Kosten des Verfahrens In der Begründung heißt eS, daß derArbeitgeber den üblichen Lohnsatz von Delmenhorst auch zuzahlen habe, wenn er seine Arbeiter an einem anderen Orte be-schästigt, andernfalls hält« der Meister die Arbeiter vorherdarauf aufmerksam machen müssen» daß auf der Ziegelei nurL3 Ps. gezahlt würden.Tie vereinigte« Gewerkschaften Stuttgarts.haben fürdie Zeit vom I. Januar bis 30. Juni 1SS6 eine a e w e r k-schastliche Statistik aufgenommen, die zu folAnden Er-gebmsseu führte. Die Fragebogen enthielten 13 Fragen, die sichim Gegensatz zu früher auch auf das Gründungsjahr derVereine, die Höhe des Arbeitslohnes, die Auswendung der ein-zelnen Gewerkschaften des Ortes für Reise- und Arbeitslosen-Unterstützung, auf die gesnmmten Einnahmen und Ausgaben unddie Höhe des Lokalvermögens bezogen. Von den 33 Gewerk-schaften Stuttgarts sind 33 Antworten rechtzeitig eingetroffen. Dieälteste Organisation ist die der Buchdrucker, die seit 1S(5S besteht.Außer ihr bestehen noch 12 Organisationen länger als IvJahre, S seitfünf bis zehn Jahren, 13 wurden in den letzten drei Jahrengegründet. Die meisten Organisationen gehören Zentral-verbänden an. Die Gesammtzahl der Berufsangehörigen, diedurch Schätzung ermittelt wurde, beträgt 18 421; darunter sind2420 Arbeiterinnen. Da nur 12 Gewerkschaften über das Bor-handensein von Frauenarbeit berichten, die Gesammtzahl derBerufsangehörigen dieser Gewerbe aber 10 709 ist, so betrügendie 2420 Arbeiterinnen 22,4 pCt. aller Beschäftigten. Die Gesammt-zahl der gewerkschaftlich Organisirten betrug am 30. Juni0836, das ist gegen Oktober-November 1895 eine Zunahme von2230 oder 38,3 pCt. Nur 129 Frauen gehörten Gewerk-schafte»(6) an. Nach dem 1. Juli ist die Zahl der Gewerk-schaftsmitglieder bis über 0000 gestiegen. Das Berhältniß derZahl der Organisirten zu der Zahl der Beschäftigten ist ambesten bei den Brauern(93.0 pCt.) und den Vergoldern(93,3),dann folgen die Buchdrucker(87,7), die Dachdecker(87,0), dieHafner(80.0), Siebmacher(30,0), Bildhauer(69,0), Handschuh.macher(03,2), Zimmerer(08,0), Maurer(00,0). Von denSchneidern sind 9,0 und von den Konditoren nur4,0 pCt. organisirt. In den 33 in Frage kommende»Gewerben zusammengenommen sind 30,8 pCt.(bei denArbeiterinnen 0.3) organisirt, 09,2(94,7 bei den Ar-beiterinnen) gehören keiner Organisation an. Als höchster Wochen-lohn für Arbeiter wurden 26 Mark, als niedrigster 11,30 Markermittelt. Die 20 Mark-Löhne waren am häufigsten vertreten,nänrlich 3910 mal. 0047 Arbeiter verdienten weniger als20 Mark. Der Durchschnittslohn des Stuttgarter Arbeiters stelltesich auf 19,04 Mark. Der Durchschnittslohn der Arbeiterinnbetrug 8.30 Mark. In neun Berufen nur konnten hier dieWochenlöhue ermittelt werden, sie betrugen 7 bis 12 Mark.Betreffs der Arbeitszeit führte die Umfrage zu folgendemErgebniß:Dauer d. tägl.ArbeitszeitStunden1000 93286 9V»0248 1092 101/2985 112060 12400 151/81880 16Anzahl d.ArbeiterHöhe desWochenverdienstesMark26.-20,6120,1814,7421,9615,6715.-17,-Die Schwankungen bei der 10i/a und 11 ständigen Arbeitszeiterklären sich durch die niedrigen Löhne der Tabakarbeiter(mit10i/e stündiger Durch schnitts-Arbeitszeit) und dadurch, daß die500 Gipser und Stuckaieure bei 11 stüudiger Arbeitszeit mit 27 M.wöchentlich den höchsten Lohn überhaupt erzielen. Sieht manvon beiden Zahlenreihen ab, so ergiebt sich wieder, daß langeArbeitszeit niedrige» Lohn, kurze Arbeitszeit dagegen hohen Lohnim Gefolge hat. Bei den Stuttgarter Arbeitern kommt heutehauptfächlich der Zehnftundentag in Frage; 61,3 pCt. aller Be-schästigten arbeiten täglich 10 Stunden und weniger. AnReise-Unterslützungen zahlten 22 Stuttgarter Gewerkschaftenin dem angegebenen Halbjahre 1707,08 M. a» 737 Em-pfänger, mithin 2,17 M. im Durchschnitt. Als Arbeitslosen-Unterstützung wurden von II Gewerkschaften an 216 Empsänger4831�20 M. gegeben, 22,36 M. dem Einzelnen im Durchschnitt.An Reineinnahmen— 10 773 M. Zuschüsse zur Streikunterstützungsind dabei nicht mitgezählt— habe» 31 Organisationen 58007,94 M.erzielt. Diese Einnahmen setzen sich nicht blos aus den direktenBeitragsleistungen der Mitglieder zusammen, sondern auch ansden Extra-Einnahmen der Lokalkasse, den Ueberschüssen vonFestlichteilen u. s. w. Dieser Antheil des einzelnen Mit-glieds an den Einnahmen ist bei den einzelnen Gewerk-schaften sehr verschieden. Bei den Hutmachern kamen von de»Einnahmen auf den Kopf 40,54 M., bei den Buchdruckern 31,85 M.,bei den Konditoren 12,83 und bei den Bildhauern 12,50 M.;bei den Steinhauern aber 08 Pf. Die Gesammtausgabe von31 Gewerkschaften bezifferte sich auf 48 119,12 M. Davonwurden 17 906,76 M. von einzelnen Verbandszahlstcllen an ihreZentralkasse abgeliefert. Von dem verbleibenden Rest kamen15 955,68 M. oder 52,8 pEt. aus die sechs größeren Streiks, diein der ersten Hälfte des laufenden Jahres in Etnttgart statt-hatten. An Vermögen besaßen die Lokalkassen der StuttgarterGewerkschaften am 1. Juli 1396 80 341,69 M.; davon besaßendie Buchdrucker 14 000 M., die Handschuhmacher 4677, die Buch-binder 4100, die Brauer 4000 und die Maler 1000 M.Die Errichtung eines Arbciter-SekretariatS wird, wiedie„Buchbinder-Zeilung" mittheilt, auch in Stuttgart ge-plant.Die Buchbinder MlinchenS haben ihre Forderungen inden in betracht kommenden größeren Geschäften fast überall be-willigt bekommen, so daß nur ein Theil die Arbeit niederzulegenbrauchte. Da bei den Kleinmcister» die Saison noch nicht be-gönne» hat, wurde dort von der Arbeitsniederlegung vorläufigabgesehen.Die Bewegung der Magistratsbeamten Wien« hat be-reits ein Opfer zu verzeichnen. Der Beanite Sepper, der dietraurigen Arbeitsverhältnisse derselben öffentlich besprochen hat.ist vom Bürgermeister Lueger, dem bekannten Führer derAntisemiten, entlassen worden.Soziales.Ueber eine gefnndheitfchützende Erfindung wird uns ansSolingen miigethcilt: Die Schleiferei ist bekanntlicheines der gesundheitschädlichsten Gewerbe. Nach amtlichen Er-Mittelungen vom Jahre 1374 gingen nicht weniger wie 83,5 pCt.der Schleifer vor dem 50. Lebenszahre zu gründe, während vonder übrigen männlichen Bevölkerung des Solinger Industrie-bezirks nur 46,2 pCt. vor dem 50. Lebensjahre starben. Eine derallergefährlichsten Arbeiten ist das Egalisiren der neuen Schleifsteine.Der technische Ausdruck dafür lautet:„Ritzen", eine Arbeit, diedurch ihre riesige Stanb-Ent Wickelung sozusagenlähmend auf die Organe des Körpers wirkt und fast regelmäßigmehrere Tage ganz besondere Beschwerden verursacht. Umsomehrist es zu begrüßen, daß der bei der Firma I. A. Henkels be-fchäftigt« Ingenieur Herr Otto Sasse einen Apparaterfunden hat, wodurch die Gefährlichkeit des„Ritzens"vollständig gehoben wird, da bei der Anwendungdesselben dem Arbeiter fast kein Atom Staub mehrzu nahe kommt. Die Firma I. A. Henkels sowohlwie Herr Ingenieur Sasse verzichten im Interesse derAllgemeinheit auf die Geheimhaltung der Palentirung dwser fürdie Arbeiter so wichtigen Neu- Euirichtnng. die vor einigenTagen zum ersten Male in wirklich überraschender Weisefunktionirt hat. Hoffentlich werden die Schleifereibesitzer durchdie Gesetzgebung gezwungen, den Apparat einzuführen. Ausgrund folgender Beschreibung wird dessen Anfertigung leicht vor-zunehmen sein: Um den Ritzstaub abzuführen, ist zunächst ein kräftigsaugender Exhaustor erforderlich, der mit möglichst weitem Saug-rohr an dem, dem Stein umgebenen Staubkasten anzuschließenist. Der Staubkaften ist so groß zu machen, daß der Stein vollständig eingeschlossen und für den Ritzklotz in der Länge undBreite noch genügend Platz ist. Der Staubkasten muß mög-lichst leicht und zerlegbar angefertigt werden, damit derselbebinnen wenigen Minuten um den zu ritzenden Stein aufgestelltwerden kann. Der Staubkasten hat seitlich zwei und an derStirnseite eine Doppelthür, die durch Federdruck in jede gewünschteStellung gebracht werden können, um so die Rihstelle zugänglichzu machen und durch Tageslicht zu beleuchten. Die Doppelthüren,wenn schräg gestellt, haben außerdem den Zweck, die beim Ritzenfortfliegenden Sandstückchen, ebenso den fortgeschleudertenStaub aufzufangen, erstere fallen zu Boden, letztererwird durch die atmosphärische Luft in den Staubkasten gedrückt,weil innerhalb desselben durch den Exhaustor ein luftverdünnterRaum hergestellt und unterhalten wird und wird so der Staubdurch den Exhaustcr nach außen abgeführt. Sollte durchden ins Freie geführten tHitzstaub die Nachbarschaftbelästigt werden, so ist der Staub in eine Staub-kammer zu leiten und durch zerstäubtes Wasser niederzuschlagen.Der Krastbedarf für de» Betrieb des Exhaustors stellt sich aufca. 1�/4 Pferdestärken. Durch die Entfernung des Ritzstaubes ausden Schleifräumen hat außerdem der Fabrikant einen wesentlichenVortheil, indem die Riemen, Lager und sonstigen Triebwerke vondem Rstzstaub nicht niehr angegriffen werden können, folglich die-selben eine längere Haltbarkeit erlangen.WachSthum der Gewerbe in Stuttgart. Das Stutt-garter„Neue Tageblatt" veröffentlicht folgende Statistik dergewerblichen Betriebe Stuttgarts, die sich auf denZeitraum 1371—1896 erstreckt:1871Buchdruckereien.., i. 25Buchhandlungen..... 71Cigarrenfabrike»..... 121Cigarren- u. Tabakhandlungen 46/Galanterie-, Porteseuille-,Spielwaareu-Fabriken undHandlungen..... 30Garühandlungen..... 21Gas- und Wasserleitungs-Geschäfte....... 5Holz- und Kohlenhandlungen 52jbleiderhandlungen.... 21Papier-, Kunst- u. Musikalien-Handlungen..... 46Schuhwaaren-Handlungen.. 4Schuhmacher...... 326Biklualienhündler.... 188Konditoren....... 86Friseure........ 25Hasuer........ 85Gipser und Zimmermaler.. 75Kleidermacheriunen.... 62Küfer......... 38Kutscher........ 57Schlosser 74Schneider....... 306Schreiner....... 146Stuckaieure, Bildhauer... 16Uhrmacher....... 38Weinhändler...... 34Schenkwirthschaften.... 421Die Zahlen sind jür 1371 HartmannStuttgart, für 1396 dem Stuttgarter Adreßbuch entnommen.Im Jahre 1871 zählte Stuttgart 91 623 Einwohner, nach deram 14. Juni 1895 vorgenommenen Beruss- und Gewerbezählungzusammen mit Berg, Gablenberg und Heslach 153 811.Zustände in Halbafien. Unter diesem Stichwort schreibtdie österreichische Zeitschrift„Arbeiterschutz" über die Willkür-lichen Praktiken der Verwaltungsbehörde» inG a l i z i e n: Die Delegirtenwahlen zu der Bezirks-Krankenkassein Przemysl mußten zweimal vorgenommen werden. Das ersteMal wurden sie annullirt. Die zweite Annullirung— die trotzEhrenwortes des Bezirkshauptmannes von Przemysl, Statt-haltereirathes Gorccki, von eben diesem Herrn durchgeführt wurdeist noch interessanter, so echt galizisch. Die Wahlen wurdenvon der Leitung der Kasse im Einvernehmen mit derBehörde durchgeführt. Nur eine Liste war da— undnatürlich siegte diese. Den Protest brachte ein Baumeisterein. Die Arbeiter warteten geduldig. Da sollte derKaiser nach Przemysl kommen. Ein Gerücht ging durch dieStadt, daß die Arbeiter, denen das Herumspringen mit ihnen zubunt wurde, demonstrativ an diesem Tage in Streik tretenwürden. Dies erfuhr der Bezirkshauptmann, berief das Wahl-komitee der Arbeiter und erklärte ihnen unter Ehren iv ort,daß er die strikte nach dem Gesetze durchgeführte Wahl bestätigenwerde. Die Arbeiter gaben sich zufrieden. Eine Woche späterwurde die Wahl dennoch annullirt.Bäcker und Brotprcise. Ans Zürich wird uns ge-schrieben: Der Polizeidirektor Zuppinger der Stadt St. Gallen,der nicht, wie dies in anderen Ländern der Fall ist, sein Sinne»und Trachten auf die Verfolgung der Arbeiterbewegung zu richtenhat, beschäftigt sich fleißig mit gemeinnütziger Sozial st ati st ikund hat schon einige recht bemerkenswerthe Arbeiten veröffent-licht. Die neueste Arbeit ist in dem III. Quartalshest der„Zeit-schrift für schweizerische Statistik" enthalten und behandelt die" r o t p r e i s e im K a u t o n S t. G a l l e n während der Zeitvom 7. Februar 1895 bis 6. Februar 1896. Dem Texte sind3 große Zahlen- und 2 graphische Tabellen über die Getreide-und Brotpreise während des Berichtsjahres beigegeben. DieVergleichung der Weizenpreise vom 7. Februar 1895 mit denenvom 6 Februar 1696 ergiebt, wie beim Brote überall eine Preis-steigcrung und zwar beträgt sie bei Ausstich Theiß 1 Fr.(— 5,12pCt.)Prima Ungar 75 pCt.(4 pCt.), guten ungarischen Mittelsorte»50 Cts.(2,6 pCt.), bei rumänischen 1,25 Fr.(7,6 pCt.) und beiamerikanischem Weizen 4 Fr.(25,7 pCt.). Die gleichzeitigenPreisschwankungen des Brotes unterscheiden sich darin wesentlichvon denen des Getreides, daß sich dessen höchste Preisstufe nurauf 4 bis 5 Wochen, die des Brotes aber auf 14 Wochen aus-dehnte. Auf den Durchschnitt berechnet beläust sich der Preisdes 21l» Kilo-Weizenbrotes am 6, Februar 1895 auf 84,58 Cts.,am 5. Februar 1898 auf 86,96 Cts. und der Ausschlag auf2,38 Cts. oder 2,82 pCt. In 64 Gemeinden des Kantons tratein Brotaufschlag ein von 1 bis 6 Cts., in einer Gemeinde da-gegen ein Abschlag von 4 Cts. und in 5 Gemeinden ein solchervon 2 Cts. ei». Diesen Brotabschlag bewirkte die Errichtungeiner Genossenschafls- Bäckerei. Mit dieser Einrichtung undder darin liegenden Tendenz der Konsumenten, gegen dieBäckerringe Repressalien zu übe», meint Herr Zuppinger, wirdvielleicht ein Theil unserer Kleingewerbetreibenden in das Ge-dränge, ja möglicherweise in die Gefahr des gänzliche» Unter-ganges gebracht, was zu bedauern fei.„Andererseils ist aber indem Vorgang vielleicht auch nur die Nemesis dafür zu er-blicke», daß die Bäcker die günstige und unbestrittene Stellung,welche sie den Konsumenten gegenüber einnehmen, zu lange undzu stark ausnutzten. Sei dem, wie ihm wolle, rechnen wird dieBäckerei, die Müllerei und der Getreidehandel mit diesem neuenFaktor früher oder später müssen."— In der Schweiz bestehenaller Orten Bäckerringe, die bei Ausschluß fast jeder Konkurrenzeine Monopolstellung einnehmen und de» Konsumenten Brot-Wucherpreise diltiren.Vevsammlungen.Ueber die Sozialreform und die Handelsangestellte»sprach Genosse Singer am Montag in einer gut besuchtenVersammlung der Handlungsgehilfen und Gehilfinnen, die imKeller'schen Saale abgehalten wurde. Wenn seitens der Handels-angestellten— so begann der Redner— der Kamps fürBesserung ihrer wirthschaftlichen Lage noch nicht mit demselbenEifer betrieben wird, wie von den Arbeitern; wenn dieOrganisation der Handlungsgehilfen— bei aller Anerkennungdes gutens Willens und der Einsicht Einzelner— noch nichtso umfassend ist, wie die der Arbeiter, so liegt das daran, daßdie Handelsaugestellten in ihrer Mehrzahl sich noch für einezwischen der Arbeiterklaffe und dem Unternehmerthum stehendeMittelschicht halten, deren Interessen nicht mit denen der Ar-beiter zusammenfallen. Diese Auffassung hatte eine gewisse Be-rechtiguug in früheren Zeiten, wo die Angestellten nochim Haushalt des Chefs Unterkunft hatten, und ge-wisserinaßen als mit zur Familie desselben gehörigangesehen werden konnten, zu jener Zeit, wo die Gehilfen nochmehr oder minder begründete Aussicht halten, selbständig zuwerden. Heute dagegen, wo auch die Haudelsangestellten.genau so wie die Arbeiter, nichts sind als Ausbeutungs-instrumente in der Hand des Unternehmers, wo auch sie,ebenso wie die Arbeiter nur als Lohnsklaven angesehenwerden, wird der eherne Gang der Entwickelung auchden Handelsangestellten die Augen öffnen über ihre wirth-schaftliche Lage, und sie zu der Erkenntniß bringen, daß sie sich,gleich ihren Klassengeuosse» in Fabrik und Werkstatt, organisirenmüssen, um im gemeinsamen Kampf für Besserung ihrer meistrecht traurigen Verhältniffe dem Unternehmerthum Zugeständnisseabzuringen, die ihnen freiwillig nicht zugebilligt werden. DerRedner ging nun ausführlich auf den Entwurf des Handelsgesetz-buches ein, dem man za zugestehen könne, daß er gegenüber de»jetzigen gesetzlichen Bestimmungen das Bestreben dos Fort-schreitens auf sozialem Gebiet zeige, der aber in der Hauptsachenoch weit zurückbleibe hinter dem, was man vom Standpunkteiner vorurtheilsfreien Ausfassung des, Verhältniffes zwischenChef und Angestellten forder» müsse. Auch durch diesenEntwurf gehe der Zug, der sich in der gesammtenSozialgesetzgebung bemerkbar mache: wenn den Arbeiterngewisse Rechte eingeräumt worden sind, dieselben dadurchillusorisch zu machen, daß durch Ausnahmebestimmungenzahlreiche Hinterthüren offen gelassen werden, durch welche dieUnternehmer das bischen Arbeiterfchutz wieder hinausbefördernkönnen. Ein Hauch sozialen Geistes durchwehe den Z 57, welcherbestimmt, daß der Unternehmer die Arbeitsräume:c. so einzurichten hat, daß Leben' und Gesundheit, sowie die Sittlichkeitder Angestellten nicht gefährdet werden. Die Aufsicht überdie Ausführung dieser Bestimmungen sei der Polizei über-tragen, während man im Interesse der AngestelltenHandelsinspektoren nach Art der Fabrikinspektoren mit dieserFunktion betrauen sollte. Der Entwurf setze eine Minimal-Kündigungsfrist von einem Monat fest: diese Bestimmung werdejedoch dadurch hinfällig, daß sie nicht gelten solle für An-gestellte, die nur zur Aushilfe engagirt sind. Es sei anzu-nehmen, daß die Prinzipale, denen die vierwöchentliche Kündigungunbequem ist, nur noch ihr Personal„zur Aushilfe" annehmenwürden. Auch die Fälle, in denen eine sofortig« Kündigungerfolgen kann, bedürften einer präziseren Festsetzung. Ebenfallssei eine Bestimmung in den Entwurf auszunehmen, welche eLverhindert, daß die Angestellten durch geheime Zeichen in ihrenZeugnissen als mißliebige bezeichnet werden könnten. Bor allemmüsse aber die berüchtigte Konkurrenzklausel beseitigt werden.Durch eine planmäßige Agitation sollten die Handelsangestelltendahin wirken, daß der Entwurf in ihrem Sinne umgestaltet werde.Zum Schluß kennzeichnete der Redner die Stellung, welche diebürgerliche Gesellschaft zu den sozialen Reformen«innimmt, undführte unter anderem als drastisches Beispiel die seitens derUnternehmer gegen die Sonntagsruhe und gegen den Achtuhr«Ladenschluß betriebene Agitation an. Namentlich gegen denletzteren sei ja sehr viel agitirt worden. Wenn fich auch die An-gestellten mit aller Kraft für den Achtuhr-Schluß ins Zeug gelegthätten, so wäre diese Sache doch garnicht so viel werth. Mansolle für dieselbe agiliren, nicht, weil sie etwas besonders Werth-volles sei, sondern nur, um bei dieser Gelegenheit zu zeigen, daßselbst so kleinliche und unbedeutende Reformen auf den heftigstenWiderstand der bürgerlichen Kreise stoßen. Der Redner schloßmit der Aufforderung an die Zuhörer, sich zunächst gewerkschaft-lich zu organisiren, um ihre Lage nach Möglichkeit bessern zukönnen, dann aber auch sich der Sozialdemokratie anzuschließen,derjenigen Partei, welche im politischen Kampfe gesellschaftlicheEinrichtungen herbeiführen wird, die jedem, welcher arbeitet.auch ein menschenwürdiges Dasein sichern. Dem mit lebhaftemBeifall aufgenommenen Vortrage folgte eine Diskussion, rn derzunächst ein freisinniger Redner gegen die Sozialdemokratie undderen Fürsorge für die Handelsangestellten sprach. Er erklärtesich als Freund des Achtuhr-Schluffes, derselbe solle jedoch nichtgesetzlich eingeführt werden, sondern jedem überlaffen bleiben, esso zu machen, wie es ihm beliebe. Die nachfolgenden Redner M a a ßund Lippmann sowie Singer fertigten den Herrn unterder Heiterkeit der Versammlung treffend ab. Singer entgegneteunter anderem auf eine Aeußerung Lippmann's, den Achtuhr-Ladenschluß betreffend, daß die Sozialdemokratie, wenn dem Reichs-tage ein dahingehender Entwurf vorgelegt werde, dafür stimmenwürde, jedoch könne sie nicht eine so unbedeutende Reform be-antragen. Ein von der Sozialdemokratie gestellter Antrag be-züglich Verkürzung der Arbeitszeit könne nur die allgemeineEinführung des Achtstundentages für alle Arbeiter zum Zielehaben.Die Versammlung nahm eine Resolution an, welche sich mitden Ausführungen des Referenten einverstanden erklärt und dieEinführung des Handelsgesetzbuches mit den von der sozialdemo-kralischen Fraktion vorgeschlagenen Aenderungen fordert, wobeidas Hauptgewicht auf Beseitigung der Konkurrenzklausel undEinführung eines gesetzlichen Geschäftsschlusses auf grundder Vorschläge der Reichs- Kommission für Arbeiterstatistikmit mindestens zwölsstündiger Ruhepause gelegt wird.Eerner erkennen die Versammelten an, daß die Interessen derandelsangestellten nur durch die Sozialdemokratie energisch undwirksam vertreten werden.Gleichfalls angenommen wurde eine Resolution, welche derFirma W. Hagelberg die Mißbilligung der Versammlung aus-drückt, weil dieselbe einem Angestellten sofort kündigte, welcherauf einer Sammelliste für den Streik der Steindrucker und Litho-graphen einen Beitrag gezeichnet hat.In einer öffentlichen Versamtnlung der Posamenticrc,die am 17. Oktober tagte, diskutirte man über die Zweckmäßig-keit einer Lohnbewegung. In dieser Saison will man von einemLohnkampf Abstand nehmen, dagegen soll für die nächste Saisoneine rege Agitation zur Erringung der neunstündigen Arbeitszeit.einer Lohnforderung von 27 M., Abschaffung der Akkordarbeitund 50 pCt. Zuschlag für Uebersiuuden entfaltet werden. Nachdem Bericht des Delegtrten der Gewerkschaftskommisston wurdenzum Schluß die Anwesenden ersucht, in ihren Reihen recht eifrigzu gnnsten der Lohnbewegung zu agitiren.I« einer öffentlichen Versammlung der Händleru n d H ä n d l e r i n n e n, die am 23. Oktober bei Renz in derNauuyustraße tagte, gab Schröder den Thätigkeils- undRechenschaftsbericht der Agitatiouskomniission. Nachdem ausAntrag der Revisoren der Agitatiouskomniission Decharge ertheiltwar, erfolgte Neuwahl derselben. Gewählt wurden: Hauptund Müller. Zu Revisoren wurde» Göritz, N a l j e undSchnitze ernannt. T r u n s ch schloß seinen im Namen derBoykotikommission gegebenen Bericht mit dem Ersuchen, denBoykott über die Firma Pretzel auszuheben. Hieran schloß sicheine längere Debatte, in der hauptsächlich ein Vertreter dieser