Nr. 133.Don«erftag, 11. Juni 1885.II. Jahrg.ßrrlinrrDolblilallDrgan für die Interessen der Arbeiter.Das�.___„Berliner B-lksblatt"Ncheml täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. WonnementSpreiZ für*krlin frei in s Haus vierteljährlich 4 Mark, monatlich 1,35 Mark, wöchentlich 35 Pf."»stabonnement 4 Mf. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags-Nummer mit illustr. Vellage 10 Pf.(Eingetragen in ver PostzeiwngSpreiSlist« für 1885 unter Nr. 746.)Jnfertionsgebührbeträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf.Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 UhrNachmittags in der Expeditton, Berlin SW., Zimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen«Bureaux, ohne Erhöhung deS Preises, angenommen.Redaktion: Keachstraße 2.— Expedition: Zimmerstraße 44.üani 3D« Verfälschung der vahrungsmMel.Die Enthüllungen der„Deutschen Fleischer- Zeitung"Iber die Verwendung von Pferdefleisch bei*er Wurstfabrikation haben allgemeines Aufsehenangt und einige Blätter bringen heftig« Artikel über dieAngelegenheit. DaS hat seinen besonderen Grund. ES»urde schon seit langer Zeit Pferdefleisch in Massen fürNmdfleisch verkaust oder in die Würste gehackt. Dochpschah da», so glaubt« man, nur in Läden und Nestau»sntionen, no Arbeiter und„kleine Leute" zu billigen«eisen ihren Bedarf an Fleisch und Würsten bezogen.Da kümmerte man fich weniger darum; ja wir erinnern***, daß vor wenigen Jahren ein sogenannter Gelehrter«t« Arbeitern den Rath gab, sich nur von PferdefleischSl nähren, da e» ja billiger sei. E« giebt Leute, die da»ferdefleisch ganz gerne esse«. Aber sie bilden«ine Minder-phl und wen« dennoch heut« viel Pferdefleisch al»solche» gekaust wird, so geschieht die» au» Roth,wre man in einer belagerten Sadt, wo die gewöhn«2$**„ Lebensmittel ausgegangen sind. sich vonPferdefleisch nährt. Die Übergroß« Mehrzahl de»Volke» aber hat einen Widerwillen gegen da« Pferdefleisch,«KfJ0 al» man ja gewöhnlich keine jungen und' sonder« alte und abgetriebene Droschken»' 5* soll gewiß Niemand verhindert sein,Pserdeflelsch zu essen, der daran Geschmack findet. Wennß voi«in uuverschämter Betrug und mcht» Andere«.«e.„.,iat nian mit einem Mal entdeckt, daß da»Vterdeflerfch auch i» sogenannt« bessere Restaurant» vorge»orunge»»st und daß«an auch in Delikatessenhandlunge«sogenannte hochfeine Wurst empfängt, die nur ordinär«Pserdewurst ist. Da ist natürlich die Entrüstung groß.Un» haben diese Vorfälle weiter nicht überrascht;«»»ar längst öffentliche« Geheimniß, daß man bei Würstenvor dem Pferdefleisch fast nirgend» sicher ist. Die Sacheliegt auch sehr einfach. Unter de« heutigen wirth»schaftlich«» Zuständen, wo»achgerade in der in»vustriellen Arbeit die Frauen- und Kinderarbeit zu do«»tiniren beginnt,»erden eine Meng« von Männer«-llberzählig", müssen ihre» galernte» Beruf verlaflen undsich eine» andere» Erwerb suchen. Nicht» ist natürlicher,*1» daß sie sich auf den Zwischenhandel werfen,v«r deshalb eine geradezu erstaunliche Ueberzahl auf»freist. Di« Zahl der Gastwirthe, der FeUwaaren», Wurst«vnd Borkost» Handlungen nimmt immer»och zu oder e»frerde« wenigsten« da immer wieder neue solche GeschäfteErgründet, wo die alten zu Grund« gegangen find. Da«Msteht eine fürchterlich« Konkunenz; jede, Händler will*** urtou*] JeuMeton.«5i Äm Eckfenster.Roman von Friedrich verstäcker.(Fortsetzung.)_ Jetzt fiel sein Blick zufällig, denn er hastete sonst am«öden, auf«in« sich ihm nähernde Gestalt— e« warhauten mit seiner steten Nonchalanze, der, den Spazier»"ock zwischen zwei Fingern, über die Promenade schlendert«**h, a[|«t dem Hauptmann begegnete, mit eine« vornehmBmtt~■"~""—'—Hebung der Hand gegen die Dienstmütze zu erwidern, sagte£:„Herr Gras, ich streue mich, Ihnen hier zu begegnen.jlch komme soeben au« Ihrer Wohnung, hatte aber nichtvw Glück, Sie dort zu finden— dürft« ich Sie um zwei�orte bitten?"�„Mit Vergnügen, Herr Hauptmann," erwidert« Grafbauten, indem er sich dabei aber«och wo möglich einfr-nig höher emporrichtete, al» e» sonst seine Art und«eis,»at-.womit kann ich Ihnen d,en«n?"„„Nu, mit einer Antwort." sagt« Dürrbeck trocken.-Erinnern Sie fich noch, wa» Sie gestern Abend»m Kafö,K ich mich selber schon in dem Lokal befand, undßber et»« Dame vom Theater geäußert haben?Ä Svber»a« damit zusammenhängt viel zu unbedeutend»st,JvJI unsere Ausmersamkeit länger al» für den Moment i«tI'sseln. E» würde schwer und außerdem eine sehr undank-bar, Arbeit sein, ein solche» Gespräch noch«»mal amUchsten Morgen zu rekapituliren— doch wa» bez»»«ckt IhreSrag,,-.»Ich will sehr deutlich sein," saate Dürrbeck, de«vir augenscheinliche Hohn in Rauten'« Worten nicht ent-und der sich jetzt»irklich Müh« gebe» mußte, um nur»öthig« Fassung zu bewahr.—„Sie äußerten fichbilliger sein al« der andere und«» komme« die gräulichste»Gcschäft»praktike« auf, wobei ftellich zu beachte» ist, daßdie Händler oft selbst die von ihre« Lieferanten Betrogene»sind. Gewiß befinden fich unter den Händler» eine Mengevon reellen Leuten; eine nicht minder große Anzahl aberwill um jeden Prei» Geschäfte machen. Eine ganze Reihevon Leuten schlägt seine» Unterhalt auf den Prei» derMaaren, bis sie endlich in die Hände der wirklichen Kon-sumentea kommen, der dann für Alle aufkommen muß.Und da man doch billig kaufe» will, so werde» oft Mittelangewendet, die unter alle» Umstände» verwerflich find.Man verfälscht die Waare» und dies« Praxi» beginntsich auch in de» sogenannten besseren Geschäfte»«inzu-bürgern oder hat sich schon«ingebürgert. Da» ist eineFolge der steigenden Massenarmuth.Wir baden nun allerding» ein ziemlich scharfe»Nahrung»miUelgesetz, daß fich gegen die Verfälschungen an-»enden läßt. Allein die« Gesetz hat seine Lücken, theiweisewird e» auch nicht scharf genug angewendet. Man gehtunsere» Erachten» nicht systematisch genug vor. Welch un>geheurer Schwindel wird nur mtt der B u t t e r getriebenund wieviel Zentner„Kunstbutter" werde« alljährlich al»„Naturbutter" verkauft werden? Nennen fich alle Geschäfte,die Kunstbutter vertreiben, auch Kunstbutterhandlungen?Wohl nur zum allergeringsten Theil. Man sollte st« aberdoch zwing«» können, auf ihre Firmen wenigsten« dieWahrheit zu setzen.Die Verfälschung von Waare» durch dm Schwer-spat wird seit Jahre» in umfassendster Weise betrieben.Der Schwerspath oder Baryt ist an und für sich ei» ganzunschuldige» Material; er wird indessen durch bergmännische»Betrieb«assenweise gewonnen und in eigen» dazu errichteten Mühlen zu Pulver verarbeitet. Dieser pulverisirteSchwerspath, der viel im Odenwald und Spessartgewonnen wird, hat keinen andern Zweck, al» zur Ver-tälschung zu dienm. Man vermengt mit dieser weiß«»Mass« Bleiweiß, Mehl, Zucker, Gewürze u. s.».,um bei« Gewicht zu gewinnen. Wer sich heute gemahlenenPfeffer kaust, wird häufig bei demselben auf Sand beiße»;da» ist der Schwerspath. Sogar Echiffätaue hat manschon mit Schwerspath versetzt, um sie schwerer zu mache».Eine politisch bekannte Persönlichkeit hatte an der mittlermWeser eine Schwerspath-Fabrik errichtet, wo ein„Felsen-meer" zu Pulver verarbeitet wurde, täglich etwa 30 Zentner.Deise« große„Felsenmeer" ist in die Mägen deutscher Kon-summte»«it Mehl, Zucker und Gewürzm«ingeführtworden.Sollte hier die Behörde nicht einschreitm und dieFabrikation von Substanzen verschiedmtr Nüancm, dieoffenbar nur dazu diene», die Nahrungsmittel zu ver-fälschen?über Fräulein Blmdheim in einer eine» Gentleman nichtwürdige» Weise..."„Herr Hauptmann!" fuhr Graf Raute« auf.„Sie wissen, daß Fräulein Blendheim meine Verlobteist..."' Rauten hatte heftig werden»ollen, gewann aber raschsein« alte, nur um so«ehr provozirenve Kaltblütigkeitwieder.„Ich weiß da»?" sagte er ruhig.„Haben Siemir Ihre Braut vorgestellt oder mir nur«ine Karte ge-sandt? Woher soll ich e» wisse»? Au» den Stadtklatschetwa, der sich«it solchen Dingen befaßt? Ich leihe de«kein Ohr."Dürrbeck biß die Zähne fest auf einander.„Ichftage Sie den« hiermit," sagte er mit vor innerer Auf-regung zitternder Stimme,„ob Sie, al» Sie jene Worteäußerten,«ußtm, daß ich mich im Zimmer befand odernicht."„Mein Herr Hauptmann," sagte Raute» mtt dergrößte« Ruhe,„ich weiß mich nicht«ehr darauf zu er-mner». E» ist möglich, daß ich Sie gesehen odergehört hatte, aber auch da» Gegentheil kann der Fall ge-wesen sein."„Sie weichen mir au»..."„Nicht im Geringsten; ich erkläre Ihnen nur hiereinfach, daß ich, wenn ich Sie auch gesehen hätte, trotz-de« keine Aeußerung über irgend eme der dem Publikumvollständig preisgegebenen Theaterdamen, so weit e» näm»lich«tn Urtheil über sie betrifft, zurückgehalten habe»würde. Zu diesen aber gehört die Blendhe,«..„Fräulein Blendheim." wenn ich Sie bitte» darf I" fuhrDürrbeck empor, denn seine Geduld lief au».„Und weshalb Fräulein?" lächelte der Graf.„Beiderlei Personen setzm wir unter un» immer nur den Ar-tikel vor."knirrschte jetzt Dürrbeck zwischen denrch,„eigentlich gehörte Dir.einhnenficht!"Da» genügt," sagte der Grafwir Md jetzt auf dem Punkt angelangt,lag in'»lächelnd;„ich glaube,de» Sie herbei-Von den Virfälschungen der Getränke, al» da findWein, Bier u. f. w.»ollen wir«eiter nicht rede«;«» istbekannt, wie ungeheuerliche Leistungen da die Fälschungaufzuweisen hat und die letzten Bierplantscher-Prozeffe inBaiern habe» wieder dedauern»werthe Enthüllungen ge-liefert.Derartige Auswüchse hängen, wie wir gezeigt, nochmtt unsere» nmthschaftftchen Zuständen zusammen. Da»könnte aber d,e Behörden nicht hindern, streng und scharfgegen die Urheb«, der Nahrungtmittelverfälschungen vor-zugehen und zwar gegen d,e Urheber jeglicher Art,nicht nur gegen die Händler, sonder» gegen alle Personen,die dazu beitragen, die Volksgesundheit zu gefährde» oderdie für gute» Geld dem Käufer ein« andere Waare auf-hängen, al» er verlangt hat.Ver russisch-englische Konfliktist noch nicht beigelegt, wie optimistische Nachrichten verkündigthatten. Und wir können sogar mtt Bestimmthett sagen- e rwird überhaupt nicht beigelegt werden. Wo soflagrante GeaensStze vorhanden, so schroff widerstrettend« In««reffen im Spiele find, da kann von einer Beilegung über«Haupt nicht die Rede sein. Da müssen entweder die Verhält-uiffe fich vollständig ändern, oder der Ettett muß durch da»dieselbe Macht, welch« durch ihre Ansprüche und Uebergriffe denFrieden stört: Rußland.Durch die Fortschritte Rußland» in Zentralasten hat die__._ rusfisch. englischenKonflikt nur ein Theil der großm orientalischen Frageist. Unter türkischer Frage verstehen wir die Zukunft derTürkei, den Befitz der Balkanhalbinsel und namerttlich Kon«fiantinoptli und der Dardanellen.Hier auf der Balkanhaldinsel, wie in Zentralafien ist e», lde Macht, welche durch"ieden stört; Rußland.Durch die Fortschorientalische Frag«, die ursprünglich fich auf die Frage der Er-Haltung oder Erbschaft de» türkischm Reiches beschränkte, fichwesentlich erweitert und fie umfaßt nun die weitere Frage:soll Rußland über Asien und insbesondereüber Indien ebenso herrschen, wie e» die Herrschaft überda» türkische Gebiet in Europa beansprucht?Von Rußland ist nicht zu verlangen, daß e» auf diese seine„Ansprüche" verzichte. Die Erobererpolttik gehört zu seinemWesen— fie ist ihm Lebensbedingung. Wir meinen natürlichda»»arische, da» despotische Rußland.Im Moment, wo Rußland tn die Reihe der konstllu»tionellen Staaten einträte und eine wirkliche Volksvertretunghätte, würde eS ftellich aufhören, ein Erorbererftaat zu fein;dann hätte e» mtt der Regelung seiner inneren Angelegenhei-ten so vollauf zu thun, daß eS keine Zett hätte, fich um dieAngelegenheitm ftemder Länder und Völker zu bekümmem.Allein eS ist keine Au»ficht vorhanden, daß dieS bald geschehmwird. Zwar hat der Nihilismus die innere Fäulniß undMorschheit deS russtschen DeSpotlSmuS an'S Licht der Sonnengesehnt, unv e« bedarf keiner weiteren pöbelhaften Be-leidigungen."„Ich»erde jetzt nach Hause gehen," sagte Dürrrbe»,der schon bereute, so weit gegangen zu sein, denn da« ersteWort allein hätte schon den nämlichen Zweck erfüllt—„und dort so lange bleibe», bi» Sie mir Jemanden sende»,mit dem ich«ich verständigen kann. Ich erwarte aberIhre Antwort bald"— und damit drehte er fich ab undwollte die Allee hinuntergehen.Rauten blieb, auf fernen kleinen Stock gestützt, denlinken Ar« in die Seite gestemmt, stehen und sah still undsinnend vor fich nieder. Hauptmann von Dürrbeck hattefich aber kaum sich» oder acht Schritt von ihm entfernt,al«er ihn wieder annef:„Herr Hauptmann von Dürrbeck!"Dürrbeck blieb stehen, ohne sich aber umzuwenden; nurden Kopf zurückdrehend, sagt« er:„Ich glaube nicht, daßnoch»eitere Worte zwischen un» nöthig find."ohne da*„Einen Vorschlag? Mir?" rief Dürrbeck heftig au».„Schaut die Memme bei Ihnen durch?"„Sie kenne« mich zu wenig," erwiderte sein Gegner mttder nämlichen Ruhe,„und deshalb verzeih« ich Ihnen de«unwürdigen Verdacht, zu de« ich Ihnen noch keine Vera»-lassung gegeben habe. Wir sind Beide fest entschlösse»,un» den Hal« zu brechen, nicht wahr?"„Allerding«," sagte Dürrbeck finster.„Schön, dann lasse» Sie un« jetzt ruhig bereden— aberwir erregen hier Aufsehen," unterbrach er sich plötzlich,„dennwir schneiden viel zu ernsthaste Gesichter, al» daß die Vor-übergehenden an ei» fteundliches Zwiegespräch glaube«könnten. Lassen Sie un»— da« letzt« Mal r« unsere«Lebe«— hier noch ein paar Schritte ruhig zusammenhinuntergehen. Ich erkläre Ihnen dann mit wenigWorten, was ich«ein«, und e» liegt nachher nuran Ihnegenehm?nuran-Ich begreife nicht recht, wa» Sie mir«och«itzu-