Beilage zum Berliner Bolksblatt * Rr. 147 Sonnavend, den 27. Juni 1885. n. Jahrgaug. Lei Anlaß des Lrünner Streiks schreidt deZür. Post";Seit Wochen lesen wir unauZgestvt von EtreilS, Die in der alten rri: in der neuen Welt inszeniit und mit wechselndem Erfolge durchgeführt werden. Die Arbeiterbewegung scheint wieder einmal in lebhasterei Tempo übergehen zu wollen, und um nicht hinter der Zeit»mückzu- bleiben, regt fich auch die Ordnung, fie hat in Brünn ihre Sache dem Bajonnet übergeben, daS seine Aufgabe noch immer rasch zu erledigen wußte. Kommt es auch nicht immer dazu, daß dieFlinte schießt und der Säbel baut", so setzt es doch harte Worte, Weil ein« mal bei einem Fabrikanten, der als humaner Mann gilt und et ja auch wohl thatsächlich sein mag, ein Streik autdricht erhebt fich ein Konzert von Stimmen, die über schwarzen Undank klagen. Der Befitzende braucht nur bei etlichen Gelegenheiten einen stattlichen Betrag zu zeichnen oder sonst einen in die Aucen fallen» dm Wohlthätigkeitsakl>u verrichten, so beugt fich die Menge vor seinem guten Herzen und seinem Mitgefühl für die leidende Menschheit; zu untersuchen, ob etwa dieser Mildhetzigkest ein Sondetinteresse zu Grunde liegt und ob die Leistung im Per» bältniß zur Leistungskraft auch wirklich besonders nennenlwerth sei, würde als Taltlostgkelt, vielleicht als ein gemeines Begin» tun aufgefaßt. Und der Arbeiter? Er braucht nach jahrelangem, aus» fichtSlosem Mühen und Ringen nur einmal die Geduld zu verlieren und vom Grolle fich hinreißen zu lassen, gleich ver> wandelt fich die Entrüstung über seine schnöde RückfichtSlofig- keit in lange Leitartikel. Zu untersuchm, ob der Druck, unter dem«t foltwährerd leid?t, ob momentane Einflüsse sein Be­ginnen, wenn nicht rechtfertigen, so doch vollauf entschuldigen, VaS fällt Numanden ein. Die Verehrung für die Gewalt ist in unserm Geschlechte viel zu groß, um einer gerechten Auf- fossvng Raum zu lassen. Die Macht geht vor Recht nicht allein in der Politik, sondern auch auf sozialem Felde. Wer da meint, gleich von Mangel an fistlichem Bewußt- sein zu reden, wo einUndank" vorliegt, der nehme fich die Mühe, zu denken, daß der Arbeiter, dem man ja in der Schule, in der Kirche, in Ralhisälen und auf VolkSversammlungrn die Vvfitive Zustcherung gibt, daß vor dem Gesetze volle Gleichhest herrscht, die Dinge von seinem Standpunkt aus detrachtet und dieser ist ein wesentlich anderer. AlleS Gute, waS ihm von freunden seines Standes erwiesen wird recht oft in einer Weise, die ihn schmerzen muß ist eben doch stets nur ein leidlich erträgliches Dasein, aber niemals mehr und oft nicht einmal soviel. Das ist daS Höchste waS er bei anstrengmdster Thätigkeit, tagaus, tapein und jahraus, jahrein zu erreichen vermag. Wenn er dafür noch der Gnade eines Mitmenschen »«pflichtet fein soll, so ist dieS eine Zumuthung, die K«ade in ehrlichen, männlichen, gesunden Naturen Verbitterung hervorrufen wird. Man dränge doch die Schlagwörter zurück, '«stchte auf Wiederholung der üblichen Einwände und wäge M wirklichem Ernste ab. So hoch subjektiv daS humane «fahren von Arbeitgebern gegenüber den Arbeitnehmern zu schätzen ist, so sehr muß objektiv vor dem Jrrthum gewarnt werden, daß JeneS die Lösung der Fragen fördere. Diese �Labrheit mag unangenehm sein, aber alle Wahrheit wirkt befreiend. Und hüte man fich ferner, auf den Unverstand der Prole- tarier in wirthschastlichen Dingen zu schelten. Die Leute lesen nicht nur ihre Fachblätter, fie schauen auch in unsere Zeitungen, lesen von der Ohnmacht der Parlamente, von der verfehlten Gesetzgebung, von wahnstnntgen Zollplackereien, vom Zu- sammendruch stolzer Unternehmungen, von dem FiaSko national- ökonomischer Systeme, von unhaltbar gewordenen Zuständen, von ruinirten Industrien, käuflichen Führern, über Bord ge- worfenen Größen, von rasfinlrtem Schwindel, Krach und Schelmenthum; werden fie da wirklich noch glauben, daß die Well auf» Beste eingerichtet und kein Konekturversuch wünsch- bar sei?"_ D o k» t e s. r. Ungesunde Cailafraume für Dienstboten. In un- serer Stadt besteht bekanntlich die Einrichtung, daß Familien, «elcke Dienstboten halten, fich bei hiefizen Krankenhäusern Eine Vergnügungsreise. Nach dem amerikanischen Original von F. I. , übersetzt von Viktor Schwarz. Meine liebe Milly I Zwei Jahre find vergangen, seit ir Beide unser liebe» alte» Pensionat verlasse« haben und dieser Zeit hast Du mich beständig mit Versprechungen re» baldigen Besuch» hingehalten. Ich bin im Ganzen ne sehr geduldige Natur, aber einmal hat auch mein« ingmuth eine Grenze und somit erwart« ich Dich mit aller estimmtheit im Laufe der nächsten Woche. Zugleich theile i Dir mit, daß Du mindestens sechs Wochen be» mir au»- ilten mußt unsere sämmtlichen Bekannten veranstalten alle, Liebhabertheater, Dilettantenkonzerte». und ich nke. Du wirst nicht abgeneigt sein, Dich an allen vor- mmenden Vergnügungen aktiv zu betheiligen. Theile ir umgehend mit, wann ich Dich erwarten darf und sage einer lieben Mutter, daß ich ihr schon im Voraus sehr inlbar für die leihweise Ueberlassung Deiner kleinen erson bin... Alles Weitere mündlich wie immer eine Dich ungeduldig erwartende Ellen Rutherford." Milly Thorn, eine allerliebste Blondine mit lachenden aue» Augen, reichte den Brief, nachdem fie denselben ge« s»n, ihrer Mutter und sagte lebhast:Diesmal soll Ellen it mir zufrieden sein nicht wahr, Mama, ich darf ch Newyork reisen?"Gegen den Besuch hätte ich nicht« «zuwende»," entgegnete Mr». Thorn bedenklich,aber ! Reise"Aber Mama heutzutage heißt»ine Reise r nicht» mehr," rief Mllly zuversichtlich,alle mein« Kundinnen haben schon»est größere Reisen unter« mme», al« die in Frage stehende und ich bin doch auch n Kind«ehr im September habe ich meinen acht- ,nt«n Geburtstag gefeiert."Al« ich jung war," sagte ' Mutter kopfschüttelnd,hielt man e« nicht für an« »big, ein junge» Mädchen ohne Begleitung reisen zu Ten."Ja, da» war damals, aber heute ist man wert »iger ängstlich," sagte Milly lachend:w««n ich den ühzug benutze, bin ich um zehn Uhr in Albany und um elf Uhr weiter nach Newyork, wo ich um 6 Uhr jtreffe. Ellen wohnt ganz nahe am Bahnhofe und Du »st also, daß«ir absolut Nicht« nustoßen kann." « Gotte» Namen," nickte die Mutter;ich gönne davon und nachdem Milly eine» ihre Mitpassagiere geworfen, rostgen Zukunftsträumen, welche jugend find.Obgleich Ellen ireibt," so ungefähr war ihr Gedankengang,bin ich fest davon überzeugt, daß ihr Bruder zufällig zu Hause ist. O, fie denkt unendlich schlau zu sein ich möchte zehn gegen ein« wetten, daß fie mir gleich bei«einer Ankunft«ittheilt, der Kapitän habe ganz unerwartet Urlaub erhalten und sie freue sich, un» endlich mit einander bekannt machen zu können! Schon in der Pension hatte fie fich'S in den Kopf gesetzt, ich müsse ihre Schwägerin«erden, und je ärgerlicher ich wurde, desto fester beharrte fie auf ihre« Plan! Al» ob ich eine Marionette wäre, die sich nach Belieben bin« und Herschieben ließe o nein, ich danke dafür, einen Mann zu Heirathen, der kein andere» Verdienst hat, al« der Bruder«einer Freundin zu sein!... Ob er»»klich ei« solcher Au«bund von Geist und Schönheit ist, wie er«»«ach Ellen'« Schil- derungen sein soll? Nun, wenn ich ihn sehe,»erde ich geien einen bestimmten Jahresbeitrag abonniren, wofür der Dcnsibote dieser Familie in allen«rankheitsfällen ärztliche Bcpandlung und Aufnahme in der betreffendtn Anstalt erhält. Nun ist e» aufgefallen, daß von den jährlichen Typhu», Pockm. und ähnlichen Erkrankungen, die infolge andauernden Einathmen» ungesunder, verdorbener Luft zu entstehen pflegen, ein ganz auffällig großer Theil auf solche abonnitten Dienst- boten entfällt. Im weiteren Zusammenhange hiermit dürfte die oft gerügte Art und Weise stehen, in welcher bei vielen, auch bei wohlhabenden Familien, die Dienstboten untergebracht werden. Räume, welche der Frau deS Hause» zu schlecht er- scheinen, um Vorräthe darin aufzubewahren, weil dieses darin vrrderben könnten, werden immer noch al» gut genug zum Schlafraum für dai Dienstmädchen erachtet; od diese darin körperlich verdirbt, ist für manche Madam leider nur zu oft eine Frage von ganz untergeordneter Bedeutung. Wenn eine Wittwe, um die bei Lebzeiten ihre» Manne » gemietheten theuren Wohnräume auszunutzen, an Echlafleute vermiethm will, so muß sie nachweisen, daß diese Räume gesund, ge- nügend mit Lichtöffnungcn versehen und von genügendem räumlichen Umfange find, und es bestehen für alle diese Fälle zahlreiche Polizeivorschrifien. Darum, wie die Dienstboten bei reichen und vornehmen Herrschaften untergebracht werden, kümmert fich kein Mensch. Und e» muß in dieser Beziehung sehr traurig in Berlin aussehen, denn ein altkonserr ativer Landrath konnte im preußischen Abgeordnetenhause vor einiger Zell in der ihm eigrnlhümlichen Betonung behaupten: In demselben Maße, wie in Berlin die vorderen Räume der Wohnungen schmuckvoll und elegant werden, wird in dem hintersten Räume der Hängeboden für daS Dienstmädchen kleiner und ungesünder. Man sollte allerseits energisch daran gehen, diesen menschenunwürdigen Zuständen ein Ende zu machen. b. Sehr interessante Verwandlungen lassen fich an den amerikanischen Rückwanderern auf dem Bahnhofe Friedrich- straße wahrnehmen, welche jetzt hier zahlreich eintreffen, weil die Geschäfte drüben ebenfall» schlecht gehen. Die Leute: pol- Nische Juden, galizische Arbeiter u. vgl., find vielleicht nur einige Monate drüben ge-vesen. Aber bei der Rückkehr sehen fie seltsam verwandelt au». Den Kaftan, die Schmachtlocken, die nationalen Trachten, in denen fie auszogen, find ver- schwunden. Sie waren durch den Gebrauch zerlumpt, und nothgedrungen mußte der Träger fich bei einem Trödler drüben für einige Schillinge neu kostümiren. Da kommen sie denn zurück in den Resten de» KostümS eines Dandy, in kurzem Jacquet, Pluderhosen und Stehkiagen, die in seltsamem Widerstreit zu Haltung und Phystognomie sieben. Eine ältere Frau lief dieser Tage im Bahnhofe in einem alten Morgenrock umher, in dem fie die ganze Seereise durchgemacht hatte. Ja, im Winter kam es vor, daß eine solche Rück- wanderin in Schnee und Ei» mit einem buntbeblümten Stroh- Hut einherstolzirte. Die Zahl der polnischen Passanten von und nach Amerika sei übrigen» so groß, daß mir Rücksicht aus fie im Bahnhof Fiiedrichfiraße ein polnisch sprechender Schutz- mann stationirt ist. g. Seitens de« hiesigen Polizeireviervorstände finden jetzt wiever genaue Revistonen in den Fabrikstätten dahin statt, od die Pausen in der TagcSarbeit von den jugendlichen Ar» beitern und Arbeiterinnen auch vorschriftsmäßig inne gehalten werden. HanSsnchnng. Bei dem Bettragsammler der Mttglied- schaft Berlin l der Vereinigung deutscher Metallarbeiter Herrn Paul Behrnv, Reinickendorferstr. 60, III, wurde in der Mit- tagSstunde am 24. d. M.»ine Haussuchung nach verbotenen Schriften vorgenommen. Ein Resultat hatte die Haussuchung nicht. I« der Volksversammlung, welche am Mittwoch in Sanssouci tagte, hat der Ueberjchuß der Tellersammlung die Summe von 95 M. 27 Pf. ergeben, welche ihrer Bestimmung gemäß an die streikenden Maurer abgeführt find. R Eiue aufregende Szene spielte fich vorgeßem Abend egen 7 Uhr aus dem Hippodrom hinter dem zoologischen 'arten ab. Ein durchgegangene» Reitpferd stürmte aus dem Thiergarten in gestreckter Karriere auf den erwähnten Reitplatz, drohend, die hier spielenden Knaben niederzurennen. Da» Pferd jagte so schnell heran, daß die Knaben die ihnen drohende Dir die Reise und die in Aussicht stehenden Ver- anügungen von Herzen und hoffentlich läuft ja die Reise glücklich ab. Wann gedenkst Du denn in Newyork einzutreffen, Milly?" Wenn ich«it meinen Vorberertunge» fertig»erde, möchte ich zu Anfang der Woche, Montag oder Dienstag reisen," meinte Milly;Donnerstag hat die Familie Ruther- ford ihren wöchentlichen Empfangabend und dann kann ich gleich die Bekanntschaft der nächsten Freunde de« Hause« machen." Mr». Thorn war einverstanden und die nächsten Tage vergingen in eifrigen Reisevorbereitungen. So Milly jetzt wüßte ich Nicht» weiter zu er- innern. Wenn Du Gelegenheit hast, in Albavy zu früh- stücken, thue e» jedenfalls hüte Dich vor Zug und sei vorsichtig im Anknüpfen von Reisebekanntschaften. Horch da läutet e» zur Abfahrt leb« wohl mein Liebling und gieb mir bald Nachricht." Sei unbesorgt Mama ich»erde stets an Deine Ermahnungen denken. Adieu, ich schreibe sofort nach«einer Ankunft in Newyork ." Der Zug brauste flüchtigen Blick auf überließ sie fich den ei« Privileg der kein Wort davon si Gefahr erst erkannten, als daS schnaubende Roß ibnm ganz nah war. Mit seltener Geistesgegenwart warf fich ein Knabe, der dem Pferde nicht mehr auSbiegea konnte, auf den. Boden, ein Sprung und der Rappe jagte, ohne Jemand verletzt zu haben, weiter, bis e» mehreren Offijieriburschen gelang, Dasselbe wiedereinzufangen- Zeutral-Theater. Das lebhafte Interesse deS Publikum» für das Hamburger plattdeutsche Ensemble bekundet fich tag» täglich trotz der tropischen Hitze durch einen immer noch regen Besuch. Lotte Mende , Ottllie Eckermann, Carl Schulde und Heinrich Kinder wirken aber auch durch ihre reizende Natür« lichkeit, durch ihren köstlichen, liebenswürdigen Humor, wie auch durch drastische Komik in solch packender Weise, daß die Be- sucher deS Zentral-Theater» au« dem herzlichen, meist gar stürmischen Beifall nicht herauskommen. In der nächstfolgen- den, zugleich letzten Woche ihres Hierseins, haben fich die un» so lieb gewordenen Gäste de» plattdeutschen Ensemble» ent- schloffen, den vielfach ausgesprochenen Wünschen de» Publikum« in der Art gerecht zu werden, daß fie daS jetzige Zugstück Hamburg an der Alster" mit dem nicht minder wirksamen LolalschwankHamburger Leiden" abwechseln lassen. Morgen, Sonntag, findet somit die letzte SonntagSaufführung von Hamburg an der Alster" statt. Polizei-Vericht. In der Nacht zum 25. d. M. deabstch« tigte ein Mann in der Ltnienstraße fich das Leben zu nehmen, indem er fich zuerst zu erhängen versuchte, sodann, al» ihm dieS nicht gelang, fich mit einem Taschenmesser einen Schnitt in den Hals beibrachte und endlich auS dem Fenster seiner 3 Treppen hoch belegenen Wohnung springen wollte. Er wurde als geistesgestört nach der Charttee gebracht. Am 25. d. M. Morgen» wurde der bei dem Abbruch der Gebäude auf dem Grundstück Wilhelmsstraße 10 beschäftigte Arbeiter Schwirblat von einer plötzlich umfallenden, anscheinend nicht genügend ab« gesteift geraeienm Fundamentmauer verschüttet. Er wurde je« doch, ohne Schaden genommen zu haben, unter dem Schutt hervorgezogen und konnte seine Arbeit fortsetzen. Am Vor­mittage dessesben TageS wurde der Maler Schmidt, als er wegen Unwohlsein» aus der Rouleaux-Fabril Freienwalder- straße 13 fich nach seiner Wohnung begeben wollte, vor der Thür der Fabrik plötzlich vom Herzschlage getroffen und ver« starb auf der Stelle. Um dieselbe Zeit wurde eine Frau in ihrer in der Grenadierstraße belegenen Wohnung erhängt vor- gefunden. Die Leiche wurde nach dem Obduktion Shause ge- schafft. Am Nachmittage gerieth in der KrystalleiS-Fabrik Pankstraße 18 der Schlosser Hinz bei Rcvifion einer Wasser- pumpe mit der rechten Hand in die Zahnräder, wobei ihm vier Finger zerquetscht wurden. Er wurde nach dem Augusta- Holpital gebracht. An demselben Tage Abend» fiel der 9 Jahre atte Sohn der Gefindevermietherin Bernau, Büsching- straße 8, auf dem Fahrdamm vor dem Nachbarhause zur Erde und erlitt dabn am linken Unterarm durch Glasscherben so schwere Verletzungen, daß er nach Anlegung eine» Nothver- bandes nach dem Krankenhause im Friedrichshain gebracht wer- den mußte. Ob die Glasscherben dort gelegen, oder od der Knabe ein GlaS oder eine Flasche getragen, tonnte nicht fest- gestellt werden._ GeriMs-Ueituvg- y. Eine« Jux wollte« fie sich mache«. Am Abende deS 23. März d. I. befanden fich zwei Gäste eine» in der Pallisadenstraße 69 befindlichen Raustaurants, der Steinsetzer Paul Hauch und der Tischlergeselle Franz Ehrlich, auf dem Hofe de» genannten Grundstücks und wurden hier zufällig Ohrenzeugen einer Szene, die fich auf dem Hausflur abspielte. Der Vizewirih hatte dort nämlich ein Liebespaar, welche» nicht in» HauS gehörte, aufgestöbert und auf die Straße ver- wiesen. ES waren hierbei natürlich auf beiden Seiten erregte Motte gefallen. wodurch den beiden unfteiwtlligen Lauschern die Situation klar gemach l worden war. Die» selben beschloffen, sofott da» Gehörte zu einem, wie sie behaupteten, harmlosen Scher» auszubeuten und gingen auch sofott an die Ausführung. Sie folgten dem von ihrem Bräu- tigam bereit» verlassenen Mädchen und Hauch setzte so viel ihm möglich war, eine würdevolle Amtsmiene auf, als er demselben in barschem Tone die MUtheilung machte, er sei Kriminal- bald genug entdecken, ob seine Schwester zu viel oder zu wenig von ihm gesagt hat der Photographie, welch« «ir Ellen noch in der Pension schenkte, wird er kau« mehr ähnlich sehen, den« seitdem sind etliche Jahr« verstrichen." Milly zog ihr elegante» Taschenbuch von rothem Saffian heraus und entnahm demselben die Photographie eine» jungen Manne» von etwa zwanzig Jahren. Da» Gesicht war noch bartlo» und hatte einen knabenhaften Au»druck, nur die dunkle« Augen waren auffallend schön und der Blick derselben deutete auf einen festen, entschlossenen Charakter, Milly be- trachtete da« Bild nachdenklich in jedem Fall versprach ihr Aufenthalt in Newyork angenehm und interessant zu «erden und Ihre weiteren Erwägunge» erlitten einen plötzlichen Stoß der Zug hatte Albany erreicht und die Passagiere eilten dem Stationsgebäude zu, um Billets zur Weiterfahtt nach verschjedenen Richtungen zu lösen. Milly stand ein- gekeilt in ver Meng« sie konnte sich weder vor- noch rückwärt« bewegen und wartete sehnlichst auf den Moment, in welchem sie an den Billetschalter gelange» werde. Sie hatte indei hinreichend Muße und Gelegenheit, praktische Studien über die Wahrhert der Behauptung, daß der Mensch der verkörpett« EgoiSmu » sei, zu mache» de- ständig wurde fie zurückgedrängt, bei Gerte geschoben und von anderen Reisenden überholt, und al« sie endlich athemlo« am Schalter stand, war da« Taschmbuch, in welchem fich ihre Baarschaft befand, verschwunden ver- «uthlich hatte ein Langfinger die Gelegenheit benutzt, sich auf anderer Leute Kosten zu bereichern. In Heller Verzweiflung blickte Milly umher wa« sollte sie nun beginnen? Freundlo», allein, ohne einen Pfennig Geld, stand fie in der fremden Stadt mit fataler Deutlichkeit entsann fie fich die Prophezeiungen ihrer Mutter, die fie verlacht hatte, und sich ihrer unbehaglichen Situation voll bewußt werdend, brach fie in Thränen au». In diesem Augenblick trat ein junger Mann, dessen Haltung, trotz der eleganten Zivillleidung, den Soldaten verritth, an da« schluchzende Mädchen heran und fragte höflich: Gnädige« Fräulein kann ich Ihnen in irgend Etwa» behilflich sei«? Sie scheinen hier fremd und in Bedräng- niß zu sein erlauben Sie mir, mich Ihnen zur Ver- füzuug zu stellen I" Milly trocknete hastig ihre Thränen