vielleicht eher zu niedrig als zu hoch gegriffen und wenn man in Betracht zieht, daß es noch eine Menge Erwerbs. zweige giebt, welche nicht untersucht worden sind, dürfte fich die Anzahl der Arbeitslosen in New York   noch viel höher stellen. Wie groß die Noth ist, geht außerdem zur Evidenz aus den Polizeiberichten hervor, welche u. A. melben, daß im vorigen Monat 15 000 bis 16 000 Obdach lose Nachts in den Polizeistationen beherbergt wurden, b. h. ungefähr 5000 mehr als zu derselben Zeit in anderen Jahren.

In dem Leitartikel der Beilage von gestern befindet sich ein sinn störender Druckfehler. In dem Kommissions bericht von 1864 wünscht die fortschrittliche Majorität das Koalitionsrecht der Arbeiter im Interesse der Abeitgeber" ( nicht der Arbeiter").

Politische Webersicht.

" 1

Aufgehobenes Verbot. Der Reichsanzeiger" publizirt folgende Bekanntmachung: Das von der Königl. bayerischen Regierung der Oberpfalz   und von Regensburg  , Kammer des Innern, zu Regensburg   unter dem 28. Dezember 1884 er. laffene Verbot der Druckschrift: historische Studie. Jesus von Nazareth" von Georg Lommel, Nürnberg  1883, Berlag von Woerlein u. Comp. 9. Auflage, ist durch Entscheidung der Reichs, Kommission vom heutigen Tage aufgehoben worden. Berlin  , den 23. März 1885. Die Reichs- Kommission. Herrfurth.

" 1

Die Würde eines Reservelieutenants. Das B. T." erzählt eine recht eigenthümliche Geschichte. Ein junger Mann, Dr. 2, war längere Zeit Stenograph im Herrenbause und trat dann, um seiner Militärpflicht zu genügen, als Einjährig Frei williger in die Armee ein. Als er nach Absolvirung seines einjährigen Militärdienstes zum Reservelieutenant erwählt wor den war, wurde ihm auf Geheiß seines militärischen Vorge festen zu verstehen gegeben, er habe nun seine Stellung als Stenograph im Herrenhause nieberzulegen, fintemal diese sich nicht mit der Würde eines Reservelieutenants" vertrüge. Und der junge Mann legte feine Stellung als Stenograph nieder, um seine Würde" zu wahren. Uns erscheint der ganze Vorgang unbegreiflich, ja, wären wir noch im Mittelalter, so fönnten wir es erklärlich finden, daß es Leute gäbe, die das Verrichten irgend einer Arbeit als mit ihrer Würde nicht ver­einbar betrachten. Aber heute, im Jahre 1885, vermögen wir es nicht zu faffen, es geht über unsere Begriffe hinaus.

"

**

Ueber die Abänderung des Gerichtsverfassungs­geseges wird geschrieben: Bet den Ausschußberathungen über Den dem Bundesrathe zugegangenen Entwurf wegen Abän derung des Gerichtsverfaffungsgesetzes und der Strafprozeß­ordnung, welcher die Bildung und Buſammenſegung der Schwurgerichte anders gestalten soll, hat sich so starker Widerspruch gegen die Vorlage erhoben, daß dieselbe einer vollständigen Umarbeitung wird unterzogen werden müssen. Es wird daher schwerlich daran zu denten sein, daß der Ent wurf noch in der laufenden Session an den Reichstag ges langen wird.

Ueber den Brief des Regierungspräsidenten von Wedell betreffs der Vosener Bürgermeisterwahl wird der Bresl. 8tg." aus Berlin   geschrieben: Der Brief ist echt. Er ist auf einen Briefbogen des Reichstages geschrieben, und die Jdentität der Abschrift ist zweifellos. Wie der Brief in die Deffentlichkeit gelangt ist, läßt fich wenigstens so weit fest stellen, daß er aus den Händen eines Mannes, der in irgend einem Wurstladen fich für 15 Pfg. Leberwurst gekauft hat, und die­selbe in diesem Brief eingewickelt bekam, in die Hände des Mannes gelangt ist, der den Abdruck vermittelt hat.

-

Das Verbot des Fachvereins vereinigter Berufs­zweige" zu Limmer in Hannover  . Besagter Verein wurde in einer zu diesem Zwecke am 25. Jan. d. J. stattgefundenen öffentl. Versammlung gegründet. Das Statut des Vereins nebst der mit 65 Unterschriften versehenen Mitgliederliste wurde rechtzeitig bei der Behörde eingereicht. 8 Wochen warteten die Mitglieder auf die Genehmigung des Statuts, statt derselben wurde aber dem Vorsitzenden am 23. März das Verbot zu gestellt. Dasselbe ist folgendermaßen begründet. Landdroftet Hannover  , den 16. März 1885. Durch die in Abschrift bei­liegende Bekanntmachung vom heutigen Tage ist der Fach­verein vereinigter Berufsgenossen in Limmer aufgelöst und ver­boten. Dieses Verbot erscheint nach§ 6 Abs. 3 des Gesezes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemo fratie vom 21. Oktober begründet, weil der genannte Verein nur vorgeblich ein neuer Verein ift, fich that. sächlich aber als der am 2. Januar v. J. aufgelöste und verbotene Arbeiter- Sänger Bund in Limmer darstellt. In Betracht kommt dabei zunächst die Thatsache, daß fast die Hälfte der Mitglieder des Fachvereins früher dem Sängerbund an gehörte, und fich diesem die übrigen Mitglieder, die ebenfalls den sozialistischen   Ideen huldigen und erst nach Auflösung des Sängerbundes nach Limmer gezogen find, lediglich angeschloffen haben. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß ein Theil der jetzt bem Fachverein beigetretenen früheren Mitglieder des ver botenen Sängerbundes, wie einst in jenem, so auch in diesem, eine leitende Stellung einnimmt, ein Umstand, welcher in Verbindung mit der vorstehenden Thatsache, die Annahme ge rechtfertigt erscheinen läßt, daß auch bei dem neugegründeten Vereine der in den Statuten angegebene Zweck lediglich der Deckmantel sein soll, hinter dem die eigentlichen, auf den Um sturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung ge­richteten Vereinszwecke gepflegt werden und sich verbergen sollen. Leitung, Bwed und ein großer Theil der Mitglieder des Fach vereins find also dieselben, wie in dem verbotenen Arbeiter Sänger- Bund und ist daher nach den Ausführungen des Reichs gerichts. Erkenntnisses vom 14. November 1879 anzunehmen, daß Die angeblich neue Gründung eines Vereins mit anderem Na men( Fachverein) nur zum Vorwand genommen ist, um den alten Verein( Arbeiter- Sänger- Bund) tros des Verbotes fort eristiren zu lassen. Hiernach rechtfertigt sich die getroffene Ent­scheidung, und war der Fachverein vereinigter Berufszweige in Limmer zu verbieten. Eine Beschwerde biergegen findet nach Maßgabe des§ 8 cit. leg. ftatt. Königliche Landdrostei. v. Jacobi. Gegen das Verbot wird, wie verlautet, Beschwerde erhoben werden.

Frankreich  .

-

-

-

Der Ausschuß für das Gefeß über rüdfällige Ver bas wie der Wes. 3tg." berichtet wird brecher hat felbe nach Aufklärungen Walded- Rousseau's in der Senats­faffung angenommen. Der Pariser Stadtrath beschloß mit 25 gegen 16 Stimmen, auf Baillants Antrag, die Zurücknahme des Ausweisungsbefehls gegen die auslänbi. fchen Sozialisten zu verlangen. In seinen fortgesetten Enthüllungen erzählt Andrieur, die Geheimfonds des Minifteriums des Innern würden großentheils zur Unter­stügung der offiziellen Kandidaten, also zur Bestechung der Wähler, verwendet. Er nennt den Abgeordneten Josef Fabre, Der 1881 auf Befehl Gambetta's unter Hochdruck des Präfekten  und mit Miteln des Geheimfonds in Aveyron   gewählt worden fei. Fabre protestirt in einem Briefe gegen diese Beschuldigung; er leugnet nicht, von Gambetta   Geld und vom Präfekten  Unterstügung erhalten zu haben, behauptet aber, das Geld set aus Gambetta's Tasche, nicht aus dem Geheim­fonds gekommen. Diese Polemit erregt begreifliches Auf

sehen.

Amerika.

-

Nach Meldungen aus Panama   soll der Präsident Barrios von Guatemala   mit zirka 15 000 Mann Truppen im An Der Präfident von marsch auf San Salvador   fein. San Salvador befindet sich mit 10 000 Mann an der Grenze von Guatemala  , bereit, Barrios entgegenzutreten. -Nach einer Depesche aus Panama   sind die Führer der dortigen Aufständischen und die Vertreter der Regierung in Banama zusammengekommen und haben beschlossen, eine Kom­mission zur Regelung der Streitfragen zu ernennen.

Parlamentsberichte.

Abgeordnetenhaus.

50. Sigung vom 26. März, 11 Uhr. Am Tische des Bundesrathes v. Scholz, Lucius und Kommiffarien. In der dritten Berathung der Nothstands­vorlage für die Weichselgegend äußert

Abg. Wessel verschiedene Wünsche in Bezug auf die Regulirung der unteren Weichsel   und den Weichsel  - Nogat­fanal. Eine schleunige und zweckmäßige Vornahme der be züglichen Arbeiten sei besonders für den Kreis Stuhm   eine Lebensfrage.

Die Vorlage wird unverändert angenommen; ebenso in britter Berathung die Novelle zum Grundbuchgesez für den Kasseler Bezirk.

Der Entwurf betr. die Veräußerung von Trenn stücken für den Regierungsbizirk Kaffel und die hohen­zollernschen Lande wird, nachdem Abg. Graf v. Posadowsky fich furz gegen die auf ihn im Herrenhause gerichteten Angriffe verwahrt hat, in der Fassung des Herrenhauses ange­

nommen.

Es folgt die Berathung der Verhandlungen des Lan deseisenbahnraths   von 1884.

Abg. Natorp tonstatirt mit Befriedigung, daß die auf den Staatsbahnen für Kohlen und andere Bergwerkserzeugniffe geltenden Ausnahme- Tarife auch auf die inzwischen neuver ftaatlichten Privatbahnen übertragen seien. Es würde indessen im Interesse des westfälisch- rheinischen Bergbaues liegen, wenn jene Tarife noch weiter ermäßigt werden, namentlich für die Beförderung der Koblen ze. nach den deutschen   Exporthäfen. Redner wünscht schließlich die Einführung einer zweiten Stüd­guttlaffe.

Abg. v. Wedell- Malchow: Die Verhandlungen über diese technischen Detailfragen im Plenum führen zu keinem praktischen Resultat; richtiger wäre eine Kommissionsberathung gewesen Jch beantrage, die Vorlage durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären. Uebrigens werden heute auch die ur fprünglichen Gegner der Institution des Landeseisenbahnraths anerkennen, daß derselbe bereits sehr werthvolles Material ge sammelt und auch sonst eine überaus ersprießliche Thätigkeit

entfaltet hat.

Abg. Windthorst beantragt Verweisung des Gegen­standes an eine Kommission. Die durch den Landeseisenbahn­rath getroffenen Tarifmaßregeln seien nicht überall richtig; es werden dadurch namentlich die holländischen Häfen gegen die Emshäfen bevorzugt.

Abg. Langerhans wünscht gleichfalls eine eingehende Prüfung der Vorlage durch eine Kommission. Auch er habe an dem jezigen Tarifwesen manche Mängel entdeckt. Es trete mehr und mehr der Hauptfehler des Staatsbahnsystems hervor, daß es die Tarife den lokalen Bedürfnissen nicht so anpassen könne, wie das die Privatbahnen vermochten.

Abg. Hamma cher bittet die Regierung, in Zukunft die Verhandlungen des Landeseisenbahnraths dem Hause so seitig vorzulegen, daß fte gleichzeitig mit dem Eisenbahnetat an die Budgetkommiffion überwiesen werden können. Für diesmal würde eine Kommiffionsberathung bei der kurzen Dauer der Seffton keinen Erfolg mehr haben.

Ministerialdirektor Brefeld erwidert, die Vorlage sei bereits beim Busammentritt des Hauses diesem gleichzeitig mit bem Etat zugegangen. Die Frage der zweiten Stückgutklaſſe, welche erst vor steben Jahren zur Erörterung gelangt war, ist neuerdings durch die Bezirkseisenbahn- Räthe, also eine Infti­tution der Staatsbahnverwaltung, neu angeregt worden, und wird die Staatsregierung auf Grund dieser Anregung dem nächst vorgehen. Bei den früheren Privatbahnen seien übrigens Die Tariffage durchweg höher gewesen als heute bei den Staatsbahnen.

Die Abgg. v. Rauchhaupt und v. Wedell­Ma Ich om bestreiten aufs Entschiedenste die Behauptungen des Abg. Langerhans über die Nachtheile des Staatsbahn­systems.

Die Vorlage wird durch Kenntnißnahme für erledigt,

erklärt.

Es folgt die Berathung der Uebersicht über die Ver waltung der fistalischen Bergwerte, hütten und Salinen für das Jahr 1883/84. Die Budgetkom mission beantragt, die' Vorlage durch Kenntnißnahme für er ledigt zu erklären.

Ministerialdirekto: Sunssen nimmt hierbei Gelegenheit, die vor Kurzem von einem Redner aufgestellte Behauptung, als seien die Arbeitslöhne bei den fiskalischen Bergwerken re­duzirt worden, oder als stände eine solche Reduktion in Aus­ficht, als völlig unbegründet zurückzuweisen.

Geb. Rath v. Rönne wendet sich gegen den am 3. Fe bruar vom Abg. Letocha der Bergwerksverwaltung gemachten Vorwurf, daß in den oberschlesischen Werken die Arbeitskraft der Bergleute inhuman und übermäßig ausgebeutet werde. Der Vorwurf werde durch die thatsächlichen Verhältnisse völlig widerlegt. Auch die Lohnsäße seien angemessen; körperliche Mißhandlungen der Arbeiter durch die Aufsichtsbeamten tommen in den Bergwerken nicht vor.

Abg. Letocha hält seine früheren Behauptungen, beson­ders über die Lohnfäße, aufrecht. Die Löhne der Bergleute seien im Allgemeinen viel zu niedrig; namentlich aber in Schleften, wo zahlreiche Bergleute trop threr mühe und ge= fahroollen Thätigkeit nur 1,50 Mart bis 2 Mart täglich vers bienen,( Redner führt zum Belege zahlreiche einzelne Bei­Spiele an.)

Die Vorlage wird durch Kenntnißnahme erledigt.

Den 36. Bericht der Staatsschuldenkommission beantragt die Budgetkommission durch Dechargirung zu erledi gen und außerdem folgendes zu erklären:

Das Haus ertennt in der Vorschrift des§ 16 des Ge­setzes vom 24. Februar 1850, betreffend die Verwaltung des Staatsschuldenwesens und Bildung einer Staatsschulden tommission, die Absicht, daß der der Hauptverwaltung der Staatsschulden übertragene Mitverschluß nur durch diejenigen Personen wahrgenommen werde, welche den im§ 9 des Gesetzes angeordneten Eid geleistet haben."

Das Haus beschließt demgemäß und ertheilt ferner noch Decharge für die Rechnungen der Kaffe der Oberrechnungs­

Der Bräsident erbittet und erhält die Ermächtigung, dem Fürsten Bismard zu seinem 70. Geburtstage die Glückwünsche des Hauses darzubringen.

Schluß 2 Uhr. Nächste Sigung Dienstag, den 14. April, 11 Uhr.( Antrag v. Bedlis, betreffend das Lehrer­penfionsgeset.)

Herrenhaus.

12. Sigung vom 26. März, 2 Uhr. Am Ministertische: von Putttamer, von Scholz, Friedberg und Kommiffarien; später Fürst Bismard  . Das Haus ertheilt dem Präsidium auf Vorschlag des

Bräftdenten, Herzogs von Ratibor  , die Ermächtigung, dem Reichslangler Fürsten   von Bismard zu seinem 70. Ge burtstage die Glückwünsche des Herrenhauses darzubringen.

Die Vorlage, betreffend die Bewilligung von Staats mitteln zur Beseitigung der durch die Weichselüberschwemmungen herbeigeführten Verbeerungen, ist aus dem Abgeordnetenhause eingegangen und wird noch heute in einmaliger Schlußberathung erledigt werden.

Ohne Debatte nimmt das Haus den Gesezentwurf, betr. eine Schabloshaltung des herzoglich schleswig- Holsteinischen Hauses, auf Antrag des Referenten von Winterfeld en bloc an, genehmigt ferner die Vorlage, betr. Abänderungen der Kirchenverfaffung der evangelisch lutherischen Kirche   der Provinz Hannover  , auf Antrag des Herrn von Bernuth ebenfalls en bloc und ertheilt dem Entwurf, betr. Die Er gänzung des§ 7 des Gesezes über die Organisation der all gemeinen Landesverwaltung vom 30. Juli 1883, unverändert die Zustimmung.

Ebenso wird ohne Diskussion die Vorlage, betreffend die Entschädigung der Hinterbliebenen des Polizeiraths Rumpff, durch unveränderte Annahme erledigt.

Schließlich spricht das Haus auf Antrag des Referenten Graf Dönhoff- Friedrichst ein die Zustimmung zu der soeben aus dem anderen Hause herübergelangten Noth­standsvorlage aus.

Schluß 3 Uhr. Nächste Sigung unbestimmt.

Lokales.

b. Um die großen Eisenbahn- Werkstätten am Halen see, so schreibt ein Berichterstatter, beginnt sich eine förmliche Arbeiterstadt zu erheben. Die Wohnhäuser find von der Königl. Eisenbahn- Direktion errichtet und die Wohnungen werden zum Kostenpreise an die Arbeiter der Staats- Werkstätten abgegeben. Es bestehen bereits zwei Straßen, die eine mit zehn, die andere mit zwölf zweistödigen Häusern. Eine Wohnung von zwet großen Stuben, Küche, Keller, Boden und Holzstall loftet das Jahr 72 M. Für ein Jahres- Abonnement auf der Stadtbahn bezahlt ein Arbeiter 8 M. Die Direktion hat ferner ein großes Wirthshaus eingerichtet, für welches der Bächter jährlich nur 1000 M. Bacht zahlt. Schnaps darf er allerdings nicht schänken. ( Wohl nur Champagner?) Da jedoch von hier aus alle Stadt­und Ringbahnzüge abgehen, so hat das Restaurant einen ftarten Besuch. Um Mitternacht schließt es oft erst seine Pforten und öffnet ftes bereits wieder um 3 Uhr Morgens. Der Wirth hält sich 3 Dienstmädchen und ebensoviel Haus­Inechte und schlachtet wöchentlich vier Schweine. Drei Mal in der Woche halten Händler mit Lebensmitteln in der Kolonie einen fleinen Martt ab; man könnte glauben, man befinde fich in irgend einer emporwachsenden Delstadt von Pensylvanien. Ein Schlächter ist dort bereits ein so ständiges Bedürfniß, daß für ihn jest ein Laden ausgebrochen wird. Die Schattenseiten dieser Ansiedelung liegen darin, daß der Arbeiter, wenn er die Arbeit in diesen Werkstätten aufgiebt, binnen 24 Stunden seine Wohnung räumen muß,( Aha!) ferner, wie immer in folchen Kolonien, in den Schulverhältnissen. Charlottenburg  hat sich die Kinder vom Halse geschafft, und so müssen sie nach Wilmersdorf   zur Schule gehen. Die Schulverhältnisse sind es wesentlich, welche eine stärkere Ansiedelung der Umgegend von Berlin   verhindern.

N. Auf dem Begräbnißplaz der St. Georgen- Gemeinde sollen, wie uns geschrieben wird, höchst unangenehme Zustände herrschen. Die Särge stehen dort nämlich in einzelnen tapellenartig aufgeführten Begräbnißstätten über der Erde und find durch die Gitterthüren den Besuchern des Kirchhofs ficht bar. Schon aus sanitären Gründen müßte eine derartige Praxis nach unserem Ermessen für die Zukunft vermieden

werden.

Pferdebahn- Betrachtungen. In der ,, Voff. 8tg." lesen wir: Das Berliner   Verkehrsleben hat in den legten Jahren einen so rapiden Aufschwung genommen, daß manche Einrich tungen, welche in früherer Beit den Bedürfnissen desselben ge nügten, ben Anforderungen der Gegenwart nicht mehr gerecht werden, ja stellenweise ganz hinter ihnen zurüdbleiben. Be trachten wir z. B. die Pferdebahn, so ist in Betreff der Signal­lichter und Wagenschilder mit ihren verschiedenen Farben und Aufschriften jedenfalls alles gethan, um das Publikum best­möglich über die verschiedenen Linien zu informiren; entsprechen aber die Haltestellenzeichen auch nur einigermaßen ihrem Zweck, die Baffanten über den Einsteigeort zu orientiren? Schon bei Tage find diese unscheinbaren Pfähle mit den kleinen, meistens schwarzgrundirten Schildern unter den vielen sonstigen Straßen ständern schwer herauszufinden, bei Abend aber überhaupt nicht anders, als in unmittelbarer Nähe sichtbar. Für einen Fremden ist die Pferdebahn schon deshalb wenig benugbar. Dasselbe gilt aber auch für Einheimische, wenn sie über thren Bezirk hinaus tommmen nach Gegenden, wo sie weniger be fannt find. Bahlreiche Geschäfte, alle Apotheken, die Polizei ämter u. f. w. haben hohe, am Abend transparent erleuchtete Ständer; sollte es nicht endlich an der Zeit sein, daß die Pferdebahnen diesen Beispielen folgen? Es ist unseres Er achtens geradezu unerfindlich, daß dieser Punkt bisher so wenig beachtet worden ist. Ein weithin fichtbares, am Abend intenfio erleuchtetes Haltestellenzeichen hat auch den wesentlichen Vortheil, daß die Lenker der übrigen Fuhrwerke schon bei Seiten ein lang fameres Tempo annehmen können, um Kollisionen mit den an der Haltestellen ein und aussteigenden Passagieren zu vermeiden. Nach dieser Richtung ist eine Polizeiverordnung im Werke, welche das langsamere Fahren an den Haltestellen der Pferde bahnen durch Strafverbote sichern wird. Dhne jene Voraus fegung der Augenfälligkeit der Haltestellen, namentlich Abends, wird man schwerlich einem Rutscher ein Versehen nachweisen tönnen. Die Kosten dieser Transparentständer werden sich wohl aus den Einnahmen noch be ftreiten lassen, zumal durch diese neue Anlage ficherlich der Verkehr auf den einzelnen Streden gesteigert werden wird." Also die Voff. 3tg." giebt selbst zu, daß von der Direktion außer in Bezug auf Signallichter und Wagenschilder so ziemlich nichts gethan ist, um den uranfänglichen Stand der ganzen Einrichtung irgendwie zu verlindern oder zu verbessern, und die Pferdebahn auch nur einigermaßen den Anforderungen eines zahlenden Publikums gerecht werden zu laffen. Wir unfererseits baben an der Verwaltung der Pferdebabn noch Vieles auszusetzen. Für den armen Mann den Ar beiter ist fte mit ihren vielfachen Theilftreden bedeutend au theuer, eine gewöhnliche Tour für 10 Pfennige fährt Der Arbeiter überhaupt nicht, die läuft er lieber, um den Nidel zu ersparen, und ist sein Weg weiter, so tostet es eben mehr, und es fällt doch bei dem engbegrenzten Arbeiter- Haushalts Etat ganz enorm ins Gewicht, ob wöchentlich 1 M. oder 1,50m. für die bloße Beförderung zur Arbeitsstelle ausgegeben werden. Nun tommt noch hinzu, daß in den Morgenstunden

für den

bie

größten Theil der arbeitenden Bevölkerung Pferdebahn   gänzlich nuplos ist, nuglos ist, weil fte ihren Betrieb erst dann eröffnet, wenn die Maffen der Arbeiter ihre fchon lange bei der Arbeit find. Die Boff. Btg." fährt fort anstrengenden Märsche zu Fuß längst zurückgelegt haben und Ein weiterer Uebelstand ist die Ueberfüllung der Wagen mit Baffagieren. Mit wahrhaft rührender Resignation erträgt das Bublifum des Innern, geteilt in brangvoll fürchterlicher Enge, Das fortwährende Hin und Herlaufen, das Thürenzuschlagen, den unvermeidlichen, stellenweise unerträglichen Bugwind, kurz alle die Unzuträglichkeiten, welche namentlich die zu starke Be fegung des Vorderperrons mit fich bringt. Nach unserer An ficht dürften überhaupt nicht mehr als zwei Bläge auf dem Border perron vergeben werden. Jedes Mehr ist auch für den Rutscher hinderlich, namentlich bei der Nothwendigkeit, eintre tenden Falls den Wagen schnell zum Stillstand zu bringen.