Nr. 127.Donnerstag, 4, Juni 1885.IL Jahrg.nlimVMlal!Brgan für die Interessen der Arbeiter.Das..Berliner Volksblatt". 35 Pf.Pf. Sonntags-Nummer mit illustr. Beilage 10 Pf.(Eingetragen in der PostzeitungSpreislist« für 1885 unter Nr. 746.)Jnsertionsgebührbeträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf.Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 UhrNachmittags in der Expedition, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sonne von allm Annoncen.Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen.Redaktion: Kenthstraße 2.— Expedition: Zimmerstraße 44.Wo bleiben die Theerjacken?. Die Gesellschaft für Rettung Schiff>* lft chiger hat in diesen Tagen zu Stuttgart ihren StowRB abgehalten und über ihre Wirksamkeit i« Allgemeine«•«friedigende Mlttheilunaen gemacht. Man wird dieser Ge-Schaft, deren Thätigkcit auf«inen in der That gemein»?°iigen Zweck gerichtet ist, seine Anerkennung nicht ver»>l»gen können, namentlich wenn man einen Vergleich zieht]j*ische» Emst und Jetzt. Wenn früher ein Fahrzeug*«in« Seeküpe strandete oder scheiterte, so verfiel e«.rt Insassen und Ladung de« barbarischen„Strand»ik ch t", d. h. die Strandbewobner hatten da»„Rechi",der über Bord geworsenen Güter zu bemächtige». Di«Habsucht hat viele dieser Strandbewohner oft zu wahre»Wnen gemacht, gleich den Hyänen de» Schlachtfeldes; e»«m vor, daß fie die arme» an den Strand geworfenenschiffbrüchigen tödtete«, um fich ungestört ihre» Eigenthum«»«»ächtigen zu können. Diese»„Strandrecht" wird leiderJ®ch nn einigen Punkten, wen» auch nicht gerade�im schlimmsteno, Wir habe« indessen bei de« bunten und glänzende»!?«sellschast, die zu Stuttgart al» Kongreß der GesellschaftV Rettung Schiffbrüchiger zusammenttat, Ein» mitschmerzen vermißt: die Theerjacken. Mit anderenLveten: Bei den zahlreiche« Toaste» hat man mit keine«?Wte jener kühnen und opfermüthigen Seeleute,scher und Strandbewohner gedacht, dieeigentliche RettungSwerk zu voll,gnge» haben, wenn«in Schiff an ihrer Küstedet oder scheitert. Man toastirte auf die Schönheiten»Stadt Stuttgart und auf ihre Damen und ein biederertoWab, toastirte zur Erwiderung auch auf die Frau de»�sitzenden der Gesellschaft, de» bekannten Konsul»J"*««« au« Bremen. Welche Verdienste fich diese DameLi** Rettung von Schiffbrüchigen erworben hat, ist un»Nicht bekannt geworden.S®«i allem verdienstvollen Wirken der Gesellschaft seidoch auch bemerkt, daß die Thätigkeit ihrer Mi»-«iTü**"�er gefahrvoll noch anstrengend ist. Viele Mit»find durchaus„Landratten" und haben nochMü»(ig von Sturm bewegte» Meer gesehen,J�ttß« denn fich selbst den gebrechlichen Planken' Schiffe« anvertraut. Ei find recht vermögende Leute,&./%«»«'cht schwer wird, ihren jährlichen Beitrag an die-).�kchaft zu zahlen. 33,000 Mitglieder haben vor einige«gjte« 112,000 Mark jährlich gezahlt; man steht also, da«für de» Einzelnen war nicht allzugroß. Dazu ge»■ i———Vma taMaL] gfeuiffcf on.� Im Eckfenster.Roman von Friedrich»erftäcker.(Fortsetzung.)� Schaller warf einen flüchtigen Blick»ach ihm hinüber,»j.. stauten aber gar nicht beachtet«; er schien mit feinenGedanke» beschäftigt.Ihnen gerade entgegen kam ein junger, auffallend blass.rda» Gehe» schien ihm»och schwer zu werde«—»il� chei�lich ei» Kranker oder ein Rekonvaleszent, der denA»? Frühlingstag benutzte, um hier in den freundlichenfrische Luft zu schöpfen.? Raute« schaute über ihn hin. ohne ihn zu be»� oder wenigsten« zu beachten. Der Man» gehörteÜ�n.fcheiiitjch de« Handwerkerstand« an; er sah auch da»daß dieser plötzlich stehe« blieb u»d mit weitE.'ßfoffene» Augen de» Grafen anstarrte, al« ob er einenm I Lesehen hätte. Schaller jedoch, der die Augen überallW schien, entging da« nicht, und unwillkürlich fastidtti* ff'h'n und hielt dadurch seinen Begleiter ebenfall«'..Letzt wurde Rauten natürlich auch auf den?«»"Wethalb bleiben wir stehen, Schaller?"Sie den Bursche» da?"ein Betrunke-d-n7 für.� Trunkenen steht er zua= Oua I O.o_ m-i.___.___« L___:j. w.1,6 mit IllCD nachdffck w:...—v«n*#ot!"der st«,®* konnte ich machen," nickt« Schaller, indem er�»ng von Rauten« Ar« folgt« und mit ihm im>(iß®?®a«dt«,„zu versäumen hätte ich doch nicht«, da«�»dia,. ,i den» die nächsten zehn Tage bin ich zu voll»� Unthätigkeit verdammt."staltet fich«in Kongreß gewöhnlich zu einem ganz hübsche»Sommerausflug.Unter diese» Umständen war«» gewiß nicht schön,auch nicht mit einem einzigen Wort derbraven„Theerjacken" zu gedenken, die viel»leicht an demselben Abend, an welchem der Kongreß inStuttgart bei fröhlicher Abendunterhaltung beisammen saß,Leben oder Gesundheit auf« Spiel setzten, um Schiffbrüchigezu retten. Niemand kennt diese namenlosen Helden, die ameinsamen Strand Wacht halten, jeden Augenblick bereit,der stürmische« See ihr Opfer zu entreißen. Den Ruh«für ihr« Thaten ernte« andere Leute.In einsamer dürftiger Hütte fitzt Abend« der See-mann oder Fischer. Draußen heult der Stur«, so daß manjeden Augenblick befürchten muß, er möchte da«Dach der kleinen Behausung abdecken. Er möchte fichschlafen legen, allein heute könnte ein Schiff an dieKlippen geworfen werden. Und richtig; bald klopft«* andie Thür«; die Nachbarn find schon beisammen:«» giebt„etwa» zu thun". Bald ertönt e« von rauhen Kehlendurch den Stur«:„Schip up Strand!" und die Rettereilen herbei. Pechfackeln werde« angezündet und manschafft eilig die ÄettungSgeräthschasten au« den Lager»räume«. Diese Gerätbschaften angeschafft zu haben,ist da« Verdienst der Gesellschaft; fie hat die Mittel dazuaufgebracht. Den anderen, schwierigen Theil der Rettungbesorgen die Theerjacken.Der Fischer eilt au« seiner Hütte, drückt der treuenGattin die Hand und wirft noch einen Blick auf seineschlafenden Kinder, deren einziger Ernährer nunmehr Lebenund Gesundheit für unbekannte Mitmenschen im Name»der Menschlichkeit auf» Spiel setzt. Und dann geht« hin«au« in den Sturm. Da» Rettungsboot muß auf einemWagen bis an den Strand gefahren werde»; die Wogenrollen weit in« Land hinein; Blitze fahren aus den Wolken»masse», die entsetzte» Pferde bäumen fich hoch auf,endlich aber wird da« Boot flott und die kräftige» Fäusteder Theerjacken treiben e« mit raschen Ruderschlägen durchdie tosenden Wogen. Manchmal verschlingt die grimmeFluth da» rettend« Boot mit allen Insassen; gewöhnlichaber gelingt die Hilfe und ein Kindergeschrei begrüßt dietapferen Seeleute, die von Seewasser triefend, aber mit derFreude eine« gelungenen gute» Werke« auf den wetterge-bräunten Gefichtern zum ficheren Ufer mit den Gerettetenzurückkehren.E» ist wahrlich eine bescheidene Forderung, wenn manverlangt, daß auf dem Kongresse dieser namenlosen undbescheidenen Helden de« Strande« auch hätte wenigsten«gedacht werden sollen. Dies« Fischer können und wollenvon sich kein Aufsehen» in den Zeitungen machen.Di« beide« Herren waren der neuen Richtung übrigen»nur eine kurze Strecke gefolgt, al» Schaller Schritte dichthinter fich hört« und, wie er nur den Kopf wandte, auchschon die Hand de« bleichen Menschen auf seinem Armfühlte. Im erste» Momente erschrak er wirklich und fuhr etwa«zmück, und auch Raute«, der im Nu den Menschen wiedererkannte, riß seinen Arm au» Schaller'«, um den Burfchen,fall« er eine drohend« Miene mache» sollte, zufassen. Dieseraber schien nicht die geringste feindliche Absicht zu haben, ersah auch in der That zu schwach und gebrochen au«, so daß«an ihm schon nicht« Böse« zutrauen konnte.„Wa» wollen Sie?" rief ihn Schaller jetzt rauh an.„Nicht« Unrechte«, lieber Herr," sagte der Blasse,„nureine Bitte hätte ich an Sie..."„Und ist da« eine Manier, Spaziergänger hier amArme zu fassen und dan» auch noch auf offener Promenade an-zubetteln?" rief Schaller, wie au« einer oberen Etage auf»hn herabsehend.„Nicht betteln, Herr, nicht betteln will ich— nur—nur eine Frage an Sie richte«. Wie heißt der Herr daneben Ihnen?"„Wie ich heiße?" rief Rauten erstaunt au»—„undwenn Sie da« wissen«ollen,««»halb frage» Sie«ich danicht selber? Graf Rauten ist mein Name! Wa««olle»Sie von mir?"„Graf Rauten," stammelte der Fremd«, ohne denstieren Blick von dem junge» Mann zu nehmen.„So'wa« ist mir doch noch nicht vorgekommen!" sagteSchaller ärgerlich.„Kommen Sie, Rauten, der Mensch istverrückt."„Nun,«a» wollin Sie von mir?" fragte aber deraf noch einmal, indem er de» vorwärt» drängendenSchaller zurückhielt.„Ich? Nein— nicht«," stammelte der Mann verwirrt—„nur eine Aehnlichkeit..."„Er ist verrückt," sagte Schaller noch einmal und zogRauten jetzt mit sich fort.„Haben Sie den» den Bursche»schon einmal gesehen?"„Nie in meine« Leben," lachte Rauten;„übrigen«muß ich irgend Jemandem sehr ähnlich sehen, denn da» istWir wiederholen nochmals: Di« Verdienste d* Ge»»ächstea Mal doch«in billig denkender Mann, der de»braven Theerjacken die klein« Genugthuung berettet, daßauch ihrer rühmend gedacht wird.DoUtiscke Nebersickt.Die Debatte« und Beschlüsse der deutsche« Lehrer»Versammlung waren nicht nach dem Herzen der offl,iö,en undreaklionären Pnsse. Eo schreibt die„Nordd- Allg. Ztg.":„Die deutschen Lehreroersammlungen begnügen fich nicht damit,schultechnische Fragen zu erörtern und bezüglich derselben ein___ Ti?— M--- l �-w-- n"--------- jeA-SSSSSSS4S» www*höheren Flug, einen schulpolittschen. Wir hadm schongelegentlich früherer Versommlungen unser Bedauern darüberauSgesprochm, daß dieselben für den Lehrerstaud eine Auto«rität dem Staate gegenüber in Anspruch nehmen; daßfie, wie erst unlängst gesagt wurde, von fich au« da»Verhältniß de« Staate« zur Schule bestimmen wollen.Und wie den Staaten, so auch der Kirche gegenüber.Gerade diese 26. Versammlung mit ihren Beschlüssen überkonfessionslose Schulen, über Fabrikgesetzgebung,oder die Organisation de« Schulwesen» bezeichnet höchstcharakteristisch den hochstiegen den Geist, welcher in diese Ver»sammlungen, zum großen Schaden ihre« möglichen Effekt»,eingedrungen ist; die Anmaßung nämlich, die wichtig»st en Aufgaben religiöser und nationaler Er»ziehung den Herren VolkSschullehrern zuüberlassen, welche schon nicht mehr zufrieden find mitdem Ruhme de«„flegreichen Schulmeister«", sondern maßgebendfür die Kulturentwickelung überhaupt sein wollen. In diesergeistigen DiSpofition ist allerdtng» vor Allem der Eifer fürdie konfesstonSlose Schule leicht verständlich; denn wenn dieHerren Volksschullehier für Depofitäie der jeweiligen Bildungund Kultur gelten, können sie fich nicht davon entbinden»in der Volksschule daS verbindliche Moralgesetz zu geben,e« der Familie oder der Kirche hinterher oder nebenbei über-lassen, den Kindern auch eiwas von Religion beizubringen.Woher die Volksschule ihre stttlichenJdeale unter Jgno»rirung deS Christenthums nehmen will, ob au« den wechselndenphilosophischen Systemen, von denen die neuesten dem NchUiS»mu» zu Gu>e gekommen find, wird nicht gesagt; die Beiseite»schiebung der konfesfionellen ReltgiovSlehre au« der Volksschulezu Gunsten der I n d i v i d u a l- Auffassung dürfte oft genugGelegenheit geben, fich der derühmten Xenien zu erinnern;Wie Einer ist— so ist sein Gott; drum wird auchGott so oft zum Spott! Wir haben gewiß die höchsteAchtung vor den Leistungen unserer Volksschule; aber eineOmnipotenz. wie die Lehrerversammlungen unter Beiseiteschie»dung des Staate« und der Kirche für dieselbe in Anspruchnehmen, wird ihr doch Niemand zugestehen wollen."— Dt«jetzt da» zweit« Mal. daß tch hier in Rhodenburg von mirwildfremden Menschen angeredet werde."„Und Sie haben doch eigentlich gar so kein allgewöbn»liche» Gesicht," meinte Schaller, indem er seinen Beglette«von der Seite ansah.„Ich weiß nicht, woher«» kommt; aber dieser Menschschien mir wirklich seiner Sinne»icht mächtig. Er sah bleichund elend au», und die Augen lagen ihm stier im Kopfe.Die Polizei hier in Rhodevburg ist so ruhige, Natur, daßfie»ie einen Menschen für gefährlich hält, di» er nichtwirklich einmal irgendwo eingebrochen ist und ei« paar an«der« Leute todtgeschlage» hat— von wa« sprachen wir zu»letzt. Schaller?"„Ja, ich weiß«» wahrhaftig nicht mehr; der verrückt«Mensch hat«ich selber konfu» gemacht— Hop ihn derTeufel! Wa« brauchen wir un« auch darüber de» Kopfzu zerbreche«, ob er in ei» Narrenhau« gehört odernicht l"_Advokat Püstcr kehrte von eine« Ausgange zurückund faad auf seinem Pulte die indeß für ihn eingetroffe»nen Briefe und Zeitungen. Di« letzteren schob er luchzurück und brach«inen der Brief« nach dem ander» auf.Au« dem vierten siel ein« Photographie, die Mux, dergerade neben ihm stand, aufhob und auf da« Pult legt«.„Hm," brummte Püster,„da» ist der Brief von Hamburg,Mux, und die Photographie kannst Du einmal Deine«Herrn—»ie heißt er gleich: Bummel?"„Hummel, Herr Notar."„Ach ja— Hummel, zeigen; da« ist ei« ellenlangerBrief, und noch dazu Englisch; den kann ich«icht einmallesen. Wenn Frauenzimmer etwa» zu sagen haben,«a»fie in»wei Wort« bringen könnte«, müssen fie immer gleichein Aktenstück darau« machen. Lie« de« Brief und übersetz«mir dann die wichtigen Punkte. Laß einmal die Photo«graphie sehen— hm, da« Gesicht kommt mir selber be»"annt vor— Donnerwetter, de« Mensche» habe ich dochcho» hier gesehen? Kennst Du ihn nicht, Mux? Wo Hab«ich denn m-ine Lupe?"Mux nahm da» kleine Bild und betrachtete*# einen