Nr. 73. Freitaa, 27. März 1885. II. Jahrg. Jl MerVslksW fut ölt Intere�tn öer Atötlitt. Adlinlltmtllts-Eilliadllilg. Zum bkvorstehenden BirrttljahrS'Wrchsil erlauben wir UNS» alle Arbeiter Berlins zum Abonnenent auf das „Berliner Bolksblatt" mit der GratiS-Beilage „JllustrirteS Sonutagsblatt" einzuladen. Mei in» Hans kostet dasselbe für das ganze Vierteljahr 4 Mark, für den Monat April 1 Mark 35 Pf.» pro Woche 35 Pf. Bestellunaen werden von sämmtlichen ZeitungSspediteuren, sowie in der Expedition, Zimmerstraße 14, angenommen. Zu dem beomstehenden Umzug machen wir unsere Leser noch stanz besonders darauf aufmerksam, die neue Wohnung dem Spediteur rechtzeitig anzugeben, damit in der Bestellung der Zeitung keine Unterbrechung eintritt. Am 1. April werden wir mit der Veröffentlichung eines höchst wtereffanten und spannenden Romans aus der ftefcer Friedrich«erftärfer'« 3m Eckfenster beginnen. Den neu hinzutretenden Abonnenten wird— soweit der Borrath reicht— der bisher erschienene Theil des Roman» „Gesicht Iii zesiude»" sowie daS „Jllustrirtes SouutagSblatt" gratis und franko nachgeliefeit. Für Außerhalb nehmen alle Postanstalten Abonnements ßr da« nächste Quartal zum Preise von 4 Mark entgegen. Die Siedatrion und(Expedition de»„Berliner Voltsblatt." Die französische Wahlreform. Die Idee G a w b e t t a's, das EinkreiSwahlsystem ab» zuschaffen und an dessen Stelle eine Wahl nach Listen mit Kandidaten zu setzen, konnte bekanntlich zu Lebzeiten de« großen Redner« uvd ehrgeizigen Politiker» nicht durch- dringen; sie scheiterte an de« Widerstande der konservativ- republikanischen Mehrheit des Senat«, nachdem die Abge- ordvetenkammer sich mit" nicht allzugroßer Mehrheit für da» Projekt erklärt hatte. Was Gambetta seinerzeit mit dem Lifienskrutmium wollte, ist klar; er bezweckte damit, die gegnerischen Parteien bei den Wahlen vollständig nieder- zuwerfen. Er selbst mit seinem populären Namen als Nachdruck o erboten.] 127 Ieuil'l'eton. Gesucht und gefunden. Roman von Dr. Dux. (Forsetzung.) Es war für Fritz kein beglückendes Gefühl, als er di« Überzeugung gewann, daß auch Elly ihn liebte. Unter mderen Umständen würde ihn diese Erklärung unendlich «glückt haben, so aber setzte sie ihn fast in Schrecken. Er »ußte. daß Elly's kindliche Naivität allein Ursache sei, baß se so unumwunden die Erklärung abgab, sie verzichte "ber auf alle» Glück, als daß sie sich von ihm trennen »olle. Er hatte nun nicht allein gegen seine eigene Liebe u kämpfen, er hatte auch noch die Pflicht, Elly wehe * thun. »Das Schicksal hat es nicht gewollt. Miß Glly," sagte x>»baß wir einander länger Freunde sein dürfen, als bis u dem Zeitpunkt, da Sie andere Freunde gewinnen. Von «m Augenblick an, da sie ihre Mutur gefunden haben mei» «U, gehören Sie nicht mehr dem Kreisen an, denen Sie !tther angehörten. Sie dürfen dann nicht mehr in ?tthesda bleiben und müssen auch all' dem entsagen, da» ">e noch an diesen traurigen Ort knüpft... Wenn Sie uch die Gewohnheit und die Dankbarkeit an diese oder ine Person fesseln mag, Sie werden da» in der neuen -Phare, in welcher Sie leben werben, gar bald vergessen, M werden gar bald bemüht sein müssen, alle Erinnerungen " Bethesda und die Freunde, die Sie zurücklassen, zu ver« �inen." »Niemals, niemals, Mr. Rodenburg l" ,..Ohne Zweifel sehnen Sie sich, Ihre Mutter wieder- Ziehen s* »Ich vermag ein solches Glück nicht zu fassen I" »Die Z it ist hoffentlich nicht mehr fern, bis es Ihnen 'gönnt ist, Ihre Mutter zu umarmen. Was an mir 5�- werde ich darauf hinwirken, sie zu beschleunigen; ein '.'?u Ändert mich daran, jetzt etwa« für Sie zu thun, in Mrgen Wochen aber ist Ihr Schicksal entschieden. Miß *9 und auch da» meinige—" fügte er nach 2180* Zögern und einem leisen Beben seiner Stimme „Großwähler" an der Spitze der republikanischen Liste hätte sich eine unbestrittene Herrschast auf dem Gebiete de» allgemeinen Wahlrecht? gesichert, denn die Wahl nach Listen, wie Gambetta sie wollte, schließt die Vertretung der Minoritäten vollständig au«. Die» brutale System, ganz der gewaltthätigen Natur Gambetta « entsprechend, fand bei d-r entschiedenen Demokratie den heftigsten Wider- spruch und mit Recht. Es war auf einen Cäsarismu» de» allgemeinen Wahlrechts zugeschnitten, wo- bei eS ganz bedeutungslos blieb, ob dieser Cäsar sich Re- publikaner nannte oder nicht. Nunmehr, nachdem Gambetta längst tobt, ist sein Gedanke von seinen politischen Schülern und Erben wieder aufgenommcn und»um zweiten Male vor die Kammer gebracht worden. Die Kammer hat denn auch, nach reif- licher Erwägung, dem Vorschlage zugestimmt und zwar«it der unerwartet großen Mojotität von 400 Stimmen. Wie der Senat fich oerhalten wird, steht dahin; man weiß aber, daß er, um seine Existenz Überhaupt nicht in Frage zu stellen, eine« energischen Drängen der Kammer gewöhnlich nicht lange widersteht. So tst es wahrscheinlich, daß die französische Republik demnächst mit dem Listen skrutinium ausgestattet werden wird. Bei der Diskussion der Vorlage ist ein schönes Wort (gesprochen worden, da» indessen die Herren Volksreprä- entanten nicht beherzigt haben. Ein Abgeordneter warnte vor der Unterdrückung der Minoritäten, wie sie vom Listen- skrutinium unzertrennlich sei; er meinte, man müsse die Minoritäten zur Geltung gelangen lassen, weil von ihnen gewöhnlich die neuen und bahnbrechenden Ideen ausgingen. Der Mann hatte Recht, und er verließ die Tribüne mit dem Bewußtsein, daß bahn brechende Ideen auch durch ein Listeaskrutiaium nicht auf- gehalten werden können. Die republikanische, besser gesagt, bürgerlich-liberale Partei, die gegenwärtig in Frankreich im Besitz der Staats- gemalt ist, scheint allerdings kein Bedürfniß zu fühlen, neue und bahnbrechende Ideen zur Geltung kommen zu lassen. In dieser Partei haben sich, nach ihren ersten Er- folgen, all die politischen Streber angesammelt, die bereit sind, jeder Macht zu dienen, sobald sie nur Aussicht haben, zu R-ichthum, Einfluß und Ehren zu gelangen. Diese Partei beutet nun den Umstand au«, baß sie im Besitz der Staatsmacht ist; sie führt Kriege mit dem Blut und Geld des Linde», die keinen anderen Zweck haben, als den Geldbeutel der Herrschenden zu füllen, während die Masse die Kosten zu bestreiten hat. Natürlich denkt man auch „Und ich soll Ihnen nicht zeitlebens dankbar sein!" rief Elly, indem sie seine Hand ergriff.„Ich sollte die Erinnerung an Sie verbannen?.... O nein, Herr Doktor Rodenburg. die« werde ich niemals, und wenn ich auch ohne Sie glücklich werden könnte, ich würde Sie nicht vergessen können, denn Ihnen allein verdanke ich alles Glück, welches ich erreichen kann." „Nicht mir; ich that nur meine Pflicht," erwiderte er, indem er die zarte Hand des Mädchens in der seinigen zärtlich drückte und ihr innig in'S Auge schaute.„Wollen Sie sich meiner später erinnern, so widmen Sie mir nicht größere Dankbarkeit, als ich verdiene; doch nehmen Sie die Ueberzeugung mit, daß Sie niemals einen wahreren Freund gehabt haben." Fritz ging, und Elly mit dem übervollen Herten blieb allein zurück. In dem Ueber wallen ihrer Empfindungen vermochte sie nicht. Alle», was sie in diesem Augenblicke bewegte, in ihrer Brust zu verschließen. Si« mußte Je- wanden ihr Herz ausschütten, und wem ander« hätte sie es ausschütten können als ihrer Freundin? Sie eilte, um Mrß. Fotster alle« mitzutheilen, was sie gehört hatte. Sie fand diese heut nicht in der Stimmung wie ge« wöhnlich; ja, sie fühlte sich durch den Empfang, der ihr hier zu Theil wurde, fast zurückgestoßen. Mrß. Forster saß in der Ecke eines Sopha«, hatte den Kopf gestützt und blickte nachdenkend und grübelnd zum Fenster hinaus. Sie bemerkte Elly'« Eintritt kaum und wandte ihr daS Antlitz erst zu, als Elly mit einem lauten:„O, meine Freundin l" auf sie zustürzte und ihre Arme um ihren HalS schlang. „Wa» giebt's?" fragte Mrß. Förster fast kalt und gleichgiltig. „Ach, ich habe Ihnen so Vieles mitzutheilen," sagte Elly.„Mein Herz ist so voll!" Sie konnte nicht fortfahren; ein Thränenstrom mußte ihr erst da« übervolle Herz erleichtern. Mrß. Forster schloß sie nicht wie sonst in ihre Arme, streichelte ihr nicht wie sonst die Wongen, und beruhigte und tröstete sie nicht wie eine Mutter. Sie wandte sich wieder kalt, fast'gleichgiltig ab, und schaute wieder zum Fenster hinaus. bisweilen daran, daß sich da» Blatt einmal wenden konnte, denn da« allgemeine Wahlrecht ist eine unsichere Bast« für eine Partei, die dauernd herrschen möchte. Deshalb ver- fällt man auf das Listenskrutinium, dessen Zweck ist, die Minoritäten völlig iodt zu machen und der gegenwärtigen Majorität die Herrschaft zu sichern. Klug ist da« nicht. E» ist der Fehler, in den alle konservattven Parteien und Regierungen verfallen sind, und der darin besteht, daß man durch äußerliche Mittel, die dem herrschenden System zwar unbequemen, aber doch in den thatsächlichen Verhältnissen begründeten Neuerungen zu verhindern oder wenigsten» aufzuschiebe« sucht. Da« ist noch nirgend« gelungen, am allerwenigsten in Frankreich , wo doch schon die verschiedensten RegierungS- systeme versucht worden sind. Man könnte glauben, die Herren Republikaner wären zu bequem gewesen, die an Lehren und Erfahrungen so überreiche Geschichte ihres eigenen Landes zu studirm. Wenn die republikanische Partei fich dauernd an der Regierung erhalten wollte, so gab es für sie ein weit ein» fächere« und bessere» Mittel; sie mußte die sozialen und wirthschaftliche« Mißstände energisch bekämpfen. Wie wür- den die von ihrer Nothlage so hart bedrängten französischen Arbeiter aufgejubelt haben, hätte fich einmal eine Regierung gefunden, die ihnen auch nur etwas entgegengekommen wäre? Allein statt des BvnapartiswuS mit seinen auf politische Korruption berechneten Almosen haben sie nun eine Re- gierung von Kapitalisten und Advokaten, die für die Roth- läge de» Volke« nur lächerliche Phrasen haben und für welche die Kursschwankungen der Börse den Herzschlag der Welt bedeuten. Diese Leute haben als Ziel vor sich die kaufmännische Berwerthung der Kräfte de« Lande« zunächst im Interesse ihrer eigenen werthen Person und dann'« Interesse de« Schwarme « von Strebern, der hinter ihnen steht. Von sozialen Reformen keine Spur, auch nicht ein Gedanke davon. Während die Arbeitslosig- leit in Pari« erschreckende Dimensionen angenommen hat, haben diese Herren ihre Blicke nur auf die„Erfolge" ihrer Truppen in Ostasien gerichtet, die dort neue Bahnen für die Spekulationen der heimischen Bourgeoisie et öffnen sollen. Die dauerhafteste Regierung ist diejenige, welche sich daß volle Vertrauen de« Volke« zu erringen und zu sichern weiß. Daß die herrschende Partei da« Listenskrutinium einzuführen für nothwendig findet, ist aber der Beweis, daß sie selbst fühlt, daß sie da« Vertrauen des Volkes nicht be- sitzt, wenigsten« nicht in dem Grade, der zu ihrer Dauer Endlich fand Elly Worte.„Ich werde meine Mutter wiedersehen I" rief sie. Wenn Elly erwartet hatte, daß Mrß. Forster ihre Freude theilen würde, so hatte sie sich sehr getäuscht. Die Stirn der Freundin umdüsterte sich. Mit einem un« heimlichen Blick starrte sie die Sprecherin an. Welche Ver- ünderung war ia dem Antlitz dieser Frau vorgegangen. Die sonst so sanften Züge waren finster und hart, der milde Ausdruck war verschwunden; Zorn, starre Eni- schlossenheit, ja, eine gewisse unheimliche Gluth des Zorne« schien aus denselben hervorzuleuchten. Wenn eS möglich gewesen wäre. Grausamkeit und Blutdurst in diesen Zügen zu vermuthen, man hätte sie fast in denselben lesen können. Elly starrte die Freundin eine Zeit lang erschrocken an. War e» möglich, daß da» dieselbe Frau war, welche ihr immer Freundin gewesen, welche sie wie eine Mutter geliebt hatte? Der Blick dieser Frau schien da» junge Mädchm durchbohren zu wollen. „Sie werden Ihre Mutter wiedersehen!... Ha! Jede Mutter findet ihr Kind wieder, nur ich nicht di« «einigen!" Ihr Auge funkelte; da» Weiße in demselben schien mit Blut unterlaufen. Ja, sie sah aus, als ob sie irgend einem unbekannten Feind in diesem Augenblick wüthende Rache drohe. Fast vor diesem Blick zitternd sagte Elly, indem sie einen Schritt zurücktrat: „Freut Sie da» nicht, Mrß. Fotster?... Ach, ver» zweifeln Sie nicht; auch Sie werden glücklich sein, er ist ja auch Ihr Freund." „Wer?" tief Mrß. Forster mit demselben Ausdruck. „O, ich habe nur einen Freund, da» ist der Wolf, der die Wölfin rächen wird; er�wird Diejenigen zerreißen, die fie ihrer Jungen beraubt'haben." Erschrocken vor dem entsetzlichen Ausdruck, mit welche« sie diese Worte sprach, prallte Elly zurück. Mrß. Forster, welche e« bemerkte, zuckte zusammen. Sie fuhr sich mit der Hand über da» Gesicht und schloß einen Augenblick die Augen. Ja, sie war in einem Zu» stände der Geistesabwesenheit gewesen. Sie hatte sich jetzt
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