Nr. 9.Sonntag, U. Januar 1885.n. Jahrg.Drgan für die Interessen der Arbeiter.Das„Berliue« BoWblatt".,«scheint täglich Morgens außer»ach Saas*«ab Festtages. AboauementipreiS fürBerti» frei ia's Haus vierteljährlich 4 Mar!, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf.Postabonnement 4 Mark. Gingel«? Nr. 5 Pf. Sonntags-Nummer mit illustr. Beilage 10 Pf.lEmgetraqe« in b« PostgeiwnzSvreiSliste für 1885 unter Rr. 746.)Z«sertioa«gedührbeträgt für die 8 gefpalteas Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf.Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunst. Inserate»erde« bi« 4 UhrNachmittag» m der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von alle» Annoncen»Bureaux, ohne Erhöhung de» Preise», angenommen.HieöaKtton un» H«peöition Nerlin 8W� Mmmerstraße 44.WDie neu hinzutretenden Abonnenten erhalten denbisher erschienenen Theil des fesselnden Romans„Ge-sucht und gefunden" gegen Borzetgung resp. Einsendungder Abonnements- Quittung in unserer Expedition,Zimmerstraße 44, in einem Separatabzuge gratis undfranko nachgeliefert. In gleicher W-tse werden diebisher erschienenen Nummern des„JllnstrirteS Sonntags-blatt" verabfolgt._Der französische Kriegsminister.Herr Campenon hat seinen Rücktritt genommen,resp. nehmen müssen, weil er keine Verstärkungen nach Tong-kmg schicken wollte. Wenn dieser Offizier einige Monateftüher so weise gewesen wäre, so hätte viel unnütz vergösse-nes Blut vielleicht erspart bleiben können, denn das mußtesich Jedermann sagen, daß die geringe Truppenmacht, diejetzt gegen die Chinesen im Felde steht, über die Chmesenobzusiegen nicht im Stande sein werde. Herr Campenon,der absolut dagegen ist, größere Truppenmassen nach Chinaabzusenden, hätte also gleich von Anfang sich widersetzenmüssen, als man den Krieg mit den Chinesen ohne Kriegs-erklärung vom Zaune brach.Militärische Romantiker, die in Frankreich gar keineSeltenheit sind und von Gambetta seinerzeit noch ganz be-sonders gehätschelt wurden, hatten sich wahrscheinlich in dieTäuschung gewiegt, ein Krieg mit China bedeute einen„SiegeSzug" wie im Jahre 1860, als eine kleine Armnevon Engländern und Franzosen nach Peking vordrang. Da-mals besetzten die Franzosen mit leichter Mühe den präch-tigen Sommerpalast des Kaisers von China, plünderten ihnaus und steckten ihn in Brand. Der Führer dieser famosen„Aktion", Cousin de Montauban später Graf Palikao, un-rühmlichen Angedenken», verband so die kriegerische„Roman-tik" mit einer an Quantität und Qualität äußerst reichhal-tigen Beute und es mag auch diesmal bei den FranzosenLeute gegeben haben, die auf leichte Beute und leichtenRuhm hofften. Sie vergaßen nur die Kleinigkeit, daß sichin China inzwischen sehr Vieles geändert hat. Damals be-trug die chinesische Armee, so weit man sie als regulär be-zeichnen konnte, nur etwas über 100 000 Mann und warschlecht disziplinirt, schlecht bewaffnet. Die Geschütze warenaltmodisch und gegenüber der europäischen Artillerie kaumwirksam. Fast alle Schüsse gingen zu hoch, da es der Be-dievungSmannschaft auch an Hebung fehlte. Auch warendie Geschütze meist von schwerem Kaliber, so daß sie imFelde kaum verwendet werden konnten. Die Infanterie warmit schlechten und schwerfälligen Gewehren bewaffnet, dienoch Luntenschlösser, theilweise auch Steinschlösser hatten.Ein Theil der Infanterie führte noch gar keine Feuerwaffen,sondern nur Pfeil und Bogen oder die Lanze und denSchild. Sogar hölzerne Kanonen wurden theilweise nochAlachdruck-nb-ten)69 Gesucht und gefundeu.Roman von Dr. Dux.(Forsetzung.)_Emmy trat so rasch ein, daß er eben nur«och Zeithatte, einen soeben gesiegelten Brief unter einen StoßPapier zu schieben.„Ach entschuldige, lieber Onkel, daß ich störe,"sagte Emmy, indem sie sehr verlangende Blicke aufden Papierstoß warf, unter welchem, wie sie bemerkte,der Gegenstand lag, welchen ihr Onkel vor ihr verbergenwollte.„Du störst mich zwar, liebes Kind ," versetzteAmberg,„aber ich zürne Dir deswegen nicht, dennich setze voraus, daß es etwas Wichtiges ist, dasDiich zu einer so ungewöhnlichen Zeit zu mir führt."„In der That, lieber Onkel!" sagte Emmy,indem sie zärtlich einen Arm um seine Schulter legte,mit dem Ellenbogen de« andern Armes aber gleichsam un-willkürlich in dem Papierstoß wühlte, und die Manipula-tion so lange fortsetzte, bi« der darunter verborgene Ge-genstand zum Vorschein kam. Es war ein Geldbrief; dennderselbe trug fünf Siegel. Die Adresse lag unglücklicherWeise«ach unten; auch diese hätte Emmy gern gewußt,denn e« wäre sehr interessant gewesen, zu wissen, wohinihr Onkel einen Geldbrief schickt, von dem sie nichts wissendurfte.„Denke Dir," sagte sie,„die Hälfte der Arbeiter hatstch heute nur bei der Heuernte eingefunden; die Anderenyttfcen theil» auf benachbarten Gütern Arbeit gesucht, theil»oeadsichti�en sie, überhaupt auszuwandern, wie der Herr, arder Charlotten gesagt hat."•-r/*8'f* ärgerlich," erwiderte Amberg.„Sollte man?. �enöthigt sein, während der Zeit, da man um Ar-beiter Roth hm. höhere Löhne zu zahlen?", fx"®rre.5,°UptJat$e'st nur," fuhr Emmy fort,„daß wirso schnell wie möglich Arbeiter schaffen, denn wie Char-tvtte sagt, kann die Heuernte nicht warten, sondern mußin Anwendung gebracht. Die großen tartarischen Reiter-schwärme, welche die chinesische Armee begleiteten, warenohne alle Uebung und konnten mit leichter Mühe gesprengtwerden.Allein seitdem sind 24 Jahre verstrichen nnd die Chi-nesen haben diese Zeit benutzt, um ihre Armee vollständignach europäischem Muster einzurichten. Geschütze und Hand-feuerwaffen können sich nicht in allen Fällen mit der Be-waffnung der Franzosen messen, allein das frühere Verhält-niß ist verschwunden, die Franzosen befinden sich einer wohldiSziplinirten und bewaffneten äußerst zahlreichen Armeegegenüber, die sicherlich auch eine Anzahl Europäer zu Of-sizieren hat, da militärische Abenteurer aus Europa immerzu haben sind. Wenn erst die Franzosen den Krieg aufdaS chinesische Gebiet hinüberspielen werden, so dürften siekennen lernen, daß China doch nicht so schlecht gerüstet ist,als man vielfach geglaubt hat. Der gegenwärtige Kampfin Tongking scheint uns ohnehin nur ein Vorspiel zu sein.Die Entschließungen des französischen KriegSministerSsind in dieser Zeit von ungemeiner Wichtigkeit und Trag-weite, vielleicht theilweise entscheidend für die Zukunft derRepublik. Dre Republik begeht denselben Fehler, wie derBonapartismuS; sie sucht ihre Stärke in kriegerischem Ruhmund militärischer Macht, nicht bedenkend, daß der geringsteMißerfolg verhängnißvoll werden kann, wenn man sich soganz auf kriegerische Erfolge verläßt. Und nun verwickeltsich die Republtck in einen gefährlichen und kostspieligenKrieg in einem fernen Lande. Man hat gesagt, es seien50 000 Mann erforderlich, um die Affair e in Tongking sieg-reich zu beenden. Wenn sich die Chinesen mit mehr Machtauf Tongking stürzen, so wird denn doch eine etwa» größereMacht erforderlich sein, denn diese. Bis jetzt sieht es auchgar nicht aus, al» ob die französischen Waffen den chine-fischen besonders überlegen wären. Die Generale meldenzwar fortwährend errungene Vortheile, aber eS scheint damitrecht windig auszusehen und zu einer großen Schlacht istes noch nicht gekommen. Dazu wird Niemand behauptenwollen, daß die Heldenthaten der französischen Flotte aufdem Minflusse gerade besonders viel Muth oder Geschicklich-keit erforderten.Wie sich die Franzosen aus dieser Affaire wieder heraus-wickeln werden— wer mag heute darüber etwas sagen?Allein welch ein Leichtsinn, bei der wachsenden Zerrüttungder Fiaanzkräfte des Landes die Republik in einen so ge-fährlichen Krieg zu stürzen!Braucht der neue Herr Kriegsminister Glowe für seinePerson oder braucht er sie für Frankreich? In jedem Fallist's vom Uebel und das französische Voll muß dafür be-zahlen.Es ist richtig, daß dieses in seinen veralteten Kultur-in einigen Tagen beendet sein.... Woher bekommtman nur in solcher Eile die nöthigen Arbeiter?... Sollich Härder sagen, daß er die Leute zu den alten Lohnsätzenarbeiten läßt?"„Sage ihm, daß er die Löhne etwas erhöht, nicht ganzdie alten Sätze... Wozu soll man den Leuten mehrbieten als gerade nöthig ist, um sie sich zu erhalten?Wenn die Ernte vorbei ist, natürlich dann wird die Zulageihnen sofort wieder abgezogen; dann mögen sie gehen,wohin sie wollen, denn alsdann kann man sich mit geringerenArbeitskräften behelfen."„Gut, ich werde das Härder sagen!"„Der Alte weiß doch nicht etwa davon?"„Ich denke nicht, Onkel, ich habe ihm wenigstensnichts gesagt."„Bei Leibe nicht, mein Kind. Dem Alten muß e»durchaus verschwiegen bleiben, daß wir auf seinen GüternErsparnisse eingeführt haben, denn nach seinen Anschau-ungen ist es nicht nöthig zu sparen; er sucht eine« gewissenStolz darin, seine Arbeiter besser zu stellen als irgend einerseiner Rachbarn es thut."„Es bedarf Deiner Erinnerung nicht, Onkel... MeinstDu, ich könnte mir nicht selbst sagen, daß Onkel Roden-bürg, wenn er davon erführe, uns einen Vorwurf darausmachen würde?"„Nun fteilich, ich weiß, daß ich mich auf Dich ver-lassen kann. Du bist ein kluges Mädchen, Emmy!"Das kluge Mädchen hatte bei diesem Diskurse denGeldbrief nicht aus den Augen verloren, und es war ihr inder That jetzt geglückt, durch ein Manöver mit dem Ellen-bogen denselben umzuwenden und die Adresse ihres früherenDienstmädchens Lisette zu entziffern, welche, wie sie ausder Adresse sah, sich jetzt in Berlin aufhielt. Indem siesich plötzlich erhob, lag nun der Brief offen da. Ambergerschrak und griff hastig danach., � �„Was?" fragte Emmy verwundert,„Du schickst Geldan Lisette nach Berlin?"„Nun ja, ich unterstütze sie.... Du weißt, sie hatuns treu gedient... Aber ich bitte Dich, Emmy, sprichnichts davon zur Mutter oder sonst Jemand. Du bist einformen erstarrte China der Neuerungen bedarf, um ei«lebensfähiges Gemeinwesen zu werden; es ist richtig, daßdas Elend der 400 Mill. Chinesen zum Himmel schreit. ESmag auch sein, daß eS gut ist, wenn die Anregung zuNeuerungen von Außen hineingetragen wird, da den Chinesendie Initiative fehlt, allein ist damit auch bewiesen, daß derWeg, den die Franzosen eingeschlagen haben, der rich-tige ist?Der französische Kriegsminister hat schwerlich eineKulturaufgabe zu erfüllen; er will den„oberen Zehntausend"in Frankreich neue Spekulationsgebiete eröffnen. Und dazusollte ihm denn doch Gut und Blut des französischen Volkeszu kostbar sein!IolitiKcke Mebersickt.In Kamerun ist eS bereits zum Blutvergießen gekommen; nach einer Deoesche haben die deutschen Krieg?-schiffe„Bismarck" und„Olga", unter dem Kommando desKontreadmirals Knarr, am 20., 21. und 22. Dezember aufrührerische Negerp arteten in Kamerun mitWaffengewalt niedergeschlagen. Mehrers5)äuptlinge und eine größere Zahl ihrer Krie-ger sind gefallen, vertrieben oder gefangen,Ortschaften vernichtet.— Hinzugefügt wird noch:Unter schwieligen klimatischen und Terratn-VerhältnissenHaltung der Truppe vorzüglich. Diesseitige Verluste:„Olga"— Matrose Bugge tobt; vier schwer, vier leicht verwundet;unter letzteren Unterlieutcnant von Ccnsthausen. Autorität derFlagge und Ruhe am Ort wieder hergestellt. DaS Telegrammist knapp und nach militärischem Stiel abgefaßt, eSenthält wenige Worte; aber diese wenigen Wortesind so schwerwiegender Natur, daß wir nicht umhinkönnen, einige Schlußfolgerungen aus denselben zu ziehen.—Wir haben in unserem Blatte oft genug auf die Konsequenzen,welche sich aus der Gründung überseeischer Kolonien, resp. derProtektoratsei klärung über ferne Länder ergeben, hingewiesen,es war kein besonderer Scharfblick erforderlich, um derartigeKatastrophen vorauszusehen. DaS Drama, welches sich nachobiger Nachricht kurz vor den Weihnachtsfeiertagen auf demschwarzen Kontinent abspielte, wird aller Wahrschernlichkeit nachviele seines Gleichen im Gefolge haben; denn wir befinden unSerst im Anfange stadium einer Kolonialpolitik. Wer kanndaran zweifeln? Ein Blick auf das kolonienreiche Englandspricht deutlich genug; die Geschichte dieses Landes istgleichsam ein fortwährender Kampf um die Erhaltungresp. Oberhoheit Über die Kolonien. Und wenn auch Deutsch«land nicht in dem Maße nach überseeischen Besitzungen strebenwird und kann, wie England, so wird es trotzdem von Kämpfenum die Erhaltung setner Autorität über die unter sein Protek-torat genommenen überseeischen Ländern nicht verschont bleiben.Aber nicht nur Kämpfe stehen uns bevor; überseeische Besttzun-gen erfordern nock andere Opfer. Eine gelegentliche sogenannteZüchtigung der Eingeborenen wird den geforderten Respektnicht hervorbringen; vor der dreifarbig gestrichenen Fahnen«kluges Mädchen und wirst begreifen, wenn meine Gut«müthigkeit bekannt würde, man Mißtrauen gegen mich hegenwürde... man soll Wohlthaten nicht an die große Glockehängen."Emmy lachte laut auf.„Wohlthaten? Onkel!... Mir brauchst Du dergleichennicht zu sagen, ich kenne Dein wohlthätiges Herz besser...Ich werde schweigen, Onkel, natürlich; aber ich erwarte,daß Du erkenntlich bist."„Natürlich, mein Kind! Wenn wir unseren Zweckerreicht haben, Emmy, sollst Du von dem Gewinn denLöwenantherl haben, das verspreche ich Dir mit Wort undHand."„Gut, Onkel! Ich werde Dich daran erinnern.—Aber gefallen will mir's doch nicht, daß, während wirhier sparen, um unsere Erbschaft zu vergrößern. Du ande-reiseitS so verschwenderisch Wohlthaten spendest; den« dieSumme, welche Du nach Berlin schickst, ist in der Thateine bedeutende."„Nun wohl, ich denke, daß wir sehr bald in der Lagesein werden, dergleichen für Kleinigkeiten zu halten, Emmy,sonst würde ich mich zu solcher Verschwendung nicht be-stimmen lassen.— Geh', mein Kind, gieb Härder DeineInstruktion in Bezug auf die Löhne, damit diese ärgerlicheAngelegenheit erledigt wird, noch bevor sie dem Alten zuOhren kommt; es wäre in der That sehr verdrießlich, wenner davon wüßte."„O, da können wir ruhig sein. Wer sollte ihm davonetwa? sagen? Wir haben ja jetzt keinen Feind mehr hier;Alles, was irgendwie mit Rodenburg in �Verbindung steht,gehört zu unseren Freunden.".„Das ist wahr, und das ist ein Glück für uns, liebeEmmy!"Es war aber eine Täuschung, daß Emmy glaubte, esfände sich Niemand, der Herrn Rodenburg von den jüng-sten Vorgängen in Feldau Mittheilung machte. In dem-selben Augenblicke, in welchem Amberg mit seiner Nichteüber diese Dinge sprach, wurde auch in Rodenburg'S Zimmervon denselben gesprochen.