Beilage zum Berliner BoMblatt.Nr. 68.Sonnabend, den 21. März 1885.n. Jahrgang.%-ckVVas belgische Wahlverfahren.Für de» Saal, i» welche« die Abstimmung vor sichgeht, ist ein bestimmte» Modell vorgeschrieben. Doch istes gestattet, daß von den Vorschriften über die Dimen-Ronen abgewichen werden darf, wo«» der Zustand derWahllokale erforderlich macht. Nach dem Normal- Modellhat der Saal sieben Meter Breite und zehn Meter Tiefe.In der Mitte wird er durch eine niedrige beweg»liche Barriere in zwei Theile getheilt, welche zur rechtenwie zur linken Hand Durchlässe in der Breite von0.60 Meter hat, also nur breit genug ist, um eine Personans einmal durchzulassen; die Oeffnung zur rechten Handder Wähler dient zum Eingang in die hintere Abtheilungde« Saale», die zur linken zum Ausgang au» derselben.Die vordere Abtheilung ist da»„Wartezimmer"(aalled'attente des eiecteura). Die hintere Seite de« Saale» dientdem eigentlichen Wahlakte. Vor demjenigen Theile derBarriere, der recht» undlink» durch die Durch-lässe abgeschnitten ist,steht ein Tisch mit derUrne; an demselbensitzen der Präsident undleine vier Beisitzer, derProtokollführer und zweiZeugen, von denen jedestartei einen deputirt.£n der Rückwand de»Saale» befinden sich Ab»theilungen mit Schreib-pulten, welche von ein-ander vollständig isolirtund, so daß jeder inksner derselben Befind-«che vollständig undeob»achtet und ungestört ist,ahnlich den Schreibab»Heilungen im BerlinerHaupt- Telegraphenamt.Do» Gesetz schreibt vor,°ah auf je hundertMhler mindesten« ein«wlche isolirte Schreibab»�Xilung kommen muß.»Di« Wahlhandlungi�nnt um 9 Uhr Mor-»GW, die Mäkler werden, ach alphabetischer Rei-� folge aufgerufen. Derausgerufene Wähler be-giebt sich durch den Ein-gang der Barriere in die Hintere Abtheilung de» Saale» anden Tisch de» Präsidenten und empfängt dort von ihm einenStimmzettel, der doppelt rechtwinkling zusammengefaltetund auf der Rückseite mit einem Stempel versehen ift,welch' letzterer die Nummer de» Bureau» und da» Datumder Wahl angiebt. Mit diesem Stimmzettel begiebt sichder Wähler in eine der isolirten Schreib-Abtheilungen,vollzieht dort sein Votum, faltet den Stimmzettel wiederso zusammen, wie er ihm vom Präsidenten übergeben ist,segt ihn in der Urne nieder, und verläßt die Hintere Ab-�Heilung de« Saale» durch den Ausgang der Barriere. Jede«™al, sobald ein Wähler die Hintere Abtheilung de« Saale» ver«Seia Geheimnis.Au« dem Englischen.(Schluß.)Stella Seaton blickte mit ernstlichem Bedauern aufAre Kousine. Sie konnte sich nicht verhehlen, daß Lillysrch»..!» fühl«. als sie zugestehen wolle, undtAj« Kousine. Sie konnte sich mcyr very.,....,r? weit unglücklicher fühle, al» sie zugestehen wolle, und£ wünschte sehnlichst, ihr helfen zu können. Die junge»rau hatte ihren Gemahl offenbar durch zu große Nach-gleit verwöhnt und e« war hohe Zeit, daß sie andereZarten aufzog.„Lilly," sagte sie, nachdem sie eine Weile nachgedacht,oder nie bietet sich Dir Gelegenheit, Deinem Herrnnd Gebieter zu beweisen, daß seine Frau mehr ist alswe willenlose Sklavin. Folge meinem Rothe und Du"Ii e» nicht zu bereuen haben."„Und wa» räthst Du mir?" fragte Lilly athemloi.g\„Hm— nicht» mehr und nicht« weniger, al«**** Versprechen zu halten und heute Abend auszu-»ryen.".„Stella, ist da» Dein Ernst? Meinst Du wirklich, ich""te meinem Gatte« trotzen und seinem direkten Verbotefliegen ausgehen?" rief Lilly fast bestürzt, während e»»."ätherisch um die feinen Mundwinkel zuckte und die«Uen Augen n Thronen schwammen.Stella nickte sehr energisch; ihrer Meinung nach mußte9 unter allen Umständen ausgehen.»Aber Stella..."»Nun, kleine Trauerweide..."fc. kommt mir so unrecht vor," sagte Lilly, tapfer ihr„.Huchzen unterdrückend.„Percy hat sich so bestimmt da-��ausgesprochen, daß ich Abend» ausgehe und nun gar.»Während« selbst seinen abendlichen VergnügungenMeht," ergänzte Stella ironisch.„Ja, Kind, da» ist-«arfto Wahrheit....<läßt, ruft der Schriftführer einen andern auf, so daß sich derAb- und Zugang der Wähler ohne Unterbrechung voll-zieht. Niemand darf sich länger in der Hinteren Abthei-lung de» Saale» aufhalten, al» zur Abgabe seines Votum«erforderlich ist.Fall» ein Wähler durch ein Versehen denStimmzettel, der ihm übergeben ist, unbrauchbarmacht, kann er unter Rückgabe de« ersten Stimm-zettel»«inen weiteren fordern. Der erste Stimmzettel wirdvom Präsidenten sofort vernichtet. Blinde Wähler odersolche, welche nicht allein gehen können, dürfen sich nacheingeholter Erlaubniß de» Präsidenten«ine» Führer» oderBegleiters bedienen.Die Stimmzettel werden von dem Hauptbureau de«Wahlkreise» au» bestimmtem Papier hergestellt. In Belgienwird nach de« Listenskrutinium gewählt, d. h. die Wahl-kreise sind nicht so klein abgegrenzt, daß auf jeden nurein Abgeordneter entfällt, sondern da« Land ist in größereBezirke eingethcilt, vondenen jeder mehrere Ab-geordnete zu wählen hat;al,o, auf unsere Ver-Hältnisse übertragen, etwain der Art, daß Berlinnicht in sech« Wahlkreisenje einen Abgeordneten,sondern daß die ganzeStadt gemeinsam sechsAbgeordnete wählt. E»hat also jeder Wählernicht einem, sondern sech»Kandidaten seine Stim-«e zu geben. Fünf Tagevor der Wahl müssendie Kandidaten angemel-det werden. Die An-Meldung muß in denArrondiflement«, welchemehr al» vier Mitglie»der wählen, von fünfzigWählern, in den andernvon dreißig Wählernunterzeichnet sein. DieStimmzettel find in dreiRubriken eingetheilt. DieKolonne zur Linken, inblauer Farbe gedruckt,enthält die liberale Liste;die Kolonne zur Rechten,in rother Farbe gedruckt,die katholische Liste; diemittlere Kolonne, schwarz,enthält diejenigen Kandidaten, welche zu keiner von beidenParteien gehören. Ueber jeder Kolonne befindet sich ein offene«Quadrat. Will nun der Wähler seine Stimme der ge-sammten Liste einer Partei geben, so macht er einfach einKreuz durch da» Quadrat am Kopf der betreffenden Liste.Will er dagegen Kandidaten au» verschiedenen Listen wäh-len, so macht er hinter jedem der betreffenden Namen einKreuz. Da in Deutschland in jedem Wahlkreis nur einAbgeordneter gewählt wird, so wäre bei un» da« Verfahrenein sehr viel einfachere»; e» würde eben nur erforderlichsein, daß die Namen der Kandidaten in alphabetischer Ord-nung auf die Stimmzettel gedruckt würden, und der Wählerhätte weiter nicht» zu thun, al» daß er hinter dem Namendesjenigen, den er zu wählen gedenkt, ein Kreuz macht,oder auch die andern Namen durchstreicht.' ergänzte Stella ironiscy.„ou,—...«eri�ft � ungeschminkte Wahrheit.... Schau doch denHah. �'lsen getrost in» Auge und bekenne, da« ich recht�»d-«.- Richer» eise leben wir hier nicht im Orient,�04# VV'nm«ünlifirten Land«, wo die Frau nicht al«*i»b u.Ik" ol8 vollberechtigte Persönlichkeit angesehen?b»ie�?<# nur natürlich ist, daß sie ihre Meinungschaff, c. r5vlge meinem Rath; wie man sich seine StellungL.lln S"6 w.an �°uch tragen."fifnb Stella'« Worte klang-n so überzeu-e» ließ sich ja leider auch nicht leugnen, daßPercy seine Unterhaltung allein außer dem Hause suchte.Wären nur seine dummen Worte nicht gewesen! Immerwieder klang e» ihr im Ohr:,.O, daß sie herrschen, lenken, trotzen wollen,Wo sie nur schweigen, dienen, lieben sollen!"Stella wartete geduldig auf Antwort, al« Lilly aberkonsequent schwieg, sagte Frau Seaton endlich ernsthaft:„Nun, Lilly, kannst Du Dich nicht entschließen? ZeigeDeinem Gatten, daß Du ein selbstbewußte», charakterfeste»Weib bist und nicht die Puppe, zu welcher er dich stempelnmöchte! Wäre ich ein Mann, dann wollte ichdoch wahrhastiglieber in der Frau die gleichberechtigte Gefährtin, al» dieunterwürfige Dienerin sehen."Lilly erhob sich. In ihren blauen Augen lag ein festerEntschluß.„Stella, ich folge Der," sagte sie hastig.„Ichwill heute Abend ausgehen und mich auch einmal amü-fim.'Da« letzte Wort klang freilich nicht seinem Sinn rnt«sprechend und die Miene der jungen Frau erinnerte eheran die einer Märtyrerin al« einer Dame, welche sich„amü-firen" will; Stella indeß hielt e» für besser, diesen Um-stand nicht zu beachten und so sagte sie lebhaft:„Bravo,Lilly I Und nun will ich Dir einen Vorschlag machen:begleite mich heute Abend in» Theater."„In» Theater?" wiederholte Lilly leuchtenden Auge«.„Ja, in« Theater; in unserer Log««st noch einPlatz frei."„Und man giebt„Der Widerspänstigen Zähmung"?"fragte Lilly zweifelnd.„Ja. Dein Herr und Gebieter hätte sicherlich nicht«dagegen einzuwenden, daß Du da» Stück siehst,— ent-spricht eS doch vollständig seiner Auffassung. Ich muß ge-stehen, daß ich lieber«in andere» Schauspiel gesehen hätte,aber e» ist ein Gast da,»elcher den Petrucchro ganz Herr-lich darstellen soll, und da ich nicht lange in Londonbleibe, muß ich meine Zeit au«nützen und möglichst vielsehen."„Wann gehen wir?" fragte Lilly, al« Frau Seatonjetzt aufstand und erklärte, sie müsse fort, da sie ihrerSchwägerin versprochen habe, im Hydepark mit ihr zu»'„alir werben Dich kurz nach sieben Uhr abholen,"erwiderte Stella, die kleine Frau zärtlich umarmend.„Und meine Toilette?" meinte Lilly zaghaft.„Pah, wenn man so hübsch und frisch ist wie Du, istA. Urne. B. Präfivent. C. Stimmzähler(Beisitzer). D.Protokollführer. E. Zeugen der Kandidaten. F. Hin- undRückweg der Wähler. G. Isolirte Abtheilung mit Schreib-pult. E. Bewegliche Barriere.KolMscke NebersirKt.Die von de« Vereinigten Staaten geplante Zoll-Revanche gegen Deutschland giebt der„No:vv. Allg. Ztg."Anlaß, wieder einmal auf das von der deutschen Regierungerlassene Verbot der Einfuhr amerikanischen Schweine«f I e i s ch e» ," al» eine vom sanitärischen Standpunkt durchausnothwendige Maßregel hinzuweisen. Zu diesem Zwecke ver-öffentlicht dieselbe folgenden Brief, der ihr von einem deutsch-amerikanischen Arzte zugesandt wurde:„Au« den offiziellenReports unseres Ackersauressorts d.S Staates Illinois kannman die verheerenden Krankheiten unter unseren Schweinenlernen. Al» steter Beobachter und auf dem Land lebend undgleichzeitig so.nahe demZHauptmarlt Chicago wohnend, habe ichGelegenheit, mich über diese Frage genau zu unterrichten undtheile Ihnen meine Erfahrungen darüber hier mit. Tausendweiseliegen die an der Cholera kreplrten fetten Schweine auf denPraire-Farmen nicht allein im Staate Illinois, sondern Iowa,Nebraska, Dalotah rc. umher. Es hat fich nun eine neue In-dustrie gebildet. Einer meiner Renter oder Pächter z. B. ziehtmit Pferden und Wagen und mit einem Schmelzapparate vonFarm zu Farm, schneidet die lrepirten Schweine zusammenund kocht das Fett aus, welches er einem Händler verkaust,der ein Exportgeschäft damit treiben soll. Daß nun solchesSchmalz, wenn es, waS man wenigstens vermuthenoder fürchten sollte, in den deutschen Handel kommensollte, der Gesundheit höchst nachtheilig ja Ver-derben bringend sein muß, oeistebt sich von selbst."Wir wollen die ZuoerläsfigkeilgveS betreffenden Briefschreibersnicht bezweifeln, im Lande des Dollars wird stcher nicht allesreinlich und zweifelsohne zugehen, allein die absolute Roth-wendigkeit des Verbots geht daran« immer noch nicht hervor.Es werden fich auf alle Fälle doch Mittel und Wege finden,die eine gute 5kontrole des amerikanischen Fleisches ermöglichen;bei dem gänzlichen Verbot wird aber daS Kind mit dem Badeausgeschüttet.— Es ist gewiß kein gutes Zeichen, daß derdeutsche Arbeiter gezwungen ist, fich nach dem vielleicht un-sauberen amerikanischen Fleische zu sehnen; im Vaterlandeist Fleisch, und zwar gute« Fleisch, in Hülle und Fülle vor-hanven; es liegt also nur daran, daß e» dem Arbeiternicht zugänglich ist. Mithin muß also dafür Sorgegetragen weiden, daß der Arbeiter deutsches Fleisch kaufen kann,dann weroen derartige Verbote und die daraufhin folgendenZollkriege vollständig überflüssig fein.Auf Grund de» Sozialistengesetze« ist der„Fachver-ein vereinigter Berufszweige" zu Limmer inHannover oeröoien worden.Frankreich«Zu der Vorlage betr. Einführung d-S L i st e n s y st e m Sliegen 19 AtänderungSanträge vor; vier derselben beziehen stchauf die Feststellung der Zahl der Abgeordneten. Nach demAusschuß-Antrag soll jedes Departement für je 70000 Einwohner und für den überschüsfigen Bruchtheil einen Vertreterzu wählen haben, nach Herrn Desson de St.>Aignan für je100 000 Einwohner, nach Herrn de Roy für je 19 000 Wähler,und einen für den Bruchtheil, wenn derselbe 10 000üdersteiat, nach Herrn Ribot für je 20 000, nachHerrn Cuneo d'Ornano für je 25000 Wähler. Diese Fragedürfte wohl die Hauptdebatte hervorrufen. Dann liegendi ei Amendements vor, deren Zweck ist, der Minderheit zurVertretung zu verhelfen, indem oem Wähler, wie in England,gestattet werden soll, einem Kandidaten mehrere Stimmen zuToilette Nebensache," lachte Stella.„Du bist in Allemreizend."„So werde ich pünktlich fertig sein," versprach Lillyund dann trennten sich die Kousinen nach nochmaligemzärtlichen Abschied.+Al« sich Lilly allein sah, dachte sie nochmals über ihrVorhaben nach. Freilich erschien e» ihr noch immer un-geheuerlich, aber sie dachte nicht mehr daran, e» aufzu-geben. Daß es ihr, al» der in puritanischer Einsamkeitund Einfachheit erzogenen Tochter eines orthodoxen Geist-liehen, nicht leicht werde, den Ansichten sowohl ihre»Vater wie ihres Gatten zuwider zu handeln, war wohlnur natürlich, aber sie redete sich ein, ihr Gatte beschränkeihren freien Willen und es sei chr Gute« Recht, sich da-gegen aufzulehnen. Wie es freilich um diese Beweis-führung gestanden hätte, wenn Percy Wilson über Tagnach Hause gekommen wäre, um nach seiner kleinen Frauzu sehen, ist schwer zu entscheiden, aber er kam nicht undals es sieben Uhr schlug, stand Lilly fix und fertig vordem großen Ankleidespiegel und erröthete vor Vergnügen,al« ihre kleine Zofe sagte:„Madame sehen ganz entzückendaus."Da» Mädchen hatte übrigens nur di« Wahrheit gesagt.Das schwarze Grenadinekleid, welche« hoch am Halse schloß,ließ die schneeige Weiße der feingeformten Arme und de»schlanken Nacken» durchschimmern; blaßrothe Rosen schmück-ten die weichen Locken und«in schimmernde» Brillantkreuz,Percy's erste« Geschenk, funkelte an Lilly'« Hol».„Ich wollte, Percy könnte mich so sehen," flüsterte diejunge Frau, während sie eine Tasse starken Thee'S schlürfteund dabei mechanisch den Theaterzettel, den ihr Stella ge»sandt, stuoirte.Richtig, da stand e« mit großen Buchstaben zu lesen:„Der Widerspänstigen Zähmung. Petrucchio:Herr Hamilton al« Gast. Zwanzigste Aufführung."Wie seltsam! Noch gestern hatte Lilly nicht an ei»Theater zu denke« gewagt und heute sollte sie den be-rühmten Hamilton, dessen Ras sogar bi» in die stillePfarrei gedrungen war, auf den weltbedeutenden Bretternden Petrucchio spielen sehe»,— es war wie ein Märchen.Zur festgesetzten Stunde erschien Stella in Begleitungihre» Schwager», eine« Bruder» ihre» Gatten, um Lillyabzuholen. In Gesellschaft diese» Herren und seine« Vetter»begaben fich die Damen in» Theater und bald saßen si»