Nordwesten beordert. Louis Riel   hat den Befehl über die Rebellen niedergelegt. Vorgestern rüdte die berittene Polizei, welche fich in Carleton unter dem Befehl des Hauptmanus Crozier befindet, aus und griff die Aufrührer an, während Die Streitmacht unter Oberft Lieutenant Jrvine, welche 90 Mann zählte, über den Fluß feßte. Hauptmann Crozier 3og fich hierauf wieder nach dem Fort zurüd, nachdem 10 seiner Leute gefallen und 11 verwundet worden waren. Später ver einigten fich die beiden Detachements. 80 der Aufrührer fielen in dem Treffen, und die Uebrigen haben einen schleunigen Rückzug nach dem Westen angetreten.

In Bentral Amerita soll es einer Depesche aus La Libertad zu Folge zwischen den Truppen von Honduras  und San Salvador   bereits zu Scharmügeln gekommen sein. In Merito giebt sich nach in New- Yort eingelaufenen Nach richten eine sehr triegerische Stimmung gegen Barrios, den Präsidenten von Guatemala  , fund. Die Bereinigten Staaten von Amerita haben ein Geschwader entsandt, welches den Gang der Ereignisse in Bentral Amerika beobachten soll.

Lokales.

Für die Hinterbliebenen der verunglückten Berg­lente der Zeche Camphausen find uns aus der Laternens Fabrit von S. Müller, Stalizer ft r. 5, 6 Mart und 5 Pf. zugegangen.

( Wir haben angesichts der traurigen Verhältnisse unter den Arbeitern und in Erwägung, daß dieselben von allen Seiten leider zu sehr in Anspruch genommen werden, von einer Aufforderung zum Sammeln für die unglücklichen Familien Abstand genommen. Doch find wir gerne bereit, uns diesbezüglich zugehende Gelder den Betroffenen zu übermitteln. Die Redaktion.)

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Das Anschlußgeleise, welches von der Görlitzer Bahn nach dem Bahnhof Treptow der Stadt und Ringbahn ge baut wird, geht mit Riesenschritten seiner Vollendung entgegen und wird in höchstens vier Wochen dem Betriebsamt über geben werden. Das Geleise hat nur eine Länge von 550 m. Das dazu erforderliche Terrain hat von fünf Gärtnern aus Treptow  , im Wege der Zwangsveräußerung, erworben werden müssen und ist auf 140 000 t. geschäßt worden. Einer der Eigenthümer, Gärtner Hoffmann, der nur eine Spiße des hinteren Theils seines Gartens bat abtreten müssen, hat diese Spize allein mit 22 000 Mt. bezahlt bekommen. Dieser Bau ist noch nicht vollendet und schon wieder werden von der Direktion der Stadt- und Ringbahn auf ver schiedenen Bahnhöfen derselben Neus, resp. Umbauten projektirt. Es liegen namentlich zwei solcher Projekte zur Be rathung vor. Bunächst soll der Personen- Bahnhof Rigdorf ver legt werden. Es wird beabsichtigt, denselben mehr nach Tempelhof   zu, in die Nähe der Hermannstraße( Brizer Chauffee) zu bringen, das Niveau des jezigen Bahnhofs alsdann auszu höhen, die jest vernagelte Holstreppe, welche früher den Ueber gang der Bergstraße in Rigdorf vermittelte, wegfallen zu laffen und an Stelle deren eine Unterführung, womöglich auch für Fuhrwerk, herzustellen. Der neue Personen- Bahnhof soll dann für das Publikum mit mehr Komfort ausgestattet werden und namentlich ein Restaurant erhalten. Ebenso wird beabsichtigt, Das Stationsgebäude auf Bahnhof Tempelhof unmittelbar an die Chauffee zu verlegen und dasselbe direkt von der Chauffee aus durch eine Treppe zugänglich zu machen. Es würde als dann die lange Rampe von der Chauffee nach dem Stations gebäude wegfallen und mit Fuhrwert ankommende Reisende würden direkt aus diesem in das Bahnhofsgebäude eintreten tönnen. Auch hier soll beim Neubau auf ein Restaurant Rüd ficht genommen werden. Diese Neubauten liegen zwar erst als Projekte vor, sollen jedoch an maßgebender Stelle Fürsprache finden, so daß an deren Annahme taum zu zweifeln ist.

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Wieder ruft der Nuntius zwei Damen auf aber anstatt ihrer erscheinen zwet Herren- die beiderseitigen Anwälte. Man genirt fich offenbar, versönlich zu erscheinen. Desto besser. Denn wo zwei Anwälte allein anwesend find, da ist ein Ver gleich schnell geschlossen.... Charakteristisch ist in jedem Falle die Thatsache, daß sich im Bimmer Nr. 24 größtentheils das schönere Geschlecht Rendezvous giebt unter fünfzehn Streit sachen find faum zwei, in denen sich Männer gegenüberstehen. Aus diesem Grunde wird man es begreiflich finden, daß dort verhältnismäßig nur sehr wenig Vergleiche อน Stande tommen; nur felten gelingt 28 Drm Richter, eine Aussöhnung herbeizuführen. Gewöhnlich bestehen die Damen auf ihrem Schein, d. b. fte verlangen Bestrafung des Beklagten, find aber dann höchlichst erstaunt, wenn der Spieß umgelehrt, wenn gegen fie Widerklage ers hoben wird und dann nicht selten die Klägerin als Verurtheilte, Die Angeklagte aber als Freigesproche aus der Affaire hervor geht. Dann giebts Weinträmpfe auf der einen und Lachsalven auf der anderen Seite Wuthausbrüche aber auf Seiten des unschuldigen Ehemannes, der die ganze Geschichte zu bezahlen hat. Was für eine Rohorte von Xantippen, Klatschweibern und spißzüngigen Damen wohl so im Verlauf eines Monats an den armen Richtern vorüberzieht? Jedenfalls zeigt fich im Zimmer Nr. 24 das schwächere Geschlecht nicht gerade von der ver führerischften Seite, dagegen von einer Zungengewandtheit, daß den Hörern angst und bange wird. Wie oft würden, wäre nicht ein achtunggebietender, breitschultriger Nuntius zur Stelle, in diesem Raume nicht nur die Geister, sondern auch die Gegnerinnen aufeinanderplagen, wie mancher federumwallte but wäre wohl schon in der Blüthe des Daseins gelnidt, wie manches Chignon hier ohne die Intervention der beamtlichen Autorität von zarter Hand zu scheußlichen Klumpen geballt worden?!

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Ein Besuch in der Morgue. Wer sich in der Sorge um einen vermigten Angehörigen oder aus Wißbegter" zu einem Besuch des schaurigen Ortes entschließt, wohin die Leichen von Berunglückten und von Selbstmördern gebracht werden, Der weiß vorher, daß ihm ein Schauspiel geboten werden wird, das selbst die stärksten Nerven zu erschüttern geeignet ist. Und wahrlich, der Anblick, welcher sich vorgestern dem Besucher der Morgue bot, war einer der schaurigsten seiner Art. In dem Kellerlofal, das nur durch Luken sein Licht erhält, lagen, wie Das B. T." erzählt, auf hölzernen Britschen ausgestreckt, fieben Leichen bei einander, entfleidet, mit Laten halb bedeckt während die Kleider, in denen fte gefunden worden, auf Leinen herum hingen. Es waren ausschließlich Selbstmörder, und die verschiedensten Todesarten vertreten, deren die Unglücklichen fich bedient, um den Staub des Jrdischen abzuschütteln". Der Eine batte fich erhängt, sein Hals zeigte noch die Spuren Der Strangulation; ein Anderer hatte sich erschossen; er hatte, um des Todes sicher zu sein, die Schußwaffe mit Wasser ge laden und fich das Geficht völlig zerschmettert. Drei Andere waren Ertrunkene; abseits bei einander in der Ecke lag das unglückliche Paar, deffen wir bereits Erwähnung gethan. Ein unbeschreibliches Etwas in dem Aussehen dieses unglücklichen Baares ließ erkennen, daß dasselbe den besseren Ständen ans gehört haben dürfte. Der Mann mochte in der ersten Hälfte der Dreißiger sein, seine Gestalt ist gewaltig, fein mit einem fleinen dunklen Schnurrbart geziertes Geficht hat einen trogig vornehmen Ausdruck. Das Mädchen oder die junge Frau, Deren glatte Körperformen, deren noch immer sierliches Geficht mit dem aufgebundenen dunklen haar von der I gendfrische der Lebenden erzählt, befindet sich in gefegneten Umständen. und in diesen Umständen ist wohl der Kernpunkt und die Ent räthselung des Dramas zu suchen, das einen so erschütternden Abschluß gefunden hat. Ein Liebesverhältniß, das nicht ohne Folgen geblieben, während der Vereinigung der Liebenden sich unübersteigliche Hindernisse in den Weg legten- ein gemein fam ausgeführter Sprung ins Waffer, deffen todtbringenden Ausgang die Verzweifelnden sich durch Umbinden von schweren Gewichten gesichert... Bis jest find die Leichen noch nicht Bis jegt find die Leichen noch nicht refognoszirt worden; ihre Bestattung hat bereits stattgefunden. Als wir den schaurigen Drt verlassen und wieder ins Freie traten, schien draußen die warme Frühlingssonne, eine Schaar Schulkinder mit Botanifirtrommeln zog jubelnd vorüber. Welche Gegenfäße!

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g. Vor dem Juftizgebäude in Moabit  , und zwar in der Straße Alt- Dioabit", nach welcher die Fenster der im Barterre belegenen Abtheilungen des Schöffengerichts hinaus geben, fab man gestern Vormittag einen Velosipedisten mit einem Trigylle( Dreirädrigem Fahrzeug) eine Beit lang auf und abfahren, plößlich bremsen, Biegungen machen, auf und ab­springen eine Vorführung, welche namentlich in dem Staats anwalt, dem Vorsitzenden und den Schöffen einer Abtheilung fehr aufmerksame Buschauer fand. Es handelte sich hier um die Lieferung des Beweises eines Radfahrers, der wieder einmal wegen Fahrens mit einem Trisykle von der Polizei ein Straf mandat erhalten und die richterliche Entscheidung beantragt hatte, daß ein Trisykle ein gewöhnliches Fahrzeug fei und den Vertebr nicht störe. Die Beweisführung ad oculus gelang Verkehr nicht störe. Die Beweisführung ad oculus gelang vollkommen, der Velosipedist wurde analog einer früheren Entscheidung freigesprochen.

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a. Eine Ladendiebin. Ein fiebzehnjähriges Kindermädchen, unverebelichte R., welches als Nebengewerbe den Ladendiebstahl betrieben hat, ist gestern zur Haft gebracht worden. Die R. befindet sich bei dem Bankier D. in der Küraffterstraße im Dienst, welchem vor einer Woche vom Küchentisch ein 3wanzig­markstück gestohlen worden war. D. verdächtigte die R. des Diebstahls, welche jedoch beharrlich bestritt, den Diebstahl ver übt zu haben. Vorgestern Vormittag durchsuchte die Dienst herrschaft den Koffer der R., und fie fand darin in einer fleinen Schachtel eine Granatbroche und Granatohrringe, welche Schmucksachen mit dem Auszeichnungsvermert eines dem Bankier D. bekannten Juweliers in der Kommandantenstraße versehen waren. Bantier D. vermuthete nun, daß die R. für die gestohlenen 20 Mt. fich den Schmuck gekauft hätte, und er

Wer es gründlich kennen lernen will, das Berliner  Leben mit seinen Licht und Schattenseiten, mit seinen Leiden und Freuden, mit seinen kleinen Ränken und tollen Schwänken, mit seinem grobförnigen Humor und seiner unverwüftlichen Laune, der pilgere hinaus nach Moabit   in die stolzen Hallen der Themis, die der mit Spreewaffer Getaufte ,, den neuen Moltenmarit" zu nennen pflegt. Hier wird er wie der ,, B.- K." versichert, die eingehendsten Studien machen können, die inter effantesten Modelle finden. Während aber vor den Schwur gerichten und den Straflammern, die über Tod und Leben oder oft lebenslange Freiheitsentziehung zu entscheiden haben, fich die trasfesten Bilder aus dem Leben der Großstadt entrollen, Das Verbrechen in seiner ganzen Stufenleiter von dem ge schniegelten Bauernfänger mit der Talmi- Eleganz an bis zum hobläugigen Mörder erscheint, liegt es den Schöffengerichten ob, die fleinen Vergehen und Uebertretungen, an den Gesezess verächtern zu abnden. Eine besondere Spezies bei dieser legten Kategorie bilden die Beleidigungen", Bimmer 24 ist der Drt, wo diese gelindere Sorte von Frevelthaten, die man an seinem lieben Nebenmenschen begeht, gefühnt werden. ,, Klatsch Tammer" heißt fie im Munde des Richters, Wasch tüche" nennt sie das Volt, weil dort in der That die schmußigefte Wäsche gewaschen wird. Hier giebt es keinen Rechtsanwalt, der ex officio einschreitet, tein Fünf- Richter Rol legium mit einem halben Dußend Referendaren, ein Richter, flantirt von zwei oft sehr selbstbewußten Schöffen mit einem Gerichtsschreiber als Protokoll führende Sugabe das ist der das ist der Dafür ist aber ganze richterliche Apparat in diesem Raume. hier das Parteien Publikum ein weit mannigfaltigeres, als in den anderen Strafgerichtssälen. Denn während jene Räume aum größten Theil doch nur durch das gewohnheitsmäßige oder Gelegenheits- Verbrecherthum frequentirt werden, erscheinen hier in Nr. 24 zumeist unbescholtene Personen aus allen Ständen, die ein pikanter Klatsch, eine kleinere Reiberei oder eine dem ähnliche Veranlassung hierherführt. Hier tritt z. B. die Frau Geheimräthin ungenirt flagend gegen ihr impertinentes Dienst mädchen auf und sucht mehr durch ihre Bungenfertigkeit als burch plausible Beweisführung die Unwahrheit der Betegab sich, um Aufklärung zu verlangen, sofort zu dem Ju hauptung au demonftriren, daß fich Das Mädchen ชน ihr nicht habe fatt effen Tönnen!" Eine ganze Reihe von Beuginnen, zumeist Vorgängerinnen der Beklagten  , müssen die verleumderische Behauptung eidlich entkräften. Das Dienstmädchen wird schließlich zu 10 Mart Strafe verurtheilt, aber auf der Frau Räthin bleibt troßdem das Odium lasten, daß man fich bei ihr nicht fatt effe". Aehrlich ergeht es einer jungen Frau, die als Klägerin einem leichtfinnigen jungen Manne gegenübersteht, der in öffentlichem Lotale ihre eheliche Treue anzuzweifeln wagte. Der Angeklagte erbietet sich, den Wahrheitsbeweis anzutreten und das Gericht ist icht in der Lage, denselben pure abjulebnen. Der Termin wird vertagt und schluchzend verläßt die junge Frau den Gerichtssaalste ist ungewiß, wer aus diesem Prozesse fleg Dase hat er mir je reich hervorgeben wird! schumpfen!" Mit diesem aus tieffter Seele tommenden Schmerzensschrei stellt sich dem Richter eine breitlendige, robuste Dame der Halle gegenüber und faßt vor dem Richter tisch  , die Hände in die Site geftemmt, Posto. Die Vor haltung des Richters, daß sich der Roſenamen Dase" doch faum auf fie, als Frau bezogen haben tönne, läßt die viers fie will par Schrötige Duenna völlig unbeantwortet eines älteren Die Bestrafung Des Angeklagten, tout Mannes, der seinerseits verfichert, gar nicht daran ge haben, die Klägerin zu beleidigen. Auch dacht zu die Beweisaufnahme läßt es ungewiß, ob fich der beleidigende Sie wird Ausdruck, Dchfe" auf die Klägerin bezogen habe. deshalb mit ihrem Alageantrage zurückgewiesen und muß die Kosten des Verfahrens obendrein noch tragen. Natürlich quittirt sie die Freisprechung ihres angeblichen Beleidigers mit einer wenig ehrerbietigen Aeußerung, bevor fte fich entfernt....

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welter, welcher den Schmuck als sein Eigenthum wiedererkannte. Diesen Schmuck hatte ihm im Februar cr. ein junges Mädchen, welches in den Laden getreten war, fich Granatschmucksachen zur Auswahl hatte vorlegen lassen und ohne zu laufen sich so­bann eilig entfernt hatte, gestohlen, und die von D. herbei geholte R. wurde vom Juwelier als die Diebin bestimmt wiedererkannt. Die R., welche jest auch ihrem Dienstberrn gegenüber den Diebstahl der 20 t. einräumte, wurde festge nommen und zur Haft gebracht. Bei der nunmehr erfolgten sorgsamen Durchsuchung ihrer Sachen wurde ein Brief ihrer Mutter vorgefunden, worin diese fich für zahlreiche von der Tochter empfangene Geschenke bedankte. Diese Geschenke rüh ren wahrscheinlich auch aus Ladendiebstählen her, da der Lohn der R. zu solchen Ausgaben nicht ausreichte.

Ueber den seit dem 15. b. M. von hier verschwun denen und inzwischen von der Staatsanwaltschaft steckbrieflich verfolgten Kaufmann Adolf Löwenheim, dem Prokuristen der Konfettionsfirma Benjamin und Kaspary, find inzwischen das Borleben des Betrügers genugsam charakterifitende Thatsachen bekannt geworden. Er ist bereits, was auch seinen Chefs bis her nicht bekannt gewesen, in Bolnisch Krone vor etwa 15 Jahren wegen betrügerischen Banferutts mit zwei Jabren Bucht haus bestraft worden. Nach Verbüßung dieser Strafe tam Löwenheim nach Berlin   und mußte fich in ganz turzer Zeit das Vertrauen seiner Chefs in dem Maße zu erwerben, daß thm sehr bald die Profura für das umfangreiche Geschäft über. fragen wurde. In welcher großartigen Weise Löwenbeim seine Chefs zu beftehlen pflegte, geht daraus hervor, daß er in diesem Jahre bis zu seiner Flucht, also in dem Zeitraum von sechs Wochen, 14 000 Mt. aus der Geschäftstaffe fich ange­eignet hatte, auch seine Erstattungspflicht hierzu ausdrücklich an­

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erkannte. Die Summe, welche Löwenheim durchschnittlich im Jahre verbrauchte, berechnet man nach der Ger. 8tg." auf 13 bis 15 000 M. Tros dieser bedeutenden erschwindelten Baarmittel, welche er durch Fälschungen der Bücher sehr ge schickt zu verdecken wußte, scheute fich Löwenheim nicht, den Versuch zu machen, einen Kondukteur der Großen Pferdebahn­Besellschaft auf der Strecke Werderscher Markt Potsdamer Brücke um das Fahrgeld in Höhe von 10 Bf. zu betrügen. Der Kondukteur ließ Löwenbeim durch einen Schußmann feft. nehmen und beantragte des Betrügers Bestrafung. Löwenheim wurde auch wegen versuchten Betruges angeklagt, vom Schöffens gericht abet freigesprochen, weil angenommen wurde, daß der reiche Mann" nicht die Abficht gehabt, einer so geringfügigen Summe wegen fich einen widerrechtlichen Vermögensvortheil zu verschaffen. Gegen diese Entscheidung legte der Staatsanwalt Berufung ein. Bur Verhandlung in der Berufungsinstanz konnte Löwenheim aber nicht geladen werden, da er fich in zwischen aus dem Staube gemacht hatte.

a. In Bezug auf die Verhaftung eines hiesigen be­tannten Künstlers wegen Meineides, welche von einigen Blättern erwähnt ist erfahren wir, daß es in dem der gegen den Künstler erhobenen Beschuldigung zum Grunde liegenden Falle fich nicht um unftttliche Handlungen gegen ein Kind und dem Anscheine nach überhaupt nicht um ein Sittlichkeits- Ber­gehen des Verhafteten handelt. Derselbe war vielmehr vor längere: Beit in einer Strafverhandlung gegen eine Frauens person wegen Erpreffung als Beuge vorgeladen, da die Anges tlagte beschuldigt war, neben anderen Personen auch gegen ihn Erpressungsversuche gemacht zu haben. Bei seiner Vernehmung wurde ihm gegenüber auf intime Beziehungen, welche er zu einer Dame gehabt haben sollte, angespielt, und obwohl der Beuge nicht nöthig gehabt hätte, dieser Behauptung gegenüber fich zu äußern, so stellte er doch auf seinen Beugeneid die vor geworfenen intimen Beziehungen in Abrede. Neuerdings find jedoch Thatumstände zur Kenntniß der Staatsanwaltschaft ge langt, welche die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Meineides gegen jenen Künstler und gegen mehrere andere an der Affaire betheiligte Personen zur Folge gehabt haben, und im Verlaufe dieses Verfahrens find auf richterlichen Haftbefehl der Künstler und die mitbeschuldigten Personen verhaftet worden.

Dak felbst die Volksküche den Spizbuben Stoff zur Arbeit liefert, beweist ein Fall, in dem ein der Kriminalpolizei als Leichenfledderer" befannter Mensch beim Besuche der Vollstüche nicht Anstand nahm, ein Stück Schweinefleisch von 10 Pfund Gewicht mitgehen zu heißen. Es selbst aufzuzehren, scheint der saubere Patron wegen der Fettigkeit des Stückes nicht im Stande gewesen zu sein, er suchte es daher für 30 Pf. an den Mann zu bringen; hierbei wurde er aber festge­nommen. Wie er selbst gestanden haben soll, ift er bei einer Fledderei einer schweren Leiche" in der Stallschreiberstraße betheiligt gewesen. Ein Angetrunkener war von einem Unbe tannten damals in ein aus dieser Straße genommen worden, damit er dort seinen Rausch ausschlafen solle. Das Erwachen aus diesem war aber für den Betreffenden sehr unangenehm; benn Hut, Rock  , Stiefeln, Uhr und Stiefeln waren verschwun den, der barmherzige Samariter, der sich seiner schwankenden Seele angenommen hatte, aber ebenfalls. Jest scheint man ihn in der Person des oben erwähnten Schweinefleischdiebes ergriffen zu haben.

Studentenübermuth. Vier Studenten saßen, wie der M. 3" von hier geschrieben wird, oben auf dem Deck eines Pferdebahn Wagens. Dicht bei der Stralsunderstraße, wo fte ab­steigen wollten, begann der Eine im schärfften Fahren die Treppe binabausteigen. Seine drei Freunde standen auch auf, er ging ihnen zu langsam. Wir kommen rascher' runter," riefen fle ibm zu, er ftritt dagegen ein furzes Flüstern zwischen den Dreien, und zu gleicher Zeit sprangen die tollkühnen Menschen oben vom Deck herab mitten im Fahren auf das Straßen pflaster. Es scheint, daß nicht nur die Kinder, sondern auch die Studenten ihren eigenen Schußengel haben( legtere vielleicht Bacchus?), denn fte tamen ohne jeden Schaden davon.

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N. Hundebiß. Eine schwere Verlegung durch einen Hunde big erlitt vorgeftern Vormittag in der Blumenthalstraße der 10jährige Sohn eines dort wohnenden Bahnarbeiters Hamann. Der Knabe war beim Spielen mit anderen Kindern einem vor einen Kohlenwagen gespannten großen Hund zu nabe getoms men und hatte das Thier dadurch so wüthend gemacht, daß es Den Knaben tros dos Maulforbes in den Fuß biß und das Knie zerfleischte. Der vor Schmerz halb ohnmächtige, heftig blutende Rnabe mußte in der elterlichen Wohnung in ärztliche Behandlung genommen werden, während das bisfige Thier auf Wunsch der Mutter thierärztlich untersucht werden soll.

a. In der Raubmordsache gegen Zwiebler, welcher wegen des Raubmordversuchs gegen den Knaben Adercast vers haftet ist, ist die Voruntersuchung geschloffen und die Akten der felben sind der Staatsanwaltschaft behufs Erhebung der Anklage zugestellt worden. Dem Untersuchungsrichter Herrn Land gerichtsrath Hollmann gegenüber hat übrigens der angeschul digte Swiebler, welcher von vorn herein auf den inzwischen gleichfalls verhafteten Tute" Lehmann die Ausführung der That hat abwälzen wollen, ein hartnäckiges Schveigen beobachtet. Der verlegte Knabe Adercast ist jest vollständig wieder her gestellt.

a. Eine start in Verwesung übergegangene Leiche eines girta 35 Jahre alten, anscheinend dem Handwerkerftande angehörigen Mannes ist an der Unterschleuse aus dem Land­mehrtanal am 27. b. M. gezogen worden, deren Identität noch nicht festgestellt ist. Der Mann, welcher fich zweifellos selbst getödtet hat, ist von mittler Statur, mit dunklen Haaren und Schnurrbart, dunklem Anzug; er führte ein leeres Portemon nate, drei Schlüffel und eine Haarbüfte bei fich.

Polizei- Bericht. In der Nacht zum 28. b. M. war der Arbeiter Jäckel in dem Hause Ritterstraße Nr. 72 mit der leberwachung von Koatstörben, welche in einem Zimmer zum Austrockenen einer neu gezogenen Wand aufgestellt waren, betraut worden. Am Morgen wurden Thür und Fenster ges schloffen und derselbe todt vorgefunden. Vermuthlich hat er in selbstmörderischer Absicht Thür und Fenster geschlossen und ist in Folge des entwidelten Rohienoryogases erstickt. Am 28. d. Mts. früh wurde von einem Gelreiten des Garde- Schüßens Bataillons in dem bewaldeten Theile der Hasenhaide neben dem Schießstand 24a ein dem Arbeiterstande angehörender, 40 bis 45 Jahre alter Mann an einem Baum erhängt aufges funden. An demselben Tage Nachmittags fiel ein unbelannter etwa 35-40 Jahre alter, dem Arbeiterstande angehörender Mann vor dem Hause Mühlendam Nr. 9 anscheinend in Folge eines Krampfanfalles zur Erde. Er wurde nach der Wache des 1. Polizei- Reviers gebracht, wo von dem hinzugezogenen Arzt der inzwischen bereits eingetretene Tod tonstatirt wurde. Die Leiche wurde nach dem Obduktionshause geschafft.- Bu derselben Beit wurde ein 4 Jahre alter Knabe von einem im Scharfen Trabe aus der Heinersdorfer in die Greiswalderstraße einbirgenden Schlächterwagen überfahren und erlitt dabei, außer einem Bruch des linken Oberarms, so schwere innere Verlegungen, daß er nach dem Krantenhause im Friedrichshain  gebracht werden mußte. Um dieselbe Zeit verunglückte der auf Dem Holzplage Sellerstraße 2 beschäftigte Arbeiter Schießer Dadurch, daß, als er von einem Stoß aufgestapelter Bretter eines derfelben hervorzuziehen versuchte, er den Stapel umrig und die Bretter ihm auf den Körper fielen, wob i er einen Schenkelbruch und eine Quetschung beider Hände erlitt. Nach Anlegung eines Nothverbandes wurde er nach dem Augufta Hospital gebracht. Am 29. d. M. Vormittags stürzte fich ein Mädchen aus dem Fenster seiner in der Megerstraße 4 Tr. hoch belegenen Wohnung auf den Hof hinab und verstarb auf ber Stelle. Die Leiche wurde nach dem Obduktionshause geschafft.