Sk. 65.
Mittwoch, 18. März 1885.
n. Jahrg.
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trlmrVMW Brgan für die Intrreffkn der Arbeiter.
Das„Berliner Volksblatt" erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei m's Haus vierteljährlich 4 Mark, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf. Postabonnement 4 Mk. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags-Nummer mit illustr. Beilage 10 Pf. (Eingetragen in der Postzeitungspreislist« für 1885 unter Nr. 746.)
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Abimemtllts-Eivladullg. Zum bcvolstthendcn ViertkljahrS> Wechsel erlauben wir uns, «lle Arbeiter Berlins zum Abonnenent auf das „Berliner Volksblatt" »ltt der Gratis-Beilage „Jlluftrirtes Sonntagsblatt" tfnzuladen. _ Die ReickShauptstadt hatte vor dem Erscheinen unseres Blattes lein Organ, welches den Interessen der werkthättgen Bevölkerung diente. Das„Berliner BolkSblatt" füllt diese «.ucke aus, es bedarf aber, um.seiner Aufgabe voll und ganz gerecht werden zu können, der nachhaltigsten Unterstützung der «rdeiter. Wer der Sache der Aideiter dienen will, helfe ein Unter- Rohmen befestigen, welches bestimmt ist, die berechtigten For- Hungen und Wünsche der Arbeiter zum Ausdruck zu bringen, "Nd auf ihre thaljächliche Erfüllung hinzuwirken. „ Ein Jeder von unseren disberigen Anhängern suche indem seiner Freunde und Bekannten da?„Berliner B° l k s b l a t t' zu verbreiten und sehe darauf, daß jeder neu- «fmndcne Gesinnungsgenosse, sein Versprechen, zu abonntren, "Uch wirklich hält. Am I. April schließen wir unseren ersten Jahrgang ab; o? ist uns in dem veiflossenen Jahre klar geworden, daß die JP�liner Arbeiterschaft wirklich von der Wichtigkeit durch- w�Sen ist, ein Organ zu besitzen, in welchem ihre Mrebungen und Bedürfniffe in ur. verfälschter, ungefärbter 7, on die Oeffentlichkeii gebracht werden. unser«lstits werden wir auch fernerhin bemüht sein, den unseres BlatteS immer reichhaltiger zu gestalten. besondere Sorgsalt weroen wir auch aus daS »ruillcton vklwrnden und am 1. April mit der Veiöffentlichung -lNes höchst interessanten und spannenden RomanS auS der seder Friedrich Gerftäcker'S Im Eckfenster Finnen. a, Den neu hinzutretenden Abonnenten wird— soweit der Borrath reicht— der bisher erichtenene Theil des RomanS „Gesucht und gesunde«" l»wie daS „Jllustrirtes Sonntagsblatt" •fcotis und franko nachgeliefert. Das „Berliner Bottsblatt"
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JeuUIetcm. Gesucht und gefunden.
Roman von Dr. Dux. (Forsetzung.) k»Alles sei vergessen, sagte Wredow.„Die letzten Wjte seien au» unserer Erinnerung gestrichen." .»Wenn da« der Fall ist, nahm hier der Lord Kill- J1®*« da» Wort,„so darf Papa Steinberg nicht Anstand J�en, Ihnen, Herr Baron, noch zwei andere Gäste zu- Uhren, die ebenfalls dringend wünschen, an dem Glücke Tages Theil zu nehmen." k»Ah! ich errathe," sagte Wredow.„Oswald gehe zur , sage ihr. daß sie ihren Cohn, ihre» verlorenen wieder ummmen darf, und daß sie, wenn sie ihn Kunden, ihn auch in meine Arme führen soll; unseren % und— unsere Tochter." »Oswald öffnete eine Thür de» Zimmers und sagte, Jrl eine Gruppe deutend, die im Hintergrund dieses Zim- � stand: "Da sind sie, Vater.". Und Bruno lag am Halse fernes VaterS. L. Dann nahm der alte Wredow die Hand Ludmilla S, küßte er sie auf die Stirn und legte du Hände öte" in einander, wie e» damals Steinberg gethan Die Gesellschaft, die heute bei Wredow'« beisammen W ÄrÄÄ* das Glück in diese Räume«ingekehrt.
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, zurückkehrte, gar sehr ent-
z...«chtunddreißigste- Kapite U Fritz Rodenburg nach BetheSda! daß man seine Abwesenheit dort gar im' M' k% stbej�floltagen, von ihr die bedeutende Summe, die sie « für ihre Alimente zu zahlen pflegt«-'» 8 genommen, ihr ihre bequem und expreß für sie
kostet für das ganze Vierteljabr 4 Mark, für den Monat April 1 Mark 35 Pf., pro Woche 35 Pf. frei ins HauS. Bestellungen werben von sämmtlichen ZeitungSspediteuren, sowie in der Expedition, Zimmerstcaße 44, angenommen. Für Außerhalb nehmen alle Postanstalten Abonnements für das nächste Quartal zum Preise von 4 Mark entgegen. Außervcm bitten wir unsere auswärtigen Abonnenten die Bestellung bei der Post rechtzeitig aufzugeben, damit die Nach- Zahlung von 10 Pf. Strafporto vermieden wird. Die Redaktion und Expedition des „Berliner Bolkevlatt". P a r t e i g e i st. Der Rede deS Herrn Reichskanzlers, an deren Schlüsse er den Parteigeist„vor Gott und vor der Geschichte" dafür verantwortlich machte, wen» Deutschland in seiner Ent- wickelung zu unheilvollen Resultaten, etwa zu einer neuen Zersplitterung gelangen sollte, wurde von den national- liberalen Abgeordneten lebhafter Beifall gezollt, der in der nationalliberalen Presse immer noch nachhallt. Die That- fache, daß dieser Beifall sich mehrfach wiederholte, wird von der nationalliberalen Presse als„welthistorische Er- scheinung" bezeichnet, woraus man ersehen kann, daß die nationalliberalen Abgeordneten über Mangel an Aner- kennung feiten« ihrer Parteipressc sich nicht beklagen können. Dies Bergcügen fei den Nationalliberalen unbenom- men; wen« aber von„Parteigeist" gesprochen wird und der Nationalliberalismus schlägt an seine Brust uud spricht:„Ich danke Dir, o Herr, daß ich nicht bin, wie andere Sünder," da ist eS denn doch angemessen, zu unter- suchen, welches Recht dazu der Pharisäer Nationalliberali«- mus wohl haben könnte. Und wenn man'« genau unter- sucht, so bleibt von diesem Rechte nur sehr wenig oder auch gar nicht« übrig. DaS muß man ja den Herren Nationalliberalen zu- gestehen, daß sie eine besondere Selbstständigkeit niemals an den Tag gelegt haben; insofern konnte also auch von„Parteigeist" keine Rede sein. Die Nationalliberalen haben daS Wort„liberal" förmlich in Verruf gebracht bei allen wahrhaft freisinnigen und selbstständigen Leuten und es war thatsächlich nicht zu viel, wenn einst da» Wort Bvron» aus der„Vision des Gericht»" auf die National- liberalen so vielfach angewendet wurde: „Sie sind zwar liberal, doch stet» erbötig, Den Rock zu wechseln und die Haut, wenn nöthig!" Man soll niemals so besonder» stolz darauf sein, wenn man seine Selbstständigkeit aufgegeben hat. Es eingerichteten Zimmer anweisen lassen und ihr wiederum Madame Smith, ihre alte Dienerin, zur besonderen Pflege beigegeben. Noch hatte sich in der Anstalt nichts Bemerkens- werthe« ereignet, als daß die Kranken, die sich an die liebevolle und sorgsame Behandlung deS Doktor Roden- bürg schon gewöhnt hatten, unaufhörlich nach ihm verlang- ten un8 daß da» Fragen nach ihm kein Ende nahm; man wollte wissen, ob und wann der Doktor Rodenburg zurückkäme. In den traurigen Gesellschaftsstunden, die man den unglücklichen Bewohnern der Anstalt gewährte, hatte sich zuweilen eine gedrückte Stimmung eingeschlichen. Man
machte die Abwesenheit deS Doktor Rodenburg zum Gegen- stand der Gespräche, und einige der Irren in ihren Wahn- voistellungen ersannen die allerfürchterlichsten Märchen, um die Ursache seiner Abwesenheit zu erkären. Einige erzähl- ten sehr ernsthaft, er sei in der Berbrecherstation erschlagen worden. Zwei der unglücklichen Bewohnerinnen der Anstalt allein hatten eine richtige Vorstellung von der Ursache seiner Abwesenheit. Da« waren die beiden Frauen, welche, sich von der Gesellschaft der Uebrigen absondernd, in einem der kleineren Zimmer saßen, Hand in Hand, und traurig ihre» Gedanken nachhängend. Lady Forster und Miß Ellv. Die Erstere hatte gleich nach ihrem Eintritt in die Anstalt Herrn Gefferson gefragt, ob der Doktor Rodenburg noch da sei, und sie hatte von ihm die Antwort erhalte«, daß er veneist sei, um einen auf dem Kontinent lebenden Ver- wandten zu behandeln, hoffentlich aber bald wiederkehren uud der Anstalt nach wie vor seine Thätigkeit widmen würde. Sie hatte die» Miß Elly erzählt, und«ahrlich e» war hohe Zeit, daß Miß Elly wieder einen Strahl von Hoff- nuug leuchten sah in die Nacht ihre» Dasein« I Al« Fritz abgereist war, hatte er nicht verfehlt, sich
besonders von Miß Elly zu verabschieden; nahm diese Patientin doch sein ganze» Interesse in Anspruch. Er hatte ihr gesagt, daß er nur kurze Zeit verreist, daß er schon in einigen Wochen wiederkehren werde, und nun waren Mo- nate vergangen, und er kam nicht. Viele Jahre hatte da« unglückliche Mädchen in der Anstalt gelebt. Sie hatte da« LooS, da« sie getroffen, er-
müssen ganz eiaenthümliche.Verhältnisse sein, unter denen dies als eine Tugend betrachtet werden kann. In der Politik scheint uns sogar Selbstständigkeit und Unabhängig- keit die erste aller Tugenden zu sein. Aber die völlige Unterwerfung unter den Willen der Regierung hat die Nationalliberalen dennoch nicht gehindert, den„Parteigeist" im ausgedehntesten Maße zu pflegen. Sie machten sich also eines doppelten Fehlers schuldig; sie verzichteten auf alle Selbstständigkeit und spielten sich ge- genüber denen, die minder mächtig schienen als sie, doch als„Partei" auf. Sie waren die eigentlichen Träger de» sogenannten Kulturkampfes, der eine lange Zeit ganz Deutschland durchlobte und einen tiefgehenden Un» frieden zwischen einzelnen Schichten der Bevölkerung hervorrief. Die Regierung mußte sich in diesem „Kulturkampfe " auf die Nationalliberalen stützen, als sie dieser nicht mehr bedurfte, als mit der neuen Wirth- schaftSpolitik auch die neuen Parteibildungen begannen, wurde der Kulturkampf von der Regierung sofort aus« gegeben. Bei alledem, und wenn die Nationalliberalen sonach auch kein Recht haben, sich über„Parteigeist" zu beschweren, so kann man sich doch auch fragen: Ist denn der Begriff „Parteigeist" etwa« überhaupt so sehr Verwerfliche«? Wir geben zu, daß eS auf da« öffentliche Leben einen uuheil- vollen Einfluß ausüben mag, wenn Alles in Partei- gezänk und Parteigetriebe ausartet und sich schließlich alle Kämpfe nur. um«in ausschließliche« Parteiinteresse drehen. Allein wie steht denn die Sache bei un« in Deutschland ? Nur wenige Parteien haben ein feste» und unantastbare» Gefüge; wir sehen vor un« eine Anzahl von Interessen- gruppen, die durch die Beschaffenheit unserer ganzen wirth- schaftlichen Zustände genöthigt sind, sich zu bekämpfen und die auch deshalb leicht gegen einander auSgespiett werden können. Daß diese Interessengruppen bestehen— ist daran etwa der„Parteigeist" schuld? Im Gegentheil, der„Par- teigeist" übt in diesem Fall oft einen ganz anderen Ein- fluß al» mau ihm zuschiebt. Wenn z. B. einzelne Grund- besitzer für, andere gegen den Kornzoll sind, wie kommt da«? Doch nur daher, weil nicht immer daS Interesse bei den einzelnen wirthschaftlichea Gruppen so stark ist. Alle» zu sich heranzuziehen. Damit wollen wir keineswegs die Grundbesitzer, die gegen Komzölle sind, für besonder« edel- müthige Menschen erklären; wir wollen nur sagen, daß der „Parteigeist" nicht immer Einflüsse ausübt, od deren man
tragen gelernt, wenn sie e» auch schwer ertrug. Sie hatte sich allein der Hoffnung hingegeben, daß vielleicht der Tod sie bald erlösen und ihr die ersehnte Freiheit wiedergegeben «erde, die ihr sonst nicht vergönnt war. Seit Fritz Rodenburg in die Anstalt gekommen, da hatte die stumme Resignation sich Anfang« verwandelt in sehnsüchtige» Verlangen, dem Leben wiedergegeben zu wer- den. Sie hatte de« Leben, welchem sie bereits entsagt hatte, wieder anzugehören gewünscht, obwohl sie sich selbst nicht erklären konnte, au« welchem Grunde. Sie wußte nicht, daß sie Fritz Rodenburg liebe. Sie wußte nur, daß ihr seine Theilnahme so unendlich wohl that; so wie er hatte sich Niemand mit ihr beschäftigt, so theilnehmend nach ihren Freuden und Leiden erkundigt, ihr so viel Zeit gewidmet wie er, und so herzlich mit ihr gesprochen wie er. Man hatte sie bis dahin behandelt wie eine Wahn- sinnige, und noch dazu wie eine hoffnungslose Wahnsinnige. Er hatte mit ihr gesprochen wie mit seinesgleichen, und die Arme, die seit dreizehn Jahren in einer Irrenanstalt lebte — sie empfand recht wohl, daß man auch mit einer Bewohnerin dieser Anstalt ander» verkehren könne, aks mit einer Wahnsinnigen zu verkehren pflegt. Run war Fritz Rodenaurg fort l Nun kam da» alte Leiden über sie, du frühere Einsamkeit, die Oed« um sie her. Da« Glück, eine theilnehmende Seele gefunden zu haben, hatte sie wieder mit dem Leben ausgesöhnt, und nun war diese» Glück abermals entschwunden. Da sendete ihr der Himmel die Freundin. Mistreß Forster kam, und da» Erste, was ihr Mistreß Forster mit- theilte, war: „Der Doktor Rodenburg wird wiederkommen!" Also«S war nicht wahr, was die Anderen von seiner Abwesenheit gefaselt. Er hatte sie nicht getäuscht, als er ihr sagte, daß er wiederkehren würde. Er sollte wieder- kommen I Und die Hoffnung belebte von Neuem die arme Seele. ..Ich»heile Ihre Freude über seine Wiederkehr." sagte Mistreß Fmster.„Eine Ahnung sagt mir, daß er für mich, für uns Alle em Segen ist, daß er gesandt ist zu unserer Rettung." »Ach ja," versetzte Elly,„er ist auch mir als ein Bote de» Himmels erschienen."