Nr. 63.Sonntag, 15, März 1885.n. Jahrg.JltrlimrVxldsdlilllKrgan für die Interessen der Arbeiter.4Das..Berliner Volksblatt"Meint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis fürMerlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mark, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf.vvstabonnement 4 Mk. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags-Nummer mit illustr. Beilage 10 Pf.(Eingetragen in oer Postzeitungspreisliste für 1885 unter Nr. 746.)Jnsertiousgebührbeträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf.Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 UhrNachmittags in der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen-Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen.am#*IIRedaktion: Keuthstraße 2.— Expedition: Zimmerstraße 44.Vie Leute vom„verfehlten Leruf".Man weiß, daß der Herr Reichskanzler die Jour-�listen als„Leute, die ihren Beruf verfehlt haben",zeichnet hat und nun erfahren wir, daß auch fei« Sohn,N Herbert Bismarck, bei seiner jüngsten Anwesenheit inMon, sich in nicht» weniger al» schmeichelhafter Weise»der die Presse ausgelassen hat.Wir können heute keine Betrachtungen darüberan«„„...........,............... L,----- v-JJllen, welche politische Stellung im deutsche» Reiche dem?u«Iten Sohn des Reichskanzler» vielleicht in der Zukunftfistlmmt fein dürfte; wir vermuthen nur, daß diese Stel-keine unbedeutende sein wird, und so ist e» für un»� ohne Interesse, wie Graf Bismarck über die Presse& Wenn wir uv« gegen die Auffassung, die Vater und�>hn von der Presse haben, vertheidigen, so sprechen wirErdings pro domo, wir wahren unser eigenstes Interesse;Jü'ä warum sollten wir da» nicht thun? Wenn die Herren..Wo«aten in Beziehung auf ihren Beruf angegriffen wer-W'-v pstegen sie sich auch zu vertheidigen; warum solltenÄurnalisten nicht dasselbe thun?' Herbert Bismarck soll in London von derd e r P r e s s e" viel gesprochen und sichdieser Großmacht beschwert haben. Neu». �ras Herbert Bismarck sou in«onoon vonGroßmacht der Presse" viel gesprochen und sich.ÜD« die Einflüsse dieser Großmacht beschwert haben. Neu"«Bezeichnung der Presse al» Großmacht gerade nicht;�uhrt bekanntlich von Napoleon i, der mit Bezug aufalten GörreS herausgegebenen„RheinischenAeußerung that, daß die Presse die sechste�--o-nacht stj. Seit GörreS und dem„Rheinischen Mer-l uns c Tich die Presse ungemein verändert; ihre MachtLat$x Einfluß ist in» Unglaubliche gewachsen. Insofern—, Bismarck auch«cht.E« giebt eine gute und eine schlechte Presse; allerdingsGraf Bismarck die„gute" Presse auf erner andern«eite suchen al» wir, und umgekehrt.Wir sind der Meinung, daß wenn man die Jouraa«»Ken als Leute vom„verfehlten Beruf" bezeichnet und wennx>n sich darüber beklagt, daß die Presse eine Großmacht?— daß damit eben ein erschöpfendes Urtheil über dieWe keineswegs gesprochen ist. Ohnehin, wenn e» darauf("üine, den Lebenslauf aller Journalisten zu untersuchen,? würde man bei dm konservativen und regierungSfreund-Journalisten vielleicht eben so viele„verfehlte Be«�«menschen" finden, als unter den anderen. W,r befitze«'"Deutschland auch keine AuSbildungSanstalten für Jour-"""sten; das„Preßgewerbe" al» solches wird mcht ,«verboten)Gesucht und gefunden.Roman von Dr. Dur-(Forsetzung.)». Tr hatte wenigstens AuSficht gehabt, einmal in daS?.°S«ordnetenhauS gewählt zu werden. Seine Untergebmen,2« Nachbarn, sie Alle kannten ihn, er lebte damalssO? ihnen, und manche Stimme fiel auf ihn au« per-�'cher Neigung ohne Rücksicht auf ferne Politik.k. Jetzt aber, wo er fem von allen Denen sich befand,2% und leiaen Charakter kannten, wo er ,n Berlin alswsmsich die Thür des Pavillons.WMSSWWNMMprophezeihten.Weife erlemt, und daher ist eS begreiflich, daß>ie meisten Journalisten sich ursprünglich einem anderenBerufe gewidmet haben.Die Mängel der heutigm Presse zu verschweige», istauch unserere Sache nicht. Im Gegmtheil, wir geradeempfinden vielleicht mehr al» man glaubt, die Korruption,die m der heutigen Presse eingerissen ist. Ein großer Theilder Presse ist reine Geldspekulation gewordenund mit dieser hat derjenige, dem Ideale vorschwebenund für den das Interesse der Gesammtheit maß«gebend ist, einen unerquicklichen und schwierigenKampf zu führen. Es gibt eine Presse, die dm Leidm-fchaften des Volke« schmeichelt und seine Schwächen auS«nutzt, statt erziehlich zu wirken. Es giebt eine Presse,die förmlich die Denkfaulheit kultioirt, statt neueJdem zu bringen oder anzuregen. Und schließlich werdmdem Kundigen weder die„Norddeutsche Allgemeine", nochdie„Kreuzzeitung", noch die„Post" als Muster von Preß««rzeugnissen erscheinen.Aber gegmüber diesm Mißständm, die wir unverholenzugeben, sind die wohlthätigen Einflüsse der Presse in groß-artigem Maße überwiegend. Im Allgemeinen giebt eS ebendoch keinen besseren Wächter für die allgemeine Wohlfahrtals eine aufrichtige Presse, ganz abgesehen von ihrer politi-schen Richtung. Ein großer Theil de» Volke» empfängtseine Belehrung nur au» der Press« und wenn diese Pressenur halbwegS vernünftig ist und modernen Anschauungenhuldigt, so ist das ein unberechenbarer Vortheil. ZünftigeGelehrte und Diplomaten lächeln vielleicht darüber undkönnen ihre Geringschätzung über das Wenige, was diePresse im Verhältniß bieten kanv, nicht verbergen. Aberwer soll denn dem Volke Belehrung über die- Zeitfragengeben und wer will sich dieser eminenten Aufgabe unterziehen mit der Beharrlichkeit, die in diesem Falle allein«inen Erfolg verbürgen kann? Nun, die Professoren thuneS nicht, schon deshalb nicht, weil da» Volk ihren gelehrtenJargon nicht— oder nur wenig versteht; die Geistlichenthun eS nicht, die BanquierS thun«S nicht und die Staat»-männer thun es auch nicht. Wer wird es also thun, wenn«S die Presse nicht thut?Wenn die Presse nach dieser Richtung hin«ine Groß-macht geworden ist, so hat sie eS wahrlich verdient und siewird eS auch bleiben. Oder hat man vielleicht Lust, unser«öffentlichen Unterrichtsanstalten so zu organifiren, daßjedem einzelnen Staatsangehörigen eine so umfassend« Bil«dung gegeben werden kann, daß er eine Belehrung aus Zeitungennicht mehr nöthig hat? Wenn man das wollte, so würdenHerr von Wredow hielt in seinem Gange durch denPavillon inne und blieb vor seinem Sohne stehm.„Hast Du Nachricht, Oswald?" fragte er.Der junge Mann verzog die Miene zu einem be-dauernden Lächeln.„Lieber Vater," sagte er,„Deine Aussichten find keineidcn. Ich erhielt soeben eine Depesche vom Wahl-somitee in Falkenburg. Die freikonservative Partei hatDich natürlich aufgestellt, aber..."Ich weiß schon! Die Mehrzahl der Wahlmänner istliberal und ich werde unterliegen."„Ich fürchte, daß e» so ist," antwortete Oswald.„Und die Liberalen, welchen Kandidaten haben sie?fragte Wredow und sein Gesicht nahm einen außerordentlichfeindseligen Ausdruck an.„Natürlich Herrn von Steinberg I" antwortete Oswald.„Ja, natürlich, die Majorität der Wahlmänner wähltHerrn von Steinberg!... Er, dessen Familie so alt ist wiedie meinige, entblödet sich nicht, mit dem süßen Pöbel zukokettiren, und hat dafür dre Genugthuung, mich in derWahl zu besiegen und über mich zu triumphiren.— O,wie ich ihn hasse, diese» Steinberg l"„Daß Du ihm in der Wahl unterliegst, Vater, istkein Grund zum Hasse," sagte Oswald mit große« Ernsteund einer Festigkeit, die für sein jugendliche» Alter inhohem Grade anerkennenSwerth war.„Herr von Stein«b.rg hat die Pflicht, feine politische Meinung zu ver«treten, so gut wie Du die Deinige vertrittst. Wer eSehrlich meint mit der Sache, darf auf die Personkeine Rücksicht nehmen, und soviel ich Herrn vonSteinberg'« Charakter kenne, ist er nicht so boshaft. Dichmit Schadenfreude unterliegen zu sehen."„Da hast Du Recht, mein Sohn I" nahm hier dieBaronin schüchtern da» Wort,„ich glaube da» auch nichtvon Herm von Steinberg. O nein, boshaft ist er nicht,gewiß nicht."„Nicht? Ich hätte nicht gedacht, daß in meinem HaufeHerr von Steinberg so viel Vertheidigung fände!" be-merkte Herr von Wredow ironisch.„Wenn e» ihm nicht besondere Freude machte, übermich zu triumphiren, so würde er e» nie über sich gewinnenkönnen, mich mit alle« Mittel«, die ihm zu Gebote stehen,zu bekämpfen."wir mit der größten Freude unsere Feder niederlegen undgestehen, daß unser Beruf von nun an verfehlt sei. Solange aber der Staat eine solche Bildung nicht gewährt, fühlenwir uns verpflichtet, dem Volke zu Hilfe zu kommen, in«dem wir sein Verständniß für die Zeitfragen fördern helfen.Wir tragen unser Scherflein zur allgemeinen Kulturarbeitbei, so gut wir können, und wir find in der erfreulichenLage, für diese unsere Bestrebungen auch Anerkennung zufinden.DotitiMe Uebersiekt.Völkerfrühling> Welch herrliches Wort! Ist doch schonder alljährlich wiederkehrende Frühling im Stande, nicht nurdie Natur, sondern auch die Herzen der Menschenkinder neu zubeleben; in welchem Grade muß dies nicht der Völkerfrühlingthun? Die Prophezeiung eines solchen Frühlings datirt nichtaus den jüngsten Tagen; einfichtige, denkende Männer be-hauptetm schon vor vielen, vielen Jahren, daß dieser Frühlingkommen werde und kommen müsse; doch ihre Augen schloffensich ohne den Frühling gesehen zu haben. Und jetzt hören wir.daß auch der Kanzler des deutschen Reiches, Fürst Bismarck,von einem Völkerfrühling spricht. Der Reichskanzler verlegt, freilich diesen Zeitabschnitt in die Vergangenheit, er ist der| Meinung, daß derselbe vorhanden war nach der glücklichen Be-endigung der Kriege von 1866 und 1870—71. Nach derEinigung Teutschlands verspürte er das Wehen des Völker-frühlings. Seiner Anficht nach ist der wiedererwachte Parteigeist,der Hader, schuld daran, daß der Frühling nicht von Dauerwar, daß er von einem starren, kalten Nordwind verdrängtwurde. Und daran hat der deutsche Reichstag zum großenTheil Schuld, weil er die— nach Anficht der Regierung—nothwendigcn Gesetze gar nicht oder doch vielfach nur zumTheil bewilligte, der Hort der Einheit ist nicht in den Parla-menten zu finden, der Parteigeist überwuchert Alles. Diesenklagt der Kanzler an vor„Gott und der Geschichte".— Wirwollen eS dem ZteichSkanzler ja gerne glauben, daß diese Worteeine Anschauungen widerspiegeln. Allein der Rerchskanzler isto wenig unfehlbar, wie ein anderes Menschenkind, seine An«chauungen entfernen fich gar weit von den Anfichten Anderer.Unserer Ansicht nach hat der deutsche Reichstag vielen Ge«ctzen zugestimmt, die nimmer zum Wohle des gesammtenVolles dienen können; er hat mehr denn zu oft Ja gesagt,wo er Nein sagen mußte. Wahr ist freilich, daß oft großeReden gehalten worden find, die unnützer Natur waren unddaß die Opposition oft von kleinlichen GestchtSpunkten auS ihrUrtheil abgab; aber Jasager konnte fich der Reichskanzlerschwerlich mehr wünschen als wie ste ihm der Reichstag darbot.ES müssen somit andere Ursachen schuld sein, wenn im deut«schen Reiche nicht da» richtige Leben pulstrt. Und diese Ur«fachen find unsere wirthschaftltchen Verhältnisse. Wohl trat„Da« ist nicht richtig I" antwortete Oswald.„Er be»kämpft Dich nicht mit allen Mitteln, die ihm zu Gebotestehen; Du unterliegst im ehrenvollen Kampse. Er be-kämpft Dich nicht ander», als mit den Waffen innigsterUeberzeugung, niemal» im persönlichen Angriff oder gardurch da» Gift der Verleumdung. Herr von Stern-berg kämpft ehrlich, wie eS einem ehrenhaften Mann« ge«ziemt."„Du billigst also sein Auftrete» gegen mich?"„Ich muß bekennen, daß ich in demselben Falle ebensohandeln würde.... Herrn von Steinberg muß daranlregen, ferne Partei siegreich aus dem Kampfe hervorgehenzu sehen."„Mein Sohn, Du redest Herrn von Steinberg dasWort, denn Du bist nicht allzu weit entfernt davon. Dichebenfalls zu seinen Grundsätze zu bekennen; Du bist einervon Denen, die nicht die alten hergebrachten Rechte derAristokratie, die persönliche Macht, sondern überall dasVolk und da» Wohl des Volke« t» den Vordergrundstellen."„Nicht deswegen rede ich Herrn von Steinberg dasWort, sondern weil ich ihn in der That für einen Mannhalte, welcher nicht au« persönlicher Gereizheit eine gewissePolitik verfolgt, sondern au« Ueberzeugung. Ja, ich be-Haupte, daß, wenn Deine Politik zufällig übereinstimmtemit der semigen, er Deiner Wahl sich nicht widersetze«Herr von Wredow lachte spöttisch auf.Frau von Wredow seufzte. Oswald blickte sie vollTheilnahme an. Er näherte fich ihr und nahm ihre Handin die seinige.„An dem Starrsinn meines Vaters scheitert Alle»,"flüstert« er;„er ist unnachgiebig, unbeugsam."„Leider, ja," erwiderte sie mit gepreßter Stimme.„Erwird nie darin willigen, daß Bruno in unsere Familie zu-rückkehrt.— Wie geht e» ihm und feiner Frau?" fügtesie ein wenig stockend hinzu.„Es geht ihm gut I Ich erhielt diesen Morgen einenBrief von ihm; er hält sich mit seiner Frau in Stolzen-bürg auf, beschäftigt mit Studien und Ausübung fernerKunst.— Er könnte glücklich sein, wenn er seine Elternwiedergefunden hätte, wenn der unselig« Zwist beigelegtwäre, so schreibt er."i