g. Auf dem städtischen Zentralviehhofe find neuerdings wieder bei einer Schlachtung seitens eines Schlächters zwei mit Finnen behaftete Schweine gefunden worden, und zwar waren hier die Finnen in so starkem Maße vorhanden, daß der Genuß dieses Schweinefleisches gemis wieder eine große Bahl von Menschen an ihrer Gesundheit geschädigt, wenn nicht gar den Tod im Gefolge gehabt hätte. Intereffant ist es, wie bei solchen Fällen amtlich resp. polizeilich nach dem Ursprung resp. bden muthmaßlichen Ursachen der Finnen bezm. dieser Krankheitserscheinung geforscht wird, da man fich immer mehr der Ansicht zuneigt, daß außer dem Ueberfluß der Ratten in einer Gegend auch wohl noch andere Ursachen die Veran laffung sein tönnen. Möchte es doch bald der Wissenschaft gelingen, alles barauf bezügliche pofitio festzustellen, um eine häufige Wiederkehr schon wegen der dabei eintretenden Ver lufte vermeiden zu fönnen. Bei den Schweinen eines Be ftgers, an denen die Trichinofis feftgestellt worden, werden übrigens in den meisten Fällen sämmtliche Schweine im lebenden Bustande auf diese Rrantheit untersucht und nöthigenfalls gange Heerden ausgerottet.
Drei neu errichtete Polizeireviere, welche die Nummern 72, 73 und 74 führen und durch eine anderweite Abgrenzung der Polizeireviere 4, 47, 56, 64 und 67 gebildet worden find, treten mit 1. April in Wirksamkeit.
Bezüglich der„ merkwürdigen Strafvollstreckung", über die wir berichteten, ist dem B. T." von dem ersten Staatsanwalt bei dem föniglichen Landgericht I, Herrn Angerer, eine aufklärende Mittheilung zugegangen, und zwar in Form der folgenden Berichtigung: Die in der Weinstraße Nr. 3 wohnende verebelichte Arbeiter Wilhelmine Justine Heyde, geb. Baizuweit, wurde durch schöffengerichtliches Urtheil vom 17. Nos Dember 1884 nicht zu einer Geldstrafe, sondern zu einer Gefängnißftrafe von 8 Tagen verurtheilt. Die Strafvollstreckung in dieser Sache lag somit überhaupt nicht der Staatsanwalt. schaft, sondern dem fönigl. Amtsgericht I ob, welches dieselbe auch verfügt hat. Tur Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 18. Dezember pr. wurde der Frau Heyde auf ihren Antrag ein Strafaufschub von 4 Wochen bewilligt. Während dieser Beit tam Frau Heyde in das Bureau der Staatsanwaltschaft und bat, ihr zu fagen, wo fie eine Geldstrafe von 30 Mart zahlen könne. Der betreffende Beamte, welcher mit der Sache amtlich überhaupt nichts zu thun hatte, bezeichnete ihr aus Ge fälligkeit das königliche Haupt- Steueramt als diejenige Behörde, an welche Geldstrafen einzuzahlen seien, und schrieb der Frau auf deren Bitten die Adresse dieser Behörde auf."- Hierzu hemert: Das genannte Blatt noch, daß die in dem betreffenden Artikel erwähnten Thatsachen lediglich aus der Befchwei de ge schöpft find, welche ein biefiger Rechtsanwalt in dieser Affaire an die zuständige Behörde gerichtet hat und liegt die Bermus thung nahe, daß der betreffende Rechtsanwalt jedenfalls durch den in der Berichtigung erwähnten handschriftlichen Vermett fich hat irre führen lassen.
t. Arbeit ift des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis! fingt unser großer Bollsrichter, in menigen Worten eine ideale Welt erbauend. Wie wenig aber dieses Joeal der Wirklichkeit entspricht, hat unser Dichterheld in bitterer Weise selber erfahren müssen. Arbeit ist bes Bürgers Bierde! Ja. Arbeit ist das große Losungswort, die Parole des Tages. Tausend fleißige Hände regen, belfen fich in munterem Fleiße und mit blutendem Herzen stehen diejenigen von fein, die ausgeschloffen von dem großen Weltgetriebe, die arbeitslos find. Zur Arbeit fino wir geboren, von der Arbeit leben wir und stolz find wir, Arbeiter zu sein! Ehrt den König seine Winde, chret uns der Hände Fleiß! Hierin hat Schiller recht und hierin stimmen Ideal und Wirklichkeit vollkommen mit einander überein. Wie aber steht es mit der Schlußfolgerung, Segen ist der Mübe Preis? Wie bitterer Hohn erscheint dics Wort in der heutigen Zeit der Lohn- und Arbeiterbewegung, angesichts der vielfachen Streits. Wie sehr die Wirklichkeit in diesem Punkte hinter dem erträumten Ideal zurückbleibt, trat recht augenfällig am vergangenen Sonntag zu Tage. Die Beit des großen Umzuges ist vor der Thür, die Berliner Völkerwanderung hat bereits ihren Anfang genommen, und mem es irgend möglich war, der benutte den arbeitsfreien Sonntag, um die Ueberfiedelung aus der alten in die neue Wohnung zu bewerkstelligen. Tausend fleißige Hände regten, halfen fich in munterem Fleiße beim at hen", zugleich das so lange hinter talte Mauern gebannte und sorgsam verborgene Elend den profaren Br'den Der Welt bloßftellen Welche berebic, wenn auch stumme Sprache redeten Die wenigen und dürftigen Habseligkeiten, die herausbefördert wurden aus den Wohnungen der Arbeiter, tie das Hab und Gut des Arbeiters bilden. Segen ist der Mühe Preis! Mit Wehmuth erfüllte es jeden denkenden Menschen, ber Diefen Trauers marsch beobachtete, der sich durch die Straßen der Vorstädte bewegte und mit Verachtung, wenn er das Hohnlächeln bemerkte, das bei diesem Anblick die Lippen beffer Situirter umspielte. Wahrlich, ein folder Umzug" zeugt ergreifend von der Noch des Arbeiterstandes, ergreifender als Worte es vermögen. Eine angenehme häuslichkeit entschädigt für vieles Andere; eine solche fich zu schaffen, werden Entbehrungen aller Art gern ertragen. Wie weit es Vicle, wenn nicht die Meisten, in dieser Hinsicht gebracht haben. bekundet in offenbarfter Weise ein Umzug! Segen ist der Mühe Preis! Möge Dieses ideale Dichterwort für Alle, ohne Ausnahme, zur Wahrs beit werden!
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Eine neue Wuchermanipulation wird von biefigen Geldverleihern, denen durch das Wuchergesez die Prarie etwas beschnitten ist, neuerdings in Szene gefeßt. Dieselben errichten im Auslande Agenturen, von denen aus die Geldofferten nach hier dirigirt werden. Durch ziemlich barmlos aussehende An nonzen werden die Gelobedürftigen angelockt, erhalten aus Baris oder London die Offerten mit verhältnismäßig geringen Binsforderungen, die sich jedoch in dem Verhältniß steigern, wie sich scheinbar oder wirklich erschwerende Momente anfinden, bis der hohe Wuchersaz erreicht ist. Durch diesen Umweg über das Ausland ist der Geldgeber vor der Schärfe des Wuchergesezes geschüßt, der Geldnehmer aber in gleicher Weise wie für seine im Inlande tontrahitte Schulden hafibar. Der Geldgeber, durch seine Zwischenstation maetirt, verkehrt hier am Blas unter den Allüren eines Biedermannet direkt mit bem Seuloner, ohne daß diefer von der Qualität Jenes eine Ahnung bat Charaf eristisch ft, daß mein ein Betrag von 5 bis 10 Mart, je nach der Höhe der verlangten Summe zur Deckung der durch die Erkundigung erforderlichen Kosten" ver Langt wird. Alle Personen, welche mit solchen Instituten in Verbindung treten wollen, seien somit gewarnt.
Gegen den dem Berliner Publitum noch in saftiger Erinnerung gebliebenen Käsehändler G. 2. Vallentin ist, wie man der Staatsb. 8tg." schreibt, abermals bei der hiesigen Kriminalpolizei wegen Verkaufs efelerregender, beziehungsweise gesundheitsschädlicher Bauer eine Anzeige eingegangen. In der felben wird behauptet, daß Vallentin die in hiesigen Butter geschäften alt gewordene und somit verdorbene Butter zum Breise von 38 Pfg. das Pfund einkaufe und diese in feinem Geschäft, Alte Schönhauserstr. 25, unter der Bezeichnung Dred" zu bedeutend höherem Preise wiederverkaufe. Die auf Diese Anzeige von der Kriminalpolizei in den Geschäftsräumen Ballentine fofort, vorgenommene Untersuchung der Bücher ac. resp. Feststellung der in der Antiage gemachten Behauptung, fanden sich in allen Punkten bestätigt. Die Bücher ergaben, daß der Angeklagte die fragliche Butter unter der obigen Bezeichnung in der That verkauft und auch in den ausgestellten Rechnungen diesen Ausdruck geführt hatte. Bei dem Vertriebe Dieses Materials wurde er besonders durch einen Butter händler in der Boyenstraße unterstügt, welcher die von Vallentin unter der bekannten Bezeichnung empfangene Waare in den vers Verantwortlicher Redakteur R.
schiedenen Bäckereien unterzubringen suchte. Während der legten 14 Tage ist nun die Kriminalpolizei eifrig bemüht gereses, festzustellen, an welche Bäckereien die saubere Masse verkauft wurde. Am Freitag, 27. d. M., fand eine weitere Vernehmung Vallentin's, seines Hausknechtes, des Butterhändlers sowie des Antlägers statt. Bei dieser Vernehmung ge stand Vallentin selbst zu, daß er die fragliche Butter allerdings zum Preise von 38 Pf. das Pfund eingekauft und dieselbe dann unter der Bezeichnung Dred" für einen höheren Preis wieder verkauft habe. Diesen Anstoß erregenden Ausdruck habe er absichtlich gewählt, um damit die Waare mit dem rech ten Namen zu bezeichnen und jeglicher Beanstandung derselben vorzubeugen. Er glaube somit sein Geschäft den Käufern gegenüber offen und ehrlich(!) betrieben zu haben und müffe den Kommiffar ersuchen, ihn gegen die unberechtigte Anzeige in Schuß zu nehmen. Soweit ist die Sache bisher gediehen. Ohne der folgenden Untersuchung des vorliegenden Thaibes standes vorgreifen zu wollen, fönnen wir doch nicht umbin, zu bemerken, daß der Preis von 38 Pf. pro Pfund Butter allein schon genügt, um die von Vallentin gehandelte Butter als das erscheinen zu lassen, als was Vallentin fte bezeichnet.
g. Ein entfeßlicher Unglücksfall ereignete fich Sonntag früh gegen 8 Uhr auf dem Grundstück Mezerstraße 20. In der vierten Etage des rechten Seitenflügels hatte die unverehe lichte, 31 Jahre alte Therese Farr ein Bimmer gemiethet welches fte allein bewohnte. Als Sonntag früh um die angegebene Beit der Bizewirth den Hof fäuberte, hörte er plößlich hinter fich einen Fall, und als er sich umblidte, fab er auf dem ge pflasterten of die unverebelichte Farr, das Geficht nach oben, liegen. Db die F. fich in felbfimörderischer Abficht aus dem Fnfter ihrer Wohnung gestürzt hat, oder ob fte verunglückt ist, fonnte bis ist nicht ermittelt werden. Bei näherer Unters fuchung stellte sich heraus, daß der Tod der F. in Folge schwerer innerer Verlegungen auf der Stelle eingetreten war. Die Leiche wurde bis zur Ankunft des Obduktionswagens, mit dem fte nach der Morgue geschafft worden, in der Remise untergebracht. In dem Zimmer der F. fand man außer einer Taschenuhr und verschiedenen anderen Schmucksachen ein Sparfaffenbuch über 60 M., von welchen 21 M. abgehoben waren. Nahrungssorgen scheinen demnach nicht das Motto der That gewesen zu sein. Die F. befigt bier auch noch Eltern, mit benen fle aber nicht im besten Einvernehmen gelebt haben soll; fie wurden von dem traurigen Vorfall sofort benachrichtigt. Daß man es bier mit einer Liebesaffaire zu thun hat, erscheint nicht ausgefchloffer, weil die Verstorbene längere Zeit ein Ver bältniß mit einem Steuereinnehmer, einem Wittwer, unterhalten haben soll.
Belle- Alliance Theater. Wegen Sperrung der Straßen hat die Direktion fich genöthigt gesehen, die heutige Vorstellung ,, Amerikanisch " ausfallen zu laffen und das Theater zu schließen. Morgen geht das Lustspiel, das sich einer sehr beifälligen Aufnahme erfreut, zum 4. Mal in Szene.
Gerichts- Zeitung.
Odessa , 21. März.( Bigamie einer Frau.) In der hies figen Genootspraxis find Bigamie- Prozesse zwar feine seltene Erscheir ung, indem es schon häufig vorkam, daß Männer wegen Bigamie oder Polyaamie auf der Antiagebant erschienen und faft immer freigesprochen wurden. Heute aber beschäftigte bas biefige Schwurgericht ein seltener Fall, in welchem die öfters reichische Unterthanin Sabine Feit aus Böhmen angeklagt war, bei Lebzeiten ihres Mannes, des Kapellmeisters der Flotten Equipage, Wieternit, sich mit dem Stablapitän des russischen Branar Regiments Stanbulow verheirathet zu haben. Der Sachverhalt ist folgender: Jm Jahre 1867 machte der Kapell meifter der Flotten- Equipage, Wjeternit, die Bekanntschaft der damals mit einer böhmischen Mufilgesellschaft in Rußland tonzertirenden Harfeniftin Sabine Feit, die er alsbald liebge wann und nach Bewältigung mancher Hinderniffe als Battin beim führt. Bis zum Jahre 1879 lebten fte in glücklicher Ehe, welcher Diei Kinde: entsproffen, von denen das älteste, ein Mächen, gegen wärtig im 15. Lebensjahre steht. Die Zärtlichkeit des Kapell meisters für seine Frau ging so weit, daß er das in Nikolajem für sein schwer erworbenes Rapital getaufte Haus auf den Namen derselben eintragen ließ und sein ganzes Streben nur darauf gerichtet war, Frau und Kinder glücklich zu machen. Nach zehn bis elfjähriger glücklicher Ehe wurde er nach Jalta vet jezi, um daselbst während des Aufenthaltes der kaiserlichen Familie zu lonzertiren. Bmischen feiner in Nikolajem zurüd gebliebenen Frau und dem Stabskapitän Stanbulow entspann fich inzwischen ein intimes Verhältniß, infolge deffen sie ihren Mann bei deffen Rückkunft äußerst fübl empfing und nach einigen häuslichen Szenen beim fatholischen Geistlichen um die Scheidung von ihrem Manne eintam. Da jedoch dieses Ge such abgelehnt wurde, so suchte fte in Gemeinschaft mit ihrem Liebhaber zunächst ihren Gatten aus ihrem" Hause polizeilich entfernen zu laffen, was ihr als rechtmäßige Eigenthümerin des selben auch nicht schmerfiel. Inzwischen wurde jeternik von einem neuen Schicksalsschlage getroffen, indem er ein Bein brach und während der langen Kur gegen seine Frau nichts unternehmen fonnte. Diese ließ die günstige Gelegenbeit nicht unbenugt vorübergeben, verschaffte fich einen ausländischen Bag auf den Namen der Jungfer Marie Feit und ließ fich im Städi dben Warmatonta mit ihrem schmucken Offizier firchlich trauen. Als der inzwischen wieder hergestellte Mann dies erfuhr, er
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ftattete er die gerichtliche Anzeige, der zu Folge dieser Brozeß entstanden ist. Der Dffizier leugnete, gewußt zu baben, bak feine Gliebte mit Wjeternit kirchlich getraut fet, welche Anseige jedoch durch Aussagen von Beugen widerlegt wurde. Nach durchgeführter geheimer Verhandlung wurde das Paar für schuldig erkannt und der Offizier zur Verbannung nach Sibirien , die Frau zum Verlufte aller Rechte und einem Jahre und drei Monaten Gefängniß verurtheilt.
Soziales und Arbeiterbewegung.
Daß die Konzeffion des Ausschants und Bertaufe von Branntwein nach dem Bedürfniß" nicht die gewünschte Einschränkung des Schnapstrintens herbeiführen kann, dürfte heute ziemlich allgemein zugestanden werden. Man weiß zwor heute noch nicht, in welchem Umfange die Landesregierungen, beziehungsweise die Rommunen die Erlaubniß zur Schant wirthschaft oder zum Kleinhandel mit Branntwein von dem Nachweis eines vorhandenen Bedürfnisses abhängia machen: das alles steht nach dem Gesetz vom 23. Juli 1879 in ihrer freien Befugnis, es ist teine gefeßliche Pflicht. Aber freien Befugnis, es ist eine gefeßliche Pflicht. Aber in den meisten Ländern und Gemeinden wird von dieser Be fugniß wohl Gebrauch gemacht; von Medlenburg gilt fugniß wohl Gebrauch gemacht; von Medlenburg gilt bas ficher und doch hat dort in der legten Jahren die Bahl der strüge ganz rapid zugenommen( vergl. Soziales in Nr. 67). Bleibt aber auch die Zahl der Schantstätten in bescheidenen Grenzen, so ist damit doch noch gar nichts für die Menge des ausgescäniten Branntweins bewiesen. Wer trinken will, findet bazu auch bei einer geringeren Anzahl von Schänken Gelegenheit. Wenn man mit fleinen Maßregeln gegen das Branniweiririnken vorgehen will, so möge man in erster Linie die Brennereien beaufsichtigen, damit sie nicht mehr billigen, aber giftigen Fufel liefern, und weiter möge man fich nicht länger gegen eine Erhöhung der Brannt wein fteuer fpreisen, wie es unfere Großgrundbestyer heute noch thun. Daß die bisherige Besteuerung feine angemessene ift, geht aus folgender Uebersicht der Steuern hervor, welche 1880 nach einer offiziellen schweizer Denkschrift auf einem Liter 50 prozentigen Branntweins rubten:
Großbritannien Kanada . Niederlande Vereinigte Staaten Rußland Norwegen Frankreich Schweiz Finnland Belgien
•
.
240 Centimes,
125
" 1
120
•
"
119
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114
"
97
"
78
11
72
"
46
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46
11
16
11
In dem sechsten Bericht der Kommission für" die Petitionen heißt es daher mit Recht: Sonach dürfte es fich empfehlen, baß eine Neuregelung und Erhöhung der Branntweinsteuer in baltige forgfame Erwäguug gezogen werde." Freilich müßte eine solche Erhöhung, die vorzugsweise die arbeitenden Klassen trifft, lepteren auch wieder zu gute tommen; die Mehrerträge müßten entweder zur Herabminderung anderer indirekter Steuern oder zu Verwendungen benügt werden, die in erster Linie das Wohl der Arbeiter fördern.
Ueber Berliner Bauspekulanten schreibt die Volks zeitung": Die ungesunde Erscheinung des Steigens der Baus stellenpreise hält noch immer an und zwar aus dem Grunde, weil es in Berlin viele Leute giebt, welche nur leben fönnen, so lange fie bauen. Diese laufen von den Baustellenspekulanten um jeden Preis die Baustellen und bebauen fte mit Hilfe der im Gelde schwimmenden Banten. Jft der Bau möglichst billig und schlecht fertig gestellt, so wird mit den Handwerkern unter der Hand affordit, was dieje thun, um nicht noch mehr hineinzufallen. Es wird nun eine sehr hohe erfte Hypothet aufgenommen und mit Hilfe schwindelbaster Miethen ein guter Miethsertrag nachgewiesen. Dann verlauft man das Haus für einen Preis, für welchen es ein solider Unternehmer nicht berstellen tann. Verkauft es sich aber nicht, dann muß die Bank später die Binsen stunden, oder das Haus wird subhastirt. Das ist diesen Leuten aber ganz gleichailtig, denn fie leben aus der Hand in den Mund und fino Fintagefliegen, welche die Gunft des Augenblids benußen. Von diesen namenlosen Bau und Grundstücks- Spekulanten wird der bohe Kurs der Baustellen gemacht und darin liegt eine große Gefahr für den Grundb fit in Berlin . Wir fügen dem hinzu, daß durch dieses schwindelhafte Treiben der Baustellenpreise die Wohnungsmietben erheblich gesteigert werden und die übermäßige allen gefunobeitlichen Anforderungen hohnsprechende Ausnutzung der Grundstücke hervorgerufen wird, die dann wieder, wie gegenwärtig, die Grundbefizer zu wüthenden Gegnern jeder ver nünftigen Beschränkung des Bebauungsrechtes macht. Wenn der Grundbefis durch die Bauordnung ohne Frage geschädigt werden muß, so bat er fich dies lediglich selbst zuzuschreiben.
Dresden . Lage der Bädergehilfen. In einer Versammlung am vorigen Dienstag schilderte Heir Goldstein eingebend die Bedeutung des Normalarbeitstages für das Bäckerhandwerkt. Einen Sonntag fennt der Bäcker nicht, er arbeitet wödentlich zwischen 98-120 Stunden, der 18- stündige Arbeitstag ist die Regel. Die lange Arbeitszeit in den lufi trodenen, niedrigen, von Licht und Luft abgesperrien, mit Mehlstaub geschwängerten Räumen fübit Lungenkatarrbe in Maffe herbet. Von den Anforderniffen an Luft, pro Mann 15 D. M. bei Räumen von 5 D- M. und 3-3 Meter Sims merhöhe( nach Hirt) ist nicht im Entferntesten die Rede. Durch den plöglichen Temperaturwechsel, dem der Bäcker, namentlich im Winter ausgesezt ist, entstehen die bäufigen Rbematismen; durch das beben von 70-100 Bfund schme: en Mehlfäffern und Säden öfters Brüche. Die Erkrankungen entsprechen dem: bei 550 Mitgliedern der lokalen Bäderkranken kaffe ereigneten fich 1883 546 Ekrankungen, dabei 43 Behandlungen im Mo natsdurchschnitt. Der Verdienst ist, der langen Arbeitszeit ent sprechend, sehr schlecht, 8-16 Mat der erste Geselle, 5-9 Mr. Der zweite, 3-5 Mt. der dritte Geselle. Redner beleuchtet ferner die aus der kurzen Ruhepause( 6-8 Stunden) entstehende Gleichgiltigkeit und Stupidität vieler Bäder, thren Hang zum Spiel und Trunt; bie kurze Pause ( zwischen 2-6 Uhr fallend) sei abgesehen vom Schlaf bedürfniß zu furz, die Bäder zu geordneter Ausnugung ihrer freien Beit zu veranlassen. Die 3X8 Stundeneintheilung nach Hufeland sei die normale. Der Arbeiterschußentwurf babe auf 10 Stunden resp. 8 Stunden verlangt. Ueber Ab schaffung der Nachtarbeit der Bäder fei beute nur theoretisch zu reden. In Frankreich existiren die Bestrebungen auf Ab schaffung derselben feit mehreren Menschenaltern. Referent Sprach fich für Schichtarbeit und gefeßliche Regelung der Ar beitsstunden aus, dann würden die arbeitslosen Bäder, beren in Berlin bei 4000 Sebilfen 1600, in Dresden bei 600 ebilfen etwa 100 feien, auch her in die Bäckereien einzurolliren feien. Anhaltender Beifall ward dem Redner am Schlusse der 1- stündigen Auseinander fegungen, welche die Bäder in größter Rube anhörten. In aweiter Linie tam cine Resolution an den Reichstag betreffs 12stündigen Arbeitstages der Bäcker zur Abstimmung, welche einstimmig genehmigt ward. Bei dem dritten Punkte, innere Fragen, ging es oft ftürmisch her. Ueber die schlechte Soft, über die Wohnung, über den faulen Gesellenausschuß und vieles Andere gelangten Klagen zur Kenntniß. Eine vor geschlagene Rommiffion zur Untersuchung der Wohnungs und Arbeitsräume, der Nahrung der Bäder" ward eift an genommen, später wieder tüdgängig gemacht. Eine spätere Versammlung soll darüber befinden. Gleichviel! den Anfang
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haben die Bäder nun gemacht und es giebt kaum einen Ar beitszweig, der nicht so sehr des gesetzlichen Arbeiterschußes b dürfte, wie der der Bäder.
Zum Pariser Nothftand. Der Jahresbericht der unentgelt lichen Nachtherbergen für Männer weift für 1884 eine u nahme der Obdachlosen um 13389 auf, da im ganzen 50 430 derfelben aufgenommen wurden. Die Zunahme trifft besonders auf Erdarbeiter, Gärtner und Taglöhner mit 7636 ( auf 22 880 Aufgenommene dieser Klaffe), Bauarbeiter mit 3245( 4689 im ganzen), Kellner, Köche und Hausknechte mit 2003( 5009 im ganzen) und Handlungsgehilfen mit 240. Hand lungsgehilfen wurden im ganzen 2545 beherbergt. Anderer feits vermochten die Vorstände der drei Nachthe: bergen nur für 1698 der Beherbergten Arbeit zu verschaffen, gegen 2086 im Vorjahr. Leider geht aus dem Bericht auch hervor, daß unfere Landsleute verhältnißmäßig unter allen Aus ländern am stärksten unter den Dbdachlosen vertreten find. Es wurden 1875 obdachslose Reichsangehörige in den drei Nachtherbergen aufgenommen, während die hier ebenso zabl reichen Schweizer ( 36 000) nur 891 beherbergte Obdachlose auf wiesen. Die viel zahlreicheren( etwa 50 000 betragenden) Staliener stellten focar nur 444 Obdachlose. Die 70 000 Belgier ftellten 2073 Obdachlose, also auch ein befferes Ver hältniß als das der Deutschen . Das legtere wiederum unter ben unterſtügten Armen ungemein stark vertreten sind, ist schon früher hervorgehoben worden.
Kleine Mittheilungen.
Mannheim , 27. März. Heute Mittag brach in der Ede eines der großen Arbeitssale der Rh. Gummiwaaren- Fabrit auf bis jett noch nicht aufgeklärte Weise Feuer aus, daß sich mit furchtbarer Schnelliafeit sofort über den größten Theil des weitausgedehnten Etablissements verbreitete. Binnen wenigen Stunden zerstörte das Feuer fast sämmtliche Fabrikgebäude fammt Maschinen und Waarenvorräthen. Nur ein Walgen faal, die große Betriebs- Maschine und das Reffelhaus wurden gerettet. Die Fabrit beschäftigt ca. 600 Arbeiter, welche nun auf längere Beit theilweise ohne Beschäftigung find. Der Schaden dürfte nahezu eine Million betragen, doch find Ge bäude, Maschinen und Vorräthe zum größten Theil verfichert.
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