seine Autorität gegen diesen Unfug einsetzen müsse». Schon aus sanitätepolizeilichen Gründen wäre es längst am Platze gewesen, hier Wandel zu schaffen! Auf den von Rotterdam im vor. Iah: t geriebenen Schwindel, durch den man Auswanderer, auch Deserteurs und Miiitär- Pflichtige dorthin zu locken suchte, um sie für holländische Dienste zu gewinnen, ist zuerst durch unfern Verein aufmerksam gemacht worden. Im ungarischen Parlament hat man über den Mädchenhandel Klage gefühlt, der über norddeutsche Häfen betrieben würde, wir in den Rheinlanden klagen über einen ähnlichen Handel nach Brüssel und Ant- werpen; da wäre es doch Sache der Brüsseler Polizeiverwal- tung und des Konsuls in Antwerpen , solchem Unfug zu steuern, dem sehr gut beizukommen ist, wie der österreichische Konsul in Antwerpen s. Z. gezeigt hat. Unsere deutschen Mädchen dürfen nicht länger als weiß- Sklavinnen nach Nordamerika geschickt werden, wie es nach den Pesler Debatten über Hamburg ge- schehen soll. Der Auswanderungsfrage muß also ein bedeutendes Interesse nach allen Richtungen hin unausgesetzt gewidmet werden.(Beifall im Zentrum.) Abg. Hasenclever fragt an, warum das Aus- Wanderungsgesetz, das für die Session von 1882 angekündigt gewesen sei, noch immer nicht dem Reichstape vorgelegt sei; serner, warum der Kommissar für Auswanderungswesen noch nicht den Jahresbericht erstattet habe, lieber die Thätigkeit deS Kommrffars verlautet überhaupt in der Oeffentlichkeit sehr wenig; es ist durchaus nothwendig, daß derselbe mehr als bisher dem Treiben gewissenloser Agenten entgegentritt. Daß jetzt die Auswanderung so g-ring geworden, rührt nicht von der Besserung der deutschen, sondern von der Verschlechterung der amerikanischen Verhältnisse her. Im vorigen Jahre wurden wir mit dem billigen Witze von dem Regterungskommissar abgespeist, daß, wenn der Auswanderungs- kommissar seine warnende Stimme erhebe, das bei einem großen Thcil der Bevölkerung als Empfehlung gelte. Das ist nicht richtig; wenn die Regierung Thalsachcn gegen solche Agenten amtlich anführt, so ist das durchaus keine Empfehlung für dieselben. Im übrigen wäre es besser, in der Heimath zu kolonistren, als sozialpolitischen Phantomen nachzujagen. Wenn die koloniale Frage dazu benutzt werden soll, gerade unsere Landsleute in solche unwirthliche Gegenden zu führen, sie ins Elend zu bringen, da würde ich mich doch schönstens dafür be- danken- Es wäre besser, wir schafften einmal reinen Tisch in Deutschland selbst, wir machten eine gute soziale Reform, aber nicht wie sie von der Regierung kommt. Wir haben in Deutsch - land so viel zu kolonistren, wir haben die Vagabundenfrage zu lösen, wir haben noch so viel unwirthliche Gegenden, die wir noch urbar machen können; auf die neuesten Experimente, durch Mischung von Moor und Sand Boden urbar zu machen, sollten wir uns mehr legen. Da können wir Leute genug brauchen. Wenn wir diese Arbeitskräfte dem Lande erhalten, ist es besser, als Kolonialphantomen nachzujagen, das wäre eine ehrliche, gute soziale Reform, die will ich vem Reichstag empfehlen. Staatssekretär v. Boetticher: Auch ich sehe eS als einen Verlust an, wenn Leute, deren Arbeitskraft dem Vater- lande zu Gute kommen kann, das Land verlassen. Die Frage der Kolonialpolitik hat aber damit nichts zu thun; ich hosse vielmehr, daß die Arbeitskraft der in den deutschen Kolonien Lebenden dem Vaterlande nicht verloren gehen wird. DaS Auswanderungsgesetz ist nur deshalb nicht vorgelegt, weil über diese Materie noch Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Ressorts ihrer Erledigung harren. Die Reichsregie- rung hat aber nach wie vor die Absicht, ein Reichsgesetz für die Regelung des Auswanderungswesens zu erlassen. Wenn der Vorredner den Jahresbericht des Kommissars vermißt hat, so erwidere ich, daß der Bericht für das Jahr 1883 im März 1884 vorgelegt wurde; dem entsprechend ist in kurzer Zeit der Jahresbericht für 1884 zu erwarten. Den merk- würdiger Weise uns gemachten Vorwurf, daß wir nicht aktiv genug seien, weise ich zurück. So wie uns pofl- tive Thatsachen berichtet werden, namentlich von unsem Konsuln und sonstigen Organen, wonach irgend ein Auswan- derungsunternehmcn den deutschen Arbeitern keine Prosperität sichert, wird sofort regierungsseitig vor der Auswanderung ge- warnt, und es werden alle Mittel in Bewegung gesetzt, um die Leute zurückzuhallen. Das wird auch in Zukunft geschehen. Weiter können wir aber nichts thun, wir können uns nicht in die Gerichtsbarkeit fremder Territorien mischen und nicht jedem deutschen Auswanderer einen Schutzbrief mitgeben. Die Be- richte, welche über die Agenten in der Presse umlaufen, find viel- fach übertrieben. Dem Abg. Lingens, der ja von jeher ein warmes Interesse für den Schutz der Auswanderer bekundet hat, kann ich versichern, daß unsereits Alles in dieser Richtung geschieht, was nur gesetzlich zulässig ist, und daß namenllich der AuswanderungSkommissrr, dem ich nur das beste Lob er- theilen kann, stets ganz genau bei jedem einzelnen Auswan- dererschiff kontrolirt, ob dasselbe allen für die Ueberfahrt und Verpflegung der Auswanderer gegebenen Bestimmungen ge- nügt. Der Vorschlag, den Kommiyar die Schiffe bis England begleiten zu lassen, ist unpraktisch; derselbe würde dann die Hafenkontrole nicht mehr so wirksam wie bisher ausüben, und andererseits doch nicht kontroliren können, waS an Bord vorgeht, nachdem die Schiffe über England hinaus find. Es sind übrigens nur selten Klagen über unge- nügende Versorgung der Schiffe an uns gelangt; wo dies aber geschehen ist, haben wir stets Remedur geschafft. Auch hinsichtlich der Unterbringung und Einlogirung der Auswanderer in den Ausfahrtshäfen ist namentlich in Bremen viel geschehen; auch hier hoffen wir noch weitere Fortschritte zu machen. Die Bergünstigungen aber, welche die holländischen Bahnen den Auswanderern gewähren, auch auf deutschen Bahnen einzu- fuhren, wie der Abg. LingenS es vorschlug, halte ich für un- thunlich. Jede solche Vergünstigung ist auch eine Begünsti- 6ung der von ihm selbst so beklagten Auswanderung über- aupt; und bei einem Wellrennen zwischen uns und den Hollandern in dieser Beziehung wäre gar kein Ende abzusehen. Wir werden nominell niemals die Auswanderer günstiger stellen können als die Holländer; weil nämlich auf den hol- ländlichen Liniin die Verpflegung, Behandlung und Unter» kunft eine viel schlechtere und darum billigere ist, als auf den schlechtesten deutschen Schiffen. ES ist sehr beklagenswerth, daß der deutsche Auswanderer sich immer noch vielfach durch leere Versprechungen von Agenten bestimmen läßt, ausländische Schiffe zur Ueberfahrt zu benutzen; nachdem er dann eine solche Reise gemacht hat, verschwört er sich, eS in seinem Leben nicht wieder zu thun. Abg. Meier(Bremen ): Der Abg. Lingens, der sich sehr anerkennend über Bremen ausgesprochen, hat* behauptet, die weiblichen Passagiere müßten unter weiblicher Aussicht stehen. Nun gehen aber die Auswanderer als freie Leute her- über, sie unter Ausficht zu stellen, ihr Betragen zu überwachen, das wird sehr schwer sein. Früher hat mir Herr Lingens sehr häufig gesagt, wir sollten doch an Bord der Lloydschiffe weib- liche Bedienung einführen. Nun find wir stets bereit, zu thon, was uns wahrhaft Gutes im Interesse und zur Bequem- lichkeit der Auswandaer empfohlen wird, womit ich für den Lloyd gar kein Verdienst in Anspruch nehme, denn wir thun das in unserem eigenen wohlverstandenen Interesse und es ist dadurch gelungen, z. B. im vorigen Jahr bei abnehmender Auswanderung 104 000 Personen mit unseren Dampfern zu be- fördern, also zwar 6—8000 weniger, als im vorangehenden Jahre, aber durch Mehrbeförderung von ungefähr 20000 Personen aus Amerika erreicht die Gesammtziffer des vorigen Jahres beinahe das jemals erreichte Maximum. Ueber weib- liche Bedienung auf den Lloydschrffen habe ich wiederholte Be- sprechungen mit Herrn Lingens hier und mit dem Vertreter des Raphael-Vereins in Bremen gehabt, welcher letztere mit uns der Anficht ist, daß sie unpraktisch ist. Die Abtheilungen find sehr genau gehalten: auf der einen Seite die einzelnen weidlichen Auswanderer, auf der anderen die einzelnen männlichen, in der Mitte die Familien, und es wird sehr streng vom Schiffs- kommando darauf gehalten, daß in dieser Beziehung nieht Unordnungen passtren. Was nützt dann aber die weih- liche Bedienung, wenn sie auch seekrank wird? Herr Hasen- clever hat mich angegriffen wegen meiner Aeußerungen über Honolulu . Meine Aeußerungen haben sich nur auf die Aus- wanderer bezogen, die für das Haus Hackfeldt u. Co. hinaus» gegangen sind, und diese Aeußerungen habe ch mit voller Ueberzeugung gethan. Die Firma Hackfeldt hat auf ihren Plantagen Schulen und Kirchen erbaut, und in dem Zirkular an die Auswanderer, das ich mit eigenen Augen gesehen habe, ist ausdrücklich bemerkt worden, daß dieselben keine leichte Ar- beit finden würden. Die Klagen über andere deutsche Häuser find bis jetzt noch nicht festgestellt, sie stehen nur in den Zei- tungen. Ja, wenn man Alles glauben wollte, was in den Zeitungen stand, so müßte man iveit gehen.(Lebhafte Heiter- keit. Rufe: Sebr wahr!) Dieselben Klagen, die Herrn Hasen- clever jetzt mirgetheilt, waren von Schweden und Norwegern in ihre Heimath gesandt worden. Da Schweden keinen eige- nen Konsul auf Honolulu hatte, wurde der Konful in Washington zur Untersuchung der Klagen an Ort und Stelle entsandt, und in dem ausführlichen Berichte desselben wird nachgewiesen, daß dieselben ungerechtfertigt waren. Würde unsere Regierung dasselbe Verfahren einschlagen, was meiner Ueber- zevgung nach nicht nöthig ist, so würde sich dasselbe heraus- stellen. Mit einer Bemerkung über die Zeitungen habe ich übrigens die Glaubwüidigkeit meiner Herren Kollegen nicht in Frage stellen wollen.(Heiterkeit.) Daß ein großer Theil der Auswanderer sich Rotterdam und Antwerpen zuwendet, ist der ungeheueren Reklame dieser Häfen zuzuschreiben, die namentlich Miiitä: Pflichtigen große Vorthcile in Aussicht stellen. Aber dazu kommt noch die Begünstigung, die Auswanderer auf holländischen und belgischen Bahnen genießen. Die Regierung geht, in Preußen namentlich, sehr enl,chieden vor in der Ver- Hinderung der Auswanderung, und die Agenten find unter eine strenge Kontrole gestellt. Aber die Folge ist, daß die Auswanderer in die Hände von Winkelagcnten getrieben werden, die sich jeder Kontrole entzieb-n, und da ist ein wunder Punkt bei der Auswanderung. Ich wünschte, daß das AuSwanderungSgesetz, das jetzt berathen wird, und das. wie rch glaube, aus der Feder des Abg. Kapp herrührt, zur An- nähme käme. Wie die Kolonisation jetzt in vielen Köpfen in Deutschland spukt, wird sich dieselbe nie ausführen lassen.(Sehr richtig!) Wenn die Leute nicht in vernünftiger Weise davon zurückgehalten werden, so könnten diese Gedanken Manchem ins Unglück führen.(Sehr richtig.) Niemals werden wir uns dazu verstehen tönnen, Leute nach Afrika zu schicken, damit dieselben dort Ackerbau treiben. Wollen aber Leute das frei- willig thun, nun so mögen sie das thun unter eigener Verant- wonrichkeit, sie find ja freie Menschen, und unsere Gesetze ge- statten ihnen auszuwandern. Was ich also früher gesagt habe über Kolonisation, das halte ich mit voller Ueberzeugung auch jetzt noch fest, und ich glaube schwerlich, daß ich davon in memen alten Tagen noch abgehen werde.(Beifall.) Abg. Wind tho rst: Ich bin durchaus kein Freund der Auswanderung; wenn sich dieselbe aber als nothwendig er- «eist, so muß man Sorge tragen, daß sie in der rechten Weife geleitet und behandelt werde. Ich bin deshalb auch der Met- nung, daß man im Prinzip der Auswanderung entgegen- arbeiten solle; so muß jedenfalls, wer auswandern will, erst seine Pflichten gegen das Vate land erfüllt haben, ehe er an- derswo eine Heimath sucht und findet Die Idee der Koloni- sation wird wesentlich von dem Gedanken getragen, Äibeits- kräfte, die hier üderschüsstg sind, anderswo zu verwenden; doch will ich hier diese Frage nicht erörtern, da sich dazu noch be- sonders Gelegenheit bieten wird. Aber einerseits Kolonien schaffen und andererseits feindlich gegen die Auswanderung sich verhalten, ist ein Widerspruch. Es ist vollstängig falsch, daß Deutschland erst jetzt zu kolonistren anfange. Das deutsche Volk hat fich in Nordamerika bereits sehr weite Kolonien geschaffen und der deutsche Einfluß ist da- selbst von großer Bedeutung geworden. Der Anregung des Abg. Lingens, für die weiblichen Passagiere auch weibliche Be- dienung auf dem Schiffe zu schaffen, hat der Abg. Meter widersprochen, die Nothwendlgkeit aber nicht widerlegt. Auf englischen Schiffen hat man dieselbe, und es wird auch wohl möglich sein, sie auf deuischen einzuführen. Auch die Klagen über Hamburg sind durch die Ausführungen des Abg. Meier nicht hinfällig gemacht worden. Was der Abg. Lingens über die Passagierhäuscr in Hamburg gesagt hat, wird mir von anderer Seite bestätigt. So lange diese Mißstände nicht abge- stellt find, rathe ich meinen Landsleuten: geht nicht über Hain- bürg, sondern über Bremen . Abg. Bock(Gotha ): Die Klagen der Auswanderer sind durchaus begründet. Wenn der Staatssekceiär von Boetticher sagt, man könne doch nicht jedem deutschen Auswanderer auch einen Schutzmann beigeben, so meine ich aber doch, die deutsche Regierung sollte hier ebenso ihren ganzen Einfluß geltend ma- chen, wie es von ihr in anderen Fragen geschieht. Der Abg. Meier meinte dann, die Beschwerden der schwedischen und
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