Nr. 253.
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Ener
Vorwärts
Jahrg. 13.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Mittwoch, den 28. Oktober 1896. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Oder er hat, um seinen Feinden einen Schabernack zu spielen, gelogen.
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Wir überlassen den Bewunderern des Fürsten Bismarck die Wahl zwischen beiden Möglichkeiten.
werden könnte.
gegenwärtige Regierung veranlassen tönnen, die geheime Ge schichte früherer Jahre aufzudecken.
Den Freunden Bismarck's , die ihn fortgesetzt auffordern, den Vorwärts" zu verklagen, möchten wir bemerken, daß ihr Heros, wenn jetzt in Deutschland nach seiner eigenen Politik regiert würde, längst hinter Schloß und Riegel fäße. Graf Aruim hat nicht annähernd gethan, was dem Fürsten Bismarck in der obigen Notiz des„ ReichsAnzeigers" zur Last gelegt wird.
etwa
Es liegen nur zwei Möglichkeiten vor. In die Schmuh- Werksfäffe Entweder hat Bismarck die Wahrheit gesagt. Dann der sogenannten Hohen Politik" hat Fürst Bismarck wieder ist er durch seinen eigenen Mund der niederträchtigsten einmal recht lustig hineingeleuchtet. Bei seinen politischen Doppelzüngigkeit überführt. Lebzeiten erklärte er:„ Die Politik ist ein Geschäft, welches die Deffentlichkeit nicht verträgt." Seit er im Sachsenwald begraben ist, denkt er aber anders, und plaudert, um sich zu rächen und seine Nachfolger zu ärgern, mit wahrer Wolluft die kompromittirendsten und unsaubersten Ganz erlogen scheint die Sache übrigens nicht. Wir Geheimnisse aus. Ein Lieblingsvorwurf, den er Caprivi schließen das aus der sehr scharfen Notiz, welche der macht, ist bekanntlich der, daß dieser den Draht mit Ruß- Reichs- Anzeiger" heute Abend bringt. Dieselbe lautet: land durchschnitten habe". Den Freunden des zweiten Reichs- Bei der öffentlichen Besprechung der jüngsten„ Enthüllungen" tanzlers war es nicht schwer, dem ersten Herrn Reichkanzler den der Hamburger Nachrichten" über deutsch- russische Beziehungen Vorwurf zurückzugeben. Das Bündniß des Deutschen Reichs mit bis zum Jahre 1890 ist vielfach der Wunsch hervorgetreten, Das offiziöse Wolff'sche Bureau, das seine französischen Desterreich wurde am 7. Oktober 1879 abgeschlossen, nachdem der die Regierung möge auch ihrerseits das Wort zur Sache Nachrichten von dem von der französischen Regierung vollBerliner Kongreß über die orientalische Frage, trotz Bismarc's ergreifen. Wir sind zu der Erklärung ermächtigt, daß ständig abhängigen Agence Havas" bezieht, meldet folgendes: diez nicht geschehen wird. Diplomatische Unter den Arbeitern der hiesigen Glashütten herrscht Liebedienerei gegen Rußland , zur Entfremdung zwischen Ruß- Vorgänge der von den„ Hamburger Nachrichten" Unzufriedenheit darüber, daß die neue Arbeiter- Glashütte land einer- und Desterreich- Ungarn und Deutschland anderseits erwähnten Art gehören ihrer Natur nach zu den in Albi errichtet wurde statt in Carmaux. Abends fand geführt hatte. Der Bündniß Vertrag erklärt ausdrücklich, strengten Staatsgeheimnissen; fie gewiffen eine der Syndikatstammer einberufene, von von daß er zwar einen durchaus defensiven Charakter habe, baft zu wahren, beruht auf einerinternationalen 3000 Personen besuchte Arbeiterversammlung statt, die sehr jedoch für den Fall eines russischen Angriffs geschlossen Pflicht, deren Verlegung eine Schädigung wichstürmisch verlief. Es kam zu heftigen Streitigkeiten, bei denen sei. Er richtete fich also gegen Rußland , was natür- tiger Staatsintereffen bedingen würde. Die kaiserl. mehrere Schüsse gewechselt wurden. Der Deputirte Jaurès lich den Russen schon bekannt war, che noch die Tinte Regierung muß daher auf jede Klarstellung verzichten, sie wird versuchte zu reden, wurde aber von den Manifestanten daran verjenen Auslassungen gegenüber weder falsches berichtigen hindert. Mehrere Personen wurden aus dem Saale entfernt, der Vertrags- Unterschriften getrocknet war. Bekannt ist noch unvollständiges ergänzen, in der Ueberzeugung, letzterer wurde von den Gendarmen geräumt, welche die sich im ferner, daß der deutsche Geldmarkt durch Bismarck den daß die Zuversicht in die Aufrichtigkeit und die Vertragstreue Freien aufammelnde Menge zerstreuten. Drei Personen wurden anleihebedürftigen Russen verschlossen wurde. Der Draht der deutschen Politit bei anderen Mächten zu fest be ziemlich schwer verwundet. Nach der Versammlung beauftragten zwischen Berlin und Petersburg war also schon unter grü det ist, als daß sie durch derartige„ Enthüllungeu" erschüttert die sozialistischen Teputirten den Deputirten Jaurès , die NeBismarck abgerissen. So stand die Sache, bis vorgestern Bismarck Da an Lügen nichts Falsches zu berichtigen" und gierung über die mit Gewalt erfolgte Auflösung der Bersammlung zu interpelliren. mit einer neuen sensationellen Enthüllung angerückt auch nichts Unvollständiges zu ergänzen ist", so müssen Wie wenig diese Darstellung den Thatsachen entspricht, bes tam. Er erklärte in seinem Hamburger Leibblatt, wir uns vorläufig dafür entscheiden, daß Bismard im weist die folgende Depesche unseres Rorrespondenten: die Beziehungen Deutschlands und Rußlands seien seit der wesentlichen die Wahrheit oder wenigstens ein Stück Bei Ankunft der sozialistischen Abgeordneten in Carmang Dreitaiser Konferenz von Stiernewice( September Wahrheit gesagt und in der That das diplomatische Spiegel wurden die Arbeiter von Leuten, die von den Behörden und dem 1884) wieder freundschaftliche gewesen und es sei sogar ein berg- Kunststück fertig gebracht hat, gleichzeitig ein Carmauxer Großfabrikanten Rességuier gedungen waren, Abkommen getroffen worden, durch welches Deutschland Bündniß mit Desterreich gegen Rußland provozirt. Die Kavallerie machte mehrere Angriffe auf die und Rußland sich für den Fall eines Angriffs auf eins der und ein Abkommen mit Rußland gegen massenweise versammelten Arbeiter, von denen sie einige ver beiden Länder gegenseitig zu wohlwollender Neutralität ver- Desterreich abzuschließen. pflichteten. Und dieses Abkommen sei nach Bismarck's " Die Kölnische Zeitung " schreibt in bezug auf die Be- wundete. Gendarmen sprengten die große Versammlung unserer Sturz nicht erneuert worden. Genossen, welche bei allen Vorgängen eine bewunderungswürdige hauptungen der Hamburger Nachrichten": Das die Enthüllung. Man vermöge nicht zu erkennen, welchem vernünftigen Zwecken Ruhe und Disziplin bewahrten. Jaurès versprach, die Regierung Bedenkt man, daß, als dieses angebliche Abkommen die nachträglich gehäffigen Angriffe gegen den Grafen Caprivi fofort nach seiner Rückkehr nach Paris über die Vorgänge in getroffen ward, der Bündnißvertrag zwischen Desterreich bienen sollen. Jeder ruhig denkende Mensch habe nur eine Garmang zu interpelliren. Allgemein herrscht die Anschauung, Empfindung, die der Anerkennung dafür, daß Graf Caprivi und Deutschland schon seit 5 Jahren bestand und noch in in daß den Minister des Innern, Barthou, die Hauptschuld an den strenger Beachtung der bewährten und fraft war, ja fich schon seit Jahresfrist zum„ Drei- wohlbegründeten Ueberlieferung der preußi- bedauerlichen Vorgängen trifft." bund" erweitert hatte, schen Beamten und Offiziere es verschmähe, Herrn Barthou lassen wohl die in Fourmies von dem bedenkt man ferner, daß der Bund mit Desterreich den auf derartig einseitige Enthüllungen, wie Staatsretter Conftans geholten Lorbeeren nicht schlafen. Er Schutz Desterreichs gegen Rußland bezweckte, Bismard wasrend seiner Amtsthätigteit es wird feinen anderen Erfolg haben: unserer Sache zu nutzen und dagegen das Abkommen mit Rußland den Schutz Rußähnlich geahndet haben würde, wie den sich selbst unmöglich zu machen. lands gegen Desterreich, daß also dieses Abkommen Arnimschen Vertrauensbruch, auch nur und jenes Bündniß diametral entgegengesett, des ritterlichen Generals sei es ausgeschloffen, daß einseitige und Korrespondent: Wort zu erwidern. Bei dieser vornehmen Zurückhaltung Vor der Einweihungsfeier schrieb unser französischer Biele hatten bedenkt man dies, so leuchtet es ein, daß tendenziös gefärbte Darstellungen über Vorgänge, die abgeschlossen Die Einweihung der Glashütte in Albi wird die neueſte Bismarck 'sche Enthüllung in der politischen hinter uns liegen, zur Aufklärung der Wahrheit führen; des sich zu einer imposanten Rundgebung des organisirten französischen Welt große Aufregung hervorbringen mußte. gleichen erscheint es ausgeschlossen, daß die Preßtreibereien die Proletariats gestalten. 748 Gewerkschaften, 1122 politische außerordentlicher Echönheit. Sie war mit einem kleinen, Ob Seine Heiligkeit wohl wieder zur Besinnung ge aber prächtigen Gefolge von Florenz gekommen, gab fid) fommen ist?" aber für eine Neapolitanerin aus, für die Wittwe eines" Wie, ist er denn von Sinnen?" fragte Giacomo Adligen von dem glänzenden Hofe der unglücklichen flüsterud. Johanna. Ihr Name war Cesarini. In jener Stadt an-„ Ich denke, er muß es sein, wenn er, da er Papst ist, gekommen, in der die Liebe die wichtigste Angelegenheit des nicht daran denkt, endlich seine Maske abzulegen. Ein Lebens war und die Schönheit zugleich Einfluß und Macht enthaltsamer Kardinalein ausschweifender Papst! lautet verlieh, war die Signora Cesarini kaum öffentlich erschienen, das alte Sprichwort, wie Du weißt. Es muß nicht ganz als sie halb Avignon huldigend zu ihren Füßen sah. richtig mit dem Verstande des guten Mannes sein, wenn Ihre Dienerinnen suchte man durch Bestechungen zu ge- er noch immer wie ein Einsiedler leben will." winnen und ein Billet nach dem andern wurde ihnen ein-" Ah! also das meinst Du? Aber, meiner Treue, Seine gehändigt und in jeder Nacht hörte sie unter ihren Fenstern Heiligkeit hat Stellvertreter genug. Die Bischöfe sorgen Serenaden. Sie nahm.theil an dem fröhlichen Leven und dafür, daß das weibliche Geschlecht der Himmel segue Treiben der Stadt und ihre Reize bildeten damals eben so es! nicht aus der Mode kommt; und seine Eminenz gut das Tagesgespräch, als die Poesien Petrarka's . Aber wenn von Albornoz bestätigt auch nicht Dein Sprichwort, insofern sie auch keine Huldigung bestimmt zurückzuweisen schien, es die Kardinäle betrifft."
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Rienzi.
Der letzte der römischen Volkstribunen. Roman von Edward Lytton Bulwer . Siebentes Buch: Das Gefängniß. Erstes Kapitel.
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Avignon . Die beiden Pagen. Die fremde Schönheit. Fünf Jahre sind seit den Ereignissen, die ich dem Leser vorgeführt habe, verflossen und die Geschichte bringt uns an den päpstlichen Hof von Avignon jenen ruhigen Siz der Macht, an den die Nachfolger des heiligen Betrus den Luxus, die Pracht und die Lafter der kaiserlichen Stadt verpflanzt hatten. Sicher vor den Gewaltthätigkeiten und Räufen eines mächtigen Adels, gaben sich die Höflinge hier einer üppigen Ruhe hin, und Avignon besaß zu jener Beit vielleicht die heiterste und angenehmste Gesellschaft in Europa . so konnte doch niemand ausschließlich ihrer Gunst sich Du hast recht, aber Giles ist ein Krieger, ein Die geistige Bildung Clemens VI. hatte den Lurus und die rühmen. Ihr Ruf war noch unbefleckt; aber Giles, der Kardinal in der Kirche, aber ein tapferer Degen außer Sinnlichkeit des Ortes zu verfeinern gewußt, und der Geist friegerisch gesinnte Kardinal Albornoz, der des größten EinPetrarca's trug nicht wenig dazu bei, den Sinn für literarische flusses an dem päpstlichen Hofe sich rühmen konnte, glaubte Genüffe allgemeiner zu machen. feines Triumphes schon sicher zu fein.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und in dem Vorzimmer der schönen Signora unterhielten sich zwei schöne und reichgefleidete Pagen, wie sie damals für die vornehmen Personen beider Geschlechter eine nothwendige Begleitung
derselben."
„ Glaubst Du, Angelo, daß er die Festung hier einnehmen wird?"
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Die Festung ist freilich weiblich, aber-" Nun was?"
" Die Signora, so schön sie ist, wurde mehr für die Macht als für die Liebe geschaffen. Sie sieht in Albornoz den Kardinal, nicht den Liebenden. Mit welcher Würde schreitet sie einher; scheint sie doch selbst ihr goldgesticktes Kleid zu verachien."
Junocenz VI. war seit furzem Clemens VI. gefolgt, und welches auch seine eigenen Ansprüche auf wissenschaft liche Bildung sein mochten, so wußte er sie selbst doch in andern zu würdigen, und die geistigen Genüsse blieben immer noch mit den sinnlichen vereinigt. Die fittliche bildeten. Verderbniß des Ortes hatte schon zu tiefe Wurzeln gefaßt, Bei meiner Ehre," sagte einer derselben, indem er als daß das Beispiel des Papstes, der für seine Person die Würfel fortstieß, mit denen sie sich die Zeit zu verein exemplarisches und mäßiges Leben führte, von vor treiben suchten, das Spiel wird mir nachgerade lang-" Horch!" rief Giacomo, an das Fenster eilend, hörst theilhafter Wirkung hätte sein können. Wenn Innocenz weilig. Unsere Gebieterin zögert heute lange. Es ist Du die Hufe der Rosse? Ah, es ist ein prächtiger Bug!" fich auch, wie sein Vorgänger, der Politik Frankreichs an- schon spät." Von der Faltenjagd zurückkehrend", erwiderte Angelo, schloß, so besaß er doch einen heftigen und weitumfassenden Und ich will heute noch dazu meinen neuen Sammet- der aufmerksam die Kavalkade betrachtete, als sie in der Ehrgeiz. Er wollte die gesunkene Herrschaft der Kirche in mantel umhängen. Er wird am Ende kaum bei Tageslicht engen Straße vorbei kam, wie die Pferde so muthig sind; Italien wieder herstellen- und betrachtete die Tyrannen bewundert werden können!" erwiderte der andere, indem er und welche reiche Mäntel und feltene Federn, sieh, wie der verschiedenen Staaten als die größten Hindernisse bei die glänzende Stickerei wohlgefällig betrachtete. jener schöne Ritter der Dame den Hof macht!" der Ausführung dieses hierarchischen Planes. Still, Giacomo," sagte sein Gefährte gähnend, wie Sein Mantel ist von der Farbe des meinigen", seufzte Au dieser Zeit erschien in Avignon eine Dame von eitel bist Du! Was mag es wohl neues heute geben? Giacomo. DIC( Fortsetzung folgt.)
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