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Sonnabend, 30. Mat 1885.

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II. Jabrg.

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Berliner Volksblatt.

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das Berliner Volksblatt" erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf. Boftabonnement 4 Mt. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags- Nummer mit illustr. Beilage 10 Pf. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1885 unter Nr. 746.)

Redaktion: Beuthstraße 2.-

Der heutigen Nummer liegt für unsere auswärtigen bonnenten die Nummer 26 des" Juustrirtes Sonntags Blatt" bet.

Abonnements- Einladung.

Mit dem 1. Juni eröffnen wir ein neues Abonnement auf das

Berliner Volksblatt"

alt der Gratis- Beilage

" Illustrirtes Sonntagsblatt".

-

Insertionsgebühr

beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf. Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., 3immerstraße 44, sowie von allen Annoncens Bureaux, ohne Erhöhung des Preifes, angenommen.

Expedition: Zimmerstraße 44.

Schuh der nationalen Arbeit.

Daß die Kapitalistenkreise, welche die Phrase immer im Munde führen, am wenigften nach derselben handeln, ist unsern Lesern bekannt. Haben wir doch schon mehr. mals die Thatsache erörtert, daß unsere Unternehmer, wo es eben möglich ist, billige italienische und polnische Ar beitskräfte heranziehen, unbekümmert barum, ob deutsche Arbeiter arbeitslos mit Weib und Rind hungern müssen.

Drastischer aber, wie die konservative Schlesische Beitung", welche behauptet, daß die Konkurrenz aus­wärtiger billiger Arbeiter ein Segen für die deutsche Industrie und zugleich ein Segen für die deutschen Arbeiter felbft fei, hat noch niemals Jemand eine schlechte Sache vertheidigt.

zweiten Rategorie sein. Ein schwer zu überwinden der Nachtheil würde es aber sein, wenn benje igen Personen der Uebertritt vermehrt werden follte, die täg­lich aus Polen zur Arbeit tommen. Nament lich auf ben hiesigen Zinkerzgruben rekrutiren sich die unterften Arbeiterklassen, Schlepper, Wagenstößer, Tagearbeiter, sowie die Ar beiterinnen in den Erz Aufbereitungsanstalten größtentheils aus Polen . So beschäftigen beispiels weise die Gruben: Scharley etwa 100, Bletscharley etwa 260, Neue Helene etwa 40, Cäcilie etwa 220, Wilhelms» glüd etwa 60 täglich zur Schicht kommende, jenseits der Grenze wohnende Arbeiter. Die Burüdweisung dier Leute würde nicht nur für die Gruben einen zunächst gar nicht zu ersehenden Aus­fall hervorrufen, sondern auch für die Diefelbe Zeitung, welche es natürlich, wie sämmtliche diesseitigen Arbeiter von Nachtheil sein, ihrer Kolleginnen für recht und in der Ordnung hält, daß weil bie Bolen in die beffer bezahlten Ar aus politischen Gründen russische Unterthanen gegenwärtig beiterkategorien nicht einrangirt werden, aus Preußen ausgewiesen werden, welche es für selbstverso daß die einheimischen Arbeiter rafd ständlich erklärt, daß das polnische Element nicht in Deutschland wachse und sich stärke, erklärt dennoch die An­wesenheit zahlreicher Arbeiter aus ruffisch Polen für einen Segen für das Land. Man mag nun über die Aus­weisung der Russen denken, wie man will; wir halten die felbe für teine politische Nothwendigkeit, aber wenn man fich einmal auf den Standpunkt der Ausweisung stellt, so dürfen in der That auch die ruffisch polnischen Arbeiter nicht verschont werden, welche ben Lohn der deutschen Arbeiter herabdrücken. Hören wir aber zu nächst die sophistischen Argumentationen der Schlesischen Beitung."

Das Berliner Boltsblatt" ist das einzige Organ in Berlin , welches für eine wahrhaft freifinnige Sozialreform ein. kitt. Alle Freunde einer solchen haben beshalb die Pflicht, für die weiteste Berbreitung des Blattes Sorge zu tragen. Der Leserkreis des Berliner Boltsblatt" ist zwar erfreu Acher Weise ein recht großer geworden, allein als Drgan für ble Intereffen der werkthätigen Bevölkerung müßte daffelbe einen noch weitaus größeren haben. Das Berliner Voitsblatt" darf bet teinem Arbeiter und Handwerker, in teiner Fabrit und in leiner Familie fehlen. Der Ruf nach Reformen, nach Befferung unferer wirthschaftlichen Zustände wird um soviel stärker wider ballen, je größer die Bahl der Abonnenten des Berliner Boltsblatt" fein wird. Und darum suche jeder Leser und Freund des Blattes vereint mit uns dahin zu wirken, daß das Berliner Volksblatt" die ihm gebührende Stellung unter der Tagespreffe einnimmt.

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Die Redaktion wird fich nach wie vor bemühen, den Lesern techt viel Interessantes und Belehrendes zu bieten, und fie bird bazu um so mehr in der Lage sein, je größer der Leser des Blattes fich gestaltet. Eine ganz besondere Sorgfalt wird in Bulunft den tommunalen Angelegenheiten gewidmet werden; die Verhandlungen der Stadtverordneten- Bersamm lung fomobl, als auch alle sonstigen wichtigen Vorgänge inner Berliner Boltsblatt" Aufnahme finden.

Der Abonnementspreis des

Berliner Volksblatt" mit der wöchentlichen Gratis.Beilage

Boche 35

Illustrirtes Sonntagsblatt"

beträgt für Berlin pro Monat 1 Mart 35 Pf., pro

1.

Bestellungen nehmen sämmtliche Spediteure, sowie die Expedition dieser Beitung, Simmerstraße 44, entgegen. Die neu hinzutretenden Abonnenten erhalten die bisher fchienenen Nummern des

Illustrirtes Sonntagsblatt"

tatis und franto nachgeliefert.

Me den Monat Juni gegen Bahlung von 1 M. 34 Bf. an. Für Außerhalb nehmen alle Bostanstalten Abonnements Die Redaktion und Expedition des Berliner Volksblatt."

45]

cud verboten.]

Feuilleton.

3m Eckfenster.

Roman von Friedrich Gerstäder. ( Fortsetzung.)

dall

ch, ich erinnere mich," nidte ber Hauptmann büfter or fich hin, ich habe bamals bavon gehört. Apropcs, lieber Notar, fennen Sie den Grafen Rauten?"

Bon Ansehen, ja, sonst nicht." Was halten Sie von ihm?"

Der Notar zudte die Achseln. Er ist ein gar vor­nehmer Herr und hier mit ben angesehenften Familien be­freundet, ja, wie ich höre, wirb er in furzer Zeit sogar die einzige Tochter bes reichen Solberg heirathen."

Unb wo stammt er her?"

Der

wird sich doch jebenfalls darüber informirt haben, ehe er ihm seine Tochter gab."

Notar audte mit den Achseln. Herr von Solberg

Dürrbed

schwieg, und wieder schweifte sein Blick nach

bem Fenster hinauf, wo sich das junge Mädchen noch immer

laffen tonnte.

Bunächst meint dieselbe, baß die Regierung die bes rechtigten Wünsche der oberschlesischen Grenzindustrie wohl berücksichtigen würde, und fährt bann fort:

Die hier beschäftigten russisch polnischen Unterthanen fönnen in drei Kategorien getheilt werden: 1) in solche Perfonen, welche diesseits ihren dauernden Aufenthalt ge nommen und ihren eigentlichen Wohnsiz hier haben; 2) in folche, welche ihren Wohnfiß und Hausstand jenseits der Grenze haben, aber sich während der Woche hier im Quartier befinden und nur an Sonn- und Feiertagen nach Polen zurückkehren; 3) in folche, welche täglich die Grenze hin und zurück überschreiten und sich nur während der Ar­beitszeit hier aufhalten. Der Zweck der gegenwärtig von ber Regierung in Szene gefeßten Maßregeln dürfte wesents lich durch Ausweisung der Personen der ersten, übrigens zahlreichen Kategorie erreicht werden; eine empfindliche Schädigung der Industrie wäre dadurch nicht zu befürchten. Bedeutend empfindlicher würde der Wegfall der

Notar Püfter ging noch eine Weile, nachdem ihn der Hauptmann verlaffen hatte, mit einem sehr vergnügten Ge ficht in seinem Bimmer auf und ab und rieb sich dabei, still vor sich hin lächelnd, die Hände scharf zusammen. Er hatte fich schon lange gewünscht, den Direktor ba brüben einmal in feiner eigenen Klaufe zu überraschen, und die Gelegenheit bot sich jetzt in vortrefflicher Weise. Aber wann sollte er morgen? Und warum nicht gleich? War aber gehen morgen? Und warum nicht gleich? War aber ber Direktor zu Hause? Er trat an sein Fenster und schaute hinüber; das Fenster drüben war gefchloffen, aber er fab fich trotzdem bort etwas bewegen, das fast einem wehenden Federbusch glich, und ohne Weiteres seinen Hut

aufgreifend, fagte er zu Mur : Ich komme gleich wieder," und ließ dem Entschlusse auch rasch die That folgen.

aufrüden. Im Interesse der oberschlesischen Industrie liegt es demnach, daß die Arbeiterkategorien sub 2 und 3, wenigftens aber die letzteren, den hiesigen Werken nicht vers loren geben."

"

So die Schlesische Zeitung", die sich dazu hergiebt, für den Kapitalismus bie Kastanien aus bem Feuer zu holen.

Wir haben schon zu wiederholten Malen erklärt, daß wir an sich nichts gegen die fremden Arbeiter haben, da auch deutsche Arbeiter in die Fremde gehen, um ihr Brod Au. verbienen. Aber wir sind Gegner derjenigen fremden Arbeiter, die nach Deutschland fommen, um Arbeit zu nehmen, wenn sie bedürfnißloser find, als die heimischen deutschen Arbeiter. Dann brücken sie den Lohn herab und machen den deutschen Arbeitern eine verderbliche Ronkurrenz.

Und diese Bedürfnißlosigkeit konstatirt ja ausdrücklich die Schlesische Zeitung." Die untersten Arbeiterklaffen" und die Arbeiterinnen in den Aufbereitungsanstalten" rekrutiren sich ja gerade aus den russischen Polen .

Was ist denn die Folge davon? Zunächst sei bemerkt, daß Oberschlesien ein sehr dicht bevölkertes Land ist, welches weitaus genügende Arbeitskräfte stellen kann; bann find die oberschlesischen Arbeiter, die durch den Klerus auf einer tiefen Bildungsstufe gehalten werden, immer noch intelli­genter und weniger bedürfnißlos, als die Arbeiter aus Russisch- Polen, so daß sie die sogenannte niebere Arbeit, zu denen die Russen für einen Hungerlohn zu haben sind, nicht leisten wollen zu demselben Preise.

Deshalb ziehen gerade aus Oberschlesien alljährlich

-

ohne Weiteres die Thür und fand sich auch im nächsten Augen­blid nicht etwa dem Direktor, sondern ben wirklichen Grafen Wetter von Strahl gegenüber, der ihm in voller Rüstung, mit geschlossenem Visir und gezogenem Degen so gegenüber stand, als ob er ihm die geflammte, wuchtige Klinge ohne weitere Warnung in's Herz stoßen wollte.

Büfter, sonst und im gewöhnlichen Leben nicht im Geringsten scheu oder selbst nur schüchtern, fuhr doch fast unwillkürlich einen halben Schritt zurüd, benn auf eine solche Erscheinung war er nicht vorbereitet gewesen, und Sußmeyer sah auch in der That imposant genug aus. Gr Meffingsierrathen ausgelegte Blechrüstung gelleibet. Auf bem Ropfe trug er einen mächtigen Helm, dessen blau und weißer, hoher Federbusch sogar die Decke des nicht sehr hohen Zimmers streifte. Die Füße falen in spitzen Schnabel

Als er unten an der Hausthür von Direktor Sußmeyer getlingelt und dem Glockenspiel da brinnen eine Weile ge lauscht hatte, öffnete ihm endlich eine alte Frau, die Hausschuhen, auch mit Blech belegt, und Arm- wie Beinschienen hälterin des Mimen.

Herr Direktor zu Hause?"

" Ja, der Herr Direktor find oben. Wen soll ich melden?" fiel von seiner Schulter nieder.

mit seinen Blumen beschäftigte. Das Wetter war heute Ich bin der Notar Püfter von nebenan und komme in einer wieber fo warm geworden, daß man sie recht gut im Freien Geschäftssache, die seine Zeit nur wenige Minuten in An­

Befchidt?"

spruch nehmen wird."

Aber er spielt beut Abend..

Und ist bas junge Mädchen da oken im Nähen Erziehung weit über ihre jebigen Verhältnisse erhalten, und Nicht allein im Nähen, Herr Hauptmann; fie hat eine zwei" Treppen hoch"

Arbeit burchbringt."

" Das schabet nichts, die Sache ist wichtig. Eine oder Ah, er stedt wieber oben, zwei Treppen, gleich die mal hintereinander die Treppe gestiegen, und meine alten

um jo ehrenvoller daher, daß fie fich mit ihrer Hände erste Thür rechts; flopfen Sie nur an! Ich bin jetzt fünf

Derlegen ift."

Dürrbed, und ich weiß, daß fie um gute Arbeiterinnen Meine Braut hat jetzt so viel zu nähen," sagte Beine wollen nicht mehr mit."

Wohnung.

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Püßer hatte ein so ehrwürdiges Aussehen, daß die alte Frau es ihm selber überließ, sich hinauf zu finden;

Auch das läßt sich vielleicht vereinen; ich werde meine habe ich Ihre Beit schon zu lange in Anspruch genommen. haft an. Also auf Wiedersehen, Herr Notar!" Und mit freundlichem Bruße wandte er sich dem Ausgang zu.

" Das junge Mädchen arbeitet aber nicht außer seiner kam er dem Herrn dann nicht gelegen, so konnte der ihn ja einfach wieder fortschicken. Der hatte seine Manier, bie Leute enge Leute los zu werden. Der Notar indeffen stieg die enge

mit den dazu gehörenden Handschuhen vollendeten ben Ritter wie er leibte und lebte; ja selbst die blau und weiße Schärpe

War denn das der Direktor? Denn sein Gesicht konnte

er durch das geschlossene Visir natürlich nicht erkennen; aber er sollte barüber nicht lange im Zweifel bleiben, benn hohl aus dem Blech heraus tönten die Worte:

moWo willst Du, fühner Frembling, bin, Wen fuchst Du hier im Heiligthum?" 98 sizin Habe ich das Vergnügen, mit Herrn Direktor Suß meyer zu sprechen?" Der Ritter zögerte einen Augenblid mit der Antwort. Noch stand er, das nur etwas gesenkte Schwert vor fich ausgestreckt, ben rechten Fuß vor, den Kopf zurüdgeworfen, und den linken, mit dem Schilde bewehrten Arm wie zu augenblicklicher Vertheidigung balb gebogen. Er hatte aber jedenfalls seinen Nachbar, den Notar, erkannt, mit bem er außerdem schon mehrere Beziehungen gehabt. Plöglich nahm er das Schwert, wie er es mit einem und mit der rechten Hand das Vifir emporshiebend und sich dabei artig und modern verneigend, fagte er, er dem Advokaten die gepanzerte Rechte

Braut jebenfalls darauf aufmerksam machen. Aber jetzt Treppe hinan, fand die bezeichnete Thür und flopfte herz Regenschirm gethan haben würde, unter den linken Arm,

Wer geht ba?" donnerte eine Stimme von innen heraus, und das als eine Art von Herein" betrachtend, öffnete er

indem