Nr. 256.
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für 1896 unter Nr. 7277.
Vorwärts
Jahrg. 13.
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Redaktion und Expedition des Vorwärts".
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Sonnabend, den 31. Oktober 1896. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
der Kleinbauernschaft nicht jenen Ausdruck finden können, der edle gräfliche Führer, ein Erzkonservativer, feine Witterung den die Theilnahme an Gesetzgebung und Verwaltung durch hat für die Forderungen der Zeit. Für die ohne Unterschied der Mit dem 1. November eröffnen wir ein neues Abonne, die Wahl von Volksvertretern sichert, sondern ermöglicht Konfession elend dotirte Geistlichkeit sollen die Güter des ment auf den es auch, daß die Klassengesetzgebung die einseitigen Interessen Hochklerus zur Beitragsleistung herangezogen werden, dem der Besitzenden einer Nationalität und zwar der herrschenden Kleinbauern wird die Verminderung der Steuerlast ver magyarischen besitzenden Klasse fördert. Troß dieser un- sprochen und gewisse Bodenreformen in Aussicht gestellt, günftigen Situation hat ein Theil unserer Parteigenossen das städtische Proletariat wird mit der Forderung des sich entschlossen, bei den diesjährigen Wahlen Kandidaten allgemeinen Wahlrechts gewonnen. aufzustellen. Ein großer moralischer Erfolg, die Verbreitung Eigentlich wird die Wahlbewegung von zwei Parteien, unserer Ideen in Kreisen, die uns sonst nicht zugänglich der liberalen" Regierungspartei und der Volkspartei, befind, ist uns gewiß. herrscht. Aber nicht blos neue Parteigruppirungen, auch Die Un Die Wahlkampagne scheint neue Parteikonstellationen Parteidislokationen sind in Vorbereitung. vorzubereiten, die jedenfalls neue Parteigruppirungen auf abhängigkeitspartei schöpfte bisher ihre Mandate in der grund neuer Programme nach sich ziehen werden. Fünf Regel aus den magyarischen Gegenden der Tiefebene Parteien stehen einander gegenüber. Die liberale Re- und aus dem Széklerlande. Die Nationalpartei rekrutirte gierungspartei, als Vertreterin der interkonfessionellen sich zumeist aus den gemischtsprachigen Gegenden und einigen Bourgeoisie, welche in der vergangenen Reichstags wenigen Bezirken Siebenbürgens . Dagegen beherrschte die Periode nach hartem Kampfe mit dem Oberhause die Regierungspartei die Hauptstadt, das slovakische Oberland, Zivilche und die damit zusammenhängenden Kirchen die von Serben, Schwaben und Rumänen bewohnten südgesetze durchdrückte; die Nationalpartei des lichen Komitate, die nordöstlichen Karpathen, endlich die nichts als schönrednerischen Apponyi, der einen kleinen sächsischen und rumänischen Bezirke Siebenbürgens . In diesen Bruchtheil des oppofitionellen Landadels und Magnaten- nichtmagyarischen Gegenden waren infolge der Passivitätsthums um sich schaart mit dem armseligen Programım der politik der Slovaken, Serben und Rumänen, in 100 Bezirken Negation des Regierungsstandpunktes und dem Prinzip einstimmige Wahlen zu gunsten der liberalen Partei. Fünfzig Die feit Reichstagsschluß in Fluß gekommene, nahezu des ôte toi, que je m'y mette( Hebe Dich hinweg, damit ich Bezirke sind der Tradition entsprechend so oppofitionell, drei Wochen dauernde Wahlbewegung naht ihrem Ende. mich niedersetzen kann); die beiden Unabhängig daß die Regierung sich um diese keine Mühe machte und Die verschiedenen Bourgeoisparteien machen die letzten teits- Parteien unter der Leithammelung von Kossuth ihre ganze Kraft den restlichen 260 Bezirken zuwendete. Anstrengungen, um an den am 28. 1. M. beginnenden beziehungsweise Ugron, die zwar beide die bloße Personal- Konnte die liberale Regierung von letteren 130 Bezirke 5 Wahltagen die Kraftprobe zu bestehen. Wir sagen Union mit Desterreich erstreben, mit Defterreich erstreben, sich aber derzeit erobern fich aber derzeit erobern was ja in Ungarn mittels Bestechungen und Bourgeoisparteien, weil in Ungarn , das betreffs des auf das heftigste befehden, weil die Ugronisten die anderen Praktiken eine Leichtigkeit ist so hatte sie bereits Wahlrechtes seit 1848 feinen politischen Fortschritt Revision der Kirchengesetze fordern, während Kossuth eine Majorität von 20 Stimmen im Reichstage. Dabei zu verzeichnen hat, von 17 Millionen Einwohnern blos und sein Anhang in dieser Frage, als einem Postulate fand die liberale Regierungspartei im Amtsapparate, im 800 000 des auf einen Steuerzenfus bafirten Wahlrechts des Bourgeois- Liberalismus, die Regierung unterstützt. End Wahlfonds und auch im katholischen und griechischen Hochtheilhaftig sind, während die große Masse der landwirth lich ist die sogenannte Bolts partei bei den allgemeinen flerus sowie in der protestantischen Geistlichkeit eine sichere schaftlichen und industriellen Arbeiterschaft, sowie zahlreiche Wahlen zum ersten Male in konzentrirter Kraft aufs nie versagende Unterſtügung. Diese Verhältnisse in VerKleingewerbetreibende von der politischen Meinungsäußerung getreten, indem sie auf einen Wurf mehr als 80 Kandidaten bindung mit dem Wahlzenfus und der öffentlichen Wahl vollständig ausgeschlossen sind. Nicht blos die eigentliche aufstellte und einen bedeutenden Theil davon in das verursachten die Stabilität der parlamentarischen Sachlage. Arbeiterklasse ist politisch rechtlos, sondern auch ein Theil Parlament zu bringen hofft. Die Volkspartei, deren Leiter Nie konnte eine Regierung bei den Wahlen unterliegen, des Kleinbürgerthums in jenen Gegenden, wo die Graf Ferdinand Zichy als Nitter des goldenen Bließes im niemals konnte die liberale Parteiherrschaft im Parlamente verschiedenen Nationalitäten, die Slovenier, Rumänen und Rang eines Erzherzogs steht, ist derzeit noch das Sammel- gestürzt werden. Ein einziges Mal war die liberale Partei Serben dominiren oder einen bedeutenden Bruchtheil der becken verschiedenartiger Glemente, die alle durch die in ernster Gefahr anläßlich der Verhandlungen des ZivilBevölkerung liefern. Das Wahlgefeß, das zwölf verschiedene Hauptforderung: Revision der Kirchengesetze, vereinigt werden. che- Gefeßes, als ein Bruchtheil von zirka 25 Abgeordneten Zensusstufen für die verschiedenen Gegenden des Landes Der Hochadel, die niedere Geistlichkeit, das Bauernthum aus der Partei austrat und eine Anzahl von liberalen fefiftellt, ergänzt mit einer raffinirten Wahlkreis- Geometrie, der verschiedenen Nationalitäten, die antisemitisch gesinnten Parteigängern vor der Abstimmung sich abfentirte. Da eilte ist nicht blos Ursache, daß die Bestrebungen des Proletariats Kleinhandwerker find hter beisammen und entfalten eine ihr jedoch die Kossuth- Fraktion der Unabhängigkeitspartei wie der untersinkenden Schichten des Kleinbürgerthums und Rührigkeit in der Wahlagitation, wie sie hier zu Lande zu Hilfe und rettete ihre nunmehr fast dreißigjährige bislang ganz unbekannt war. Revision" ist das Feldgeschrei dieser Leute, im Pro- Seither hat sich jedoch die Sachlage gründlich geändert. gramm der Volkspartei finden sich aber auch noch andere Die Volkspartei trat auf den Plan mit der Forderung des Sächelchen, die breite Voltsmassen auziehen und beweisen, daß allgemeinen Wahlrechts, der Revision der Kirchengesetze und
*) Dieser Artikel unseres Budapester Korrespondenten ist vor der Wahl geschrieben. Der Stoffandrang zwang uns, seine Veröffentlichung bis heute hinauszuschieben. Wie richtig die Be urtheilung der Situation in Ungarn war, beweist das Wahlergebniß. 107] Der lekte der römischen Volkstribunen. Roman von Edward Lytton Bulwer .
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Rienzi.
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wir wären armselige Staatsmänner, wenn wir von dem Zustand der Hauptstadt des päpstlichen Gebietes nicht unterrichtet sein sollten. Mein Herz trauert um jene un glückliche Stadt; aber weshalb fragt Ihr mich nach Rom ? Ihr seid"
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Herrschaft.
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Gut, gut!" rief die Signora, indem ihre Züge die lebhafteste Theilnahme verriethen. Colonna entging dem Tode nur, indem er verkleidet flüchtete. Bertoldo Orsini wurde gesteinigt."
Gesteinigt! Also einer blieb doch!"
" Ja, Signora, einer von einem großen Hause, dessen geringster Blutstropfen mehr werth war, als ein Ozean von Plebejerblut. Jezt herrscht in Nom die größte Anarchie und Unordnung. Die Fehden der Patrizier erschüttern die Stadt, und sie wie das Volk haben, so vieler mißlungenen Versuche überdrüssig, keine andere Regierung,
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Man sah ein schnelles Erröthen über die Wange der Signora ziehen, aber es schien mehr das Erröthen des Un- Eine Römerin. Wißt, Herr, daß ich Gründe habe, willens, als das der Eitelkeit zu sein, eine große Blässe weshalb ich mich für eine Neapolitanerin ausgebe. Eurer folgte unmittelbar darauf. Sie heftete ihre stolzen und Verschwiegenheit vertraue ich mein Geheimniß an ich gebieterischen Augen auf den verliebten Spanier und sagte bin aus Rom . Erzählt mir, was Ihr von dort wißt." mit leifer Stimme: Schöne Signora," erwiderte der Kardinal, ich hätte Herr Kardinal, ich will mich nicht stellen, als ver- errathen sollen, daß dieses Benehmen und diese Züge nicht stände ich Eure Worte nicht, auch schreibe ich sie nicht auf aus dem leichten Kampanien stammen konnten. Meine als die Furcht vor dem Schwerte . Dieses, Signora, ist jetzt die Rechnung einer allgemeinen Galanterie. Ich bin eitel Vernunft hätte mir sagen sollen, daß sie den Stempel der der Zustand Roms. Seufzt nicht; er beschäftigt unserer genug, zu glauben, daß Ihr Euch einbildet, wirklich die Kaiserin der Welt tragen. Der Zustand Roms," fuhr Sorgfalt. Ich selbst, Signora, werde vielleicht so glücklich Wahrheit zu reden, wenn Ihr sagt, daß Ihr mich liebt." Albornoz in ernsterem Tone fort, ist bald erzählt. Ihr sein, den Frieden in Eurer Baterstadt wieder herzustellen." Einbilden! eben so gut tönnte ich mir es nur ein wißt, daß nach dem Sturz des talentvollen, aber übers Es giebt nur ein Mittel, Rom den Frieden zurückbilden, daß ich an die Heiligkeit des Kreuzes glaube," er- müthigen Rienzi der Graf von Minorbino, Pepin( eine zugeben," erwiderte schnell die Signora, und dieses ist- widerte der Kardinal. Kreatur Monreals), der den Tribunen hatte vertreiben die Wiedereinsehung Rienzi's!" helfen, Rom an Monreal verrathen wollte; aber er war Der Kardinal erschrack. Höre ich recht?" sagte er,„ seid weder mächtig noch flug genug dazu, und die Barone ver- Ihr nicht edler Geburt? Rönnt Ihr das Emporkommen jagten ihn, wie er den Tribunen verjagt hatte. Einige eines Plebejers wünschen? Spracht Ihr nicht vorhin von Beit darauf wurde ein neuer Demagoge, Johann Cerroni, Rache, und jetzt verlangt Ihr Guade in dem Kapitol installirt. Dieser vertrieb nochmals die" Herr Kardinal," erwiderte die schöne Dame mit Barone; neue Revolutionen folgten die Barone wurden würdigem Ernst, ich verlange keine Gnade, ein solches Wort zurückgerufen. Der schwache Nachfolger Rienzi's rief das darf nicht von den Lippen kommen, die mir auf Gerechtig Volk zu den Waffen, aber vergebens. Jn Schrecken und keit Anspruch machen. Ich bin allerdings edler Geburt Verzweiflung mußte er abdanken, und die Stadt wurde und zwar von einem Geschlecht, gegen dessen Abkunft von wieder den Fehden der Orsini, der Colonna und der den Patrizieru des alten Rom der Stammbaum des Hauses Savelli zum Raube." von Arragonien wie von gestern erscheinen würde. Nein, ich wollte Eure Eminenz nicht verlegen, Ihr habt Eure Größe nicht blos einer Reihe edler Borfahren und deren Grabsteinen zu verdanken, Eure Größe ist Euer eigenes Wert; wolltet Ihr aufrichtig sein, so würdet Ihr gestehen, daß Ihr nur stolz seid auf Eure eigenen Lorbeeren, und daß Ihr in Eurem Herzen der albernen Thoren lacht, die sich mit dem Flitterstaate der Todten aufputzen!"
" Die Dame," erwiderte die Signora, welche der Kardinal Albornoz mit seiner Liebe beehrt, hat das Recht, Beweise von ihm zu verlangen. Wer hat größeren Einfluß am päpstlichen Hofe, als Ihr? Ich verlange, daß hr ihn für mich anwendet."
Sprecht, verehrte Signora, find Euch Eure Güter in diesen Zeiten der Gewaltthätigkeit entrissen worden? Hat irgend jemand es gewagt, Euch zu beleidigen? Wünscht Ihr Titel und Würden?"
Nein, Kardinal, für eine Italienerin und für ein Weib giebt es noch etwas von höherem Werthe, als Reichthum und Titel, es ist die Rache!" by
Der Kardinal erschrat fast über den funkelunden Blick, der auf ihn gerichtet war, doch der Geist ihrer Rede berührte eine verwandte Saite in seinem Herzen.
" In diesen Worten", sagte er nach einer kleinen Pause, erkannte ich Eure hohe Abkunft. Die Rache ist die Leidenschaft der edel Geborenen. Mögen Sklaven und Schurken eine Beleidigung verzeihen!"
Habt Ihr die legten Nachrichten aus Rom gehört?" fuhr die Signora fort. Gewiß!" erwiderte der Kardinal, etwas befremdet,
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Das war mir schon bekannt, aber als Seine Heilig feit Clemens dem Sechsten folgtenDa", sagte Albornoz und die Röthe stieg ihm in das Gesicht, da kam der düstere Theil der Geschichte. Es wurden mit der Einwilligung des Papstes zwei Senatoren gewählt."
„ Sie hießen?"
Bertoldo Orsini und einer der Colonna. Einige Wochen später regte der hohe Preis der Lebensmittel die hungrigen Magen des Böbels auf. Das Volt erhob sich, machte Lärm, bewaffnete sich, belagerte das Kapitol-
" Ihr habt recht," sagte der Kardinal mit ungewöhn licher Lebhaftigkeit, und Eure Stimme ist wie die des Ruhmes, von der ich in meiner Jugend träumte." ( Fortsetzung folgt.)