Nr. 8. Sonnabend, 10. Januar 1885. n. Jahrg. ScrliimMM» Brgan für dir Interessen der Arbeiter. 4 Da«„Berliner VoMblaL" erschemt täglch Morgen« außer«ach Sonn- und Festtage«. B�onnementivrer» »erl« frei m'« Haue vierteljährlich 4 Marl , monatlich 1,85 Mari, wöchentlich 35 Postabonnement 4 Mark. Einzelne Nr. 5 Pf. SvnnLagK-Nummer mit illustr. Beilage 10 Pf. (Eingetragen in der PostzeiwngZpreitliste für 1885 unter Rr. 746.) ZnsertionKgebühr beträgt für die 8 gespaltene Peiitzeile oder deren Raum 40 Pf. Lrbeit»marit 10 Pf. Bei größere« Aufträge« hoher Rabatt nach Uebereinkunst. Inserat«»erde« bi« 4 Uhr Nachmittag« in der Expedition. Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen« Bureaux, ohne Erhöhung de« Preise«, angenomme». MeöaKtton und Knpeöition Aerlin SW� Mmmerstrage 44. Die neu hinzutretenden Abonnenten erhalten den bisher erschienenen Theil des fesselnden Romans„Ge- sucht und gefunden" gegen Vorzeignng resp. Einsendung der Abonnements» Quittung in unserer Expedition. Zimmerstraße 44. in einem Separatabzuge gratis und sranto nachgeliefert. In gleicher Weise werden die bisher erschienenen Nummern des„JllnftrirteS Sonntags- blatt" verabfolgt. Nochmals der Marimalarbeitstag. Die Gegner� de« Maximalarbeitstages, der selbstver- ständlich eine möglichst geringe Stundenzahl für den Ar- beitStag normiren soll, zeigen gern darauf hin, daß gegen- wärtig schon in Deutschland im Durchschnitt nicht über 10 bis 11 Stunden gearbeitet werde und daß in der Schweiz und neuerdings in Oesterreich die Maximalarbeitszeit auf 11 Stunden festgesetzt worden sei. Für die Schweiz halten wir diese Arbeit Szeit aller- dings für zu hoch bei dem ziemlich entwickelten Maschinen- Wesen, welches dort herrscht. Ob aber für O e st e r- reich die Maximalzeit eine richtige ist, das kann man wohl heute wohl noch nicht bestimmen; man möge erst einige Probejahre abwarten. Für Deutschland aber wäre eine neunstündige Arbeitszeit sicherlich übergenügend, da die Industrie sich in den letzte« 15 Jahren hier ungemein entwickelt hat. Zehn bis elf Stunden täglicher Arbeitszeit finden wir also für Deutschland zu hoch. Aber die Gegner de« Maximalarbeiiitages wisie» sich auch hierbei herauszureden, indem sie triumphirend den An- hängern defielben zurufen:„Seht, gegenwärtig wird ja in zahlreichen Fabriken Deutschlands nur 6—8 Stunden gear- beitet, das ist eine»eit geringere Arbeitszeit, als die An- Hänger des NormalarbeitStaas sie erzielen wollen." Die Herren, die also sprechen, wissen augenscheinlich gar nicht, worum es sich bei Feststellung eine« Maximal- arbeitStdgeS eigentlich handelt. Ganz bestimmt haben sie recht, wenn sie sagen, daß in Deutschland eine 10— ll stün- dige DurchschnittsarbeitSzeit jetzt schon herrsche. Aber diese DurchschnittSarbeitszeit vertheilt sich in einer gewissen Frist einige Zeit lang auf täglich vielleicht 13—14 Stunden und einige Zeit lang nur auf 6—8 Stunden. Darin liegt der Haken. Massenproduktion, dann wieder Geschäftsstille; etwas höherer Lohn.Z dann wreder bedeMende Lohnver- kürzung. Gerade in diesem ewigen Schwanken liegt das Ungesunde unserer Produktionsverhältnisse und zugleich auch der Lage der Arbeiter. Hier soll der Maximalarbeitstag regelnd eingreifen; er soll nicht dulden, daß mehr als 9 Stunden täglich gear- ««»druck verbotcn.Z 58 Gesucht uud gefunden. Roman von Dr. Dux. (Forsetzung.) Die Fenster waren Schiebfenster und wenn man die- selben in die Höhe schob, um sie zu öffnen, so zeigten sich hinter denselben die Sprossen de« zweiten Fensters, welche die Vergitterung bildeten; aber dieser so vorsichtig ange- brachten Vergitterung hatte man den Schein des Gesang- nisses noch dadurch genommen, daß man Ranken von Schlinggewächsen an ihnen in die Höhe gezogen hatte, die dem Ganzen nicht nur das Abschreckende nahmen, sondern fdgar dem Zimmer zur Zierde gereichten. Mistreß Forster kannte diese Zimmer und war mit der Emrtchtung so vertraut, daß sie nicht erst der Anleitung der zu ihrer persönlichen Aufwartung ihr beigepebenen Auswar- terin bedurfte, um von den einzelnen Möbels Besitz zu nehmen. Mit Hilfe der Frau Smith, ihrer Wärterin, vertauschte sie die Reisekleidung mit einer einfachen Hauskleidung in dunkler Farbe. Dann neß sie ihr Haar ein wenig ordnen, das dicht und lang nach hinten zusammengehalten wurde durch einen goldenen Pfeil. Sie befahl darauf, daß dw Effekten, welche sie mitge- bracht, auf ihr ZimmerUgeschafft und in die verschiedenen Schränke und Schubkasten untergebracht würden, und er- suchte dann ihre Begleiterin, mit ihr in dem Park zu promeniren. Es war in der That, als ob die Dame sich, nachdem sie sich einmal in BetheSda heimisch gemacht, ruhiger fühlte. Ihre Thränen flössen nicht mehr, und die tiefe grauer in ihrem Antlitz ward ein wenig verklärt durch einen leisen, ganz leisen Schimmer der Hoffnung.... oer. Hoffnung auf Genesung, während sie die Treppe de« Seitenportals hinabstieg und die schönen kiesbestreuten, ebenen Pfade des ParkeS betrat. Der Park bestand aus Sroßen Rasenplätzen, welche von mächtigen Bäumen be- hattet waren. Hier und da waren reizende Blumen- Partien und Lauben angebracht, welche allerdings von beitet werde, damit nicht durch längere Arbeitszeit lieber- produktiv» eintrete, und dann plötzlich wieder Arbeitszeit- Verminderung bi» zu 6 Stunden täglich und Arbeiterent- lassungen stattsinden.. Daß bei der gesetzlichen Einführung der Maximal- arbeitSzeit AnSnahmen stattfinden müßten z. B. bei der Landwirthschaft, daS noch die MaximalarbeitSzeit bei ver- schiedenen Gewerken verschieden festgestellt werden müßte, versteht sich von selbst. Wir haben nur deshalb für Deutsch- lavd eine neunstündige Arbeitszeit hier angegeben, um für unsere Betrachtungen eine allgemeine DurchschnittSziffer zu haben. Ferner erklären die Gegner des Maximalarbeitstags denselben für solange, als er nicht m allen Kul- turstaatcn eingeführt werde, unmöglich für ein einzelnes Land, weil eS dann den andern Ländern gegenüber konkur- renzunfähig würde. Wir haben un« schon über diese An- ficht, die auch in Bezug auf die Beschränkung der Frauen- arbeit und das Verbot der Kinderarbeit geäußert wurde, kürzlich ausgesprochen; wir sagten, daß die Qualität der Waaren dann die verminderte Quantität ersetzen und so die Konkurrenzfähigkeit wieder herstellen würde. Und dasselbe ist bei der Einführung eines Maximalarbeitstags der Fall. Andererseits müßte ja auch ein Land, welches höhere Löhne zahlt, nicht mit einem Lande konkurriren können, welches niedrigere Löhne den Arbeitern zukom- men läßt!? Hören wir darüber einmal ein Fachblatt: „Daraus, daß in Deutschland die Arbeitslöhne durchweg höher sind als in Oesterreich- Ungarn, in Frankreich höher als in Deutschland , in England höher al« in Frankreich und in Nordamerika endlich höher als in England, daraus folgt noch nicht, daß in Ländern mit höheren Arbeitslöhnen infolge derselben die ProduktionS- Bedingungen für die Industrie ungünstigere sein müssen. Vor allem ist dabei die Menge und die Güte der Arbeits- leistung in Betracht zu ziehen. Ferner spielen die zur Ar« beit benutzten Werkzeuge und Maschinen, die Güte der Rohstoffe, die Organisation des Betriebes und das Jnein« andergreifen der verschiedenen Beschäftigungen eine wichtige Rolle. Obschon der englische Spinner wöchentlich bei fünfundfünf zig stündiger Arbeitszeit dop- pelt so viel verdient, als der deutsche bei 70— 80 Stunden Arbeit, so erfreuen sich die englischen Spinnereien dennoch wohlfeilerer ProduktionS-Bedingungen, als die kontinentalen, da in England hauptsächlich infolge der größeren und besseren Maschinen zum Betriebe von 1000 Spindeln nur 3—4, in Deutschland dagegen 7—10, in Oesterreich und Italien bis zu 13 Arbeitern erforderlich oben hinlänglich Schatten hatten, von der Seite aber nicht so dicht waren, daß man nicht hätte die Personen sehen können, welche darin saßen. Diese Vorsicht hatte man gebraucht, um die Auf- seherinnen die Beaufsichtigung der promenirenden Kranken zu erleichtern. Aus demselben Grunde hatte man auch die Anlagen von Strauchwerk und BoSquets im Park ver- mieden, desto mehr Gewicht aber auf anmuthige, schattige Spielplätze und recht idyllisch angebrachte Ruhebänke von Rasen over Baumzweigen Rücksicht genommen. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, daß die hier an- wesenden Damen, welche sich mit Spielen aller Art unter- hielten,. oder welche, in eiftiger Konversation begriffen, auf den Bänken saßen, oder in den Lauben lasen, oder Arm in Arm promenirten, nichts anderes seien, als was die Damen der haute-vol�e waren, welche sich im Rottenrow oder Hydepark ergingen. Allein eine genauere Betrachtung der Gruppen belehrte den Besucher bald, daß er es nicht mit harmlosen Spaziergängerinnen zu thun habe. ES waren hie und da Szenen, welche tief ergreifend, das Gemüth mit Mitleid und Trauer erfüllen mußten. Wie rührend war jene Frau, welche dort unter dem Schatten eines Baumes saß und ein Bündel KleidungS - stücke, das sie in einer Rolle zusammmengedreht, wie ein Kind im Arme wiegte! Wie sie diesem ihrem vermeintm Kinde ein Schlummerlied sang und es mit emsiger Sorg- falt schützte, daß die Sonnenstrahlen es nicht belästigten. Wie herzzerreißend klang das Lied, daS dort ein junges Mädchen in einer Laube vor einigen ZuHörerinnen sang! Ein Lied dessen Inhalt Entsagung von allem irdischen Glück, hoffnungslose Liebe, hoffnungsloses Leben war! In der Nebenlaube las mit erhobener Stimme eine ältere Dame aus ihrem Tagebuche vor. Es waren allerdings Produkte einer Wahnsinnigen, allein durch all' die Toll- Herten, welche sie niedergeschrieben, blickte doch der Schmerz eine» gramgefolterten Herzens hindurch. Nicht alle Kranken liebten die Gesellschaft. Auch solche waren vorhanden, welche die Einsamkeit vorzogen. Zu diesen gehörte auch die Dame mit der stolzen Haltung, der imposanten Figur, die auf einem entlegenen Wege einsam sind. Nach den Berechnungen eines englischen Fachmannes kommen durchschnittlich auf den einzelnen Arbeiter in den Baumwollspinnereien Deutschlands 12—1500, Englands 2914, Nordamerikas sogar 4350 Pfund verarbeiteter Baum- wolle jährlich. Bei Wolle stellen sich die Zahlen auf 1000, 1375 und 1640, bei Seide auf 59, 71 und 87 Pfund jährlicher Verarbeitung, so daß darnach der nord- amerikanische Arbeiter der leistungsfähigste wäre und ob- wohl er der bestbezahlteste ist, doch infolge seiner weitaus überlegenen Leistungsfähigkeit wohlfeiler produziren könne, als die europäischen Arbeiter." Auch aus diesen Auseinandersetzungen geht hervor, daß die englischen Arbeiter bei einer weit gerin- geren Arbeitszeit mehr leisten in Folge der besse» ren Einrichtungen im Fabrikbetriebe; auch wird angedeutet, daß sie bessere Arbeit leisten als die deutschen— und d a» b e i spielt untrüglich die geringere Arbeitszeit eine Rolle. Bei gleichmäßiger neunstündiger oder gleichmäßiger noch geringerer Arbeitszeit wird der Arbeiter viel besser arbeiten könne«, als wenn er eine Zeit lang 14 Stunden, dann wieder eine Zeit lang 6 Stunden täglich arbeiten muß; im ersteren Falle wird der Arbeiter immer abgespannt sein und die Arbeit nicht mehr genau beachten können, im anderen Falle aber kann es leicht vor- kommen, daß der Arbeiter träge und gleichgiltig wird. Darunter aber leidet die Qualität der Produkte. Die möglichste Gleichmäßigkeit im Lohne und in der Arbeitszeit wird die besten Ar- b e i t s k r ä f t e erzeugen. Sie wird daneben einen frohen, schaffensfreudigen Ärbeiterstand hervorbringe». Und hierzu soll in der Hauptsache dte gesetzliche Ein- sührung eines Maximalarbeitstages beitrage». DolitiBcke UebersieKt. _ Ei« ganz neues Etnschüchterungs-Manöver. Die Konservativen, welche die ihnen in der Wahl- Prüfungskommission des Reichstags zustehenden Stellen mit lauter preußischen Landräthen besetzten, find, wie man der„Bresl. Ztg." schreibt, auf eine neue Art von Ein« scküchterung verfallen. Sie nehmen Abschrift der gegen ihre Mitglieder eingereichten Wahlproteste und veranlassen dann die ungesetzlicher Wahlmanöver deschuldigten Konservativen, die Protesterheber beim Staatsanwalt wegen Ver- leumdung zu denunziren. DaS Vorgehen der Staatsan- walte in solchen Fällen wird im Reichstage einer ernsthaften Kritik untcrzoaen werden müssen. Ein eklatanter Fall liegt 'm Kreise Delipsch vor. Der Protest beschäftigt stch vorzugs- weise mit Wahloeeinflussungen des konservativen Parteiführers Landrath von Rauchhaupt und anderer Beamten, sowie einzelner Wahlvorsteher. Herr von Rauchhaupt vernimmt nun wegen der Wahlprotestbehauptungen polizeiliche Zeugen und befördert auf- und abschritt, den Macaulay in der Hand, und eifrig die Geschichte der Katharina von MediciS studirend. Und dort auf der Rasenbank neben der Laube von Astrolochium saß, daS Haupt in die Hand gestützt, ganz allein«in junges, schöne« Mädchen. Die blonden, vollen Locken fielen über den schönen Arm herab, und ihr sanftes, blaues Auge war feucht. Sie weinte nicht... Es war der namenlose Schmerz, die Resignation, welche sich in diesen Augen ab- spiegelten. Sie achtete nicht auf alle ihre Leidensgefähr- tinnen, sondern war nur mit sich und ihrem Schmerz be- schäftigt. Viele saßen in ihrer Nähe, Viele gingen an ihr vorüber, sie blickte nicht auf. Da drang eine Stimme an ihr Ohr, eine sanfte, weiche wohltönende Stimme. „Miß Elly, liebe Elly!" Wie elektrisirt sprang sie auf und lag Mrß. Forster im Arm. „O, wie habe ich mich gesehnt, Sie wieder zu sehen!" rief das junge Mädchen voll innigster Freude. „Sie sind dieses Jahr später gekommen als sonst?" „Ach, ich wollte mein liebes Kin», daß ich es nicht nöthig hätte, wieder in dieses HauS zu kommen." »Ja, ja, ich glaube Ihnen und wünsche es Ihnen von Herzen.... Wohl Demjenigen, der nicht in diesem schrecklichen Hause zu verweilen braucht.... Eine Bett- lerin. welche in Ruhe in ihrem Hause lebt, ist glücklicher als Sie, die hier, wenn auch mit allem Wohlstand umgeben, doch nur eine Gefangene ist.— Ach, Mrß. Forster, Sie wissen, was es heißt, die einzig fühlende Brust zu sein unter lauter Genossinnen, deren Seele umnachtet ist." Madame Smith schüttelte den Kopf und flüsterte ihrer Herrin zu: „Das glaubt jede Irre! Sie halten Alle sich allein für vernünftig, und darin liegt eben der Wahnsinn dieser jungen Dame."_, „Möglich, daß Sie Recht haben I" antwortete Elly, welche diese Worte gehört hatte;„ich weiß eS gar nicht, ob ich wirklich wahnsinnig bin oder nicht. Meine Ver- wandten sagen es, Mr. Gefferson sagt es. Ich fürchte, daß
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